Helmut Caspar: Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt

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IceBaer
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Helmut Caspar: Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt

Beitrag von IceBaer » Mo 01.04.24 00:02

Ich versuche mich mal an einer Rezension zu einem kleinen Büchlein, dass kürzlich den Weg in mein Regal gefunden hat. Gesucht habe ich keine Fachliteratur im engeren Sinne, sondern eher etwas zum Schmökern: Eine unterhaltsame Einordnung des Münzgeschehens in die Umstände der jeweiligen Zeit. Sozusagen einen in Lettern gepressten Kaminabend mit Anekdoten und Geschichtchen rund um das liebe Geld.

Fündig geworden bin ich bei einem schmalen, äußerlich eher unscheinbaren Bändchen, das bereits 2007 veröffentlicht worden ist:
Helmut Caspar: Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt - Ein Streifzug durch die Münzgeschichte der Deutschen Demokratischen Republik 1949 bis 1990.

Auf 160 Seiten metert der Berliner Historiker, Publizist und Sammler das Münzwesen der DDR auf und ordnet es in politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenhänge ein. Vom Ende des zweiten Weltkrieges, über Kalten Krieg, Mauerbau und Maueröffnung bis zur Wiedervereinigung und zum Abschied von der DM wird der Bogen gespannt.

Was die harten Fakten angeht, erscheint mir die Erzählung durchgehend stringent. Außer Frage steht, dass der Autor als Historiker und Numismatiker das notwendige Rüstzeug mitbringt, um die vielen Fäden des Themas ansprechend zusammenzuführen.

Bereits im Vorwort hält Caspar fest:
Angesichts weit verbreiteter Unkenntnis vor allem in der jungen Generation über das, was die DDR war und wer sie beherrscht hat, ja was die Mauer für die Menschen hüben wie drüben bedeutete, was das Ministerium für Staatssicherheit tat und wie die "Diktatur des Proletariats" aussah, sind Schilderungen auch in einem Buch wie diesem unerlässlich. Einen Grund für die leider ziemlich weit verbreitete DDR-Nostalgie und Schlussstrich-Mentalität gibt es nicht. Solchen Erscheinungen versucht das Buch gegenzusteuern...
Diesem Grundsatz scheint sich der Autor verpflichtet zu fühlen. Gerade im ersten Kapitel - der historischen Einordnung - erscheint mir die Welt an eingen Stellen zu sehr schwarz-weiß und zu wenig grau gezeichnet.
Einzelheiten über Stalins Verbrechen, die natürlich auch einen Schatten auf seine ostdeutschen Handlager warfen, ließen sich auch in der DDR nicht ewig verheimlichen. ... Doch niemand in der Parteispitze wagte ehrliche Kritik am eigenen Versagen. Zähneknirschend wurden Verletzungen der sozialistischen Gesetzlichkeit in der Sowjetunion, aber nicht ihrem Beispiel in der DDR eingräumt. ... SED-Chef Walter Ulbricht befand sich im Dilemma, war er doch Stalin besonders ergeben, zumindest äußerlich. Er verscuhte es mit Spott, was aus dem Munde des Sachsen mit der Fistelstimme besonders komisch klang


Das Büchlein ist unterhaltsam geschrieben und lässt gern und ausführlich Zeitzeugen zu Wort kommen. Es werden nicht nur (un-)veröffentlichte Dokumente zitiert. Immer mal wieder macht Caspar das Nähkästchen auf und erzählt aus persönlichen Gesprächen. Das unterhält und macht Lust auf mehr. Zahlreiche Fotos und Abbildungen - nicht nur von Münzen und Medaillen - sondern auch Orten, Begebenheiten und Personen - lockern den Text auf.

Aber: Ein ausführlicheres Lektorat hätte dem Werk sicherlich gut getan. Immer mal wieder fallen Nickligkeiten ins Auge: Eine Wortverdopplung hier (S.20: Der der (sic) erste, in Potsdam "frei von der Leber" verfasste Brief). Ein unglücklicher, weil unnötiger und nicht mit dem Buch "mitalternder" Zeitbezug dort: (S9: ...so wurde 1947, vor nunmehr 60 Jahren, der Marschallplanzum Wideraufbau... gestartet). Die 60 Jahre stimmten zwar bei Erscheinen 2007, jedoch heute nicht mehr. Schmunzeln wird man in Braunschweig hierüber: "Wie die ersten beiden Gedenkmünzen tragen auch die nächsten beiden aus dem Jahr 1967 die Währungsbezeichnung MDM (sic), Mark der Deutschen Notenbank" (S. 87). Das Lektorat hätte sicher auch den einen oder anderen Bandwurmsatz noch zerlegt...

Unterm Strich:
Ich habe das Buch gerne gelesen - und werde wohl auch die Geschwisterchen, die sich etwa mit der BRD oder der Weimarer Republik beschäftigen, bei Gelegenheit adoptieren. Denn das, was ich mir von dem Buch erhofft habe, hat es zweifellos erfüllt. Es hebt den Vorhang für ein einen kurzweiligen Blick auf das Umfeld in dem die Münzen enstanden sind, auf die Epoche, in der sie umliefen auf die Menschen, die mit ihnen zahlten.


Die Rezension ist auch deshalb etwas länger geworden, weil es hier im Forum mal eine entsprechende Anfrage zur Kaiserzeit gab. Falls sich nun jemand ein Jahrhundert weiter nach vorn umschauen möchte, dies wäre eine Möglichkeit
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