Löwenkopf?

Keltische Münzen

Moderator: Numis-Student

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harald
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Löwenkopf?

Beitrag von harald » Do 15.05.08 16:45

Diese Kleinsilbermünze unterscheidet sich auf den ersten Blick durch ihre Schrötlingsgröße und ihr Aversbild.
Der Durchmesser beträgt lediglich 5 mm und der überdurchschnittlich dicke Schrötling weist an beiden Seiten eine starke Wölbung auf.

Gewicht: 0,51Gramm, guthaltiges Silber

Mir ist keine weitere keltische Silbermünze mit dieser geringen Größe bekannt.
Die Aversabbildung erinnert an einen Löwenkopf nach links mit aufgerissenem Maul und heraushängender Zunge.

Der Revers zeigt ein nach links trabendes Pferd, welches auf Grund der geringen Schrötlingsgröße nur zum Teil sichtbar ist.
Über dem Pferderücken weist der Schrötling einen wohl herstellungsbedingten Gußfehler auf.

Vielleicht findet jemand von Euch eine Parallele zu dieser Münze.

Gruß
Harald
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Unbenannt K.S.JPG

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biatec
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Beitrag von biatec » Mo 19.05.08 19:08

Hallo Harald,

der Schrötling sieht aus wie von einer griechischen Münze - das Av ebenfalls.

Das Pferd hingegen ist eindeutig keltisch.

Kann ev. ein Kollege mit besserem "griechischen" Wissen helfen - ich denke da an taurisker.

LG

biatec

taurisker
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Beitrag von taurisker » Di 20.05.08 10:44

Kann ev. ein Kollege mit besserem "griechischen" Wissen helfen - ich denke da an taurisker.
Mercidanke für die Blumen ;-) wenn das Stück griechische Vorbilder gehabt haben soll, dann erinnert mich das Pferd ein wenig an die frühesten Obolprägungen aus Makedonien (Zeit d. Perdikkas) und Thessalien zB. hier: http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 3&Lot=1333

Die andere Seite muss nicht unbedingt einen Löwenkopf abbilden, wenn man die Münze um 180° dreht, gewinnt man den Eindruck, dass zwei "Körper" abgebildet sind zB. Gans und Eidechse, mich erinnert das ein wenig an Kleinstprägungen aus Eion zB. hier nur mit Gans, das käme auch vergleichbar nahe: http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 18&Lot=114 und hier eine Variante mit Eidechse: http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 41&Lot=597

Wenn es denn eine keltische Nachahmung von griechischen Vorbildern ist, dann würde ich jedenfalls die frühen Nachbarn mit Münzprägung aus den angrenzenden Gebiete in Betracht ziehen, also Makedonien, Thrakien, Thessalien etc. Zeithorizont für die griechischen Münzen wäre ca. 450-350 vuZ.

Salü
taurisker

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harald
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Beitrag von harald » Mi 21.05.08 09:47

Werde mich weiter auf Spürensuche begeben.
Auch ich bin der Meinung, dass einige dieser Spuren zu den Griechen führen.
Der Fundort ist wieder Mal nördliches Niederösterreich.

Nochmal herzlichen Dank an alle für die vielen Hinweise.

Grüße
Harald

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harald
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Prägestempel

Beitrag von harald » Mi 21.05.08 10:07

Obwohl das Roseldorfer Kleinsilber neben Österreich auch in Mähren und nach neuersten Informationen auch sogar in Polen in beträchtlicher Anzahl gefunden wird, ist dieses Stück der erste deffinitive Nachweis für eine Prägung in Österreich.

Prägestempel für den Typ Roseldorf II

Länge: 24,43mm
Bildseite: 9,15- 8,79mm
Schlagfläche: 15,60-14,37mm

Die Schlagseite zeigt deutliche Abnutzungsspuren.
Die Oberfläche ist gestaucht und die Normaldicke des Schaftes beginnt erst nach etwa 6mm.
Bei einer Untersuchung des Bildfeldes konnten in den Vertiefungen Silberreste festgestellt werden.
Der Stempel wurde für das Reversbild einer späteren Variante des Typs RII verwendet.

Der Fund eines keltischen Prägestempels ist für mich insofern nicht überraschend, da alleine in Deutschland um die 40 Stück in den letzten 15 Jahren gemeldet wurden und die Dunkelziffer noch weitaus höher sein dürfte.

Erstpublikation: G. Dembski in MÖNG Band 47, 2007, Nr. 4, S164-165

Grüße
Harald
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Eisen.JPG
Prägestempel.JPG

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Beitrag von klosterschueler » Mi 21.05.08 10:10

Servus Harald!

Nur dass ich ein Gefühl dafür kriege: Wieviele Münzen konnte man mit so einem Stempel schlagen? Und wurde der dann wieder "aufgepeppt" (=nachgeschnitten) oder neu gemacht?

Klosterschüler
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harald
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Beitrag von harald » Mi 21.05.08 11:06

Nach Castelin, Goldprägung S88 war die Lebensdauer von vielen Faktoren abhängig:

Dem Material des Stempels (gehärtetes Eisen, Eisen mittlerer Qualität, Bronze, Zinnbronze und Kombinationen)
Dem Material der Schrötlinge
Dem Erhitzungsgrad der Schrötlinge zum Prägezeitpunkt
Der Tiefe des Reliefs und der damit verbundenen Schlagstärke des Hammers

Colbert de Beaulieu nimmt auch an, daß die Stempel für kleinere Nominale eine längere Lebensdauer hatten, was logisch nachvollziehbar ist.
Er nimmt bei den Billon- Stateren des nordwestlichen Gallien eine Prägezahl von 750 Stücken des Aversstempels an.
Für Viertelstatere schätzt er eine Zahl von 2250 Stück.

Für Kleinsilber kann man analog dazu von einer Ausprägung zwischen 3000 und 5000 Exemplaren ausgehen.
Nach deren Abnutzung wurden die keltischen Stempel wieder "geschärft",
indem man an den wichtigen Teilen Kugelpunzen und Punzen mit anderen Bilddetails einsetzte.
Der Rest wurde händisch nachgeschnitten
Ziegaus konnte am Beispiel des Manchinger Kleinsilbers den ausschließlichen Einsatz von Punzen zur Neugestaltung abgenutzter Stempel nachweisen.
Im Gegensatz zu den Römern, kann man davon ausgehen, dass so mancher keltische Prägestempel bis zu einem halben Jahrhundert verwendet wurde und dabei zahlreich Veränderungen am Bildfeld vorgenommen wurden.

Viele Grüße
Harald

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Beitrag von klosterschueler » Mi 21.05.08 11:28

Lieber Harald!

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort.

Klosterschüler
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Beitrag von kollboy » Mi 21.05.08 11:29

mannomann, der ist ja top erhalten! leider sieht man das stempelfeld nicht gut genug auf dem foto: lässt sich genau feststellen, welche variante von roseldorf II damit geprägt wurde?

und sind nicht auch tüpfelplatten der nachweis für münzprägung, oder wurden mit diesen auch andre sachen hergestellt als schrötlinge?

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Beitrag von harald » Mi 21.05.08 11:49

@kollboy
sorry, ich habe mich schlecht ausgedrückt!
Eigentlich meinte ich, dieser Prägestempel ist der erste Nachweis für eine Prägung des besagten Kleinsilbers in Österreich.

Es dürfte sich um eine Variante zum Typ 16 handeln.

Mit den Tüpfelplatten wurden ausschließlich Schrötlinge gegossen.
Als Variante zu diesen Gußformen gibt es aus Roseldorf und von einer Fundstelle in Schlesien Nachweise von Keramikfragmenten, welche sekundär mit einer Wölbung versehen wurden um den gleichen Zweck zu erfüllen.
Tüpfelplatten wurden noch keine in Roseldorf gefunden.

Grüße
Harald

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Beitrag von payler » Mi 21.05.08 12:14

Erlaube mir eine Frage dazu!
Ist es bekannt wo die Kelten in unserer Umgebung - Österreich - das Silber für die Münzen abgebaut haben, oder "nur" durch den Tauschhandel an das Silber gekommen sind?

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harald
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Beitrag von harald » Mi 21.05.08 13:05

Obwohl in Österreich einige Silberbergwerke existieren, ist deren archäologischer Nachweis bis in die La- Tenezeit meines Wissens bis jetzt noch nicht gelungen.

Aus Kostengrunden gibt es leider kaum Materialanalysen von keltischen Silbermünzen aus Österreich, sodaß dieser Nachweis sich leider auch erübrigt.

Der Fundanteil von zerhackten Tetradrachmen als Fremdwährung auf ostösterreichischen Siedlungsstellen weist eher darauf hin, daß ein Teil des benötigten Silbers in dieser Form beschafft wurde.

Desweiteren finden sich auch kleinere Silberbarren, welche leider ebenfalls noch nicht auf ihren Metallgehalt analysiert wurden.
Ich würde annehmen, daß sowohl ein Teil des benötigten Silbers in Barrenform, als auch als Fremdmünzen den Bedarf einer Prägestätte erfüllten.

Wie schon erwähnt, genauere Aussagen lassen sich erst nach umfangreichen und kostenintensiven Materialanalysen treffen.

Grüße
Harald

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Beitrag von payler » Mi 21.05.08 13:11

Danke Harald für die Info!

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