Deutscher Orden : Halbschoter Michael Kuchmeisters ?!

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Comthur
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Deutscher Orden : Halbschoter Michael Kuchmeisters ?!

Beitrag von Comthur » So 22.08.10 12:21

Hallo Sammlerfreunde !
Bei der kommenden WAG-Auktion 53 wird unter Nr. 4244 ein vermeintlicher Halbschoter Michael Kuchmeisters angeboten, unter Nr. 4245 das Stück der Neumann`schen Sammlung schon mit Fragezeichen versehen.
In der moneytrend schlugen sich die hohen Wellen zum Thema Deutscher (Ritter-)Orden in einigen sicher interessanten (weitestgehend dokumentgestützten) Artikeln nieder - so zu den o.g. Stücken in der moneytrend 7/8-2004 und zu den dazugehörigen Münzstättenspekulationen in der mt 1/2006. Wer diese mt-Hefte zur Hand hat wird sehen, daß es sich um o.g. Stück der WAG um das der Goldhofer`schen Sammlung (von Vieren, nur bei/von ihm entdeckten?!) handelt. Von Letzterem veröffentlicht in "Numismatisches Heft" Nr. 3 (1996, Numismatischer Arbeitskreis Brandenburg-Preußen).
Wie ist Eure Meinung zu diesen Stücken und was haltet ihr von o.g. Beiträgen in der moneytrend ?
Dokumentarisch belegt ist ein Rauhgewicht von 2,64g bei einem Feingehalt von 588/000. Das o.g. Stück hat nach der Angabe des NH ein Rauhgewicht von 3,377g bei einem Feingehalt von 540/000 ... also ein ganz erhebliches Übergewicht neben anderen Auffälligkeiten. Selbst unter Wynrich von Kniprode waren derartige Abweichungen nicht im Ansatz zu verzeichnen - konnte von mir zumindest noch nicht festgestellt werden. Wer anderslautende Daten hat, bitte melden.

Viele Grüße

Comthur
Zuletzt geändert von Comthur am Fr 09.08.13 20:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Deutscher Orden : Halbschoter Michael Kuchmeisters ?!

Beitrag von jot-ka » So 12.09.10 13:12

Hallo,
ich möchte Dich einmal auf die Veröffentlichung "Die Halbschoter des Hochmeisters
Michael Küchmeister von Sternberg, 1414-1422" von Joachim Paul Goldhofer aus Hamburg,
veröffentlicht in Numismatisches Heft Nr. 3 (1996) des Arbeitskreises Brandenburg/Preußen,
Vortragsmanuskripte zum Thema "Deutscher Orden in Preußen"
1994 HMS Hamburg und 1995 Numismatischer Arbeitskreis Brandenburg/Preußen,
aufmerksam machen.
Zitate:
"Voßberg ... Durchschnittsfeingehalt der Halbschoter von 10 Lot 2 Grän (631,94/1000) ... Rauhgewicht 3,515 g.)"
Joachim Paul Goldhofer berichtet von 5 Stücken Michael Kuchmeisters, die er erworben hat:
"1 = 3,377 g
2 = 3,459 g
3 = 3,579 g
5 = 3,816 g"

Ich hoffe dies hilft Dir etwas weiter.

schönen Gruß aus Brandenburg,
jot-ka

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Comthur
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Re: Deutscher Orden : Halbschoter Michael Kuchmeisters ?!

Beitrag von Comthur » Sa 18.09.10 06:40

Hallo jot-ka,

vielen Dank für Deine Antwort ! Den Artikel von Goldhofer kenne ich - und nicht nur den ... . M.E. das Übelste, was ich jemals zur Deutschordensnumismatik gelesen habe da Herr G. (unter anderem) Thesen zu Tatsachen erhebt, alte Dokumente und Belege an Münzen übergeht und somit Falschdarstellungen in Umlauf bringt. Leider werden diese auch von "Sachverständigen" einiger Auktionshäuser, "die nicht so nah am Thema sind", übernommen.
Du hast Herrn G. exakt Zitiert - aber es gab nie einen Halbschoter mit einem Gewicht von 3,515 g. Das rechnerisch belegte (Rauh-)Gewicht unter Hochmeister Wynrich v. Kniprode betrug 3,05g und wurde nach meinen Ergebnissen zu fast 100 % der mir bekannten HS knapp erreicht resp. unterschritten. Diese Großgeldmünzen wurden also besonders sorgfältig justiert.
Bei den zitierten Münzen wäre neben dem sehr schlechten Stempelschnitt u.a. auch der völlig anormale Feingehalt zu beachten, der von G. jeweils angegeben aber von Dir leider nicht mit zitiert wurde.
Ich habe in der Money Trend eine (von mehreren) umfangreichen Kritikschriften verfasst, die alle Dokumente und Berechnungen nachvollziehbar enthalten (mt 7/8-2004). Diese sollten den Goldhofer`schen Artikeln unbedingt entgegen gehalten und mit Blick auf die eigene Sammlung überdacht werden. So wurde der Halbschoter Michael Kuchmeisters mit einem (urk.) Rauhgewicht von 2,64g und einem Feingehalt von 580/000 geschlagen, also erheblich verschlechtert zu den Stücken unter Wynrich von Kniprode. Die m.E. stempelgleichen Stücke von Goldhofer sind also allesamt, ob im Stempelschnitt, im Feingehalt oder Rauhgewicht, weit, weit außerhalb jeder Norm.
Herrn Gans freilich braucht man darauf nicht anzusprechen --- ich jedenfalls habe keine sachliche Antwort erhalten, sondern eine Drohung für den Fall der Darstellung als Fälschung (?!!). Wie man sieht, gehen diese Stücke immer noch problemlos über die Tische von Auktionshäusern ... .
Ich würde mich freuen, wenn Du mir Deine Meinung zu dem o.g. Artikel in der Money Trend zukommen ließest !

Schöne Grüße aus Bayern !
Comthur
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Re: Deutscher Orden : Halbschoter Michael Kuchmeisters ?!

Beitrag von Comthur » Di 08.01.13 00:39

Wichtige Information :

Am 07.01.2013 konnte der polnische Numismatiker Tomasz Rudnicki durch einen Zufall einen Kontakt zu mir herstellen. Er hat mir u.a. die Information zukommen lassen, daß diese vermeintlichen Halbschoter meiner o.g. Artikel aus einer Fälscherwerkstatt in Kaliningrad (früher Königsberg) stammen ... wie viele andere gefälschte resp. erdachte Schillinge und Groschen auch.

Insbesondere in den letzten Jahren sind auch mir verstärkt Fälschungen an Deutschordensmünzen auf deutschen Auktionen (...) aufgefallen welche mit nachgeschnittenen Stempeln hergestellt wurden. Und diese werden nun besser bis äußerst gefährlich !
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Re: Deutscher Orden : Halbschoter Michael Kuchmeisters ?!

Beitrag von Comthur » Mo 15.07.13 13:19

Passt aktuell zu den anderen Themen --- nach oben zum "durchphilosophieren" ! Alle Stücke unserer Meinung nach definitiv falsch - meine Artikel in der moneytrend hierzu aktueller denn je.
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cepasaccus
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Re: Deutscher Orden : Halbschoter Michael Kuchmeisters ?!

Beitrag von cepasaccus » Do 08.08.13 01:41

Also ich hab mir mal Comthurs, Goldhofers und Vossbergs Werke angesehen...

Mich hat Comthur ueberzeugt. Seine stilistischen Indizien sind nicht schlecht, aber das was mich am meisten ueberzeugt ist das Gewicht. Die falschen Stuecke liegen um 3.0 bis 3.9g. Ungewoehnlich riesiger Streubereich. Das Argument Goldhofers, dass die 3.9g eine Vorzeigemuenze fuer Muenzstaettenpruefungen war halte fuer an den Haaren herbeigezogen. Spaetestens wenn der Kuchmeister in seinen Geldbeutel schaut und merkt, dass die Muenzen zu leicht sind wird der Muenzmeister einen Kopf kuerzer gemacht worden sein. Aber gut.

Was hat denn Goldhofer zum Gewicht zu sagen. Das mittlere Gewicht nach Vossberg sei 3.515g. Liegt so mitten drin. Was aber schreib Vossberg wirklich? Er schreibt, dass das mittlere Gewicht 0.211 Loth waere. Wie rechnet Goldhofer das um? Er nimmt offensichtlich das (nach Wikipedia) 1856 auf dem 500g-Pfund basierende Lot zu 1/30 Pfund, d. h. das Lot zu 16 2/3 g. Weil 0.211 * 16.66 = 3.51526 g, gerundet 3.515g. Aber Vossberg (Edit: Korrektur korrigiert. Oben den wirkliche Fehler korrigiert. Danke Comthur.) hat 1843 publiziert. Wikipedia schreib zum Lot vor 1856 fuer Preussen ein Gewicht von 14.606g. 0.211 * 14.606 = 3.08g. Puh, das ist aber Meilenweit weg! Und falls jemand der Meinung ist, dass Wikipedia da irrt, kann man auf zeno.org in ein paar alten Lexika nachschauen. In Herders Konversationslexikon von 1854 steht noch kein Zoll-Lot: http://www.zeno.org/Herder-1854/A/Loth . Erst in Pierers Universallexikon von 1857 taucht es auf: http://www.zeno.org/Pierer-1857/A/Loth . Das Gewicht von 14.606g fuer ein Berliner Lot ist mit dem verschiedenlich angegebenen, in Berlin gueltigen Pfund zu 467g konsistent.

Dieses Gewicht von 3.08g wurde von Vossberg aber nicht fuer die Halbschoter von Kuchmeister sondern fuer die von Kniprode angegeben. Er hatte ja keine von Kuchmeister. Muenzen wurden ja immer leichter und schlechter und eigentlich nie wirklich besser. Dass es bei Kuchmeister Aufstaende wegen den Muenzen gab deutet darauf hin, dass die Muenzen deutlich weniger gehaltvoll waren. Und Comthur zeigt anhand einer Urkunde, dass das Rauhgewicht bei nur 2.64g lag. Das passt ja sowas von nicht.

Abgesehen von diesem vernichtenden Rechenfehler wirkt Goldhofers Artikel schon ein bischen windig. Z. B. unbegruendete Spekulationen zu massenhaft vorhanenden Praegestaetten. Und Schriftvergleich mit ein paar generellen Buchstabenformen ist auch nicht sehr aussagekraeftig, obwohl er doch die gleichzeitige Prägung von Schillingen annimmt und da richtig genau haette vergleichen koennen.

Nach der allgemeinen Meinung hat Kniprode den Halbschroter eingefuehrt. Goldhofers Stuecke koennen also nicht vorher gepraegt worden sein. Die Dokumentenlage gibt fuer spaeter auch nichts her. Dass es Beischlaege und Heckenmuenzprodukte gaebe, die wesentlich besser sind als das Original, waere eine echte Sensation. Also koennen Goldhofers Stuecke nicht zur Verwendung als Zahlungsmittel gedacht gewesen sein. Wann die jetzt genau von wem und auch fuer wen und warum gepraegt wurden? Keine Ahnung.

Falls das jemanden nicht voellig ueberzeugt hat, so sollte man doch wenigstens diese seltsamen Silberstuecke von wissenschaftlichen Forschungen zum DO ausschliessen oder allerallerwenigstens mit einem zweiseitigen Warnhinweis auf Zweifel hinweisen.

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Re: Deutscher Orden : Halbschoter Michael Kuchmeisters ?!

Beitrag von cepasaccus » Do 08.08.13 13:27

Zum Preussischen Pfund vor 1856 siehe auch: http://www.zeno.org/Meyers-1905/K/meyers-1905-015-0753
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