Bestimmungsprobleme bei einem Hälbling

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onbed
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Bestimmungsprobleme bei einem Hälbling

Beitrag von onbed » Sa 13.03.10 15:01

Hallo,

ich habe hier einen Hälbling von Braunschweig Stadt und kann ihn nicht genau zuordnen. Vielleicht kann mir jemand weiterhelfen.
Ich wäre über jede Information dankbar.
Er hat einen Durchmesser von ca. 16mm und wiegt 0,25g.

Im voraus besten Dank
Onbed
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Braunschweig Stadt Hälbling.jpg

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leodux
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Re: Bestimmungsprobleme bei einem Hälbling

Beitrag von leodux » So 14.03.10 14:40

Hallo,
eigentlich hast du die Münze schon selbst richtig bestimmt.
Diese Art der Hälblinge (Scherfe) wurde zur Zeit des sog. "Ewigen Pfennigs" geprägt.
Bis 1411 prägte die Stadt Löwenpfennige mit wechselnden Beizeichen unter oder über dem Löwen. Die Hälblinge hierzu sind äußerst selten und nur in wenigen Exemplaren bekannt.
Nach 1411 bis etwa zum Ende des 15. Jahrhunderts prägte Braunschweig dann den "Ewigen Pfennig", der den aufgerichteten Löwen ohne Beizeichen zeigt. Hierzu ist deine Münze der Hälbling. Vergl. Denicke 345.
Während dieser Zeit des ewigen Pfennigs sind die Hälblinge deutlich häufiger geprägt worden als vorher, aber sie sind insgesamt doch seltener als die größeren Pfennige mit ganzem Löwen. Es gab auch Vierlinge, die genauso wie die Hälblinge aussahen, nur eben leichter waren. Bei dem Gewicht von 25 Gramm handelt es sich bei deiner Münze aber ganz klar um einen Hälbling.

Hier mal als Vergleich ein Foto meines eigenen Hälblings:
[ externes Bild ]
Stilistische Unterschiede, die es auch bei den ganzen Pfennigen gibt, sind sicher durch den langen Zeitraum begründet, in dem diese Münzen geprägt wurden.

Viele Grüße
Peter

P.S.: Interessant ist vielleicht noch, dass Braunschweig den ewigen Pfennig im 17. Jahrhundert wieder als Stadtpfennig prägte. Das Münzbild war nahezu identisch mit den Pfennigen des 15. Jahrhunderts, allerdings mit der Jahreszahl und dem Buchstaben B auf dem Rand. Dazu sind allerdings keine Hälblinge bekannt.
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BS06007.jpg
Braunschweig, Stadt, Hälbling nach 1411

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onbed
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Re: Bestimmungsprobleme bei einem Hälbling

Beitrag von onbed » So 14.03.10 16:21

Hallo Peter,

vielen Dank für Deine ausführliche und sehr informative Antwort.
Also zeigt mein Hälbling einen aufgerichteten Löwen nach Links, unten 3 Kugeln?
Mich würde auch interessieren welchem Herrscher in Braunschweig er zuzuordnen ist.
Aus welchem Material ist dieser Hälbling?
Vielleicht kann mir auch jemand die Welter Nummer nennen.


Viele Grüße
onbed

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leodux
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Re: Bestimmungsprobleme bei einem Hälbling

Beitrag von leodux » So 14.03.10 17:35

Hallo,
ja genau, es ist ein halber aufgerichteter Löwe. Dein Foto müsste also eigentlich etwas gedreht werden.
Die drei Kugeln sind kein Beizeichen, sondern sollen die Tatze des Löwen darstellen. Die drei Kugeln der anderen Vordertatze sind bei deiner Münze nicht so gut zu erkennen, sie sind aber über den deutlicheren 3 Kugeln auch vorhanden.
Es gibt auch bei den ganzen Pfennigen mehrere Varianten dieser typischen "Kugeltatzen".
Hier ein Beispiel, bei dem man gut erkennen kann, wie die Tatzen (oder eigentlich Pranken?) stilisiert mit 3 Kugelpunzen dargestellt wurden:
[ externes Bild ]
Das sieht zwar eher wie die Füße eines Laubfrosches aus, aber die Adler auf unseren modernen Münzen sind ja auch meist keine Schönheiten. ;)

Das Material ist Silber, allerdings kein sehr hochwertiges und der Feingehalt nahm im Laufe der langen Prägezeit immer mehr ab. So betrug er bei den ganzen Pfennigen 1412 noch 9 1/2 Lot und 1499 nur noch 6 Lot. Laut Denicke soll der Feingehalt der Hälblinge und Vierlinge noch unter dem der ganzen Pfennige gelegen haben.

Es handelt sich nicht um eine herzogliche oder fürstliche Prägung, sondern um eine Prägung der Stadt Braunschweig. Nachdem die Stadt schon 1294 das Aufsichtsrecht über die Münze hatte (verliehen vermutlich von Albrecht dem Fetten) und die Münze später mehrmals an die Stadt verpfändet wurde, erhielt sie 1412 das endgültige Recht, eigene Münzen zu prägen, völlig unabhängig vom Landesfürsten. Erst seit diesem Zeitpunkt wurden die ewigen Pfennige und deren Hälblinge und Vierlinge geprägt.
Der Münzherr ist also nicht mehr der Herzog oder Fürst, sondern der Rat der Stadt.
Deshalb kann man die Münze auch keinem Herrscher zuordnen.
Aus dem gleichen Grund gibt es auch keine Welter-Nummer, denn Welter führt ja nur die welfischen und keine städtischen Prägungen auf. Eine Ausnahme sind bei Welter nur die überwiegend wohl in Hannover geprägten Helmpfennige, die nach der Verpfändung des Münzrechts durch Otto den Strengen eigentlich auch keine richtigen welfischen Prägungen sind.

Viele Grüße
Peter
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BS03011.jpg

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Re: Bestimmungsprobleme bei einem Hälbling

Beitrag von onbed » So 14.03.10 19:52

Hallo Peter,

vielen vielen Dank. Jetzt bin ich platt. 8O So viel Wissen! Da muss ich noch einiges lernen.

Viele Grüße
onbed

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Re: Bestimmungsprobleme bei einem Hälbling

Beitrag von leodux » So 14.03.10 20:12

Hallo,

ach was, ich weiß auch nicht besonders viel. Die Brakteaten und Hohlpfennige von Braunschweig und Lüneburg interessieren mich nur einfach ganz besonders.

Und ich möchte mich auch nicht mit fremden Federn schmücken. Die meisten der oben genannten Informationen stammen aus Denicke: Die Brakteaten der Münzstätte Braunschweig, Band 4.

Aber ich finde, mit ein paar Hintergrundinformationen hat man gleich viel mehr Freude an so einer kleinen Münze. Jedenfalls geht mir das so.

Viele Grüße
Peter

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Re: Bestimmungsprobleme bei einem Hälbling

Beitrag von cepasaccus » So 14.03.10 22:40

Braunschweig und Lüneburg haben auch sehr schoene Münzen. Da werden bei mir sicher auch noch ein paar auf's Tablett kommen.
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leodux
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Re: Bestimmungsprobleme bei einem Hälbling

Beitrag von leodux » So 14.03.10 23:12

cepasaccus hat geschrieben:Braunschweig und Lüneburg haben auch sehr schoene Münzen.
Das ist wohl wahr. :D Allerdings gehören die späten Hohlpfennige nicht unbedingt zu den wirklich schönen Münzen. Siehe den oben von mir abgebildeten "Froschlöwen". Das waren einfach nur Gebrauchsgegenstände, wie unser Geld heutzutage auch und man hat nicht so viel Wert auf die Gestaltung gelegt. Die Brakteaten des 12. Jahrhunderts, die unter Herzog Heinrich dem Löwen in Braunschweig geprägt wurden, waren dagegen richtige kleine Kunstwerke.

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