Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Alles was von Europäern so geprägt wurde
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Bertolt
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Bertolt » Mo 09.12.13 07:06

Hallo Andechser, damit könntest du natürlich Recht haben. Aber unabhängig von den Gedankengängen der Menschen oder auch Ottonormalverbrauchern, bestimmte Regeln, das geprägte Geld betreffend muss es doch geben? Auch bei den Euromünzen ist die Seite des "Prägeherren" oder auch Ausgabestelle oder wie man es auch nennen will, genau geregelt und alle Eurostaaten halten sich daran? Gruß Bertolt
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Andechser
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Andechser » Mo 09.12.13 15:35

Hallo Bertolt,
ich denke, dass sich diese Regeln bzw. Gewohnheiten auch nach dem jeweiligen Währungsraum gerichtet haben. Es gab dann eben einen Prägeherren oder eine Münzstätte, die die Standards gesetzt hat und die anderen haben sich dann mehr oder weniger daran gehalten. Zumindest könnte ich mir das so vorstellen. Weil währungsraumübergreifende Regeln zur Gestaltung der Münzprägung kann ich mir für die Zeit des regionalen Pfennigs eigentlich nicht vorstellen. Aber ich lasse mich da gerne eines Besseren belehren.

Viele Grüße
Andechser

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Bertolt
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Bertolt » Di 10.12.13 07:20

Hallo Andechser,
Ich befasse mich ausschließlich mit den Halberstädter Dünnpfennigen und habe mit allen mir bisher bekanntgewordenen Stempelvarianten ca. 720 unterschiedliche Exemplare in meinen Dateien erfasst. Insgesamt hat Halberstadt ca. 35 Jahre lang Dünnpfennige geprägt. Von ca. 1115 bis 1162 (Mit einigen Unterbrechungen) Die ungeschriebene Regelung, das dem Münzherrn bzw. dem Heiligen Stephanus (Für Halberstadt aber auch SIXTVS und PETRVS) wegen seiner besonderen Stellung im Mittelalter die Aversseite zusteht, trifft für die Halberstädter Dünnpfennige zu etwa 80% zu. Bei 20% wird von dieser Regelung abgewichen. Darum bin ich dankbar für die Informationen aus jenen süddeutschen Münzstätten, welche sich ebenso nicht an diese Regelung gehalten haben. Trotzdem ist etwas währungsraumübergreifendes passiert. Die Feststellung, dass man dem schlechten Prägeergebnissen durch unterschiedlich tief gravierte Münzstempel zum Nachteil der Reversseite entgegen zu wirken versuchte, ist ja offensicht fast überall so angewandt wurden, wie ich aus euren Schilderungen über Dünnpfennigprägung in den angeführten Münzstätten entnehmen kann. Sind die alle alleine darauf gekommen?
Gruß Bertolt.
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Albert von Pietengau
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Albert von Pietengau » Di 10.12.13 19:24

Hallo Bertolt,

schwer zu sagen. Vielleicht musste erst einer (wie so oft) den Anfang machen... Was Blasphemie war und was nicht, bestimmt(e) der Papst :mrgreen: , und wenn man zu diesem einen guten Draht hatt(e), durfte man sich scheiden lassen und noch vieles mehr... :wink:

Leider habe ich kein Spezialgebiet (innerhalb des Mittelalters), und daher sind meine "Fachkenntnisse" ziemlich oberflächlich. Anhand von Regensburg, das damals Bayerns Hauptstadt war, kann man (bei den mir bekannten Stücken) http://www.numismatikforum.de/viewtopic.php?f=7&t=48513 sehen, dass der Petrus am Avers eher die Ausnahmeerscheinung war. Andechser und Bernima wissen da aber sicherlich besser Bescheid als ich.

BTW: Vielen Dank für Deinen interessanten Beitrag!

@Andechser: Du hast eine PM!

Mit bestem Gruß
AvP
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Albert von Pietengau
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Albert von Pietengau » Di 10.12.13 20:18

Ich denke auch, dass wir das Ganze überbewerten. Ich bin mir gar nicht sicher, ob man überhaupt in allen Fällen sagen kann, welche Seite nun der Avers, und welche der Revers ist. Man neigt automatisch dazu, das, was (aufgrund des tiefer geschnittenen Stempels) gut sichtbar ist, als Avers zu bezeichnen.

Muss der Oberstempel (immer) der Avers-Stempel sein? :drinking:
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Andechser » Di 10.12.13 20:30

Albert von Pietengau hat geschrieben:Ich denke auch, dass wir das Ganze überbewerten. Ich bin mir gar nicht sicher, ob man überhaupt in allen Fällen sagen kann, welche Seite nun der Avers, und welche der Revers ist. Man neigt automatisch dazu, das, was (aufgrund des tiefer geschnittenen Stempels) gut sichtbar ist, als Avers zu bezeichnen.

Muss der Oberstempel (immer) der Avers-Stempel sein? :drinking:
Genau um dieses Problem zu umgehen habe ich in den Notizen für meine Doktorarbeiten nur die Begriffe Obereisen und Untereisen stehen, da sich diese prägetechnisch eindeutig festlegen lassen.

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Albert von Pietengau
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Albert von Pietengau » Mi 11.12.13 21:54

Hallo,

http://www.soestermuenzen.de/index.php?pcid=30&pdid=97

Demnach wäre das gefütterte Obereisen für die Rückseite verantwortlich, während das Untereisen das (neg.) Bild trägt. Da die Verwendung von Leder und Blei zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, findet in diesem Fall - wie wohl generell bei der Brakteatenprägung - auch keine Stempelfüllung durch Adhäsion statt, wie ich fälschlicherweise angenommen hatte. Da das leicht verformbare Blei eindeutig mehr Gegendruck als Filz oder Leder erzeugt, kommt es auch zur schärferen Ausprägung.

Bei der Halbbrakteaten-Prägung sieht die Sache aber gänzlich anders aus: hier muss der Schrötling zwischen zwei Stempeln liegen (sonst wäre ja keine rückseitige Prägung möglich). Hierbei kommt es klarerweise zu wesentlich höheren Temperaturen, da in diesem Fall keine "Knautschzone" vorliegt und ein dementsprechend hoher Druck entsteht. Ob der allerdings hoch genug ist, um das Silbers zu verflüssigen... Falls nicht, woher kommt der Gegendruck? :? Muss also wohl so sein: Der Schmelzpunkt von Silber liegt ca. 100 °C unter dem von Gold, und bei Goldmünzen kann man den strahlenförmigen Verlauf des geschmolzenen Goldes sehen.


Wäre schön, wenn Du etwas näher auf den Unterschied Ober-/Unterstemel und Ober-/Untereisen in Bezug auf Avers/Revers eingehen könntest.

Viele Grüße
AvP
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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Andechser » Do 12.12.13 10:23

Hallo Albert von Pietengau,
im Friesacher Raum ist immer wieder zu beobachten, dass die Zuweisung von Avers und Revers fröhlich zwischen Ober- und Untereisen hin und her springt. Aber generell lässt sich feststellen, dass die Spuren des Vierschlags und die damit verbundenen Prägeschwächen auf der Seite, die mit dem Untereisen geprägt wurde, weit stärker sind, als auf der Seite des Obereisens. Außerdem sind die Ecken der Vierschlagpfennige in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle in Richtung des Obereisens gebogen, da der Obereisenstempel meist einen kleineren Durchmesser hatte, als der Schrötling.
Albert von Pietengau hat geschrieben:Bei der Halbbrakteaten-Prägung sieht die Sache aber gänzlich anders aus: hier muss der Schrötling zwischen zwei Stempeln liegen (sonst wäre ja keine rückseitige Prägung möglich). Hierbei kommt es klarerweise zu wesentlich höheren Temperaturen, da in diesem Fall keine "Knautschzone" vorliegt und ein dementsprechend hoher Druck entsteht. Ob der allerdings hoch genug ist, um das Silbers zu verflüssigen... Falls nicht, woher kommt der Gegendruck? :? Muss also wohl so sein: Der Schmelzpunkt von Silber liegt ca. 100 °C unter dem von Gold, und bei Goldmünzen kann man den strahlenförmigen Verlauf des geschmolzenen Goldes sehen.
Ich habe nochmal mit einem Materialwissenschaftler gesprochen, der selbst auch Münzen sammelt. Er hat mir bestätigt, dass diese Flusslinien, die du meinst, nichts mit geschmolzenem Metall zu tun haben, sondern nur das Ausweichen des Materials unter Druck dokumentieren. Die zum Schmelzen nötigen Temeraturen werden bei der Prägung nämlich nicht erreicht. Der Prägedruck der Stempel und des Hammerschlags, du kannst das gerne mal auf der Grundlage des Impulserhaltungssatzes nachrechnen, reicht problemlos für eine Kaltverformung aus, bei der natürlich Wärme freigesetzt wird, aber keine Verflüssigung des Materials stattfindet.

Beste Grüße
Andechser

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Re: Die unterschiedlichen Gesichter des Pfennigs

Beitrag von Albert von Pietengau » Do 12.12.13 15:56

Hallo,

wenn man Experten zur Hand hat, ist das immer gut. Da ich keinerlei Vorstellung habe, wie hoch der Druck durch einen Hammerschlag ist - hängt auch vom Münzmeister und dem Stempeldurchmesser ab -, weiß ich auch nicht wie hoch die Temp. ansteigt. Aber zur (kurzzeitigen) Verflüssigung ist schon einiges nötig...

Wodurch der Gegendruck bei den Halbbrakteaten entsteht, bleibt dann aber nach wie vor die große Frage. :?:

Viele Grüße
AvP
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