Verrufungen ?

Alles was von Europäern so geprägt wurde
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Bertolt
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Verrufungen ?

Beitrag von Bertolt » So 16.09.07 06:41

Hallo Forum !
Wie war das eigentlich damals mit den Verrufungen ? Ich weis, sie waren ein wichtiges Begleitelement der Brakteatenprägung. Aber wie fing das an und wieso haben es dann alle Münzherren angewendet ? Weis jemand etwas näheres darüber ? Gruß Bertolt.

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welfenprinz
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Beitrag von welfenprinz » So 16.09.07 10:53

Hallo Bertold,
die Münzverrufung in Braunschweig fing mit der Brakteatenzeit um 1145 an . Die 1ten Verrufungen fanden alle 2 Jahre statt, sortierten so die beschädigten und verbrauchten anfälligen Brakteaten aus . Das heist aber auch, das selbst Bruchstücke ihren Wert erhielten, nur das Gewicht in Silber war für den Wert massgebend . Ein Nachteil war, das der Umtausch nur in Braunschweig möglich war . Der Bauer oder Handwerker abseits des Umtauschortes hiervon nicht teilhaben konnte .
Um 1168 begann die 2te Phase der Münzverrufungen . Nun wurden 2x im Jahr neue leicht veränderte Prägungen hergestellt . In neu geschafenen Marktplätzen wurden diese Brakteaten von Wächslern in die Regionen abseits Braunschweigs gebracht . So hatten nun Landwirte,Handwerker und Händler auch die möglichkeit, an der Geldwirtschaft teil zu haben und sich vom Tauschhandel zu lösen .
In späteren Münzverrufungen des 13.-15 Jahrhunderts ging es allein um den Schlagschatzgewinn, der dem Herrscher oder Stadt eine zusätzliche Einnahmequelle lieferte .

Gruss Klaus
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Bertolt
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Beitrag von Bertolt » So 16.09.07 19:38

Hallo Forum, Hallo Klaus, vielen Dank für deine Informationen. Ich versuche schon längere Zeit mich der Beantwortung einer Frage zu Nähern, an welcher sich auch schon andere vergebens bemüht haben. Es geht darum, zu Verstehen, warum Bischöfe nach einem über ein Jahrzehnt langer Brakteatenzeit ( Durch den Vorgänger ! ) wieder zur Prägung von Halbbrakteaten zurückkehrten. Dazu finde ich in einem älteren Literaturverweis folgende Textpassage : " Vom Gegenbischof Gero ( 1160 – 1177 ) kennen wir ebenfalls sowohl Halbbrakteaten als auch Brakteaten. Er steht in Bezug auf Stempelschnitt und zierlicher Darstellung seiner Gepräge hinter seinem Vorgänger nicht zurück, den auch die schlecht ausgeprägten Halbbrakteaten sind mit besonders fein gearbeiteten Stempeln hergestellt. Der Grund, warum er, wie es scheint gleich nach seinem Amtsantritt, zuerst auf zweiseitige zurückgegriffen hat, dürfte wohl der sein, das an ihnen der Begriff von längerer Dauer – sie wurden nicht wie die Brakteaten jährlich verrufen – gehaftet hat. Später mag man auch vielleicht auf Veranlassung des Kapitels oder der Handeltreibenden, durch zeitweilige Rückkehr zu der altertümlichen zweiseitigen Prägung das Vertrauen auf die Wiederkehr guter alter Zeiten haben erwecken wollen. "( Tornau Manuskript Seite 18 Städtisches Museum Halberstadt ) Bis dato war ja die Verrufung für den Bischof oder die sonstigen Prägeherren soetwas wie eine " sichere Bank " Hier lese ich aber heraus, das es durchaus auch, zumindest Ansatzweise, andere Denkanstöße gegeben hat, die Brakteatenprägung nicht als das - non plus ultra - anzusehen. Offensichtlich hat man der Zeit der Zweiseitigen ( Halbbrakteaten bzw. Dünnpfennige ) mehr Stabilität zugeschrieben als allgemein angenommen. Gibt es solche Erkenntnisse auch zu anderen Münzstätten ? Gruß Bertolt.

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Beitrag von welfenprinz » Mo 24.09.07 09:46

Hallo,
in den meisten Brakteatenfunden des Mittelalters waren in der Regel nur Brakteaten der näheren Umgebung zu finden . Die Streuung bei den Denaren verlief hier viel weitgehender .
Ich nehme an, die Brakteaten waren nur für den eigenen heimischen Geldbedarf gedacht . Die Denare und Dünnpfennige mit ihrer besseren Stabilität wurden dagegen für den Fernhandel verwendet .
Heinrich der Löwe z.B. ließ im neu geschaffenem bayrischen Handelsplatz München überwiegend Denare prägen, die für seine weitreichenden Handelsbeziehungen unerlässlich waren .

Gruss Klaus
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Verrufungen !

Beitrag von Bertolt » Mo 24.09.07 23:05

Hallo welfenprinz, im Prinzip hast du sicherlich Recht. Die Frage aber, "was haben die Brakteaten, was die Dünnpfennige nicht haben", sprich : Wieso wurden die Brakteaten Verrufen und warum die Dünnpfennige nicht ? Das konnten wir bisher nicht Klären. Gruß Bertolt

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Beitrag von welfenprinz » Di 25.09.07 08:48

Hallo Bertolt,
das liegt an der haltbarkeit der Brakteaten . Ein Brakteat hatte im Schnitt eben nur eine Lebensdauer von ca. 2 Jahren . Oft wurden die Brakteaten halbiert oder geviertelt, der einfache Bürger hatte nicht das Vermögen, grosse Mengen an Brakteaten anzuhäufen . Die Kaufkracht eines Pfennigs war für viele kleine Geschäfte zu groß . Für einen Pfennig gab es ca. 15-20 Eier oder 4-5 Roggenbrote . Die Prägekosten von Hälblingen waren im Verhältnis zum Nutzen zu hoch . Den Schlagschatz, eine zusätzliche Tauschgebühr gab es in der 1.Hälfte der Brakteatenzeit meines Wissens nicht . Daher gibt es für Braunschweig nur wenige bekannte Hälblinge . Erst um 1180 als Lüneburg zur Prägestätte wurde, wurden hier die halben Pfennige geprägt .

Ein weiterer Grund für die Verrufungen könnten die Fälschertätigkeiten betreffen . Der Besuch des Jahrmarktes war mit der Münzverrufung verbunden . So wurde sichergestellt, das nur die guten neuen Münzen im Umlauf waren .

Gruss Klaus
Zuletzt geändert von welfenprinz am Di 25.09.07 09:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Dietemann » Di 25.09.07 09:05

Also ich kenne nur die Münzverhältnisse in Eschwege (Nordhessen) und auch das nur, soweit es die spärlichen weil zumeist im 30jährigen Krieg verbrannten Urkunden hergeben.

Zur Herstellung von Dickpfennigen war eine gut ausgestattete Münzstätte erforderlich, denn die Herstellung der Platten und Schrötlinge erforderte ein hohes Maß an technischen Fertigkeiten und Materialien. Die Eschweger Münzstätte in der Anfangszeit (so ab 1150 bis etwa 1300) war dazu technisch nicht in der Lage.

Brakteaten herzustellen war dagegen sehr viel einfacher. Die Schrötlinge konnten aus alten Pfenningen gewonnen werden, man musste nur lange genug mit dem Hammer darauf herumhauen. Tatsächlich sind wohl zumeist auch alte Brakteaten platt gehauen und neu geprägt worden. Die Stempel konnten aus Holz hergestellt werden, denn es musste ja keine große Zahl an Brakteaten geprägt werden und nächstes Jahr musste sowieso ein neuer Stempel geschnitzt werden. Das war die eine Seite.

Die andere Seite war der Bedarf. Die Äbtissin (in diesem Fall in Eschwege) hatte eine Fülle von Aufgaben zu erledigen, die heute über allgemeine Steuern finanziert werden, so z.B. die Wege- und Brücken- und Wehreunterhaltung, und eben auch die Aufsicht über die Märkte. Da es keine Einkommenssteuer gab, die heute den größten Teil der Steuereinnahmen ausmacht, musste man etwas anderes erfinden. Also gab es eine Art Mehrwertsteuer, die in Form eines Abschlages auf das Geld erhoben wurde. Auf dem jährlich stattfindenden Markt durfte nur mit dem örtlichen Geld bezahlt werden, dass zuvor beim Marktmeister mit einem Abschlag (von z.B. einem Viertel) eingetauscht werden musste. Da natürlich jeder nur soviel Geld eintauschte, wie er auch Waren auf dem Markt kaufen wollte, hatte man eine ziemlich genaue Umsatzsteuer von 25 %. Vergleicht man die heutige Mehrwertsteuer von 19% und berücksichtigt, dass es keine Einkommenssteuer gab, dann ist der Wert vergleichsweise niedrig.

Damit auch kontrolliert werden konnte, ob die Bezahlvorgänge auch ordentlich versteuert waren (Steuerbescheide gab es damals nicht, Papier war teuer), wurden einfach jährlich neue Münzen geprägt, die ein sich unterscheidendes Bild hatten. So konnte jeder erkennen, ob die Umsatzsteuer bezahlt war oder nicht. Zu Anfang des Marktes wurden die neuen Pfennige vorgestellt und ausgerufen, dass alle anderen Pfennige ungültig seien. Diesen Vorgang nannte man dann Verrufung.

Für die später so ab 1300 hergestellten Dünnpfennige gilt etwas anderes. Inzwischen hatte die Äbtissin mehrere Auseinandersetzungen verloren, der Landgraf war nach Kräften bemüht, ihre Macht zu schmälern und auch die städtischen Herren sägten nach Kräften an ihrem Stuhl. Es waren zumeist Kaufleute und denen schmeckte die Umsatzsteuer naturgemäß nicht. Vermutlich haben sie irgendwann die Gunst der Stunde genutzt, diese nicht mehr zu bezahlen. Daraufhin hat die Äbtissin auch keine Münzen mehr hergestellt, was wiederum für die Kaufleute schlecht war. Also hat die Stadt die Münze in eigene Regie übernommen, nun aber Dünnpfennige hergestellt, die unbegrenzt gültig waren. So konnten die Waren der Kaufleute bezahlt werden und die hatten Ihren Umsatz.

Ich hoffe, man kann die Ausführungen halbwegs verstehen, Dietemann

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Beitrag von welfenprinz » Di 25.09.07 09:38

Hallo,
wieso gab es keine Einkommenssteuer ? Was war dann der Zehnt, ohne Vorsteuerabzug ? Die Einnahmen der Herrscher waren doch durch diverse Abgaben gesichert . Lehens+Pachtabgaben, rigorose Wege,Grenz+Marktzölle sind nur einige Einnahmequellen, die mir spontan einfallen .

Gruss Klaus
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Beitrag von Dietemann » Di 25.09.07 13:57

Nun ich bin kein Experte für mittelalterliches Steuerwesen. Aus den Urkunden geht hervor, dass Wegezölle nur für bestimmte Wege erhoben wurden und ebenso wie Brückenzölle vorwiegend der Unterhaltung der Wege und Brücken diente.
Ebenso war es mit der Abgabe der Fischerei, die Aufwendungen, die notwendig waren, um einen Fluss immer wieder von den Siedlungen fern oder ihn nahe dran zu halten waren ernorm.

Und der Markzoll wurde eben mithilfe der Verufungen erhoben und diente dazu, den Marktplatz zu befestigen und die notwendigen Dienstleistungen für einen reibungslosen Ablauf bereit zu stellen. So wie auch heute jede Messe ihren Beitrag fordert.

Der Zehnt ist ein Begriff aus dem bäuerlichen Umfeld, da kann ich mit meinem Wissen aus dem städtischen Umfeld nichts beitragen. Dort gab es eine Art Hausabgabe, die aber ursprünglich nur an denjenigen zu leisten war, der das Geld zum Aufbau des Hauses gegeben hatte. Es war eine Art Zins für einen geleisteten Kredit. Die Kreditzinsen betrugen im Allgemeinen 10 % und wurden erst viel später auf generell 5 % reduziert. Da ist klar, dass nicht viel Geld zur Tilgung übrig blieb und sich die Zinsen als Dauereinrichtung etablierten, bis sie als Art Steuer empfunden wurden.

Klar und dann gab es noch die Fleisch- und Rauch- und sonstigen Heller, die alle dazu dienten, die entsprechenden städtischen Dienstleistungen zu finanzieren.

Ich meine mal irgendwo gelesen zu haben, dass die heutige Abgabenlast mehr als doppelt so hoch ist, wie im Mittelalter und es nur deshalb keine Aufstände gibt, weil uns noch genug zum Leben bleibt. Aber das ist jetzt kein gesicherte Wissen und die Steuerdiskussion trägt sicher nur am Rande etwas dazu bei, die Notwendigkeit der Brakteatenprägung zu erklären. Und der Meinung dass sie zuviele Steuern zahlten, waren die Eschweger Einwohner mehrheitlich auch, weshalb sie die Äbtissin ja auch Stück für Stück entmachtet haben.

Schade übrigens aus der Sicht der Numismatik: Die Brakteaten der Äbtissin waren bei weitem schöner als die städtischen Pfennige.

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Verrufungen !

Beitrag von Bertolt » Di 25.09.07 22:31

Hallo, schöne Geschichten haben wir hier erfahren. Das ist auch alles meiner Meinung so gewesen und auch richtig. Nur, wenn ich Anmerken darf, Zölle, Marktrechte und weis der Teufel was nicht noch alles, gab es doch meines Wissens auch schon vor der Brakteatenzeit, also zu der Zeit, als eben die Dünnpfennige die gültigen Regionalwährungen darstellten und auch schon davor, zu Zeiten der Denare. Aber eines gab es vorher nicht, Verrufungen! Das will aber nicht heißen, das es alles zum Nulltarif gegeben hat. Auch die Anmerkung, die Brakteaten hätten nur eine Lebensdauer von ca. 2 Jahren gehabt, ist nicht ganz Schlüssig. Ich habe Dünnpfennige in meiner Sammlung, die ähneln eher Papier als Silber und ich kann es mir gar nicht vorstellen, diese in einem Beutel zusammen mit anderen Münzen zu transportieren, sie würden es vermutlich nicht überstehen. ( Da kann man auch nicht mehr mit einem Hammer draufhauen ) Es grenzt an ein Wunder, das sie es bis in die heutige Zeit geschafft haben. Ich meine das jetzt in Bezug auf die Lebensdauer. Ich vermute, das mit den Verrufungen muss neben dem wirtschaftlichen Aspekten, die unstrittig sind, noch ein paar andere Ursachen haben ?
Gruß Bertolt.

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Beitrag von Dietemann » Di 25.09.07 23:35

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Zuletzt geändert von Dietemann am Di 25.09.07 23:52, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von Dietemann » Di 25.09.07 23:47

Hallo Berthold,

Deine Frage war, wieso Brakteaten und Dünnpfennige (= Halbbrakteaten) nebeneinander geprägt wurden.
Für Eschwege sind nur Brakteatenprägungen bekannt. Allerdings hat meines Wissens der thüringische Landgraf ebenfalls Brakteaten und z.B. in Wolfhagen auch Dickpfennige prägen lassen.

Erklärt wird das mit der unterschiedlichen Funktion beider Münzen. Die eine (die Brakteaten) waren örtliches Geld, die andere (die Dick- oder Fernhandelspfennige) waren für den Fernhandel bestimmt.

Deine zweite Frage war, dass Dünnpfennige sich nicht für den Transport eigenen, weil sie in einem Lederbeutel zerbrechen. Das stimmt, aber ich stelle mir vor (habe das aber bisher noch nirgends gelesen), dass diese Münzen nicht in Lederbeuteln, sondern in verschließbaren Kästen transportiert wurden. Eschweger Brakteaten sind in Rußland und Schweden gefunden worden, also muss es eine Transportmöglichkeit gegeben haben, die der fragilen Struktur der Münzen angepasst war.

Markt-, Münz- und Zollrechte gab es sicherlich schon früher. Es ist eine interessante Frage, wie zu dieser Zeit die Steuern erhoben wurden. Wissen tue ich das nicht.
Wiederum aus der Gegend von Eschwege gibt es die Aussage, dass Geldeinnahmen erst ab 1015 nachweisbar sind, davor waren es alles Naturalabgaben. Das Kloster ist vermutlich 997 gegründet worden, vermutlich erst danach haben sich Kaufleute dort angesiedelt. Man kann annehmen, das erst ab 1150 es sich gelohnt hat, einen jährlichen Markt abzuhalten und die damals neue Art der Steuererhebung (Münzverrufung) angewandt wurde, um diesen zu finanzieren.

Die Anfänge der Brakteaten werden allgemein auf 1130 im östlichen Thürigen gesucht. Genaueres wird man wohl mangels Urkunden nicht mehr in Erfahrung bingen können. Schon die Münzverrufungen sind bisher meines Wissens für Hessen nicht sicher nachweisbar.

Das sind ja nur Ansätze, die ich aus den vorhandenen Urkunden und den bekannten Münzen und deren Veröffentlichungen gewonnen habe, hast Du eine andere Theorie?

Kannst Du nicht mal so einen Dünnpfennig zeigen, damit ich mir darunter etwas vorstellen kann?

Gruß Dietemann

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Beitrag von Bertolt » Mi 26.09.07 06:55

Hallo Dietemann, und alle anderen, die es interessiert, wie jeder lesen kann, hast du dir über dein Sammelgebiet Eschwege gute Kenntnisse angeeignet. Aber deine Situationsbeschreibung kann man nicht so einfach auf andere Gebiete übertragen. In meinem Sammelgebiet, dem Bistum Halberstadt, sieht das schon ein wenig anders aus. Die Halberstädter Bischöfe verfügten ab 974 über das Recht, Münzen zu Prägen. Das haben sie fast 700 Jahre lang in mehreren zum Bistum gehörenden Münzstätten auch ausgeübt. Die ältesten Halberstädter Münzen, Denare, stammen in etwa aus dem Jahr 1000. Es gibt mit Sicherheit ältere, welche aber vermutlich als Halberstädter nicht zu erkennen sind. Die Denare wurden bis in die Zeit des Bischofs Reinhard ( Ein Graf von Blankenburg ) , 1105 – 1123 geprägt. Unter seiner Regierung erfolgte der Übergang zur Halbbrakteaten- bzw. Dünnpfennigprägung. Das sah so aus, das die Münzen sich weniger im Gewicht als vielmehr im Durchmesser veränderten und Maße bis über 26 mm erreichten. Die Gründe sind bekannt, man wollte schlicht und ergreifend, mehr Darstellungsfläche haben. Sein Nachfolger, Bischof Otto von Schkeuditz 1123 – 1136 lies ausschließlich Dünnpfennige Prägen. Dann, unter seinem Nachfolger, dem Bischof Rudolf ( ein Graf von Schladen ) 1136 – 1149, erfolgte der Übergang von den Dünnpfennigen zu den Brakteaten. Es gibt von ihm mehrere Brakteatentypen, die Klarstellen, das es so gewesen ist. Nun kommt es, man könnte meinen, das die Zeit der Dünnpfennige damit in Halberstadt passé ist? Dem ist aber nicht so, sein Nachfolger, Bischof Ulrich ( von unbekanntem Geschlecht ) hat in seiner ersten Regierungszeit 1149 – 1160 die Dünnpfennigprägung nochmals aufgenommen, warum ? Ebenso sein Nachfolger ( Die Gründe der Nachfolge mal außer Acht gelassen ! ) Bischof Gero von Schremke 1160 – 1170. Er, über 10 Jahre nach erfolgreicher Brakteatenprägung in Halberstadt, warum? Darum geht es mir, die Brakteatenprägung unter Ulrich und Gero befand sich in voller Blüte und in Halberstadt hatte sich eine regelrechte Stempelschule entwickelt, die den gesamten Nordöstlichen Harz beeinflusste. Fazit, wie du siehst, wurden die einzelnen Münzsorten nicht sowohl als auch, sondern nur jeweils als eigenständige Münzart geprägt. Es gab meiner Meinung nach auch keine Unterscheidung zwischen Regionaler- und Fernhandelwährung. Denn für den Fernhandel war ja nicht irgendein Nominal sondern vielmehr die Masse an Silber entscheidend. Meine Münzsorten findest du auch sehr zahlreich in Schwedischen und sonstigen östlich von Deutschland gelegenen Fundorten. Und auf die Transportmöglichkeiten der Handeltreibenden hindeutend hast du natürlich Recht ( Kiste und ähnliches ) Das kann ich mir aber für normale Marktbesucher nicht so recht vorstellen, die hatten eventuell am Hosenbund oder versteckt, ihr Geldsäckle ( oder wie das sonst heißt ) Zum Schluss ein paar Bilder der drei erwähnten Münzsorten. Gruß Bertolt.
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Beitrag von welfenprinz » Mi 26.09.07 09:33

Hallo,
über den Sinn der Dünnpfennige habe ich mir noch keine Gedanken gemacht . Sie haben mit den Münzverrufungen nur wenig zu tun . Warum nebenherr Dünnpfennige geprägt wurden, eröffnet einen neuen Beitrag .

Die Münzverrufung ist mit den Brakteaten in den sächsischen Herrschaftsgebieten entstanden . Da sich die Geldwirtschaft erst um 1170 durchsetzte, genügte es in Braunschweig, alle 2 Jahre die Verrufung durch zu führen . Dieses hat H.Buchenau auch für Erfurt ermittelt . Die Verrufung diente im Wesentlichen , die zerbrechlichen und ausgebrochenen Münzen zu erneuern und den Umlaufverlust auszugleichen . So erhielt der Münzherr auch gleich genug Silber für neue Prägungen . Wenn aus kostengründen keine Häblinge geprägt wurden, kann es kaum eine profiteble Wechselgebühr gegeben haben . Eine Wechselgebühr, der Profit aus dem Schlagschatz wurde erst deutlich später eingeführt .
Um 1170 war der wirtschaftliche Geldbedarf gestiegen, so das z.B. der Erzbischoff von Magdeburg 2 mal jährlich seine Brakteaten wechselte .
In Braunschweig wurden nun 2 mal im Jahr neue Brakteaten geprägt, die dann aber auf neu geschaffenen Jahrmärkten ausserhalb Braunschweigs ihre Gültigkeit erfuhren .

Mit den Verrufungen wurde nicht der gesamte Geldbedarf ausgewechselt . Nur der Marktbesucher,Händler vor Ort bekam die neuen Brakteaten . Hatte damit die gewissheit, sauberes echtes Geld zu erhalten. In der Regel wurde auch nur der benötigte Geldbedarf vom Marktbesucher gewechselt . Die alten Brakteaten verloren nicht ihre Gültigkeit . Sie wurden dann bei nächster Gelegenheit mit ihrem Silberwert getauscht .
Führ den Händler gab es den Vorteil, nur gleiche Brakteaten zu bekommen . Er konnte die Münzen zusammenlegen, eine feste Geldrolle bilden die jeden Tranzport überstand .

Gruss Klaus

P.S.: Zitat von Bernd Kluge
Das Resultat dieser Überlegungen ist, daß die Münzverrufung in Braunschweig zu dieser Zeit eher eine wirtschaftliche Notwendigkeit war und nicht in erster Linie der Bereicherung des Münzherren dienen solte .
Zuletzt geändert von welfenprinz am Fr 28.09.07 09:49, insgesamt 1-mal geändert.
Braunschweig-Lüneburg und Stadt Hannover Münzenfreund .
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Beitrag von Dietemann » Mi 26.09.07 09:42

Hallo,

na, das war ja eine interessante Zusammenstellung, da kann ich viele Parallelen erkennen, die mir so bisher nicht bekannt waren.

Kannst Du eine Quelle nennen, wieso zweifelsfrei feststeht, warum man statt Denaren dann Dünnpfennige geprägt hat? Ich hatte bisher nachgelesen, dass diese Form in Italien entstanden sei und dann über Süddeutschland nach Norden gekommen ist, stimmt das für Halberstadt nicht?

Ich rege an, nochmals über den Begriff Fernhandelspfennig nachzudenken. Das Wissen stamt nicht von mir, sondern wurde z.B. von Schütz in den "hessischen Münzen des Hauses Brabant" so formuliert, der klar zwischen regional bzw. überregional geltenden Münzen und den nur örtlich geltenden Brakteaten unterscheidet. Für mich war die unterschiedliche Funktion der Pfennige nachvollziehbar.

Wenn der Bauer (oder Handwerker) zum Markt kam, hatte er sicherlich sein Geld in einer Tasche oder einem Beutel (wenn er überhaupt welches mitnahm und nicht nur seine Ware verkaufte und Rohstoffe wieder eingekauft hat). Nach meiner Einschätzung war es gleichgültig, ob das gute Stück beim Transport verknickte oder nicht, es wurde ja doch am selben Tage gegen ein gültiges Neues ausgetauscht, mit dem er dann seine Einkäufe bezahlte.

Aber Hochachtung vor Deinem Wissen über die Halberstädter Prägungen habe ich schon, das ist beeindruckend.

Alles Gute, Dietemann

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