Ein neuer Schatzfund mit Bodenseebrakteaten auf dem Markt ?

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Schwarzschaf
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Beitrag von Schwarzschaf » Fr 16.11.07 10:31

Ich denke, solange Sonden angeboten werden, wird man die Schatzgräberei nicht in den Griff kriegen.
Bei uns in Österreich haben wir ein wirklich gutes Gesetz. Die Hälfte eines Fundes gehört dem Grundeigentümer und die andere Hälfte dem Finder. Die einzige Bedingung ist: der Fund muß gemeldet und dem Museum zur Bearbeitung übergeben werden. Danach erhält man ihn bestimmt und gereinigt zurück. Das Schlimmste was passieren kann ist ein Ausfuhrverbot. Und trotzdem werden Funde verheimlicht.
Weil ich nicht alles weiß, bin ich neugierig

saharafuchs
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Beitrag von saharafuchs » Sa 17.11.07 15:37

Quintus hat recht. Es geht aber viel krasser ab. Bei Notgrabungen, die nur 1 Woche lang dauern dürfen, bevor der Hagebaumarkt draufgesetzt wird, wird nachts ganz unschuldig der gesamte Aushub mit Trecker und Anhänger entsorgt und dann in Ruhe zuhause nach Münzen abgesucht...Mit Erfolg :-)
Locnar, weißt noch, Bischof von Münster, Ludwig von Hessen-Silbermünzenfunde ....
1 Berg mit Aushuberde steht heute noch auf dem Baumarktgelände, aber leider hinterm Zaun.

saharafuchs
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Beitrag von saharafuchs » Sa 17.11.07 15:40

Bei uns mußt du aber eher damit rechnen, gar nichts zu bekommen, weil die Funde einfach im Archiv" unauffindbar "geworden sind.
Und da spreche ich aus eigener Erfahrung. Manche Funde sollen vielleicht auch gar nicht für die Öffentlichkeit erforscht werden...
Da hängen nämlich eventuell die gefährdeten Weltbilder einer gekränkter Archäologen,Stadtverwaltungen und Bauunternehmer mit zusammen, wenn im Neubauplanungsgebiet plätzlich Römerfunde oder Mittellalterfunde auftauchen, wo eigentlich nichts sein darf, auser vieleicht ein neues Autohaus, eine Speditionsfirma und ein Baumarkt...Oder wie hanz aktuell ein neuer Plus-Markt an einer weiteren Stelle, nachweislich besiedelt schon 400 jahre vor Christus.
Zuletzt geändert von saharafuchs am Sa 17.11.07 15:46, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von Locnar » Sa 17.11.07 15:42

@saharafuchs

das kenn ich !
Gruß
Locnar

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QVINTVS
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Beitrag von QVINTVS » Mo 19.11.07 19:50

Stimmt! So kann es einem erfolgreichen Archäologen passieren, dass er einfach gegen seinen Willen versetzt wird, weil er zu erfolgreich ist.

Für mich ist das System Dankmalpflege zu hinterfragen - einschließlich archäologischer Forschung. Welche Aufgabe hat die Archäologie und Dankmalpflege? Letztere Denkmäler zu schützen und ihre Zerstörung zu verhindern. Jeder Architekt weiß, wenn er ein "Denkmal" nicht erkannt hat, dann war er halt dumm und falls einer gemerkt hat, muß er es ihm erst einmal beweisen, dass dort vor zwei Tagen überhaupt ein Denkmal war. Irgendwie sind die Lastwagenfahrer auf einmal woanders hingefahren ...
Die Archäologie gräbt aus, gräbt aus, stopft Lager voll, usw. ... Und was wird publiziert? Und wann werden die Funde bearbeitet und veröffentlicht? In Augsburg ist der Berg inzwischen so groß, dass eine ganze Generation daran arbeiten kann! Ist das sinnvoll, dass ein Student in 100 Jahren eine Publikation schreibt, über eine Ausgrabung die schon "prähistorisch" ist? Zum Teil sind die Lagerbedingungen schlecht und die Funde verschwinden, verschimmeln, usw. Das Augsburger Stadtarchiv hat z. B. nicht einmal genügent geeignete Räume um die kostbarsten Archivalien sach- und fachgerecht zu lagern. Von einem einzigen Lager-/Aufbewahrungsraum einmal ganz abgesehen - das trifft für die Stadtärchäologie auch zu.
Insgesamt dürften die Widrigkeiten ungefähr so zu beschreiben sein: Ein Bauer kämpft mit einem Teppichklopfer gegen einen Heuschreckenschwarm um sein Feld davor zu bewahren, dass es komplett leergefressen wird.
David gegen Goliath wäre das falsche Beispiel, denn David hat ja gesiegt. Und das sieht bei der Archäologie/Denkmalpflege gar nicht danach aus. Hobbysondengänger sind da bei uns noch das kleinste Problem.
Viele Grüße

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Beitrag von heripo » Di 20.11.07 20:28

Schon immer ist die Archäologie (wie viele andere "schöne Dinge auch") bei den Finanzministern in dem kleinen Schublädchen "Kultur, Wissen, Bildung" usw. untergebracht und da ist und war bekanntlich das "Klotzen" noch nie angesagt.

Gerade unter diesem Aspekt ist es beachtenswert, was die Archäologie (i.V. mit ihr nahestehenden Fakultäten) gleichwohl leistet!

Allerdings - ich kenne keinen, der von dieser Wissenschaft reich geworden wäre. Die Arbeitslöhne, die man selbst den fortgeschrittenen Studenten bei Ausgrabungen zahlt (oft für's in Dreck und Schlamm stehend und mit klammen Fingern nebenbei noch Dokumentieren), reissen noch nicht mal einen "Ferienjobber" vom Hocker - und die Zur-Verfügung-Stellung von Grabungshilfskräften von den Arbeitsämtern (wofür sich der Grabungsleiter dann noch bucklig danken muß) ist alles andere als unumstritten.

Dass - wie Du vorstehend schreibst - sicherlich immense Horte von Grabungsgut in den Gewölben der Museen ein oftmals trauriges Dasein fristen, liegt wohl auch weniger an den archäologischen Wissenschaftlern, als an den "Verwaltungsbeamten" und "Finanzjongleuren" die dafür zuständig wären, die Gleder für die Bearbeitung der Horte zu beschaffen.

Wenn man aber z.B. in den letzten Jahren die Überangebote an Artifakten, alten Kulturgütern, Münzen usw. auf Antik- u. Trödelmärkten und div. Internetforen beobachtet hat, wird einem doch verständlich, warum weltweit restriktive Maßnahmen ergriffen werden, um Kulturgüter zu schützen. Dass solche Maßnahmen an den "am freien Markt Interessierten" meist nicht passen, ist zwar - aus deren Sicht - verständlich, muß aber im Rang hinter dem Allgemeininteresse zurückstehen. Eine Rechtfertigung kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden, die Archäologie dafür in den Sündenpool stecken zu wollen.

Und zu Deiner Frage - "was wird publiziert?" - nun, wenn ich Deine Zeilen lese, dann frag ich mich, wo Du z.B. solche Publikationen suchst! Ich kann mich über die Menge der einschlägigen und auch aktuellen Literatur nicht beklagen - es ist völlig unmöglich, alles zu lesen, was publiziert wird! Dass man an gewisse Publikationen allerdings nur mit Immatrikulation rankommt, hat auch seinen guten Grund. Wenn es also nicht immer ganz einfach ist, "sich" die tatsächlich verfertigten Arbeiten zu verschaffen, liegt dies mit daran, dass man nicht unbedingt für diejenigen schreibt, die nicht der historische Inhalt interessiert, sondern oftmals nur die geographischen Gegebenheiten.

Mögen also die von dir "dargestellten Dinge" in "Deiner Welt" so sein, wie Du sie beschrieben hast - objektiv bin ich hingegen sicher, daß die Archäologie sehr reichliche und wertvolle Arbeit für die Erhaltung und Erforschung unserer Kultur leistet und es daher nicht verdient, so pauschal verunglimpft und in ein verzerrtes Licht gerückt zu werden.

Gruß, heripo
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Beitrag von QVINTVS » Di 20.11.07 21:56

@heripo

Ich glaube wir haben hier aneinander vorbeigesprochen. Es ist richtig, dass es eine Vielzahl von Publikationen gibt. Aber für viele Bereiche ist es auch nicht wegzuleugnen, dass zur Zeit mehr auf Halde gelagert wird, als Geld für die Publikationen zur Verfügung steht. Ich halte es für ein Unding, wenn das was heute ausgegraben wird in 100 Jahren veröffentlicht wird. Eine Wissenschaft legt mir ihren Veröffentlichungen auch ihren "Wert" fest. Ohne Publikationen kann eine Wissenschaft nicht nachweisen, was sie überhaupt macht. Davon habe ich versucht zu schreiben. Für Bayern trifft es jedenfalls zu, dass nur ein Bruchteil der Ausgrabungen auch "zeitnah" publiziert wird. Es ist meineserachtens eine Schande, wenn auf "Halde" ausgegraben wird. Dass daran nicht die Archäologie schuld ist, brauche ich hoffentlich nicht extra zu erwähnen. Aber es zeigt doch auch den Stellenwert. Daran ändern auch schärfere Gesetze nichts, die den Kunsthandel mit Grabungsobjekten und einmaligen Kulturgütern unterbinden sollen. Der Markt findet dann halt einen anderen Weg. Wie die Geschichte schon so oft gezeigt hat, kann mit Gesetzen ein Handeln zwar sanktioniert aber nicht unterbunden werden. Es ist verboten bei rot über die Ampel zu fahren ... Fährt deswegen niemand mehr bei rot über die Ampel?
Diese Aktionen sind halbherzig und für mich heißt das nur, auf einen Nebenschauplatz etwas zu tun und die Hauptsache wird weiter hinten angestellt. Oder hat die Denkmalpflege deswegen einen höheren Etat bekommen? Hat deswegen Baden-Württemberg wieder den Lotterietopf der Denkmalpflege zugesprochen, wie es noch vor einigen Jahren war? Mag sein, dass ich ein pessemistisches Bild zeichne, aber ich persönlich sehe für die Archäologie/Dankmalpflege bei der jetzigen gesellschaftlichen Einstellung nur Schwarz.

Hoffentlich habe ich mich jetzt verständlicher ausgedrückt. Wenn nicht, dann können wir ja noch weiter diskutieren, heripo.
An all meine Veröffentlichungen, die ich haben wollte, bin ich bisher auch rangekommen. Manchmal war es umständlich, aber immer möglich. Das ist für mich nicht das Problem, das habe ich auch nicht gemeint.
Viele Grüße

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Beitrag von heripo » Mi 21.11.07 10:23

ne Quintus - ist ja sonst langsam ot - oder ? Ich sehe ja, im Prinzip bist Du ja nun auch auf das Manko eingependelt, dass halt das Geld für manche Dinge etwas knapp ist. Na. Immerhin - Dresden ist ja nun wieder aufgebaut und ähnlich grössere Projekte sind ja grad nicht in Sicht. Und da ich in Mengga einen Schwager habe, der i.S. Publikationen an der Front tätig ist, bin ich auch für Bavariy bestens informiert - allein schon der "historische Atlas für Bayern" digital zugänglich heißt für mich: die Bayern sind da ein ganz schönes Stückweit voraus! Wäre froh, wenn die MHG endlich auch mal digital einlesbar wäre ... aber die ist ja überregional!

Und aussderem - wenn's i.S. Numismatik an Publikationen fehlen sollte:
WIR HIER sind doch ständig und aktuell auf dem Laufenden und online ... was will man denn mehr ??? :-)

schönen Tag nach AVGVSTA VINDELICORV, heripo
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