Über den Petrissa-Pfennig aus der frühen Zeit Brandenburgs wurden in den letzten 140 Jahren viele Abhandlungen geschrieben. Als 1880 insgesamt 320 davon im Fund von Michendorf nach über 700 Jahren ans Licht kamen, war das eine Sensation in der numismatischen Welt. Eine Frau auf einer Münze war für das Mittelalter eine sehr erstaunliche Tatsache und in diesem Fall ein wichtiges Zeitzeugnis. Petrissa, die Gattin des christlich-slawischen Fürsten Pribislav-Heinrich
(*1), war vorher nur als Überlieferung bekannt und wurde vielfach der Welt der Sagen zugeordnet.
(*2) Bereits kurz nach Erscheinen des Fundes gab es Abhandlungen unter anderem von Hermann Dannenberg, Alfred von Sallet und Emil Bahrfeldt. 1881 äußerte Bahrfeldt bereits Bedenken zu der vorher gemachten Annahme, dass es sich bei der gemeinsamen Darstellung des Fürstenpaares um ein numismatisches Zeugnis des Übertritts des Paares zum Christentum handelt.
(*3) Bahrfeldt schließt sich in seinem 1889 erschienen Hauptwerk über das Münzwesen Brandenburgs der Beurteilung Hermann Dannenbergs und A.v. Sallets an, dass es sich bei dem Petrissa-Pfennig nicht um eine Erinnerungsmünze zur Taufe handelt, sondern „dass vielmehr die mitgefundenen Münzen Ottos I. dem Denare seinen Platz eher für die späteste Zeit Heinrichs sichern als für eine frühere, und dass man, weil vielleicht anzunehmen sei, Petrissa habe wegen der Gebrechlichkeit ihres Gatten schon vor dessen Tode die Regierungsgeschäfte geführt, den Denar wohl als eine Art Regentschaftsmünze ansehen könne. v. Sallet führt diesen Gedanken noch weiter aus und unterstützt ihn durch urkundliche Nachweise.“
(*4) Diese Beurteilung hat sich bis in die heutige Zeit durchgesetzt. Bernd Kluge (2011) und Hans-Dieter Dannenberg (2004) bekräftigen in ihren Abhandlungen die Beurteilung Bahrfeldts. So schreibt Bernd Kluge: „Die Münzprägung Pribislav-Heinrichs ist historisch, numismatisch und bildnerisch von höchster Bedeutung. Historisch, weil sie das einzige handgreifliche zeitgenössisches Zeugnis dieses Fürsten ist, von dem wir keine Urkunde oder sonstige irgendwie persönliche Hinterlassenschaft besitzen, numismatisch, weil sie die erste eigenständige Münzprägung der slawischen Stämme zwischen Elbe und Oder darstellt und bildnerisch, weil sie in hohem Maße Eigenständigkeit und Zeitgeist dokumentiert.“
(*5)
Das Gebiet, das wir heute östlich der Elbe als Brandenburg kennen, war um 1100 in slawischer Hand. Der Fürst der Heveller, Pribislav-Heinrich, herrschte von 1127 bis zu seinem Tod im Jahre 1150 über ein Gebiet, das sich von Spandau entlang der Havel über Brandenburg/H. bis hinter Rathenow erstreckte.
Abbildung 1 - Gebiete der slawischen Stämme im Kernland „Brandenburgs“ um 1130-1170
(Kartenmaterial mit Anmerkungen auf Basis: FIX, W, Die Territorialgeschichte des brandenburgisch preussischen Staates, im Anschluss an zehn historische Karten übersichtlich dargestellt., Berlin 1869)
Hans-Dieter Dannenberg ordnet den Münzherren des Petrissa-Pfennigs, in seiner 2004 erschienenen Analyse der frühen brandenburgischen Dünnpfennige, wie folgt für uns ein:
„Pribislaw-Heinrich, …, herrschte seit etwa 1130 im Gebiet nördlich und südlich der mittleren Havel, also etwa zwischen den jetzigen Städten Brandenburg/H., Rathenow, Nauen und Potsdam, über den hier ansässigen slawischen Stamm der Heveller (Stodoranen). Zusammen mit seiner Gemahlin war er bald zum Christentum übergetreten und getauft worden. Er nannte sich nun Heinrich, seine Gattin Petrissa. Die Heveller selbst blieben damals aber noch bei ihrem heidnischen Götterglauben. Pribislaw-Heinrich von Brandenburg war möglicherweise unter Protektion Albrechts des Bären zur Regentschaft und/oder durch ihn gestützt worden. Als Gegenleistung soll er vor 1130 dessen ältestem Sohne Otto (I.), die Zauche als Patengeschenk vermacht haben und dann, nach 1142 (?), Albrecht den Bären auch zum Nachfolger bestimmt haben. König Lothar III. hat wohl 1129/1134 Pribislaw-Heinrich eine Art Lehenskönigtum zuerkannt. Diese Art Freundschaft gewährte den Hevellern und ihrem kinderlosen Fürstenpaar Schutz bei den damaligen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Slawen, etwa bei den Kämpfen ab 1130 um Havelberg und die angrenzenden Gebiete sowie anlässlich des Wendenkreuzzuges von 1147. Das Gebiet der slawischen Heveller um Brandenburg/H. unter dem christlichen Fürstenpaar hatte man bei dem Wendenkreuzzug umgangen und auffallend verschont. Dazu trug vielleicht auch bei, dass dieser Fürst aus dem um 1138/39 in Leitzkau gegründeten Prämobstratenstift Stiftsangehörige nach Brandenburg geholt hatte … Sie ließen sich im Vorort Parduin nieder. Kaufleute und Handwerker kamen hinzu und aus der frühen Siedlung entwickelte sich die Altstadt Brandenburg. … Als Pribislaw-Heinrich im Jahr 1150 starb, soll seine Frau Petrissa den Tod drei Tage lang verheimlicht haben, bis der benachrichtigte Albrecht mit seinen Leuten in Brandenburg eingetroffen war. … Damit war wohl beabsichtigt, andere Interessenten an der Nachfolge zu hindern. Hierbei hätten möglicherweise die immer noch heidnischen Bewohner mitreden können. Der Münzfund von Michendorf (1880) mit seinen vielen Petrissa-Denaren (Typ Bf. Nr. 3) bestätigte die Existenz dieser christlichen Wendenfürstin in Brandenburg. Die Burg in Brandenburg erhielt 1150 eine gemischte Besatzung von Deutschen und Wenden.“
(*6)
Zur Münze:
Regent: Przibislaw-Heinrich (1127-1150) und Petrissa
Art: Dünnpfennig
Prägezeitraum: ca 1145 bis 1150
Prägestätte: Brandenburg an der Havel
Gewicht: 0,74 g
Durchmesser: 19,10 mm
Referenz: Bahrfeldt 3; Dannenberg 2004 Variante VS „F“/ RS „F“;
Sammlung Rautenberg Nr. 2 (Galerie des Monnaies, Auktion 6, 1972) aus dem Pfund von Michendorf
(dieses Stück)
Avers:
Bärtiges Brustbild des Fürsten von vorn, behelmt und im Panzer, in der Rechten Schwert und in der Linken Fahne haltend.
Umschrift: + H E I N B R A N D
Revers:
Brustbild der Fürstin Petrissa mit Kopfbedeckung und herunterhängendem Haar und Schleier. Im Feld links ein achtstrahliger Stern, rechts vier Punkte in Kreuz gestellt.
Umschrift: + P E T R I S S A
Bahrfeldt ermittelte für 100 Stück des Petrissa-Pfennigs ein Durchschnittsgewicht von 0,753 g. Der Feingehalt von Pribislav-Heinrichs Münzen wurde von ihm mit 13- bis 14-löthig ermittelt. (Die feine Mark von 233,855g enthielt 16 Loth fein. Somit entspricht 1 Loth = 14,616 Gramm. Ein Feingehalt von 14 Loth entspräche 875er Silber.)
Bahrfeldt unterteilte die 320 Expemplare des Fundes in eine Sorte mit einer kleineren Darstellung des Fürsten und eine mit einer größeren Darstellung des Fürsten. Dannenberg widerspricht diesem in seiner Abhandlung von 2004 als unzureichend und stellt 9 Vorderseiten- und 8 Rückseitenvarianten vor, aus denen sich 20 Stempelkopplungen ermitteln ließen. Für dieses Stück konnte die Stempelkopplung Vorderseite F und Rückseite F nach Dannenberg festgestellt werden.
(*7)
Beschreibung nach H.D. Dannenberg – Vorderseiten-Variante „F“:
Das Gesicht mit zwei Bartspitzen, der Mund als längliche Halbkugel geformt; die beiden Hände berühren sich beinahe über der Brustmitte. Das Fahnentuch reicht rechts bis unterhalb des Kinnrandes; der Versal N links oben eher als ein „n“ geformt (nicht ganz deutlich).
Durchmesser des Innenperlreifs um 12,5 mm / Größe des Kopfes um 7 mm / Breite des Gesichts um 5 mm.
Beschreibung nach H.D. Dannenberg – Rückseiten-Variante „F“:
Größer erscheinendes Gesicht mit geperlter Außenlinie, mit spitzem Kinn und punktförmigem Mund; der Stern zum Teil mit unregelmäßigen Strahlen.
Durchmesser des Innenperlreifs um 13 mm / Haarstränge links 2 und rechts 2.
Übersicht der in Sammlungen, Literatur und Auktionen beschriebenen Petrissa-Pfennige
Die folgende Auflistung soll einen Überblick über die dem Autor verfügbaren fotografischen Abbildungen der hier besprochenen Münze geben. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.
Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin
Objektnummer: 18214703
Zugang in die Sammlung: 1880
Nachweis:
https://ikmk.smb.museum/object?id=18214703
W. Steguweit - B. Kluge, Suum cuique. Medaillenkunst und Münzprägung in Brandenburg- Preußen (2008) Nr. 2 (dieses Stück)
Gewicht: 0,90 g
Durchmesser: 19 mm
Objektnummer: 18234307
Zugang in die Sammlung: 1892 von Firma Julius Hahlo
Nachweis:
https://ikmk.smb.museum/object?id=18234307
Gewicht: 0,75 g
Durchmesser: 19 mm
F O R T S E T Z U N G
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Quellen und Anmerkungen:
*1 - Verschiedene Schreibweisen des slawischen Namens sind bekannt: Pribislaw, Przibislav, Przibislaw, Przebislaus
*2 - A.v. Sallet: Zur ältesten Münzkunde und Geschichte Brandenburgs. – aus Zeitschrift für Numismatik Nr. 8, 1881, Seite 249-255
*3 - Emil Bahrfeldt: Der Bracteatenfund von Michendorf – Ein Beitrag zur Brandenburgischen Münzkunde des XII. Jahrhunderts, Berlin 1881 – Reprint in: Emil Bahrfeldt: Mittelaltermünzen, Ausgewählte Schriften 1881-1928, Zentralantiquariat der DDR, Leipzig 1987, Seite 189-192
*4 - Emil Bahrfeldt: Das Münzwesen der Mark Brandenburg – von den ältesten Zeiten bis zum Anfang der Regierung der Hohenzollern, Berlin 1889, Seite 61
*5 - Bernd Kluge: Die Anfänge der Münzprägung in Brandenburg bis um 1170 – Pribislav-Heinrich, Albrecht der Bär, Jacza und Otto I. – aus: Beiträge zu brandenburgisch/preußischen Numismatik, NH 19, 2011, Seite 10
*6 - Hans-Dieter Dannenberg: Bemerkungen zur brandenburgischen Münzprägung in der Zeit um 1150 mit Untersuchungen zu den Stempelvarianten der Dünnpfennigtypen Bahrfeldt Nr. 1, 3, 4 und 13 – aus Beiträge zur brandenburgisch/preußischen Numismatik, NH 12, 2004; Seite 42-43
*7 - Siehe H.D. Dannenberg – NH 12, 2004
*8 - Bahrfeldt, 1889 – Seite 19
*9 - Bahrfeldt, 1889 – Seite 24
*10 - Bernd Kluge – NH 19, 2011, Seite 11-12
*11 - Bahrfeldt, 1889 – Seite 25