Liebe Mittelalter-/Orient-Freunde,
erst gestern habe ich diesen überaus interessanten Zeno-Faden entdeckt
http://www.zeno.ru/showphoto.php?photo=40898 , der mich nun dazu veranlasst, die Jahreszahl-Zuordnungen bezügl. der gezeigten Bilingualen Trams ein weiteres Mal zu ändern. Ich muss gestehen, dass ich mich in dieser Angelegenheit zu sehr auf Nercessian verlassen habe, von dem ich auch das Unterscheidungskriterium bezüglich der angeblichen Diwani-7 und der angeblichen Diwani-9 kritiklos übernommen habe

; allerdings zu einem Zeitpunkt, als ich mit der arabischen Schrift noch nicht vertraut war.
Im Folgenden gebe ich eine (sinngemäße) Übersetzung der wichtigsten Passagen wieder:
Hamza fragt "Wieso 637 und nicht 639 AH ???" und schreibt, dass insbesondere auf Münzen der R.S. der Buchstabe Sin meistens auf eine simple Linie reduziert worden sei. Trotzdem könne man 7 und 9 in den meisten Fällen unterscheiden; vorausgesetzt die Münze sei gut erhalten.
Für gewöhnlich würde der Buchstabe Ba (7) [eine Zacke vor dem Ain] oder Ta (9) [initiale Zacke von oben nach unten] mit einem deutlichen Strich dargestellt werden.
Nichts weiter als eine horizontale Linie sei nicht eindeutig. Er hätte zwar Münzen dieses Typs mit initialem Strich, aber noch keine einzige Münze mit einem Strich [Zacke] für den Buchstaben Ba gesehen. Daher würde er mit Paul Bedoukian übereinstimmen, der schrieb:
"Eine wiederholte Überprüfung der Münzen, die im Werk gelistet waren, sowie eine kritische Studie bezüglich der großen Anzahl von Münzen einer Horde, die allesamt das Jahr 637 oder 639 tragen, hat den Autor davon überzeugt, dass alle Stücke 639 geschlagen wurden. Keine einzige Münze kann nachweislich dem Jahr 637 zugeordnet werden, und mit dem Jahr 638 wurden keine Münzen gefunden."
Levon's, genauer gesagt, Nercessian's Behauptung, dass ein initialer Aufwärtsstrich für die 7 und ein initialer Abwärtsstrich für die 9 stünde, begegnet
Hamza mit folgenden Argumenten:
1.) Die abgebildete Münze hat überhaupt keinen [senkrechten] Strich.
2.) Obenstehende Behauptung ist kompletter Nonsens
3.) Das gesamte Datum ist NICHT in Divani-Schrift, sondern in normalem Arabisch [Naqsh] geschrieben. Dieses erscheint nur in vereinfachter Form (siehe Buchstabe Sin), wie es auch bei "Jahr" (sanat) der Fall ist. Es gibt auch kein Diwani für das Wort "Jahr". Vereinfachtes Arabisch [Naqsh] ist nicht automatisch Divani. [Auch Prof. M. Eti (Anatolian Coins) trifft diese Unterscheidung] Die handschriftlichen Rezepte von Ärzten sehen auch so aus.
Fehlende Striche [Zacken] bedeuten noch lange nicht Diwani.
Außerdem ist Divani eine Kurzschrift, in der zwischen den einzelnen Numeralen kein "und" (و) vorkommt, da das unnötige "Wa" nicht im Sinne einer Kurzschrift wäre.
Bei echten Diwani-Numeralen ist der initiale Strich [von unten nach oben bzw. von oben nach unten] von Bedeutung, aber bei normaler arabischer Schrift wäre nur die Hervorhebung vom "Ba" durch einen Strich [Zacke] in der Mitte des Numerals wichtig.
Des Weiteren behauptet
Hamza, dass kein einziger bilingualer Tram auf Zeno ein Diwani-Numeral aufweisen würde. Insbesondere die 637/639-Stücke hätten am Ende von "seb" bzw. "tis" ein nettes, ganz normales "Ain" (ﻊ). Der Schwanz sei im Gegensatz zum Diwani-Numeral gegen den Uhrzeigersinn geschlungen. Eine Diwani-7 oder -9 würde am Ende wie ein و aussehen. Der sehr kurze initiale Strich (von unten nach oben / von oben nach unten) hätte rein dekorativen Charakter und ginge in die Richtung, in der am meisten Platz wäre, in der es am nettesten aussehen würde. In allen Fällen würde es sich um eine 9 handeln: also 639. Es gäbe keine Münzen von 637, geanuso wenig, wie es welche von 636 oder 635 gäbe. In diesen beiden Fällen eine Fünf oder eine Sechs zu lesen, käme "Kaffesatzlesen" gleich. Ich sehe das nicht anders.
Hier ein Beispiel:
http://www.zeno.ru/showphoto.php?photo=37879 takavor fragt zurecht: "Aber ist das wirklich "Khams" (خمس)?" Für
frank hingegen ist das kein Problem

:
http://www.zeno.ru/showphoto.php?photo=22136
Ich finde, das ist weder eine Diwani- noch eine abgekürzte Naqsh-5. Beide Zeichen müssten nämlich das kringelförmige m aufweisen. Und nun noch 636h:
http://www.zeno.ru/showphoto.php?photo=30361 Eine Diwani-6? Nicht wirklich. Nerzessian gibt unterschiedliche Formen an, die allesamt nicht zutreffen. Auch in diesem kurzen thread sollten
Hamza's Ausführungen größte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Abgesehen davon, dass er sich über "Kaffesatzleser" lustig macht, die auch noch den Monat und den Wochentag herauslesen könnten

, gibt er m. E. die einzig richtige Erklärung: Der Stempelschneider war des Arabischen nicht mächtig, sondern hat mehr schlecht als recht eine Rum-Seldschuken-Münze kopiert. Daher ist auch nicht Sis als Münzstätte angegeben, sondern nur das verstümmelte Datum der R.-S.-Münze. Der armenische Stempelschneider hätte überhaupt nicht gewusst, wie Sis auf Arabisch zu schreiben sei.
Das klingt alles sehr plausibel, umso mehr, als das vermeintliche "thelathin" (ohne Lam-Alif-Ligatur) sowohl bei der sogenannten 635- als auch bei der 636-Münze mehr nach einer Kurzform von 'ischrin (zwanzig) aussieht.
Zu Nerzessian's Ehrenrettung muss ich jedoch sagen, dass seine Veröffentlichung, bei der ihm St. (kann durchaus als Sankt gelesen werden

) Album zur Seite (und wohl ebenso im Wald) stand, so aufgebaut ist, dass auch ein "arabischer Analphabet" etwas damit anfangen kann. Wenn man die ersten drei Jahre einfach überspringt, hält man die perfekte Anleitung zur richtigen Datierung in Händen.
Weder Bedoukian noch Nerzessian konnten Arabisch, aber Bedoukian besticht in seiner Argumentationsweise stets durch Logik, wie sie auch bei
Hamza zu finden ist.
Nun aber weiter mit dem Zeno-Thread:
Er (
Hamza) wäre nun umso überzeugter, dass Bedoukian mit seiner Behauptung, dass die Nennung der Jahreszahl erst ab dem Jahr 639 begönne, Recht gehabt hätte. Dementsprechend hätten die damaligen Stempelschneider auch keinerlei Anlass gehabt, die Neun eindeutig von der Sieben zu unterscheiden.
Auf
Levon's Frage, aus welchen Quellen er sein Wissen bezöge, antwortet
Hamza folgendermaßen (was zu einem kleinen Missverständnis führt

, das aber schnell geklärt ist):
"Mein Wissen geht auf Erfahrung zurück, die ich in den Jahrzehnten angesammelt habe, in denen ich mich mit islamischen Münzen befasst habe. Ich brauche keine Bücher oder Artikel, um das Datum lesen zu können. Leider bin ich jedoch nicht in der Lage (so wie einige Leute hier) Löcher lesen zu können oder unentzifferbare Inschriften. Wenn ich eine Münze lese bzw. zu lesen versuche, geschieht dies ohne (Datums)-Wunschvorstellung. Ich habe Bedoukian's Artikel von 1978 erst gelesen, nachdem ich zum selben Schluss wie er gekommen bin.
Außerdem hat Bedoukian eine interessante Entdeckung auf der armenischen Münzseite gemacht: Das zweite Wort "tagavor" (König) wurde unterschiedlich geschrieben.
Erst ab 639 erscheinen die letzten beiden Buchstaben (or) als Ligatur. Nur wenige Münzen von 639 weisen die alte Schreibweise ohne Ligatur auf. Die sogenannten 637-Münzen weisen die neue Schreibweise auf. Wenn es die wirklich gäbe, hätte ein dreimaliger Wechsel stattfinden müssen, was äußerst unwahrscheinlich klingt. Viel plausibler ist die Annahme, dass der Wechsel nur einmal vorgenommen wurde; nämlich Anfang 639."
Indem Bedoukian 1978 die falschen Datierungen seiner Veröffentlichung von 1962 korrigiert hätte, hätte er nicht nur seine fehlerhaften Beschreibungen behoben, sondern auch all jene Beschreibungen, die über Jahrzehnte und Jahrhunderte kritiklos als richtig mitgeschleppt worden wären, was in der Numismatik leider kein Einzelfall wäre.
Nercessian indes hatte sich über Bedoukian's "Korrektur" in seiner Veröffentlichung "Attribution and Dating of Bilingual Drams" von 1983 gewundert. Aus unersichtlichen Gründen hätte Bed. die ursprünglich richtig auf 637 datierten Trams plötzlich auf 639 datiert und die Trams von 635h und 636h hätte er gänzlich von einer Datierung ausgeschlossen.
Zudem hatte Nercessian die Ansicht vertreten, dass es nicht verwunderlich wäre, wenn eines Tages ein biling. Tram von 638h gefunden werden würde. Bis zum Weltuntergang ist ja noch genügend Zeit.
Zum Abschluss fasse ich noch einmal zusammen, was für Bedoukian's Annahme spricht, dass es vor 639h keine bilingualen Trams mit korrekter Datumsangabe gegeben hat:
1.) Die Stempelschneider, die offensichtlich Arabisch konnten - andernfalls hätten sie "Sis" (سيس) nicht schreiben können -, legten keinerlei Wert darauf, die 7 von der 9 deutlich unterscheidbar darzustellen: schließlich war es nicht nötig.
2.) Die Kurzform (Sin ohne Zacken) des Numerals "Sieben (سبع)" sollte vor dem endständigen Ain den Ba-zacken aufweisen, was bei der "Neun (تسع)" nicht der Fall ist.
3.) Hätte man die OR-Ligatur von TAKAVOR (ԹԱԳԱՒՈՐ) bereits 637 eingeführt, hätten anstelle von einem Wechsel (Anfang 639) drei Wechsel stattfinden müssen (637 von ՈՐ auf ligiertes ՈՐ, 639 dann vom ligierten wieder aufs unligierte und erneut aufs ligierte ՈՐ).
4.) Es existieren keine bilingualen Trams aus dem Jahr 638.
5.) Die angeblichen Trams aus den Jahren 635 und 636 weisen kein lesbares Datum und auch keine Münzstätte auf. Alles deutet darauf hin, dass die damaligen Stempelschneider nicht Arabisch konnten und die Sultan-Seite von R.S.-Münzen zu kopieren versuchten.
Gruß
AvP