Deutscher Orden

Alles was von Europäern so geprägt wurde
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Comthur
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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Comthur » Do 21.07.16 17:20

Für mich ist jede Münze interessant. Allein schon deswegen, weil sie nahezu die einzigsten Zeitzeugen sind, die "überlebt" haben.
Bin schon gespannt auf Deine Pfennige aus dem 14.Jh. ! Womöglich finden sich ja doch Besonderheiten.

Einige Stücke des Nikolaus von Redwitz habe ich auch in der Sammlung. Allerdings habe ich dazu nur sehr wenig Literatur bzw. nur einzelne Veröffentlichungen.

Darf man fragen, wo es hingeht und wie weit die Familiengeschichte zurück reicht .. bis in die Ordenszeit ?
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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Tejas552 » Fr 22.07.16 09:52

Mein Familienname ist Faltin. Mein Vater wurde im Samland geboren. Seine Eltern haben aber 1936 (also vor genau 80 Jahren) in der Kirche von Nikolaiken geheiratet. Dorthin geht es dann auch von Warschau über Thorn und Marienburg. Der Name Faltin war in Ostpreussen sehr weit verbreitet, vor allem im östlichen Teil (Memel, Tilsit, Goldap, Insterburg, Marggrabowa, Lyck). Ich kann meine Faltin-Linie aber leider nur bis 1780 zurück verfolgen. Erste Namensvertreter gibt es aber ab etwa 1500 in Ostpreussen. Frühere Nennungen habe ich bisher nicht gefunden. Wenn Du in Deinen Recherchen in Urkundenbüchern auf den Namen oder entsprechende Varianten (Valtin, Valtyn, Veltin etc.) triffst, wäre ich für einen Hinweis sehr dankbar.

Zu diesem Zeitpunkt, also um 1500 waren die Faltins aber offenbar schon recht zahlreich in Ostpreussen und ich gehe von einer Einwanderung in der ersten Hälfte des 15 Jh. aus. Vermutlich kamen sie aus Schlesien, wo es ebenfalls viele Faltins gab. Ab 1425 litten Teile Schlesiens sehr unter den Zerstörungen der Hussitenkriege, was viele Deutsche dazu veranlasste ins Ordensland zu ziehen. Ein Berühmtes Beispiel ist die Familie von Nikolaus Kopernikus. Eine Linie kann ich aber dann doch in die Ordenszeit verfolgen. Auf der Seite meiner Grossmutter ist dies eine Familie Perkun. Hier haben wir eine direkte und ungebrochene Linie zu einem Nikel Perkun und Gertrud Sanditte die Anfang des 15. Jahrhunderts lebten und zu den Prussen zählten.

Gruss
Dirk

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Comthur
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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Comthur » So 24.07.16 21:32

Na das ist doch mal eine spannende Geschichte !
Wie ich die Sache sehe, wird es wohl nicht bei ein paar Belegstücken an Ordensmünzen bleiben sondern sicher auch noch einige Urkundenwerke dazu kommen, um auch das Leben im 13./14.Jh. (ff.) auf preussischer Seite / unter dem Orden zu erkunden. Und es ist ein erheblicher Unterschied, ob man die heutigen, oft genug ideologisch eingefärbten, Schmalspurinformationen liest oder sich selbst mit den Texten der Dokumente auseinander setzt. Für Dich sicher Interessant das Preussische Urkundenbuch Teil I - 1140-1309 sowie zur Geschichtsschreibung Johannes Voigt "Geschichte Preussens".

Die Wikipedia-Einschätzung Voigts als Gschichtsschreiber, dem die Methodik der "hochgelobten" späteren Generationen fehlte ... kann ich nicht recht nachvollziehen. Denn was haben wir - ach so hoch gebildeten - heute für eine Geschichtsschreibung : Zitat aus Duden Abiturwissen Geschichte (2011), S.189 : "Er (Der Orden) wurde durch den polnischen Herzog Konrad von Masowien in das Land gerufen, um bei der Bekehrung und Unterwerfung der heidnischen Pruzzen zu helfen. Nach fast 200 Jahren Kampf war dem Deutschen Orden nicht nur dieses Ziel gelungen. Die Pruzzen waren in den Kämpfen nahezu vollständig ausgerottet worden." Und eine derartige unwissenschaftliche - noch nicht einmal wahre - Gräuelpropaganda lernt unsere Jugend noch heute !
Die wahre Schande ist die heutige, meist einseitig belichtete und der political correktness verfallene "Geschichtsschreibung", wo die Quellen nicht mehr zählen !

Ich werde mir mal die Namen notieren und mich melden, wenn mir etwas an Dokumenten unter die Augen kommt. Faltin o.ä. sagt mir im Moment nichts aber Perkun (Stichwort pruzzische Gottheit !) und Sanditte können durchaus schon vorgekommen sein.
https://books.google.de/books?id=kMdFAQ ... tt&f=false

Und die Hussiten, denen hatte der Orden schon nichts mehr entgegenzusetzen, sodaß Teile des Ordenslandes fürchterlich verheert wurden. Meines Erachtens hat der polnische König die Hussiten sogar unterstützt.
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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Tejas552 » So 31.07.16 11:50

Mit der Geschichtsschreibung in dieser Region ist es so eine Sache. Leider war sie seit jeher stark von nationalem Denken geprägt. Ich war die vergangene Woche in Thorn, Marienburg, Heilsberg, Rössel, Rhein, Nikolaiken und Umgebung (und dann noch in Bialowieza). Ich denke das der Umgang mit der deutschen Geschichte etwas entspannter geworden ist. Im Ordensschloss von Rhein (jetzt ein Hotel) hängen die Fahnen des Deutschen Orden, des Hochmeisters und die einzelnen Hochmeisterwappen. An der Marienburg fand gerade ein grosses Mittelalterspektakel statt bei dem Kinder auf Pferden reiten konnten, die weisse Pferdedecken mit schwarzen Kreuzen trugen. An den Kiosken werden überall Spielzeugwaffen in den Farben und mit dem Wappen des Ordens verkauft.

Im Haus von Kopernikus wird einem nicht mehr (wie noch vor einigen Jahren der Fall) ständig erzählt, das Kopernikus ein Pole war. Er war zweifellos ethnisch und kulturell ein Deutscher, der, wie viele andere Deutsche auch, gut und gern unter der Hoheit des polnischen Königs lebte.

Der Mär von der Ausrottung der Prussen bin ich aber noch begegnet. Sie hält sich hartnäckig. Für einige Polen ist es wohl auch heute noch wichtig festzustellen, dass die ursprünglichen Bewohner des Landes restlos verschwunden sind, sodass man die Deutschen als Invasoren vertreiben konnte. Für die einfachen Polen steht fest: Die Prussen wurden von den Deutschen ausgerottet. Das Land ist ur-slawisch und die deutsche Zeit war nur eine temporäre Phase der Fremdherrschaft, die man 1945 gerechterweise abschütteln konnte. Leider weiss ich nicht, wie dass von den polnischen Historikern beurteilt wird.

Ich habe ein russisches Buch zu dem Thema, dass in Kaliningrad erschienen ist. Dort wird die Geschichte relativ differenziert dargestellt. Allerdings wird dort immer wieder hervorgehoben, dass sich die bedrängten Prussen an die Russen in Novgorod gewendet hätten um von ihnen Hilfe zu bekommen. So wird dort ein russischer Anspruch auf das nördliche Ostpreussen untermauert.


Gruss
Dirk

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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Albert von Pietengau » So 31.07.16 18:13

Schöne Brakteaten! Ich war knapp davor, einen "Schild- und Fahnenträger" bei ebay (400 €) zu erwerben. Habe ich dann verpennt. :?
...dass sich die bedrängten Prussen an die Russen in Novgorod gewendet hätten um von ihnen Hilfe zu bekommen. So wird dort ein russischer Anspruch auf das nördliche Ostpreussen untermauert.
Mit einer ähnlichen Argumentationsweise könnte auch ein Anspruch auf Syrien geltend gemacht werden :mrgreen: - auch wenn dazu deutlich mehr als ein P wegradiert werden müsste. Martialisches Geschwafel (Rote Linie, Plan B etc.) beeindruckt ohnehin keinen mehr. Fehlt nur noch Donald als US-Präsident, dann kann Washington endgültig in Entenhausen umbenannt werden.



Gruß
AvP
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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Tejas552 » So 31.07.16 18:19

Um nicht zu weit von unserem eigentlichen Thema abzuschweifen; hier sind nun endlich die kleinen Hohlpfennige aus meiner Sammlung. Auf drei Dubletten habe ich verzichtet. Da ist sicher nichts aufregendes dabei. Bei dem grossen Hohlpfennig (Kreuz zwischen Halbmond und Stern) bin ich nicht sicher ob er wirklich dem DO zugerechnet werden kann. Vielleicht wurde die Münze auch im Baltikum geprägt. Mich würde die zeitliche Abfolge der Prägungen interessieren, soweit man das überhaupt sagen kann. Ich gehe davon aus, dass diese Münzen in der Zeit von etwa 1290 bis 1350 geprägt wurden.

Gruss
Dirk
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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Tejas552 » So 31.07.16 18:48

Meine beiden Halbschoter (16-Pfennig-Stücke) habe ich bereits gezeigt. Bevor ich zu den Schillingen komme hier ist noch ein Vierchen, dass wohl auch unter Winrich v. Kniprode geprägt wurde:

MAGISTER GENERALIS // DOMINORVM PRVSSIE +

ich finde es erstaunlich, dass Halbschoter und Vierchen anonym geprägt wurden. Ich denke, ihr Stil und die relative Seltenheit zeigen, dass sie kaum über die Zeit von Winrich von Kniprode hinaus geprägt worden sind. Ich vermute, dass bei den Vierchen die Seniorage (Schlagschatz) sehr gering war. Drei Vierchen sind meiner Meinung nach schwerer als ein Schilling. Mit einem Schilling war also mehr Seniorage zu verdienen. Möglicherweise war dies der Grund warum der Orden die Prägung von Vierchen eingestellt hat und warum die Leute die Halbschoter abgelehnt haben so dass am Ende nur die Schillinge übrig geblieben sind.


Gruss
Dirk
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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Comthur » Di 02.08.16 13:57

Wo anfangen ? Am besten erst einmal ein paar Sätze zur "Geschichtsschreibung":

Seit dem Krieg hat sich schon das eine oder andere (vernünftige) Argument herumgesprochen, sodaß die vielen kleinen "Hochmeister" auf den Marienburg- etc.- Festen heute nichts mehr zu befürchten haben (...). Natürlich gehört das zum "Geschäft" und solange man nicht lautstark an den grundlegenden - politisch korrekten - Ansichten rüttelt, werden die Ordensfarben auch toleriert.

Das Umdenken bzgl. Kopernikus freut natürlich. Das "gut und gern" möchte ich mal lieber im Raume stehen lassen ... dafür dürfte es freilich keine "Beweise" gegeben haben (oder doch ?!). Jedenfalls hat sich Kopernikus für das Münzwesen des Ordens eingesetzt resp. Gedanken gemacht --- und dies freilich sagt mir schon bedeutend mehr.
Nun, quasi unter dem Dach der Kirche (!) - Domkapitel von Frauenburg - Stichwort Onkel von Kopernikus - ließ es sich sicher "leben". Vom Alltag der Bauern / generell der Bevölkerung unter dem polnischen König oder unter den regionalen Verwaltern der polnischen Krone ... wird man sicher kaum etwas erfahren. Dazu wären mal die polnischen Historiker gefragt - aber die folgen derzeit noch anderen Spuren. Leider nicht denen der Archive / Originaldokumente (...).
https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCnzdenkschrift

Zu den o.g. "Feststellungen" : ...wäre festzustellen, daß u.a. von polnischer Seite gewaltsames Vorgehen gegen die pruzzischen - also baltischen (=nicht slawischen und erst recht nicht polnischen !) - Stämme (mind.) einen verheerenden Aufstand der Pruzzen verursachte und ein poln. Herzog gewaltig unter Druck kam, da er große Teile seines Landes samt seiner Hauptburg verloren hatte. (Konrad von Masowien). Mit ohnehin verlorenem Land war man freilich auch späterhin recht großzügig (!) gegenüber dem Deutschen Orden. Soweit zum Anfang der Geschichte. Hochinteressant auch bzgl. Danzig - aber dies würde hier zu weit führen. Auch hier nichts "Ur-Slawisch" sondern leicht zu widerlegende "Feind-Propaganda" aus nationalistischen Motiven heraus, um den späteren Völkermord an den Deutschen zu rechtfertigen - u.a. "Die Toten von Marienburg" recherchieren. http://marienburg-westpreussen.de/die-t ... nburg.html
Mir liegen u.a. mit dem Preussischen Urkundenbuch oder auch dem Urkundenbuch des Bisthums Samland dutzende wenn nicht hunderte von Beweisen vor, die belegen, daß die Urbevölkerung NICHT "ausgerottet", sondern über Lehen wie erblichem Besitz von teils erheblicher Größe völlig korrekt behandelt wurde. Aber darüber hinaus gibt es auch neuere Studien zum Thema, die beweisen... das ein erheblicher Teil der Bevölkerung unter der Ordensherrschaft den alten Baltenstämmen angehörte ... und auch die Pruzzische Sprache nachweislich erst unter polnischer Herrschaft ausgestorben ist (!).
Das sich die Pruzzen an die Novgoroder gewandt hätten, ist mir neu. Warum nicht an die dazwischen liegenden Lithauer (?). Was es gab, sind Ende des 13.Jh. "betriebsfriedensstörerische" Kontakte des etwas chaotisch regierenden (pommerellischen !) Herzogs in Danzig, welcher allen - belegbar schriftlich - alles Mögliche versprach und als "alle" (Brandenburger / Deutscher Orden / Kloster / [Polen?]) an die Tür klopften, das Chaos perfekt war, wurden die Pruzzen zu Aktionen gegen den Orden aufgestachelt. Ich kann nur jedem Geschichtsinteressiertem raten - nehmt Euch die Urkundenwerke zur Hand ! Schenkel- u. Kopfklatsch bis hin zum AHA-Effekt sind garantiert. Das Wort "polnische Historiker" nimmt dann niemand mehr in den Mund, denn die scheint es nicht zu geben !

Hier eines zum Nachrecherchieren : Wie ist denn die aggressive Eroberungspolitik der polnischen Machthaber im Laufe der Jahrhunderte (!) deutlich geworden ? - Durch intensive Polonisierung unter Vernichtung der einheimischen Obrigkeit und Kultur. Bis hin zum Panslavismus im 19. Jh., unter welchem es selbst noch unter der K.u.K.-Monarchie zu verzweifelten Petitionen an den Kaiser kam, doch nur keine Polen als Verwalter bestimmter Landstriche einzusetzen ... .
Und ein gut informierter Pole aus meinem Bekanntenkreis, welcher mir noch ganz andere Begebenheiten aus der polnischen Geschichte erzählen konnte ... sagte mir einmal einen alten Spruch, der auch in Polen gängig ist : "Wie kann man die Polen am meisten strafen (?) ---- Laß` sie sich selbst regieren !"

Mit der Wahrheit tut man sich mitunter schwer. Dennoch habe ich es vor einigen Jahren gewagt, beim Festtag zur Grunwaldschlacht auf einem stolz präsentiertem Stammbaum der Jagiellonen auf - den LITHAUER !! - W.Jagiello hinzuweisen... . Tja, und als der noch rel. kurz vorher den Polen feindlich(!) gesinnte Lithauer auf dem polnischen Königs-Thron saß, also eine Rangerhöhung unter Verrat an der eignen Königin (Hedwig) durch den polnischen Adel, war freilich auch vom "Wahlkönigtum" keine Rede mehr. Da haben dann eine ganze Reihe von Polen, da bildete sich eine kleine Menschentraube um die Tafel, angefangen, intensiver nachzudenken.
Nach der Vorführung der Schlacht habe ich die Übersetzung nach dem "...gütigen und friedliebenden König Jagiello" allerdings abbrechen lassen --- ich war über diese massive Geschichtsfälschung und wahrhafte Verdummung auch der vielen polnischen Kinder bis zu den Jugendlichen und Pfadfindern ... zu wütend und enttäuscht. Wenn man die Dokumente kennt, ist das einfach nicht zu ertragen.
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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Tejas552 » Di 02.08.16 15:00

Tja, Geschichte ist keine neutrale Wissenschaft sondern eng mit Politik und der Ausbildung nationaler Identitäten verknüpft. Ich hoffe, dass man über die Zeit zu einer einigermassen fairen und ausgewogenen Darstellung der Geschichte dieser Region gelangt.

Manchmal sind die Widersprüche so gross, dass sie auch Laien wir mir auffallen müssen. Im Bialowiza-Nationalpark erfährt man z.B. das der polnische König dort 1409 Massen-Jagden abhalten liess um genug Pökelfleisch für den Kriegszug von 1410 zusammen zubringen. Im gleichen Zuge heisst es dann aber auch, dass der DO die Polen 1410 mitten im Frieden und ohne Vorwarnung überfallen hätte - passt irgendwie nicht.

Gruss
Dirk

PS Kurioserweise bin ich stolzer Besitzer einer steinernen Kanonenkugel vom Schlachtfeld von Tannenberg/Grunwald - ist eine lange Geschichte :D . Sie gehörte vermutlich zur Ordensartillerie, die dann nicht effektiv zum Einsatz kam.

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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Comthur » Di 02.08.16 16:50

Eigentlich ist es traurig aber doch wieder zum Lachen ---- mitten im Frieden und ohne Vorwarnung. Um es (möglichst) kurz zu machen - die Vorgänge / Hintergründe sind sehr gut dokumentarisch belegt und dem Hochmeister platzte, auf Deutsch gesagt, einfach der Kragen angesichts der Lithauisch(!)-polnischen Frechheiten und Vertragsbrüche. Dieser Waffengang entzündete sich an den dem Orden schon mehrfach vertraglich zugesagten Gebieten a la Szamaiten. Zu den genannten Urkundenbüchern sollte man sich noch den E.Weise "Staatsverträge des Deutschen Ordens" zurechtlegen.

Also gut - kurzes, beispielhaftes Zitat aus o.g. Weise Nr.69 (Vertrag von Neustettin / Dokument a / 20.August 1409 : "Bündnis - und Pfandvertrag der Herzöge Swantibor III. von Stettin und Bogislaw VIII. von Stolp mit dem Hochmeister Ulrich von Jungingen aus Anlaß des von Großfürst Witold angestifteten Verrats der Szamaiten unter Zustimmung des Kgs. von Polen, ferner wegen der angemaßten Besitzergreifung Szamaitens durch den König und Witold entgegen den päpstlichen und kaiserlichen Privilegien und urkundlichen Zusicherungen der beiden Fürsten selbst, wodurch der Hochmeister trotz seiner Friedensbereitschaft gezwungen worden sei, die Ordensburgen in Szamaiten aufzugeben, vor allem aber wegen des Bündnisses Witolds mit den Russen, Tartaren und anderen Ungläubigen zur Vernichtung des Ordens und Anfechtung der ganzen Christenheit."
Schon hier in wenigen Sätzen das Wesentliche zur Vorgeschichte gesagt. Passage aus dem Dokument der Herzöge :"vettere, der Pomern, der Wenden und der Cassuben"... . -um mal nationalpolnische Gedankengänge in Richtung dieser Gegenden auszuräumen.

Weise Nr.74 (B. / Vertrag) Waffenstillstand zwischen HM U. v. Jungingen und W. Jagiello, Kg. v. Polen, datiert 8.Okt.1409 - bis 24.Juni 1410 unter Vermittlung König Wenzels unter Maßgabe des Friedens von Kalisch (!!!)

Weise Nr.80 (A. Haupturkunde) Schiedsspruch König Wenzels : datiert Prag, 15.Februar 1410 : u.a.

Punkt 1 - alle Sachen, die bereits früher berichtigt und verbrieft sind, sollen nicht wieder aufgenommen, sondern unverbrüchlich gehalten werden
2. - Beide Teile sollen bei ihrem Besitzstande an Land und Leuten nach Maßgabe der päpstlichen, kaiserlichen und anderen Urkunden wie vor dem Ausbruch des augenblicklichen Krieges verbleiben.
3. - Das Land Dobrin soll dem Könige von Polen abgetreten werden ......
4. - SZAMAITEN verbleibt beim Orden ....
u.s.w.

Nun passte den Lithauer(-Polen) dieser Schiedsspruch, dem sie im Vorhinein zustimmten, nicht - und es gab eben Provokationen bzgl. Szamaiten, daß "selbstverständlich" nicht abgetreten wurde ... bis es knallte.

Und das ist die wahre Geschichte, wenn auch nur in Kurzfassung. Wie gesagt, dazu reichlich und überaus interessant ... Dokumente über Dokumente.

Viele Grüße,

Daniel
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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Tejas552 » Di 02.08.16 17:23

Dies wäre ein gutes Thema für eine Doktorarbeit oder ein Buch. Darf ich fragen, ob Du an etwas in der Art arbeitest und ob eine Publikation in Aussicht steht? "Die Schlacht von Tannenberg und ihre Vorgeschichte" wäre ein guter Titel für einen wissenschaftlichen Artikel zum Thema.

Vielen Dank für Deine detaillierten Ausführungen!

Gruss
Dirk

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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Comthur » Di 02.08.16 17:50

Literatur zum Thema gibt`s genug --- leider kommt keiner auf die Idee, die Urkundenwerke ausführlicher zu benennen oder als Quelle im Detail zu verwenden.

Bezüglich der preussischen Ordensmünzen habe ich durchaus schon vor gut 10 Jahren an eine entsprechende Arbeit gedacht - allerdings hatten wir im Mai 2010 einen erheblichen Tornadoschaden in Sachsen (-nach Auskunft des mdr wohl der größte in Nordsachsen), welcher, ohne Hilfen vom Land / vom Staat ... , finanziell nicht ganz unproblematisch ist und obendrein mein Arbeitgeber (ÖD in Bayern) bezügl. Abitur (für Erwachsene ;-) ) quer geschossen hat - Dienstplanung. Bei unqualifizierten Vorgesetzten kommen da natürlich eher andere Beweggründe in den Sinn. Wenn Du dann quasi alleine in weiter Flur stehst, nützen die besten Ideen nichts - man kommt nicht weiter ! Da fehlen finanzielle Mittel, Zeit und das Abitur ... .
Ich sollte zusehen, auch beruflich in den Bereich der Numismatik // Geschichte zu wechseln. Nur WIE lautet die Preisfrage ?

Was ich begonnen habe, aber leider seit 2013 u.a. auch wegen fehlender Möglichkeiten des Besuchs von diversen Münzkabinetten stockt, ist eine Arbeit an einem Katalog bzgl. der Ordensmünzen (bis 1525). Ein Versuch, um den Neumann abzulösen - ob das dann angenommen wird, müsste jeder für sich entscheiden. Die Beweggründe liegen offen.
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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Tejas552 » Di 02.08.16 22:58

Damit uns nicht eine Abweichung vom Thema vorgeworfen wird zeige ich mal den ersten Schilling (12-Pfenning-Stück).

Das Stück stammt aus der Zeit von Winrich v. Kniprode (1351-1382) und ist ungewöhnlich gut erhalten. Ich habe lange nach einem Schilling in dieser Qualität gesucht. Dieses ist mit Abstand der schönste Ordensschilling in meiner Sammlung.

MAGST xx WYNRICS XX PRIMS+
MONETA xx DNORUM xx PRVCI+

Weiss man eigentlich, wann genau mit der Ausmünzung von Schillingen begonnen wurde? Die Schillinge von Winrich tragen kein Münzstättenzeichen, wie einige Schillige seiner Nachfolger. Ich vermute, dass diese Stücke in Thorn oder Marienburg geprägt wurden.

Gruss
Dirk


PS Wer sich für das Mittelalter interessiert (und das dürften in diesem Teil des Forum alle sein) sollte sich unbedingt die Marienburg ansehen. Bekanntlich ist sie eine der, wenn nicht die grösste Ritterburg der Welt - eine wahrlich gewaltige Festungsanlage von ungewöhnlicher Schönheit.
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Albert von Pietengau
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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Albert von Pietengau » Mi 03.08.16 10:09

Auch Carcassonne ist einen Besuch wert.

Zur Marienburg:
Wie auch bezügl.Schloss Burg im Bergischen Land oder Groß St. Martin in Köln hat man hervorragende Restaurierungsarbeit geleistet, aber es ist doch nicht mehr wie früher: die Atmosphäre der Unberührtheit, wie sie sich ein Numismatiker bei seinen Münzen wünscht, ist verflogen. Übrigens, ein wirklich schöner Kniprode.

Habe mir vor Jahren in Frankfurt zwei Bildbände (Deutsche Städte vor und nach dem Krieg) gekauft. Gerade Frankf. war ein Juwel, ganz zu schweigen von Nürnberg und diversen norddeutschen Städten (z.B. Lübeck).
Zum Glück existiert noch die eine oder andere unbeschädigte Perle wie Regensburg oder Passau. Auch in Rothenburg ob der T. sieht man neu gebaute Häuschen im mittelalterlichen Stil. Ob es den Japanern auffällt?

Sorry für das off topic, aber bei DO-Münzen kann ich nicht mitsprechen - nur mitlesen!


Gruß
AvP
Zuletzt geändert von Albert von Pietengau am Mi 03.08.16 10:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Deutscher Orden

Beitrag von Tejas552 » Mi 03.08.16 10:26

Das ist natürlich wahr. Carcassonne ist toll, wenn man trotz der vielen Touristen etwas zu sehen bekommt. Ich war dort vor zwei Jahren und war tief enttäuscht, weil der Ort so überlaufen war.

Die Marienburg wurde auch gebaut um die Gäste des Ordens zu beeindrucken. Der Orden war auf die militärische Hilfe von Gast-Rittern aus ganz Europa angewiesen. Für diese muss die Ankunft in der Ordensburg eine Art Offenbarung gewesen sein, eine Begegnung mit einem wirklichen Camelot.

Gruss
Dirk

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