Trugschriften?

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Marc
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Re: Trugschriften?

Beitrag von Marc » Do 10.05.12 13:13

Ich bin auch der Überzeugung, man hat früher zu voreilig unenzifferbare Umschriften als Sinnlos abgetan, aber das Argument Dannenbergs lässt sich nur auf eine Weise beweisen oder wiederlegen. Indem man sich möglichst viele Münzen des zu behandelden Types (hier eben des Halberstädter Pfennigs dieses Types) untersucht. Wenn viele verschiedene Buchstabenreihenfolgen vorkommen, muss man schauen ob nur verschieden abgekürzt wurde und es somit nur wenige und sinnvolle Umschriften gibt, oder ob es unzählige Buchstabenkombinationen sind und nur eine zufällig mal Sinn ergeben würde.

Dann sollte man unterscheiden zwischen einer Barbarisierung die fortschreitet (wie z. B. bei OTTO) oder sinnlosen und willkürlichen Buchstabenketten. Wobei ersteres nicht zwingend wegen schreibunkundiger Stempelschneider sein muss, es können ja auch gewollte Emissionszeichen sein.

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QVINTVS
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Re: Trugschriften?

Beitrag von QVINTVS » Do 10.05.12 15:59

Die Auflösung nach einzelnen Buchstaben

[/quote]
1.
+ A (RGENDA) N (UMMUS) M (MONETARIUS) M (ONETA) V (VILLA) H (ALBERSTADENSIS) R (UDOLPHUS ) H (ALBERSTADENSIS) EP (IS) CO (PAT) V (S).

2.
+ SAN ( CTVS) M ( ARTIR ) M ( ONETA ) V ( ILLA ) H ( ALBERSTADENSIS ) R ( UDOLPHUS ) EP ( IS ) Ligatur : CO ( PAT ) V ( S ).

Gruß Bertolt.[/quote]

scheint mir eher unwahrscheinlich zu sein (1.), denn ich könnte mir vorstellen, dass das so niemand verstanden hat (die Römerzeit war ja schon vorbei!). Die Auflösung SAN zu SANCTVS macht schon Sinn und dürfte auch zutreffen. Es handelt sich also nicht um eine Trugschrift, sondern am ehesten, wie Du auch vermutest, um eine bisher noch nicht einem Sinn zugeführte Inschrift.

Die Abkürzung für Bischof = E oder EP oder EPS ist geläufig. EBCOV halte ich eher für unwahrscheinlich, zumindest kenne ich diese Abkürzung nicht. Gibt es dazu ein Beleg in Halberstadt?
Viele Grüße

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Re: Trugschriften?

Beitrag von Bertolt » Sa 12.05.12 06:17

Hallo Marc, natürlich habe ich eine Vielzahl an Münzen untersucht und fand heraus, das sich alle festgestellten Umschriften irgendwie gleichen. Ich zeige mal anhand eines Bildes aus Berichte Nr. 154 Denicke Nr. 3 und eines aus meiner Sammlung, wie ich dabei vorgegangen bin. Das erste Münzbild zeigt die einzige bekannte Münze dieser Art, auf welcher die Umschrift fast komplett erhalten geblieben ist. Links neben dem Original die tatsächlich auf der Münze vorhanden Umschriftsreste und rechts der rekonstruierte Teil.
Hallo QVINTVS, einen Beleg für die Auflösung einer solchen Abkürzung EBCOV gibt es natürlich nicht. Ich habe diese Buchstaben auch getrennt betrachtet und Lese diese Buchstabenfolge als EPISCOPATVS. Aber nochmal zurück zu dem Friedensburg Buch. Der dritte und letzte Buchstabe meiner Umschrift, könnte durchaus auch ein OMEGA sein, wie du schon angedeutet hast. In einer Arbeit von Vera Hatz aus 1961 über die Otto-Adelheid-Pfennige beschreibt sie vorhandene Omega, regelrecht, als auch auf den Kopf gestellt. Welche Bedeutung hat das Omega bei Friedenburg bzw. was würde es denn in meiner Schrift bedeuten oder heißen?
Gruß Bertolt.
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Re: Trugschriften?

Beitrag von QVINTVS » Mo 14.05.12 17:47

Grüß Dich Bertolt,

Friedenburg hat das Omega immer in Verbindung mit "Alpha und Omega" gesehen, von A - Z, von Anfang bis Ende ist unser Leben in Gottes Hand (etwas frei interpretiert, theologisch aber treffend), Gott besteht von Anfang bis zum Ende, siehe Beginn des Johannesevangeliums (Johannesprolog). Je nach Übersetzung heißt es dort: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, ...".

Am besten die Offenbarung 21,6
6 Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende. und
Offenbarung 22,13
13 Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.

Einheitsübersetzung, Stuttgarter Multimedia Bibel

Insbesondere zwischen ca. 900 und 1200 war das Buch der Offenbarung das mit seinen Symbolen und Bildern einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Archituktur und Plastik hatte. Davon abzuleiten wären dann die Münzbilder... Leider sind die oft schlecht erhalten und nicht immer sonderlich gut geschnitten. Bei romanischen Portalen ist das deutlich besser.
Viele Grüße

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Re: Trugschriften?

Beitrag von Bertolt » Di 15.05.12 06:26

Hallo, damit wären wir wieder an den Anfang dieses Themas zurückgekehrt und haben genau das erreicht, was ich beantwortet haben wollte. Wenn man sich die von mir hier eingestellten Umschriften, die haargenau so auf real existierenden Münzen des Bistums Halberstadt aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts vorhanden sind, anschaut, wir man doch zunächst von einer scheinbar sinnlosen Aneinanderreihung von Buchstaben ausgehen, die so recht keinen Sinn machen. Erst durch die Enträtselungssversuche, an denen sich dankenswerter Weise QVINTVS und CEPASACCUS beteiligt haben, ergaben sich Deutungsmöglichkeiten. Das heißt, eine formell als Trugschrift anzusehende Schrift, ist möglicher Weise gar keine. Somit ergibt sich die Frage, wie haben dann Numismatiker, die sich vor mir mit solchen Fragen beschäftigt haben, unterschieden in Trugschrift oder keine? Ich denke mal, sie haben sie haben sich gar nicht die Mühe gemacht das heraus zu finden, denn es macht gewaltige Mühe. Cepasaccus hat den richten Denkansatz geäußert, man muss zwangsläufig Umschriften immer im Kontext mit der Geschichte des Ortes und der Münzstätte, wo sie entstanden ist, betrachten. Aber nun noch etwas zu deiner Antwort QVINTVS. Das ist in der Tat ein interessanter Denkanstoß. Es fehlt zwar das buchstäbliche Alpha in meiner Umschrift, aber in der von dir geäußerten Richtung könnte man durchaus auch davon ausgehen, dass der vierte und letzte Buchstabe ein Omega ist. In der Apostelgeschichte spielt auch der Schutzheilige Halberstadts, der heilige Stephanus, eine nicht unerhebliche Rolle. Das werde ich mir noch mal genau ansehen.
Gruß Bertolt.
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Re: Trugschriften?

Beitrag von QVINTVS » Sa 19.05.12 11:47

Grüß Dich Bertolt,

nicht ganz so streng würde ich mit den Menschen umgehen, die eine Schrift als Trugschrift bezeichnet haben. Sie konnten sie nicht lesen, es gab keinen Wortsinn und dann nannten sie es eben Trugschrift. Wobei der Begriff nicht ganz glücklich gewählt ist. Die Buchstaben sind ja häufig entzifferbar, sie lassen sich nur nicht zu einem sinnvollen Wort zusammensetzen oder möglicherweise ergänzen. Günstiger und zutreffender wären Begriffe wie: Truglegende, Scheinumschrift, usw.

Friedenburg konnte in seiner Publikation nachweisen, dass dieses "runde M" ein weiterentwickeltes "Omega" ist. Leider konnte ich das nicht nachvollziehen, weil es keine Bilder mitliefert und nur Zitate auf andere Publikationen mit Abbildungen bietet. Dieses "runde Omega", so führt er aus, wird auch als Omega mit verschmolzenem M, das für Maria steht, gelesen. Hier ist es aber schwierig einen Sinn zu konstruieren.
Viele Grüße

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Re: Trugschriften?

Beitrag von Denar » Sa 19.05.12 13:35

Trugschrift finde ich nicht richtig, die Umschriften sind in der Regel Lateinisch und abgekürzt.
Wir müssen die Abkürzungen auflösen und übersetzen. Hier ein einfaches Beispiel aus meiner Gegend.

Umschrift: MO - NO - HINRI - EPI - Moniste

Auflösung: MONETA - NOVA - HINRICUS - EPISCOPUS - MONASTERIENSIS

Übersetzung: Neue Münze des Bischofs Heinrich von Münster.

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Re: Trugschriften?

Beitrag von Bertolt » Mo 21.05.12 07:19

Hallo QVINTVS, trotzdem ist die von ihm vermutete Bedeutung des Omega mit dem verschmolzenem „M“ interessant, die Umschriften beginnen ja fast immer mit einem Kreuz, meistens bei 12h. Das muss ja denke ich, auch eine bestimmte Bedeutung haben, eine Umschrift so zu beginnen. Im Christentum wird dieses Symbol mit dem Tod in Verbindung gebracht, sicherlich auch auf die Kreuzigung Jesu bezogen. Ich könnt mir schon vorstellen, dass das Kreuz, in Verbindung mit der Bedeutung des Wortes SANCTVS und dem möglichen Maria des Omega in der von dir angeführten Auflösung einen Sinn ergibt.
Hallo Denar, das Wort Trugschrift stammt ja nicht von mir, das haben andere erfunden. Ich denke mal, dass es zurück geht auf eine Bedeutung in Richtung „trügerisch“. Alles andere sehe ich genauso und das ist ein gutes eingestelltes Beispiel von dir. Denn ohne deine Auflösung, hätte ich diese Umschrift nicht lesen bzw. deuten können.
Gruß Bertolt.
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Re: Trugschriften?

Beitrag von QVINTVS » Mo 21.05.12 20:40

Grüß Dich Bertolt,

das "Kreuz" ist das Zeichen des Heils und damit ein positives Symbol. Es können damit Begriffe wie Erlösung, Auferstehung, Auszug aus der Knechtschaft (Zug er Israeliten aus Ägypten; neutestamentlich wird dieser "Weg" als der Weg Jesu gesehen), Befreiung, neues Leben, Aufbruch, Neuanfang, Heil, Frieden, Paradies, usw. verbunden werden. Hier ein Zitat aus dem 1. Korintherbrief, Kapitel 1 (Einheitsübersetzung, Stuttgarter Multimedia Bibel, Katholisches Bibelwerk), das der Apostel Paulus "gesagt" hat. Es erklärt die frühchristliche Bedeutung des Kreuzes, auf der die mittelalterliche Sichtweise aufbaut:

18 Die Botschaft vom Kreuz: 1,18-31

Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft.
19 Es heißt nämlich in der Schrift: Ich lasse die Weisheit der Weisen vergehen /
und die Klugheit der Klugen verschwinden.
20 Wo ist ein Weiser? Wo ein Schriftgelehrter? Wo ein Wortführer in dieser Welt? Hat Gott nicht die Weisheit der Welt als Torheit entlarvt?
21 Denn da die Welt angesichts der Weisheit Gottes auf dem Weg ihrer Weisheit Gott nicht erkannte, beschloss Gott, alle, die glauben, durch die Torheit der Verkündigung zu retten.
22 Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit.
23 Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit,
24 für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.
25 Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen.
26 Seht doch auf eure Berufung, Brüder! Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme,
27 sondern das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen.
28 Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten,
29 damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott.
30 Von ihm her seid ihr in Christus Jesus, den Gott für uns zur Weisheit gemacht hat, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung.
31 Wer sich also rühmen will, der rühme sich des Herrn; so heißt es schon in der Schrift.

Wer sich der Kirche anschloss, sich von der Welt abkehrte und vielleicht gar in ein Kloster ging, keinen Besitz hatte und wenigstens Titel, Ehren, usw. verabscheuen sollte, wurde von der Welt nicht verstanden und als Tor, als unweise (im irdischen Sinn) und vielleicht auch als Ärgernis betrachtet. Besonders die Benediktiner lebten der Welt abgewandt. An den Bischofssitzen gab es häufig Kanonikergemeinschaften, die "mönchisch" lebten. Die Prämonstratenser sind z. B. daraus entstanden.
Viele Grüße

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Re: Trugschriften?

Beitrag von cepasaccus » Mo 21.05.12 20:49

Man kann aber auch einen Sinn oder mehr Sinn in etwas sehen, das ihn nicht (mehr) hat. So wie der Tanz um den Maibaum, der jetzt sicherlich nicht mehr die Bedeutungskraft hat wie anno dunnemal. Ob sich der Muenzherr/Muenzmeister/Stempelschneider das Kreuz im Legendenanfang als hochheiliges Symbol mit maechtigen Kraeften gesehen hat oder es ihm egal war, weil das halt so ueblich ist - und allen moeglichen Zwischenabstufungen - wird schwer darzulegen sein.
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Re: Trugschriften?

Beitrag von Marc » Mo 21.05.12 22:30

cepasaccus hat geschrieben:Man kann aber auch einen Sinn oder mehr Sinn in etwas sehen, das ihn nicht (mehr) hat. So wie der Tanz um den Maibaum, der jetzt sicherlich nicht mehr die Bedeutungskraft hat wie anno dunnemal. Ob sich der Muenzherr/Muenzmeister/Stempelschneider das Kreuz im Legendenanfang als hochheiliges Symbol mit maechtigen Kraeften gesehen hat oder es ihm egal war, weil das halt so ueblich ist - und allen moeglichen Zwischenabstufungen - wird schwer darzulegen sein.
Das sehe ich genauso, das Kreuz war schlicht Tradition.

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Re: Trugschriften?

Beitrag von QVINTVS » Di 22.05.12 16:34

Ich glaube Ihr verkennt diese Zeit. Es war mehr als Tradition, vor allem bei den Münzherren, die ein kirchliches Amt, wie einen Bischofsstuhl inne hatten. Mir fällt gerade nur die Person des Bernhard von Clairvaux ein. Ihn nur auf sein Amt zu reduzieren, und seinen "Auftrag", den er als von Gott gegeben betrachtete zu ignorieren, wird ihm und dem Mittelalter nicht gerecht. Geschichte zu erfassen, bedeutet sich in die Sichtweisen der Zeit einzuarbeiten. Unsere heutige Empfindungen sollten mehr als zweitrangig sein.
Eine andere Frage ist in diesem Punkt auch, wer für die äußere Gestaltung einer Münze verantwortlich war. Ich denke nicht, dass es dem Stempelschneider überlassen wurde, mal vor sich hin zu arbeiten und man dann entschieden hat ob es passt. Hinter den einzelnen Prägestätten, stehen auch Prägeprogramme. Wobei dieser Begriff nicht zu eng gefasst werden sollte. Wie einige Typen von Brakteaten aus Ulm und Donauwörth nahelegen, gab es eine herrschaftliche Anordnung für die Gestaltung. Die Ausführungen sind vom Bild her so ähnlich, dass fast zu vermuten ist, dass dort sogar eine Vorlage an die Stempelschneider gegangen sein muss.
Man kann sicherlich mehr in die Münze interpretieren als es sinnvoll ist, wir sollten uns aber auch davon hüten, alles nur als "Tradition" zu sehen und alles was wir nicht verstehen als "Nichts" abzutun.
Viele Grüße

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Re: Trugschriften?

Beitrag von Marc » Di 22.05.12 18:40

Nun ich bin mehr im Spätmittelalter zuhause, zu einer Zeit wo es also lange Tradition war. Auffällig ist, fast alle Groschensorten mit Kreuzen anfangen, und bei fast allen über längere Zeit geprägten Typen die Kreuze mit Zunahme der Religionskonflickte (die letztlich zur Reformation führten) immer häufiger durch Münzzeichen oder Wappen ersetzt werden. Soll man daraus schließen Religion war den Leuten unwichtig geworden und die Religionskriege nur ein Versehen, oder das Kreuz zu Beginn hatte weniger eine tief religiöse Bedeutung und entsprach nur einer religiösen Tradition. So beim Tournose, Prager Groschen, Meißner Groschen, Hessischen Groschen, Weißpfennig/Albus, Rheinischen Groschentypen etc. . Und Traditionen haben grad bei einem so sensiblen Thema wie Geld viel Bedeutung auch heute, Dollarscheine blieben lange grün, lange nachdem der ursprüngliche Grund für die Farbe schon unwichtig war. Ich bin wie schon geschrieben der festen Auffassung das zu voreilig bei unenzifferbatern Legenden von Trugschrift geredet wird, aber es gab sicher Traditionen welche man nicht immer hinterfagte sondern es wie gewohnt weiter machte.

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