Wer kann bei einer Bestimmung helfen???

Keltische Münzen

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hotzenplotz
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Wer kann bei einer Bestimmung helfen???

Beitrag von hotzenplotz » Sa 09.08.08 00:04

Vor fast 200 Jahren wurde die abgebildete keltische Goldmünze in der Nähe von Meiningen gefunden.
Kellner/Neumann (Die kelt. Münzfunde in Mitteldeutschl., In: Ausgrabungen und Funde, H. 5, 1966, S. 259) bestimmen diese Münze als "Stark stilisierten Goldstater vom Athena-Alkis-Typus, wie Paulsen , 1933Taf. 6, 39; H. de la Tour, 1892, 9370. Gew. ca. 687g".
Um mehr Informationen über diese Münze zu erhalten, habe ich im CoinArchives unter Stater+Athena-Alkis nachgeschlagen, aber die dort gezeigten Exemplare haben keine Ähnlichkeit mit der unten abgebildeten Goldmünze.
Mich interessiert zu dieser Münze nun Folgendes: Welchem keltischen Stamm oder Gebiet ist die Münze zuzuschreiben, aus welcher Zeit stammt sie und ist die Einordnung in diesen Typus richtig? Existiert im Netz irgendwo ein Foto, wo man mal sich ein Original dieser Münze anschauen kann? In welcher Literatur kann ich weitere Informationen über dieses Stück finden? ...
Viele viele Fragen - ich würde mich freuen, wenn mir jemand eine Antwort geben könnte.

Gruß
hotzenplotz
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harald
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Beitrag von harald » Sa 09.08.08 11:08

Hallo Hotzenplotz!

Keine einfach zu beantwortende Frage, die Du da stellst.

Da es sich bei dieser Münze offensichtlich um ein Unikum handelt, ist es nicht verwunderlich, dass sie in coinarchives nicht zu finden ist.
Dabei handelt es sich um eine Auflistung von Münzen, die in den letzten Jahren von den großen Auktionshäusern versteigert wurden und ich nehme an diese befindet sich in einer öffentlichen Sammlung.

Mit der Zuordnung zu den Boiern bin ich nicht ganz einverstanden.
Wenn überhaupt dieses Exemplar irgend einen Bezug zu dem boischen Athena Alkis Typ haben sollte, dann nur indirekt als Prägung einer mit den Boiern verwandten Sonderreihe.
Wenn Du den Avers um genau 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn drehst, erkennst Du einen Kopf mit in wellenförmigen Ornamenten aufgelöstem Haar.
Diese Darstellung ist vom Typ her eher westkeltisch.
Möglicherweise war der Grund des Versuches einer Zuordnung zu den Boiern durch Kellner, das aufgelöste Reversbild, welches entfernt an eine Weiterentwicklung der Drittelstatere mit Athene Alkis erinnert.
(siehe Paulsen 1974, Taf. 6, 101-108)

De la Tour kennt ebenfalls nur dieses Exemplar, also offenbar ein Einzelstück.
Das niedrige Gewicht spricht eher für eine süddeutsche oder mitteldeutsche Prägung.
Bei seltenen keltischen Prägungen und auch bei Einzelstücken ist eine Zuordnung zu einem bestimmten Stamm fast unmöglich.
Diese Zuordnung ist auch bei häufigeren Prägungen nicht immer mit hunderprozentiger Sicherheit zu beantworten.

Da die Kelten fast immer im gleichen Zeithorizont einen ähnlichen Gewichtsstandard verwendeten, kann man bei dieser Prägung relativchronologisch von einer Datierung um ca. 110 - 60v. Chr. ausgehen.

In meiner Privatliteratur konnte ich diese Münze nur bei De la Tour finden.

Ich werde mich nächste Woche in der Bibliothek des Münzkabinetts im KHM auf die Suche machen und geb Dir Bescheid, wenn ich zusätzliche Details gefunden habe.

Gruß
Harald

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hotzenplotz
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Beitrag von hotzenplotz » Sa 09.08.08 13:35

Hallo Harald,

ganz herzlichen Dank für Deine umfassende Antwort. Deine Informationen haben mir sehr geholfen.
In der Tat ist auf dem Avers ein Kopf zu erkennen. Ich habe das Bild mal gedreht und hänge es nochmals an.
Es ist wirklich ein interessantes Münzlein mit vielen offenen Fragen....
Ich melde mich noch einmal bei Dir.
Nochmals vielen Dank und ein schönes Wochenende

hotzenplotz
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Orgetorix
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Beitrag von Orgetorix » Mi 13.08.08 11:23

Hallo Hotzenplotz,
leider konnte ich auch keinen Hinweis auf weitere Exemplare dieses Stater-Typs finden, abgesehen von dem einen Stück in der Bibliothèque Nationale, Paris.
Auch Robert Forrer beschrieb im Jahre 1908 dieses Exemplar in seinem Werk "Keltische Numismatik der Rhein- und Donaulande".
Ich zitiere R. Forrer hier kurz in drei Abschnitten:

"... Die andern Nikestater dieser Gruppe sind alle wesentlich leichter: Am nächsten kämen mein Mainzer Stater Fig. 486 mit 5,935 und der schon rohe Pariser Nikestater No. 9370 (De la Tour pl. XXXVIII) mit 5,95g [?]. Dann folgen meine Fig. 359 mit 5,735 g und das ganz verwandte Pariser Exemplar mit 5,48 g [BN No. 9376 ?]. Hieran schliessen sich ..."

"Würde man mir die Aufgabe stellen, diese germanischen Nikestater zu lokalisieren, so würde ich sie den Hermunduren Mitteldeutschlands zuweisen: Wie diese Nikestater typologisch sich zwischen die am Rhein gefundenen Kleinsilber- und Bronzemünzen der Nemeter, Vangionen etc. und zwischen die Nikestater Rätiens stellen, so bildeten die Hermunduren das volkliche Mittelglied zwischen den am Rhein ansässigen Germanenstämmen und den Rätiern Südost-Deutschlands. Und wenn diese germanischen Nikestater durch ihre den rätischen Nikestatern entlehnten Gepräge auf einen engeren Verkehr zwischen den beiden prägenden Völkern schliessen lassen, so harmoniert das auffallend mit dem regen Handelsverkehr, welcher nach Tacitus die Hermunduren mit Rätien verband. ... "

"In den Rahmen dieser 'Hermundurengepräge' fällt m. E. auch das Goldstück Abb. 490 (Revue num. franç. 1869, De la Tour No. 9370 der Pariser Nationalbibliothek). Der Helm des Pallaskopfes hat sich hier haarartig deformiert, die Nike sich zu einer überaus rohen menschlichen Figur aufgelöst, die aber doch noch die Flügel der einstigen Nike andeutet. Auch das geringe Gewicht von 5,95 g zeigt die enge Verwandtschaft mit jenen späten Nike-Statern. "

- Zitate aus: Robert Forrer, Keltische Numismatik der Rhein- und Donaulande, Ergänzte Neuausgabe, Band 1, 1968, Seiten 288-289.

Ich hoffe, diese Aussagen können Dir bei den Nachforschungen über diese interessante und seltene Münze noch etwas weiterhelfen.

Gruss
Orgetorix

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Beitrag von hotzenplotz » Mi 13.08.08 22:19

Hallo Orgetorix,

ganz herzlichen Dank für Deine Recherche. Diese Literaturquelle (und auch die Existenz eines Pariser Exemplars) waren mir noch nicht bekannt. Die Aussage von Hrn. Forrer macht mich (der ich auf diesem Gebiet völlig unbeleckt bin) schon etwas ratlos... Forrer geht bei diesem Stater, den ich aus der Literatur als einen Kelten kannte, von einer germanischen Münze aus? Ist das auch noch nach 100 Jahren die gültige Meinung?
Nochmals herzlichen Dank und freundliche Grüße

hotzenplotz

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Beitrag von Orgetorix » Do 14.08.08 00:45

Hallo Hotzenplotz,
wenn ich die von Dir gezeigte Skizze mit den Zeichnungen in De la Tour (1892) und Forrer (1908) vergleiche, bin ich mir sicher, dass als Vorlage ein und dasselbe Stück gedient haben muss; wohl das einzig bekannte, wie Harald schon erwähnte. Dieses Exemplar befindet sich offenbar heute in der Sammlung der Französischen Nationalbibliothek in Paris. Ich würde Dir empfehlen, Dich an jene Institution zu wenden, um genauere Informationen über diese Münze und eventuell ein Foto davon zu erhalten.

Was Forrers Zuordnung zum germanischen Stamm der Hermunduren angeht, kann ich Dir auch nichts Genaueres sagen. Er scheint aber De la Tour's Ansicht weitgehend geteilt zu haben.
Natürlich können numismatische Erkenntnisse nach 100 Jahren durch weitergeführte Nachforschungen und Neufunde überholt sein. Ohne solche Fortschritte dürfte es allerdings bei diesem offenbar unikaten Stück schwierig werden, die alten Theorien zu widerlegen.

Hoffentlich kann Dir Harald mit zusätzlichen Informationen noch weiterhelfen. Bitte halte uns über Deine äusserst interessanten Nachforschungen auf dem Laufenden.

Schöne Grüsse
Orgetroix

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Beitrag von harald » Do 14.08.08 07:52

In der Zeit Forrers ging man davon aus, dass jeder germanische Stamm eine eigene Münzprägung besaß.

Was dazu führte, dass viele der von ihm unter germanisch publizierten Münzen mittlerweile einem keltischen Stamm zugeordnet werden konnten.

Leider wurden auch viele keltische Münzen von ihm falsch zugeordnet, wie zum Beispiel die rein boische Prägung des Typs Athena Alkis.
Sie wurde von Forrer den Rätern zugeordnet.
Seine Zuordnung dieser Münze zu den Hermunduren halte ich für wissenschaftlich nicht haltbar.
Auch heute wäre eine Zuordnung eines einzigen Exemplars zu einem bestimmten Stamm fast rein hypothetisch.

Ich bin zwar stolzer Besitzer dieser frühen Zusammenfassung der keltischen Prägungen, aber verwende sie kaum mehr.
Obwohl in der späteren Ergänzungsausgabe viele Korrekturen angebracht wurden, hat für mich diese Publikation nur mehr historischen Wert.

Grüße
Harald

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Beitrag von Orgetorix » Do 14.08.08 12:02

Hallo Harald,
natürlich hast Du recht mit der Aussage, dass viele Ansichten Forrers zwischenzeitlich korrigiert werden konnten. Nicht anders steht es um De la Tours Werk.
Ich bin aber der Meinung, dass gerade für Nachforschungen über ein solch spezifisches und in der Literatur spärlich erwähntes Thema, wie sie Hotzenplotz betreibt, keine Informationsquelle unbeachtet gelassen werden sollte, möge sie auch noch so antiquiert erscheinen.

Wie immer bei Fachliteratur, sollte eine kritische Hinterfragung und Selbstbeurteilung der gegebenen Informationen nicht fehlen. Dies kann auch bei wesentlich jüngeren Werken zur keltischen Numismatik von Vorteil sein.

Schöne Grüsse
Orgetorix

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Beitrag von harald » Do 14.08.08 12:47

Hallo Orgetorix!

Da muß ich Dir voll recht geben und ich hoffe, du hast mich nicht falsch verstanden.

Gerade die Kombination von alter mit aktueller Literatur kann manchmal den Horizont ungemein erweitern.
Außerdem finden sich sowohl bei Forrer, als auch De la Tour Typen, die man sonst vergeblich sucht.

So wie Du bin ich ebenfalls der Meinung, dass auch in der moderneren Literatur nicht alles einfach als gesichert vorausgesetzt werden kann und ein kritisches Überprüfen und Hinterfragen immer von Vorteil ist.

Wie Du sicher selbst weist, gibt es in der Erforschung der keltischen Münzen fast jährlich neue Überraschungen, die auch Korrekturen der moderneren Literatur erforderlich machen.

Genau dieser Aspekt macht die keltische Numismatik meiner Meinung nach so spannend.

Viele Grüße
Harald

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Beitrag von hotzenplotz » Do 14.08.08 16:58

Hallo Orgetroix, hallo Harald,

wiederum ganz herzlichen Dank für Eure Beiträge mit den neuen Ansätzen.
Die Anfrage in Paris könnte sicherlich nicht nur Informationen über die Münze sondern gar einen Anhaltspunkt über den Verbleib der gesamten Sammlung bringen. Das werde ich auf jeden Fall machen und Euch über das Ergebnis der Nachfrage informieren.
Nochmals vielen Dank für Eure Hilfe

Gruß
hotzenplotz

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Beitrag von hotzenplotz » Di 10.03.09 19:15

Hallo Orgetroix, hallo Harald und die gesamte Keltengemeinde,

was lange währt, wird endlich gut. Also der Tipp mit Paris war genial. Ich habe eine nette Mail aus der Nationalbibliothek und ein Bild des Pariser Exemplars erhalten. Diese Münze wird Auskunft des Bearbeiters Paulsen folgend, den Boiern zugeschrieben. Er schrieb mir weiterhin, dass ein deutscher Forscher derzeit an einer Publikation arbeitet, in der die o. g. Fundmünze vom Berg Dolmar bei Meiningen, das Pariser Exemplar und weitere Münzen aus der Gruppe der stark barbarisierten Athena-Nike-Nachahmungen untersucht werden. Desweiteren bringt der Aufsatz neue Erkenntnisse über den Freiherrn von Donop, den Besitzer dieser Münze, seine Sammlung und deren Verbleib.
Die Ergebnisse dieser Forschung werden in der Publikationsreihe "ALT-THÜRINGEN", voraussichtlich im Bd. 41 noch in diesem Jahr erscheinen.

Nochmals herzlichen Dank und freundliche Grüße

hotzenplotz

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Beitrag von Schniedelwutz » Mi 11.03.09 23:06

Die Münze als Photo,nicht als Zeichnung,wäre hier interessant,schon die Fehlstellung des Kopfes zeigt die Interpretationsprobleme des zeitgenössischen Bearbeiters.Beim Fundort wäre ich auch vorsichtig,die frühen Sammler vergangener Epochen haben oft aus Lokalpatriotismus manchen ortsfremden Stücken einen neuen Fundort erdichtet.
Reihenuntersuchungen der Legierungen Boischer Statere können hier Aufschluß bringen.Durch den unterschiedlichen Platin,Kupfer,Silber-Gehalt kann man Stücke in Rheingold etc Gruppen einteilen
Karel Castellin ist hier interessant,mit seinen Gold,Platin,Kupfer-Verteilungsdiagrammen.Hartmann hat seinerzeit die Analysen gemacht.

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Beitrag von hotzenplotz » Do 12.03.09 14:36

Hallo Schniedelwutz,

das Bild will und kann ich nicht hier einstellen. Die Rechte am Bild liegen bei der NB Paris. Es wird aber in o.g. Aufsatz veröffentlicht. Der Autor geht darin auch ausführlich auf Gewicht und Reinheit des Goldes ein.
Gruß

hotzenplotz

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Beitrag von Schniedelwutz » Do 12.03.09 15:21

Endlich mal was Spannendes.Die Statere müssten ja dann gleiche Platin/Gold Kennlinien in der Röntgenfluoreszensspektroskopie haben.Bin mal neugierig was bei dem Fall rauskommt.

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