missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Kulturgutschutzgesetz

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ChKy
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Re: missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Beitrag von ChKy » Sa 08.08.15 15:44

Numis-Student hat geschrieben:Schwierig sind halt die Archäologen, die im privaten Sammler den Schuldigen sehen, warum Münzen und andere Funde auf Börsen und in Sammlungen herumliegen und nicht auf der Grabungsfläche. Das sind dann auch oft diejenigen, die eine eigenständige wissenschaftliche Numismatik ablehnen und die Münzen dann von oben herab als Material für eine historische "Hilfswissenschaft" abtun...
Wenn Letztere das wie religiöse Fundamentalisten handhaben, ist da leider nicht viel zu machen. Leute, die sich als Archäologen zu erkennen gegeben haben, sind mir nie begegnet.

Als letztens Römertage im Archäologischen Park in Xanten waren, standen zwei Männer an einem Stand mit Repliken von Römischen Münzen. Sie haben den Leuten das Münzsystem des römischen Kaiserreichs erklärt. Sie gaben sich als Bankangestellte aus.

Wir kamen auch auf das nun akute Thema zu sprechen und sie meinten, nur bei Händlern und mit Persilschein kaufen. Ich erklärte ihnen warum es sowas nicht gibt und nicht wirklich praktikabel ist. Zumindest haben sie sich für die andere Sichtweise bedankt :wink:
cogito ergo sum

Lemur
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Re: missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Beitrag von Lemur » Do 13.08.15 12:27

Kein konkretes Beispiel einer Fehlleistung,sondern einfach nur die sehr häufig übliche Arbeitsweise.Ich will diese an sich auch keineswegs in Frage stellen,sondern lediglich vorstellen(viele hiesige Nutzer sollten es ja ohnehin kennen).

Der "Ackerhorizont" bzw. Oberboden wird zunächst per Baggerschaufel abgehoben und deponiert.Erst weitere Arbeiten zwecks Anlegung des ersten Planums verlaufend ann manuell.
Dieser erste Baggeraushub wird seltenst überhaupt näher untersucht.

Vor einigen Jahren war es sogar noch möglich während der Grabung private Nachsuche in diesem Aushub zu dulden.

Zumindest ein Fall ist mir noch erinnerlich in welchem bei dieser Nachsuche recht hübsche Denare gefunden,ganz offz. dokumentiert und dann selbstverständlich dem privaten Nachsucher überlassen wurden.
Zuletzt geändert von Lemur am Fr 14.08.15 00:01, insgesamt 1-mal geändert.
...das ganze Mee`volle`´öme`.

stampsdealer
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Re: missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Beitrag von stampsdealer » Do 13.08.15 23:45

Damit der Text des Archäologen, der eine vorzügliche Argumentationshilfe darstellt, nicht in Vergessenheit gerät, ich möchte einen Hinweis auf diesen auch in meine kommenden an Politiker gerichteten Texte aufnehmen, habe ich den Link in diesen Thread gesetzt.

http://archaeologik.blogspot.pt/2014/09 ... n-die.html

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Re: missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Beitrag von Peter43 » Fr 14.08.15 21:40

Vergessen sollten wir auch nicht das Schicksal des Prunkstücks der Dresdener "Türkischen Cammer": Das Prunkzelt des Sultans von der Belagerung Wiens. Das war in den Händen des Staates fast völlig verrottet.

Bevor das Sultanszelt in unseren Tagen einer 14 Jahre dauernden, millionenteuren Restaurierung unterzogen wurde, stand es ganz selbstverständlich im Freien und wurde benutzt.

http://www.tagesspiegel.de/kultur/ausst ... 12466.html

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Re: missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Beitrag von Peter43 » Sa 15.08.15 21:12

Heute habe ich den neuen Auktionskatalog des Münz Zentrum Rheinland bekommen. Dabei lag eine Information über das geplante KGSG mit der Aufforderung, unsere Petition zu unterschreiben. Vorbildlich! Dazu gab es Beispiele dafür, wie der Staat sich um seine Kulturgüter kümmert. Ich zitiere daraus von Heinz-W. Müller:
Bei einer Besichtigung der Ausstellung Kunst des 20. Jahrhunderts im Dachgeschoss des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg,, die mangels einer obligatorischen Klimaanlage Anfang Juli 2015 bei 40 Grad im Dqchgeschoss zu sehen war, war ich entsetzt. Hochkarätige Arbeiten von Beckimann bis Meistermann und andere Millionenwerte schmolzen dahin.
Na dann Prost, Frau Grütters!

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ChKy
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Re: missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Beitrag von ChKy » Sa 15.08.15 21:41

In der Münzen und Sammeln auch, ich nehme an in der MünzenRevue ebenfalls.
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Re: missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Beitrag von Erro » So 16.08.15 09:29

Vielleicht können die Verleger der Grütters mal ein Ansichtsexemplar zur Verfügung stellen. Eventuell ist ihr dann auch nicht mehr so schwindelig oder sie abonniert sogar (hört, hört) eine vernünftige Zeitung.
Meine beiden Bundestagsabgeordneten haben sich übrigens noch nicht auf meine Anfragen gemeldet.
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Re: missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Beitrag von stampsdealer » So 16.08.15 10:13

Die Bundestagsabgeeordneten werden wohl noch antworten. Bei mir sind noch sehr viele Anfragen offen, was sicherlich mit der Urlaubszeit zusammenhängt. So ist z. Bsp. Herr Dr. Gysi laut Facebook momentan im Urlaub.

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Re: missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Beitrag von Chandragupta » So 16.08.15 11:13

Den Hr. Dr. Gysi könnt Ihr in diesem Punkt wohl leider vergessen. :roll:

Hmmm, ich bin noch am Grübeln, ob ich meine pauschale Abscheu vor jeglichen Toitonen-Politikastern mal kurzzeitig vergesse und wenigstens ihm auf Abgeordnetenwatch eine Frage stelle - dann mit einem Vergleich zu etwas, was er kennt: Nämlich mit der DäDäRä. Der dortige "Kulturgüterschutz" war zwar einerseits genauso hyperbürokratisch "totreguliert" wie es jetzt die BRD plant (die sich selbst aber stets als "Rechtsstaat" bezeichnet - die DDR, trotz deren ausgefeilten Rechtssystems, aber pauschal als "Unrechtsstaat" diffamiert...); andererseits ging es damals jedoch wirklich nur um den EXPORT von dem, was als "nationales Kulturgut" definiert wurde; und davon wurden ganz explizit "typische Privatsammlungen" und vor allem "Massenerzeugnisse der Alltagskultur" ausgenommen. Bei Münzen standen nur "Stücke von höchstem numismatischem und historischem Wert" unter staatlicher Kuratel, wobei eine Wertgrenze je Stück von ca. 5000,- Ostmark galt. (Bezogen auf den Durchschnittsverdienst eines Mittleren Angestellten entspricht das heute ca. 25....30.000,- €.)

IMPORT von Kulturgütern war nicht nur "erlaubt", sondern sogar geradezu erwünscht. Es fand in praxi nur keiner statt, denn dieser war hinwiederum nur erlaubt in Form von Geschenken, da die "Mark der DDR" als reine Binnenwährung ja nicht ins Ausland gelangen durfte, und bereits in die DäDäRä gelangte "Westmark" zwar "theoretisch" hätte zur Bezahlung diesen können, jedoch definitiv nicht für den "Devisenverkehr mit Ausländern" zugelassen war - beides war als "Devisenverbrechen" schwer strafbar! Der "Schwarzmarkt" lief dann eben über Tauschgeschäfte: z.B. ein paar - bezogen auf den Preis im Westen - extrem billige und inhaltlich meist sehr gute Kunst-Bildbände aus DDR-Verlagen oder sonstige Fachbücher, die in der DDR spottbillig waren, gegen ein paar Antoniniane, die in der BRD als "Grabbelkistenware" galten, in der Zone aber nicht zu haben waren, oder so... ;)

Ich habe hier einen Artikel aus der Zeitschrift "Numismatische Beiträge" von 1980 ("Sozialistisches Recht contra rechtswidrigen Münzhandel"), der das alles sehr detailliert erörtert: eine nette historische Reminiszenz! Der böseste Fallstrick war seinerseits übrigens nicht so sehr der Kulturgüterschutz, sondern das sog. "Edelmetallgesetz der DDR", das für alle Münzen aus Gold galt (formell auch für Silber: hier jedoch nur für neuzeitliche Münzen mit fest definierten Feingehalten; schon Kipper- und Wipperzeit galt "nur noch" als "pure Numismatik"), sowie das "Devisengesetz" für alle Arten noch kursgültiger westlich-ausländischer Münzen (diese - z.B. die 5-DM-Münzen BRD - durfte man nur sammeln, wenn man "in einer Fachgruppe Numismatik beim Kulturbund der DDR organisierter Sammler" war - alle anderen hatten diese "Devisenwerte" bei der Staatsbank der DDR "anzumelden" und auf Anforderung 1:1 gegen Ostmark zu verkaufen ... woran sich natürlich in praxi keiner hielt, wenn ihm der "Onkel aus dem Westen" bei einer Besuchsreise mal einen "Heiermann" zuschob ;) ...).

Und der Hammer im Sinne dieses Threads waren ja diverse Aussagen im o.g. Artikel, wonach gerade private Sammler viel zum aktiven Kulturgüterschutz beitragen würden und deshalb die "Förderung und Pflege des privaten Sammelns" sogar "Aufgabe(!) unseres sozialistischen Staates" seien! Nur jede Art von "Geschäftemacherei" bzw. "Gewinnstreben" wurde verdammt: die Sammelleidenschaft mußte sich also ausschließlich im Rahmen eines privaten Hobbys bewegen...
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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Re: missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Beitrag von stampsdealer » Sa 17.10.15 16:57

Staatlicher Kulturgutschutz mißlingt auch in Niedersachsen

Ausdruck von Desinteresse - Land kümmert sich nur um eigene Landesmuseen

http://www.vonbelow-neufeldt.de/index.p ... eea3ee4195

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Re: missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Beitrag von pottina » Fr 20.11.15 08:44


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Re: missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Beitrag von raeticus » Fr 20.11.15 22:17

...durch Einwohner der Region, die zuvor noch nie etwas mit Archäologie zu tun hatten...

Damit lebten sie glücklicher... ?


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Re: missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Beitrag von Locnar » Di 24.11.15 21:15

Ist doch schön zu sehen wie archäologische Funde beim Denkmalschutz im Müll/Schräder landen!
Gruß
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Re: missglückter "Kulturschutz" durch staatl. Institutionen

Beitrag von Mynter » Do 25.02.16 18:49

Nicht nur in Deutschland, auch im " besten Land der Welt ", wie die Norweger von sich selbst sagen, schaffen es die Museen nicht unbedingt, die ihnen anvertrauten Schätze richtig zu würdigen. Ein lokales Museum besitzt möglicherweise einen einmaligen Münzschatz, eine Sammlung norwegischer Münzen aus Mittelalter und Dänenzeit, aufgebaut in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vor ein paar Wochen öffneten sich die Kisten zu ersten Mal seit Jahrzehnten für zwei engagierte lokale Sammler. Der Vorschlag, den Nestor des norwegischen Mittelalters mitbringen zu dürfen, wurde entsetzt zurückgewiesen, den dieser Nestor ist auch im Auktionsgeschäft tätig. Auch eine Zusammenarbeit mit dem Münzkabinett der Universität Oslo mag man in der Provinz nicht, vom Verkauf von Dubletten zur Konservierung oder gar Austellung mal ganz zu schweigen. Ein Museum darf doch nicht aus seinen Beständen verkaufen. Geld für eine angemessene Präsentation dieses nationalen Kulturgutes ( und so eine Kollektion wäre wirklich so was ! ) hat man nicht,Ahnung hat man nicht, Engagemant auch nicht. Initiative sowieso nicht. Und solche Knilche weren von unseren Steuergeldern alimentiert : http://www.nrk.no/telemark/xl/nasjonal- ... 1.12749617
Grüsse, Mynter

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