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Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Di 27.05.25 14:46
von MartinH
Ich möchte Euch eine Neuerwerbung (Peuss) vorstellen, die viele Fragen aufwirft. Genauer sind es zwei Exemplare:

Köln1.jpg
Köln2.jpg
Ex 1: Durchmesser 12 mm, Dicke 3,75 mm, 4,15 g (hier abgebildet)
Ex 2: Durchmesser 13 mm, Dicke 3,5 mm, 4,02 g

Der Stempel der Vs ist auf dem 2. Exemplar etwas anders positioniert:
Köln3.jpg
Sodass auf der Vs ein stehender, gekrönter Mann (Kaiser/König?) im langen Gewand zu sehen ist, mit der Umschrift
POLS ... - EREA. Auf der Rückseite eine Krone mit Verzierungen in einer Cartouche.

Was weiß man von diesen Stücken?

Sie stammen aus der Sammlung des am 16.4.1864 in Köln geborenen Hermann Joseph Lückger, Inhaber einer Strickwarenfabrik, Sammler und kenntnisreicher Archäologe mit Fokus auf den "spendenreichen Kölner Boden". (https://www.vr-elibrary.de/doi/abs/10.7 ... Code=jbkgv)

Sie sind Fundstücke aus Köln und wurden auf dem handschriftlichen Sammlerkärtchen von Lückger als "Münzgewichte in Cöln gefunden / ca. 1350" vermerkt. Um Münzgewichte handelt es sich nach Ansicht des Auktionshauses wohl nicht. Dies wurde mit nicht passenden Gewichten erklärt. Von daher bezeichnete das Auktionshaus Sie als Marken.

Eine RFA ergab an einem Stück: Cu 83,7 %, Zn 8,2 %, Pb 2,6 %, Fe 2,3 %

Zuordnung

Die Zuordnung zu Köln ist - wie Peuss vermerkt - nicht gesichert, aber vielleicht auch nicht ganz unplausibel:
- Verwendung nur einer Krone auf dem ältesten Ratszeichen von 1497, Noss 38 (https://www.coingallery.de/Koeln/b_Ratszeichen.htm), vergleiche auch die Form einer Krone von dem "Altes Möhrchen (1½ Heller) o. J.", Noss 25 (https://www.coingallery.de/Koeln/b_1474.htm)
- Darstellung eines Kaisers als Stadtherrn (wenn 1350 stimmen sollte, wäre dies Karl IV.)?

Frage:
Weiß jemand was die Umschrift bedeuten könnte?

Re: Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Di 27.05.25 18:15
von QVINTVS
Grüß dich MartinH,

nur eine optische Bemerkung: Die Krone ähnelt Prägungen aus Böhmen, Polen und Ungarn (Prager Groschen, Denare, Heller).
Aber hier wäre eine detaillierte Prüfung sinnvoll.

Re: Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Di 27.05.25 18:34
von Atalaya
Vielleicht Tormarken? Dann böte sich die Kölner Erea Porta, Volkslatein für das Ehrentor an. :)

PS: Scheinbar sagte man auf Kölsch auch porze. Ich glaube, dass sind tolle Ergänzungen für Deine Sammlung.

Edit:
https://bouwstoffen.kantl.be/tw/lemma/?id=4252
Toponymisch Woordenboek van België, Nederland, Luxemburg, Noord-Frankrijk en West-Duitsland (vóór 1226)
door Maurits Gysseling (1960)

Re: Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Di 27.05.25 19:55
von Chippi
Ich habe zwar keine Ahnung von Mittelaltermarken, erst recht nicht aus Köln, aber die Idee der Tormarke gefällt mir.

Gruß Chippi

Re: Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Di 27.05.25 20:07
von Atalaya
EREA ist ja eindeutig. Es kommt also auf die Lesung des PO...-Teils der Legende an. Ausserdem war die Sicherung der Reichstädte doch kaiserliche Aufgabe, oder? Dann würden Krone und Kaiserfigur passen.

Edit:
Chippi hat geschrieben:
Di 27.05.25 19:55
Ich habe zwar keine Ahnung von Mittelaltermarken,
Ich auch nicht. :D
Aber ein L erkenne ich nach PO auf beiden Münzen nicht. Vielleicht kann da jemand drüber schauen, der mehr Erfahrung mit diesen Buchstaben hat.

Re: Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Di 27.05.25 21:06
von Lackland
MartinH hat geschrieben:
Di 27.05.25 14:46

Sie sind Fundstücke aus Köln und wurden auf dem handschriftlichen Sammlerkärtchen von Lückger als "Münzgewichte in Cöln gefunden / ca. 1350" vermerkt. Um Münzgewichte handelt es sich nach Ansicht des Auktionshauses wohl nicht. Dies wurde mit nicht passenden Gewichten erklärt.

Hallo Martin & liebe Sammlergemeinde,

dann bringe mal ich etwas Licht ins Dunkel… :D

Lückger hatte ganz recht: Es sind tatsächlich Münzgewichte - und zwar aus Frankreich! Sogar die Zeit, die Lückger vermutete, stimmt genau!

Die Beschreibung, die ich mir zu den Stücken abgespeichert habe, lautet wie folgt (leider ohne Katalogzitat):
ROYALE. CHARLES IV ET PHILIPPE VI 1322-1350.
POIDS MONETAIRE POUR LE ROYAL D'OR

Diese Stücke kommen in Frankreich recht häufig vor und werden meist zwischen 25 und 50 € gehandelt.

Ich habe auch zwei Varianten in meiner Sammlung, die ich hier zeigen kann:
1 x mit Szepter links und 1 x mit Szepter rechts.

Auffallend: Bei beiden Stücken beginnt die Umschrift mit POI… Sollte damit das französische Wort für Gewicht = Poids gemeint gewesen sein??

Viele Grüße

Ulrich

PS: Ganz nebenbei: Was haben die Stücke bei Peus gekostet?

Re: Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Di 27.05.25 21:54
von Zwerg
Einspruch!
Die französischen Gewichte zeigen - so wie Deines - den gekrönten Herrscher, aber mit Zepter; und sind - wie Deines - auf der Rückseite blank.
Die Inschrift ist " POIS DE ROIAL" oder ähnlich

Ich glaube nicht, daß es passt - also weitersuchen

Grüße
Klaus

Re: Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Di 27.05.25 22:32
von Walker
Beschrieben auch als Kupfermarke bei Peus (Auktion 442/Los 1171),
wir aber auch als Münzgewicht vermerkt, genaueres im Link.
https://www.acsearch.info/search.html?id=14453311

Gruss Walker

Re: Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Mi 28.05.25 01:39
von Atalaya
P O I/T S D
scheint mir die wahrscheinlichste Lesung.

POIS DE REA[L] könnte also naheliegen. Aber die Unterschiede sind deutlich. Wie ist denn das Gewicht der franz. Gewichte?

Re: Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Mi 28.05.25 10:49
von MartinH
Erstmal vielen Dank für die zahlreichen Anmerkungen. Es freut mich, dass die Stücke die Diskussion anregen.

@Lackland: Der Zuschlage erfolgte bei 260 € für beide Stücke. Nach deinem Hinweis, habe ich mal nach Gewichten gesucht und bin bei CGB fündig geworden (https://www.cgb.fr/charles-iv-et-philip ... 341,a.html)
Das dort versteigerte Stück in guter Erhaltung (realisierter Preis 203 €) wiegt 4,06 g. Material und Rückseite passen dagegen nicht.
v54_0341.jpg
Messing, 16 mm

Wenn man auf den Text schaut sieht man auf dem Gewicht POISD geschrieben, was recht gut zu den vorgestellten Exemplaren passt. Also, wohl doch ein Gewicht, vielleicht auch für den Royal d'or, aber ein anderes... und was bedeutet EREA dann?

Re: Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Mi 28.05.25 10:50
von MartinH
..wobei mir natürlich die Idee mit der Tormarke aus Sammlungsgründen am Besten gefallen hätte....

Re: Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Mi 28.05.25 11:15
von MartinH
Ach ja ... bei dem CGB Stück ist die Umschrift sehr gut zu lesen:

POIS D’- REAOL ... wäre dann wohl bei meinen POISD - EREA
und es gibt auch ein Literaturzitat: Dieu. n° 3 p. 86
Habe aber zu dem Kurzzitat nichts im Internet finden können. Kennt jemand den "Dieu"? - vielleicht ist auch dieser Typ dort verzeichnet?

Viele Grüße
MartinH

Re: Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Mi 28.05.25 11:46
von Zwerg
MartinH hat geschrieben:
Mi 28.05.25 11:15
Habe aber zu dem Kurzzitat nichts im Internet finden können. Kennt jemand den "Dieu"? - vielleicht ist auch dieser Typ dort verzeichnet?
CGB ist da bestens organisisert. Einfach auf den Link der Literaturangabe klicken und da ist er!
https://www.cgb.fr/manuel-des-poids-mon ... 258,a.html

Ein Gewicht wird es nicht sein, diese Bildergewichte waren einseitig.
Wohl eine Marke - aber was für eine?

Grüße
Klaus

Re: Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Mi 28.05.25 11:55
von Atalaya
Es fehlt ja auch das Szepter, das bei den Gewichten scheinbar stets vorhanden ist.

Re: Eine mittelalterliche Marke aus Köln?

Verfasst: Mi 28.05.25 19:59
von Lackland
MartinH hat geschrieben:
Mi 28.05.25 10:50
..wobei mir natürlich die Idee mit der Tormarke aus Sammlungsgründen am Besten gefallen hätte....
Das verstehe ich nur zu gut! :D

Wer weiß, was wir noch rausbekommen… Du siehst ja: Dieses ‚Randgebiet‘ ist noch wenig erforscht - aber ungebrochen interessant.

Meine beiden Münzgewichte wiegen übrigens 3,36 bzw. 3,67 Gramm.

Hier noch ein weiteres Exemplar:
https://www.cgb.fr/charles-iv-et-philip ... 382,a.html

Übrigens gehe ich mittlerweile durchaus konform mit meinen Vorrednern, dass das zweiseitige Exemplar wohl kein Münzgewicht ist.
Wäre der Durchmesser etwas größer, könnte man hier auch noch an einen Rechenpfennig denken. Aber wie gesagt: Bei diesem Durchmesser: unwahrscheinlich.

Mit was ich mir aber recht sicher bin: Alle gezeigten Stücke (auch das zweiseitige) sind in oder für Frankreich entstanden.

Viele Grüße

Ulrich