Unbekannter geistlicher Herr

Alles was von Europäern so geprägt wurde
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klaupo
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Unbekannter geistlicher Herr

Beitrag von klaupo » Do 27.11.08 21:30

Hallo mal wieder an die Experten,

hier geht es nicht um eine Münze meiner Sammlung, sondern um einen gescheiterten Versuch von mir, Bestimmungshilfe für einen Sammlerfreund zu leisten, der mir schon mehrfach geholfen hat.

Das Avers weist den Münzherrn aufgrund von Krummstab und Mitra wohl als geistlichen Herrn aus. Beginnend bei 8h im Uhrzeigersinn meine ich im linken Bild Reste einer Legende SIC zu lesen. Das läßt an Sizilien denken, zumal der Besitzer der Münze weiter östlich lebt. Weiter komme ich aber leider nicht. Hier das Bild (zum Vergrößern bitte anklicken):

http://www.zeno.ru/showphoto.php?photo=63188

Vom gleichen Typ gibt es drei weitere Münzen, nämlich die Nummern 63189, 63190 und 63191. Dieses Exemplar erschien mir jedoch für eine Bestimmung am ehesten geeignet. Über Hinweise, die zu einer Lösung führen könnten, würde ich mich freuen - und der Besitzer sicherlich auch.

Gruß klaupo

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Salier
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Beitrag von Salier » Sa 29.11.08 11:39

Hallo Klaupo,
Sizilien ist es defenitiv nicht. Größe und Gewicht sprechen für einen Dünnpfennig. Die Darstellung des Bischofs oder Heiligen, besonders der punktierte Umriss erinnert stark an Gepräge des Obersächsischen oder Speyerer Raumes. Die Rückseite zeigt eine Kirchendarstellung. Meine Meinung nach handelt es sich um die Seitenansicht eines Domes oder Münsters. Meine Vermutung ist, es könnte sich eventuell um eine Prägung aus Speyer oder der Gegend um Magdeburg und Merseburg handeln. Leider ist mir dieses Exemplar bei meinen Recherchen noch nicht untergekommen.

schöne Grüße
Salier
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Beitrag von klaupo » Sa 29.11.08 17:35

Hallo salier,

erst einmal herzlichen Dank für deine Eingrenzung! Es scheint ein schwieriger Fall zu sein. Bei der Legende, die mit SIC (?) beginnt, ist mir aufgefallen, daß sie sich bis mindestens 11h fortsetzt, und mit viel Phantasie könnte dort FRID zu lesen sein. Die Zahl der Buchstaben würde jedenfalls passen. Wenn man dann noch auf 12h ein V erahnt und das S im Feld rechts dazunehmen würde, käme ein SICFRIDVS heraus. Ein Bischof mit dieser Legende ist in Renztmanns Numismatischem Lexikon für Mainz (Siegfried II, 1200-1230) aufgeführt, eine ähnliche Legende (SICRIDVS) für Siegfried III. (1230-1249), Bischof von Mainz und Erfurt. Aber von beiden kenne ich keine Münzen. Zugegebenermaßen hoch spekulativ und möglicherweise ein weiterer Irrweg, weil die Zeit des Dünnpfennigs nicht paßt.

Gruß klaupo

Nachtrag: Für Speyer habe ich in den Regententabellen von Wilberg zwei Bischöfe mit dem Namen Siegfried gefunden: Siegfried I. (1031-1032) und Siegfried II. , Graf v. Wolfsölden (1127-1146). Für Merseburg und Magdeburg wird dieser Name nicht genannt.

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Salier
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Beitrag von Salier » So 30.11.08 10:49

klaupo hat geschrieben:
Es scheint ein schwieriger Fall zu sein.
Lieber Klaupo,
damit hast Du recht. Auch ich hab wohl geirrt, es scheint sich wohl eher um einen Pfennig als einen Dünnpfennig zu handeln. Das Stück wiegt 0,65 Gramm trotz der Randabbrüche. Bei einem vollständigen Stück dürfte sich das Gewicht doch wohl eher um die 1,00 Gramm oder etwas mehr bewegen. Klaupo, lass Dich nicht von den Buchstaben der Umschrift täuschen.
Ich habe das Stück vergrößert mit mehr Schärfe und Kontast und damit sieht das C eher wie ein spiegelverkehrtes D aus. Eine nähere Betrachtung unter einem Mikroskop erscheint mir hier sinnvoll. Auch lässt sich die Frage nicht klären wo die Umschrift beginnt. Du darfst auch nicht ausser acht lassen, das die meisten Stempelschneider zu dieser Zeit weder Lesen noch Schreiben konnten. Trotz weiterer Bemühungen konnte ich kein auch nur annähernd vergleichbares Stück finden. Da der Besitzer mehrere Stücke hat, kann es sein das die Stücke aus einem Schatzfund stammen? Wenn ja, ließe sich anhand der Schlussmünze die Entstehungszeit eingrenzen. Trotz der Randabbrüche ist diese Münze ein herrliches Stück. Die feine Perlenlinie in der Darstellung des Bischofs oder Heiligen stellt wohl ein Kettenhemd dar, bei der Mitra könnte es sich auch um einen Helm handeln und auch in der Gebäudedarstellung erkennt man jedes Detail. Eine künstlerisch hervorragende Arbeit. Es gibt sehr seltene Münzen von Heinrich II. im byzantinischen Stil und dem Regensburger Dom in Seitenansicht, die von der Feinheit des Stempelschnitts her durchaus vergleichbar wären. Diese Münze könnte zu einem ganz bestimmten Anlass geprägt worden sein.
Bei Mainz, wie Du es in Betracht gezogen hast, bin ich mir nicht sicher. Münzen von Siegfried von Eppstein findest Du hier.
http://www.coinarchives.com/w/results.p ... +siegfried

schöne Grüße
Salier
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Beitrag von klaupo » So 28.12.08 18:12

Lieber Salier,

zunächst einmal Dank für Deine Mühe! Vielleicht kommen wir einer Lösung doch noch näher? Der Besitzer hat aufgrund deiner Überlegungen in diesem Thread weitere Münzen aus dem kleinen Hort bei ZENO eingestellt. Der Name SICFRID scheint aufgrund verschiedener Legendenreste immerhin wahrscheinlicher. Ich gebe hier die Links zu den neuen Münzen gleichen Typs wieder:

http://www.zeno.ru/showphoto.php?photo=64145
http://www.zeno.ru/showphoto.php?photo=64146
http://www.zeno.ru/showphoto.php?photo=64147
http://www.zeno.ru/showphoto.php?photo=64149
http://www.zeno.ru/showphoto.php?photo=64150
http://www.zeno.ru/showphoto.php?photo=64151

Es fand sich anscheinend noch ein weiterer anderer Typ in dem Hort, der vielleicht eine Datierung erlaubt. Diese beiden Münzen sind abgebildet unter

http://www.zeno.ru/showphoto.php?photo=64152
http://www.zeno.ru/showphoto.php?photo=64153

Es wäre schön, wenn es doch noch zu einer Lösung kommen könnte.

Alles Gute zum Neuen Jahr!

Gruß klaupo

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Beitrag von wpmergel » So 28.12.08 20:10

Hallo Klaupo, Salier,

ich lese solche Beiträge immer gerne mit - ohne selbst einen Hinweis geben zu können. In diesem Fall scheint mir aber der Hinweis Saliers auf die Ausführung der Arbeit wichtig. M. E. reichen die weiteren eingestellten Stücke bei Weitem nicht an die Arbeit des ersten Stückes heran.

Stempelschneider von so hoher handwerklicher Kunst und Sachverstand sind ja nun nicht gerade häufig im Hochmittelalter - vielleicht kommt man mit Stilvergleichen auch ein Stück weiter?

Auf jeden Fall kommen die Stücke zur richten Zeit - wann wenn nicht jetzt hat man die Muse auch mal etwas länger Literatur zu wälzen...

Viele Spaß
Herzliche Grüße aus Waldeck
Wolfgang M.

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Beitrag von cepasaccus » So 28.12.08 21:05

Bzgl. Stempelqualitaet kann ich keinen großen Unterschied zwischen den gezeigten Pfennigen erkennen. Eine Besonderheit ist mMn die in 64149 und 64150 verwendete Kreispunze und vielleicht die Gestaltung der Backen, die schon an die kommende Zeit der Bildpunzen erinnert. Ansonsten aehnelt es sich in Werkzeug und Stil den Nuernberger Duennpfennigen die bis Konrad III (bis 1152) geprägt wurden (Erlanger 1 - 9), auch wenn die Muenzen hier etwas barocker wirken. Als Beispiel eine Nachprägung einer Erlanger 9. Sehr deutlich unterscheidet sich aber die erste Münze in der Praegequalitaet von den anderen.

Die vollstaendigen Muenzen (64145, 64146) sind die schwersten mit 0.7g. Die leichteren mit Ausbruechen haben auch nicht so grosse Defekte, dass sie urspruenglich mal wesentlich mehr als 0.7g gewogen haben koennen. Geht man von einer Silberscheibe mit 21mm Durchmesser und 0.7g Gewicht aus kommt man auf eine mittlere Dicke von 0.201 mm. Ein Erlanger 9 hat eine auf die gleiche Art berechnete mittlere Dicke von 0.197 mm. Deswegen wuerde ich diese Muenzen schon zu den Duennpfennigen rechnen. Die Schroetlingsherstellung unterscheidet sich aber von den Nuernberger Duennpfennigen.

valete
Dateianhänge
Erlanger_9-s.jpg
Nachpraegung eines Nuernberger Duennpfennigs (Erlanger 9)
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Beitrag von Bertolt » So 28.12.08 22:27

In einem Fall sind wir uns wohl alle einig, tolle Stücke. Ich bin auch der Meinung, es handelt sich nicht um Dünnpfennige, sondern um Pfennige. Gewicht zu gering für einen Dünnpfennig, Avers- und Reversbilder lassen die typischen Ergebnisse der Halbbrakteaten bzw. Dünnpfennigprägungen vermissen. Gruß Bertolt
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Beitrag von Salier » Sa 03.01.09 01:31

Hallo Klaupo,
trotz intensiver Suche in den mir zur Verfügung stehenden Büchern (leider steht mir der Dannenberg zur Zeit nicht zur Verfügung) und nach dem durchblättern unzähliger Kataloge, bin ich leider immer noch nicht weiter gekommen die eine genaue Identifizierung ermöglichen. Auch die beiden anderen Stücke 64152 und 64153 brachten mich nicht weiter. Aufgrund der Legendenreste erscheint auch für mich der Name Siegfried immer warscheinlicher. Leider kann man daraus nicht erkennen ob es sich um einen Erzbischof oder einen Bischof Siegfried handelt. Habe mal eine Liste von Bischöfen und Erzbischöfen mit dem Namen Siegfried zusammengestellt die in der in Frage kommenden Zeit regierten.

1. Erzbistum Bremen, Erzbischof Siegfried, Früst von Anhalt 1179-1184.

2. Erzbistum Mainz, Erzbischof Siegfried I. von Eppstein 1060-1084.
Erzbischof Siegfried II. von Eppstein 1200-1230.
Erzbischof Siegfried III. von Eppstein 1230-1249.

3. Bitum Brandenburg, Bischof Siegfried I. Markgraf von Brandenburg 1173-1179.

4. Bistum Paderborn, Bischof Siegfried 1178-1186.

5. Bistum Hildesheim, Bischof Siegfried I. 1216-1221.

6. Bistum Speyer, Bischof Siegfried I. 1031-1032.
Bischof Siegfried II. Graf von Wolfsölden 1126-1146.

7. Bistum Augsburg, Bischof Siegfried II. von Dornberg 1077-1096.

8. Bistum Würzburg, Bischof Siegfried von Querfurt 1147-1150.

Wobei meiner Meinung nach Augsburg sowie Siegfried III. von Eppstein von vorneherein auszuschließen sind. Da es sich, wie schon erwähnt, bei den hier vorliegenden Stücken um Münzen im feinen Stil, mit einem hervorragenden Stempelschnitt und von hoher Prägekunst handelt, lassen sich durch entsprechende Vergleiche, weitere Münzstätten ausschließen.

Die Nummer 64153 lässt eindeutig einen Bischof sowie die Anfagsbuchstaben HE erkennen. Bei der Nummer 64152 bin ich mir da nicht so sicher. Es könnte sich um das Brustbild eines Weltlichen, eines Bischof oder Abtes über einer Leiste mit einem Buch in der linken Hand handeln. Es gibt aus verschiedenen Münzstätten Prägungen die der Rückseitendarstellung ähneln. Das Kreuz mit den Kugeln in den Winkeln über dem Gebäude kommt z.b. auf Denaren aus der Grafschaft Ballenstedt vor, während die Darstellung des Giebels, wenn es denn ein Giebel ist, starke Ähnlichkeit mit den Stücken Eberhards von Hippoltstein aus der Salzburgischen Münzstätte Laufen aufweist oder bei dem Gebilde im Tor unter dem Giebel handelt es sich um das Soester Zeichen. Es wäre auch möglich das es sich nicht um einen Giebel sondern um einen Mauerring mit Türmen handelt, was man anhand der Prägeschwäche nicht eindeutig erkennen kann. Auch lässt die fast fehlende Umschrift keine eindeutige Zuweisung zu. Das macht die Sache nicht gerade einfach.
Ich werde aber dran bleiben mal sehen vielleicht ergibt sich ja bald was. Vielleicht kann ja noch der eine oder andere Sammlerkollege etwas zu des Rätsels Lösung beitragen.

schöne Grüße
Salier
Sancta Colonia Agrippina

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