Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Alles was von Europäern so geprägt wurde
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Albert von Pietengau
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Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Albert von Pietengau » Sa 30.11.13 20:49

Hallo,

bekanntlich gab es den Denar bzw. Pfennig bereits unter Karl dem Großen. Sowohl Material als auch Gewicht wurden damals festgelegt. Der Pfennig stand Pate für den Groschen (Dickpfennig), für den Heller (Haller Pfennig) und andere Nominale.

Mit diesen einleitenden Worten bzw. nach Athen getragenen Eulen möchte ich eine Diskussion anstoßen, die sich kürzlich zwischen Andechser und mir (in Form von PM) entwickelt hat. Seiner letzten PM entnehme ich, dass er nichts dagegen hat, wenn ich den bisherigen Verlauf unserer Unterhaltung im Forum wiedergebe, wobei das erste Zitat von mir, und das zweite von Andechser stammt. Alternierend geht's so weiter:

"Habe kürzlich Heinr. v. Bilversh. (flügelloser Greif) erworben, der als Brakteat angeboten und auch hier http://www.numismatik-cafe.at/viewtopic.php?t=3301 als solcher bezeichnet wird.
Wären nicht Prägespuren vom Unterstempel erkennbar (sollte ein Adler sein (Krug 83)), könnte man in der Tat annehmen, dass es sich hierbei um einen Brakteaten handelt, da das gute Stück hauchdünn ist.
Ich finde, A. Suhle hat völlig Recht, wenn er die Brakteaten als logische Folge der Dünnpfennig-Problematik bezeichnet."

"Ja, gerade bei dem Typ wird die Klassifizierung als Halbbrakteat mit einem tiefer geschnittenen Oberstempel und einem flach geschnittenen Unterstempel sehr deutlich. Aber im Vergleich zu den klassischen Dünnpfennigen benötigt man für einen Brakteaten einen anderen, tieferen Stempelschnitt. In Augsburg war die Abfolge z.B. so: dicker Pfennig, Dünnpfennig, Halbbrakteat, Brakteat, Vierschlagpfennig."

"Ist die Bezeichnung "Halbbrakteat" nicht ein Synonym für "Dünnpfennig" :?:"

"Es wird sehr oft synonym gebraucht, aber ich bin der Meinung, dass man die beiden Techniken durchaus unterscheiden kann.
Hier ein Augsburger Dünnpfennig: http://www.mcsearch.info/record.html?id=305479
Im Gegensatz dazu ein Halbbrakteat: http://www.mcsearch.info/record.html?id=1103608
Es werden ja sogar Brakteaten als Halbbrakteaten bezeichnet, wobei das auch daran liegt, dass bestimmte augsburger Typen sowohl als Halbbrakteaten als auch als Brakteaten vorliegen: http://www.mcsearch.info/record.html?id=1075657"

"I see. Demnach müsste MEIN Erlanger 54 (Schönheiten des MA) ein Halbbrakteat sein, während es sich beim Erlanger von Herrn Olding um einen Dünnpfennig handelt... Du siehst, worauf ich hinaus will: ich denke, das Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden synonym verwendeten Begriffen ist nicht so sehr der Prägetechnik, sondern mehr dem Ergebnis geschuldet. Wir können diesbezüglich gerne einen Thread eröffnen. Wäre interessant, wie andere User das sehen."

"Ja, das könnte durchaus interessant sein, das mal zu diskutieren. Als Musterbeispiel für Dünnpfennige ohne jegliche Anzeichen eines Brakteaten oder Halbbrakteaten bieten sich die Regensburger Dünnpfennige aus der Zeit der Welfenherzöge an."
Zuletzt geändert von Albert von Pietengau am So 01.12.13 09:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Andechser » So 01.12.13 08:09

Also die beiden Erlanger 54 sind, meiner Meinung nach, beides Halbbrakteaten die einfach nur unterschiedlich gut ausgeprägt sind.
Ich denke eben, dass man den Dünnpfennig als beidseitig mit flach geschnittenen Stempeln auf dünnem Schrötling geprägte Münzen definieren könnte, während bei Halbbrakteaten der eine Stempel meist deutlich tiefer geschnitten wurde als der Stempel der anderen Seite. Auch scheinen die Schrötliinge der Halbbrakteaten oft dicker zu sein als die der Dünnpfennige. Zumindest im bayerisch-fränkischen Raum drängt sich mir dieser Verdacht auf.
Erst der Übergang zum Brakteaten ist wohl relativ klar definiert, da der Brakteat das Prägebild des einzigen Stemels auf der Rückseite als inkuses Bild zeigt und keine sonstigen Prägespuren auf der Rückseite aufweist.

Viele Grüße und eine hoffentlich spannende Diskussion
Andechser

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Albert von Pietengau
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Albert von Pietengau » So 01.12.13 12:43

Andechser hat geschrieben: Auch scheinen die Schrötliinge der Halbbrakteaten oft dicker zu sein als die der Dünnpfennige.
...was die Frage nach dem Sinn aufwirft...

Die Veränderungen der Prägetechnik könnte man sich so vorstellen:

Ein unbeschnittener Pfennig aus der Karolingerzeit war mit durchschnittlich 1,6 - 1,7 g festgesetzt. Um das höfische Leben und Kriege zu finanzieren, wurden im Lauf der Zeit die Münzen immer leichter und auch die Silberqualität nahm ab. Hinzu kamen die Verrufungen...

Um nach wie vor ein ausreichend großes Münzbild (Erkennungswert) oder gar ein größeres (Reichtum- bzw. Machtdemonstration) zu erhalten, musste man den Schrötling immer dünner machen. Die Folgen sind bekannt: Gegenseitiges Verschlucken und Durchdringen der Darstellungen (Dünnpfennig).
Vermutlich hatten diese "Prägefehler" dazu geführt, dass man mehr Wert auf den Avers zu legen begann, was dann im Halbbrakteaten - sofern man diesen vom Dünnpfennig abgrenzen will - seinen Ausdruck fand. Ich denke, es gibt da auch fließende Grenzen. Aber prinzipiell macht diese Unterscheidung Sinn; vor allem dann, wenn sie auch chronologisch in die richtige Richtung geht.
Schließlich hatte man wohl eingesehen, dass man auf den Unterstempel ganz verzichten kann, was zu den wunderschönen Bildkompositionen geführt hat, wie wir sie von den Halberstädter-, Quedlingburger- oder thüringschen Reiterbrakteaten her kennen.

Gruß
A.v.P.
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Andechser » So 01.12.13 13:14

Albert von Pietengau hat geschrieben: Ein unbeschnittener Pfennig aus der Karolingerzeit war mit durchschnittlich 1,6 - 1,7 g festgesetzt. Um das höfische Leben und Kriege zu finanzieren, wurden im Lauf der Zeit die Münzen immer leichter und auch die Silberqualität nahm ab. Hinzu kamen die Verrufungen...

Um nach wie vor ein ausreichend großes Münzbild (Erkennungswert) oder gar ein größeres (Reichtum- bzw. Machtdemonstration) zu erhalten, musste man den Schrötling immer dünner machen. Die Folgen sind bekannt: Gegenseitiges Verschlucken und Durchdringen der Darstellungen (Dünnpfennig).
Vermutlich hatten diese "Prägefehler" dazu geführt, dass man mehr Wert auf den Avers zu legen begann, was dann im Halbbrakteaten - sofern man diesen vom Dünnpfennig abgrenzen will - seinen Ausdruck fand. Ich denke, es gibt da auch fließende Grenzen.
Schließlich hatte man wohl eingesehen, dass man auf den Unterstempel ganz verzichten kann, was zu den wunderschönen Bildkompositionen geführt hat, wie wir sie von den Halberstädter-, Quedlingburger- oder thüringschen Reiterbrakteaten her kennen.

Gruß
A.v.P.
Da stellt sich mir die Frage, ob es im Bereich der mittel- und norddeutschen Brakteatenprägungen überhaupt in größerem Maße eine Ausprägung von Dünnpfennigen oder Halbbrakteaten gab? Leider kenne ich mich dafür in dieser Region zu wenig aus.

Das Grundproblem ist denke ich, dass das Durchschlagen eines Teils des Münzbildes noch nicht bedeutet, dass es sich um einen Halbbrakteaten handelt. So kommt das Durchschlagen bei den frühen Friesacher Pfennigen ständig vor und trotzdem sind das normale Pfennige mit 16 bis 19 mm Durchmesser und 1 bis 1,2 g Gewicht.
Grundsätzlich stellt sich ja die Frage, bis zu welcher Dicke eines Schrötlings ist eine zweiseitige Prägung überhaupt noch möglich, ohne dabei den Schrötling zu zerstören?

Hinzu kommt, dass es keineswegs überall zu einer Reduzierung des Silbergehalts kam. Es gibt auch Währungsräume, wie den Friesacher, in dem die Verrufungen auch stattfanden, aber das Gewicht und die Feinheit über 100 Jahre relativ konstant blieb. Dafür gab es dann beim Wechsel des alten in den neuen Typs höchstwahrscheinlich Zwangskurse, so dass man z.B. für 5 alte nur noch 4 neue Pfennige erhielt. Noch schlechtere Zwangskurse sind durchaus denkbar.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass es keine Zwangsläufigkeit war, dass auf eine Dünnpfennigprägung auch eine Brakteatenprägung folgte. In Regensburg wurden lange Dünnpfennige geprägt und diese wurden nicht durch Brakteaten, sondern durch kleinere und dafür dickere Pfennige abgelöst. Es muss sich also schon um eine bewusste Entscheidung des Prägeherren gehandelt haben, ob es zu einer Brakteatenprägung kam oder nicht. Dabei wird das Umlaufgebiet und die Umlauffähigkeit entscheidend gewesen sein.

Also bei den Dünnpfennigen sind ja sehr oft beide Seiten gestört, weil sie sich gegenseitig beeinflusst haben, während bei den Halbbrakteaten, durch die unterschiedliche Tiefe des Stempelschnitts, eine Seite klar ausgeprägt ist, während die andere zum Teil nur Prägespuren trägt. Vielleicht kann auch cepasaccus aus seinen Erfahrungen mit den Prägeversuchen etwas mehr Licht in die Sache bringen.

Viele Grüße
Andechser

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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Albert von Pietengau » So 01.12.13 14:19

Andechser hat geschrieben: Da stellt sich mir die Frage, ob es im Bereich der mittel- und norddeutschen Brakteatenprägungen überhaupt in größerem Maße eine Ausprägung von Dünnpfennigen oder Halbbrakteaten gab? Leider kenne ich mich dafür in dieser Region zu wenig aus.
Ist bei mir nicht anders.
Vielleicht haben die "Preißn" aus den "Fehlern" der Bayern gelernt. :P
Andechser hat geschrieben: Grundsätzlich stellt sich ja die Frage, bis zu welcher Dicke eines Schrötlings ist eine zweiseitige Prägung überhaupt noch möglich, ohne dabei den Schrötling zu zerstören?
Das hängt sicherlich von den Stempeln und auch von deren Ausrichtung zueinander ab. Ich denke, um den Schrötling wirklich zu zerstören, muss schon ein Bergtroll mit dem Hammer zuschlagen. :wink:
Andechser hat geschrieben: Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass es keine Zwangsläufigkeit war, dass auf eine Dünnpfennigprägung auch eine Brakteatenprägung folgte. In Regensburg wurden lange Dünnpfennige geprägt und diese wurden nicht durch Brakteaten, sondern durch kleinere und dafür dickere Pfennige abgelöst.
Die Regensburger hatten wohl endlich eingesehen, dass die Neuerung entschiedene Nachteile mit sich brachte, und hatten dann wieder auf die altbewährte Methode zurückgegriffen. Einer mehr als zweifelhaften Neuerung eine weitere Neuerung folgen zu lassen, ist nicht jedermanns Sache.

Es gibt prinzipiell immer eine Reihe von Möglichkeiten, die in Betracht gezogen werden müssen, und erst dann kann man sich die Frage stellen, inwieweit etwas wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist. Aber das ist noch lange nicht alles: ob das, was uns heute als wahrscheinlich(er) erscheint, auch im Mittelalter so gesehen wurde... Ich befürchte fast, dass wir uns mit reinen Spekulationen zufrieden geben müssen.

Besten Gruß
A.v.P.
Zuletzt geändert von Albert von Pietengau am So 01.12.13 14:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Andechser » So 01.12.13 14:30

Bei einem sehr dünnen Schrötling hat man schon schnell einen Schrötlingsriss oder auch ein mehrfaches Reißen innerhalb des Prägebildes. Es müsste schon eine Mindestdicke für eine zweiseitige Prägung geben. Die Schrötlinge der Thüringer Reiterbrakteaten waren dafür z.B. auf jeden Fall zu dünn.

Viele Grüße
Andechser

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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Albert von Pietengau » So 01.12.13 14:44

Ich denke, dass das eher am Material bzw. den unterschiedlich hohen Temperaturen (außen/innen) liegt. Es sind oft ausgesprochen dicke Münzen, die einen Riss aufweisen.
Aber das ist auch nur eine Vermutung von mir. Um Genaueres sagen zu können, müsste man wohl selbst mal einen Tag lang hämmern. Würde ich ja gerne einmal. :angel:
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Albert von Pietengau » So 01.12.13 14:52

Habe das hier im Reppa-Münzlexikon gefunden:

"Schrötlingsrisse
Durch Ausdehnung der Schrötlinge beim Prägevorgang entstandene Risse am Rand oder im Feld der Münze. Schrötlingsrisse traten früher durch die Materialbeanspruchung, -verunreinigung oder bei sprödem Material auf, vorwiegend an extrem dicken antiken Münzen oder besonders dünnen mittelalterlichen Brakteaten."

Scheint also beides nicht so günstig zu sein.
Zuletzt geändert von Albert von Pietengau am So 01.12.13 14:53, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Andechser » So 01.12.13 14:53

Zumindest muss der Schrötling soviel Material haben, dass im Rahmen der Prägung fließen und das Bild des Stempels annehmen kann. Wenn da eine kritische Masse unterschritten wird, kann die Prägung nicht mehr funktionieren. Das wäre dann physikalisch unmöglich.
Für dickere Schrötlinge verweise ich gerne auf das Buch von Moesta und Franke: Antike Metallurgie und Münzprägung. Aber für die extrem dünnen Schrötlinge dürften die Temperaturunterschiede deutlich weniger relevant gewesen sein.

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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Albert von Pietengau » So 01.12.13 15:03

Ja, bei dünnen Münzen spielt der Temperaturunterschied wohl keine große Rolle. Und auch das ist zweifelsohne richtig: Was die Mindestdicke anbelangt, sollte eine solche schon deshalb gegeben sein, damit die Stempel zur Gänze gefüllt werden können.

BTW:
Ich bin gerade dabei mir zu überlegen, wodurch ein Halb/Brakteatenstempel überhaupt zur Gänze aufgefüllt wird, wenn kein entsprechend konvex geformter Unterstempel dagegen drückt. Kann nur Adhäsion sein, die das bewirkt: ein Beweis dafür, dass das Silber durch den hohen Prägedruck kurzzeitig verflüssigt wird.
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Bertolt » Di 03.12.13 22:47

Hallo, ich möchte mich gern an dieser Diskussion zu den Dünnpfennigen beteiligen. Zunächst möchte ich anführen, dass nicht nur meiner Meinung nach, Halbbrakteat und Dünnpfennig zwei verschiedene Ausdrücke für ein und denselben Münztyp sind. Die hier bereits angeführten Unterscheidungen in Form der unterschiedlich tief gravierten Stempel, um dem gegenseitigen Zerstören der beiden Münzseiten zu begegnen, ist eine Reaktion der Stempelschneider oder auch Münzmeister auf diesen Zustand der Münzen nach dem Prägevorgang. Natürlich ist das miserable Prägeergebnis den mit der Herstellung der Münzen betrauten Personal der Münzstätte nicht verborgen geblieben. Die unterschiedlich tief gravierten Stempel waren eine Reaktion gegen das gegenseitige Zerstören. Dass man sich dabei auf die Erhaltung der Aversseite konzentrierte, lag oft auch daran, dass sich auf dieser Seite die Darstellungen der Heiligen befanden, die für die Münzstätte eben Bedeutung hatten. Das ergibt sich auch aus der besonderen Stellung der Heiligen im Mittelalter. Weiterhin hat sich der Begriff Dünnpfennig als Bezeichnung für die Halbbrakteaten erst in der neueren Zeit durchgesetzt.
Gruß Bertolt.
Erst besinnen, dann Beginnen !

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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Andechser » Mi 04.12.13 08:20

Hallo Bertolt,
ich finde deine Ausführungen wirklich äußerst interessant. Insbesondere den Aspekt mit den Heiligen ist spannend. Aber es gab wohl auch im Mittelalter kaum eine Regel ohne Ausnahme. Bei den Süddeutschen Halbbrakteaten, ich denke vor allem an Bamberg, ist teilweise auf dem Avers ein Fabeltier oder es sind Ornamente dargestellt, während auf der dadurch oftmals nahezu unkenntlichen Rückseite der Bischof mit Pallium und Krummstab dargestellt ist.
In einigen Prägestätten gab es jedoch auch eine bewusste Entscheidung für die direkte Brakteatenprägung, ohne dass in den Jahren davor Halbbrakteaten entstanden wären. Es wurde vielmehr direkt vom Vierschlagpfennig zum Brakteaten übergegangen.

Viele Grüße
Andechser

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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Albert von Pietengau » Do 05.12.13 11:48

Hallo,

bei den Regensburger Pfennigen befindet sich der Hl. Petrus meistens auch auf dem Revers. Die Bischöfe und Herrscher in Bayern nahmen sich wohl wichtiger als die Heiligen. :mrgreen:


Gruß
A.v.P.


PS:
Schön, dass sich hier doch noch jemand zu Wort gemeldet hat, sonst hätten Andechser und ich wieder per PM weitermachen können. :lol:
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Bertolt » So 08.12.13 21:57

Hallo Albert von Pietengau und Andechser,
entschuldigt die lange Antwortzeit, welche ich mir gezwungener Maßen genommen habe, da sich mein Rechner die Woche über zu so einer Art „Kur“ befand.
Also ich wiederum finde es äußerst interessant das diese Regelung mit dem Heiligen auf dem Avers so unterschiedlich gehandhabt wurde. Die Bemerkung über die besondere Stellung der Heiligen im Mittelalter, stammt nämlich von keinem geringeren als Prof. Dr. Bernd Kluge. Zum Beispiel Bamberg, den Bischof auf den Revers zu setzen, als Münzherrn, dem also die Aversseite zustehen würde, um dafür ein Fabeltier den Vorzug zu geben, gibt es dafür eine Erklärung? Sowie Bayern, wie Albert von Pietengau berichtet, ich war immer der Meinung das es sich bei den Bayern um ein gottesfürchtiges Land handelt und du glaubst wirklich, das sich die Bischöfe für wichtiger als ihre Heiligen hielten. Wäre das dann im übertragenen Sinne nicht so etwas ähnliches wie Gotteslästerung?
Gruß Bertolt.
Erst besinnen, dann Beginnen !

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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Andechser » So 08.12.13 22:10

Hallo Bertolt,
das der Bischof auf der schlechter ausgeprägten Seite, also der Seite des Unterstempels abgebildet war, scheint im ganzen süd-östlichen Reich verbreitet gewesen zu sein. Bei den Friesacher Pfennigen wurde ein Kirchenbau auf der einen und der Bischof auf der anderen Seite dargestellt. Dabei wurde aber meist das Bild des Bischofs stark demoliert. Das haben dort aber nicht nur die Bischöfe von Salzburg so gehalten, sondern auch die von Bamberg, Aqulieia und Gurk. Allerdings könnte man in diesem Fall auf die Idee kommen, in dem Kirchenbau eine Darstellung der Sancta Ecclesia zu sehen und dann würde das Sinn machen :wink:
Ich glaube nicht, dass das damals als Gotteslästerung gesehen wurde, sonst hätte sich dazu etwas erhalten. Vielleicht machen wir uns über die Bedeutungsunterschiede der beiden Seiten auch zu viele Gedanken. Welcher Ottonormalverbraucher schaut sich schon eine Euromünzen an und denkt über deren Bedeutung nach? So ähnlich dürften es die Menschen damals auch gehalten haben. Sie mussten nur ihr umlauffähiges Geld erkennen, damit sie nicht betrogen werden.

Viele Grüße
Andechser

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