Numismatik, Archäologie und antike Geschichtsschreibung gehen bei diesem Münztyp Hand in Hand:
VOTA SOLVTA PRO SALVTE POPVLI ROMANI
(Die Gelübde für das Wohlergehen des römischen Volkes sind erfüllt)
Diese Münze umgibt der Hauch von Tod und Verwesung.
Die Untersuchungen von Instinsky (Salus Generis Humani, in: Hamburger Beiträge zur Numismatik und Geldgeschichte I, 1947) haben gezeigt, dass unter Traian mit
populus romanus nur die römischen Vollbürger gemeint waren, während die Bezeichnung
genus humanum hauptsächlich die Bevölkerung in den Provinzen umfasste.
„Eine Epidemie im Jahr
189 laut dem griechischen Autor Cassius Dio täglich mehr als 8.000 Menschen das Leben gekostet haben. Zwar ist diese Angabe heute umstritten, doch sie zeigt die Größenordnung der Sterblichkeit während solcher Phasen. … Unsicher ist, wie man versuchte, der Leichen Herr zu werden. Die wenigen schriftlichen Zeugnisse stammen zumeist aus republikanischer Zeit. Ihnen zufolge warf man viele Tote in den Tiber, andere entsorgte man in dem Graben, der die so genannte Servianische Stadtmauer umgab … Diese Nutzung des Grabens [
1] wurde … unter Augustus im 1. Jahrhundert v. Chr. ganz verboten. Aus der nun folgenden Kaiserzeit gibt es kaum verwertbare Berichte über den Umgang mit massenhaft anfallenden Toten. Wohin ließ beispielsweise Kaiser Commodus (161-192) die von Cassius Dio erwähnten Opfer der Antoninischen Pest bringen? Die antike Überlieferung schweigt sich hierzu aus“.
In diesem Zusammenhang ist die
Katakombe von Sankt Petrus und Marcellinus [
2] interessant. „Nachdem ein Teil des mittleren Sektors eingebrochen war, konnten Archäologen 2004 einen bis dahin unzugänglichen Bereich untersuchen, der sich deutlich von den anderen unterschied. Die Forscher untersuchten zwei kleinere Räume gänzlich, zwei größere teilweise. Sie legten die Skelette von insgesamt etwa 500 Individuen frei, die in mehreren Lagen aufeinandergestapelt waren. … Datierungen anhand diverser Kleinfunde und Münzen sowie mit Radiokohlenstoffanalysen von Knochen- und Geweberesten bestätigten, dass die Kammern bereits
Ende des 1. bis Anfang des 3. Jahrhunderts als Grablege dienten … Die Bestattung einer großen Zahl von Toten am gleichen Ort lässt vermuten, sie seien einer
Seuche zum Opfer gefallen … Doch laut einer 3-D-Rekonstruktion des Gesamtvolumens der Körper vor der Verwesung hätte das verfügbare Volumen der Grabkammern für eine gleichzeitige Deponierung aller Toten auf keinen Fall gereicht [Bild unten]. … Löst man den Blick von Einzelskeletten und betrachtet sie als Bestandteil archäologischer Schichten, fällt auf, dass … einige Schichten … zu-dem nach unten durchgebogen [waren], wobei die Schädel und die Knochen der unteren Gliedmaßen über denen des Rumpfs lagen. Wahrscheinlich sack-ten die offenbar gemeinsam verwesenden Körper in die Form der darunterliegenden Schicht bereits zersetzter Kadaver. Auch wenn nicht alle 500 Menschen Opfer ein und desselben Ereignisses geworden waren, gab es also zweifellos Massenbestattungen, und die Kammern dienten als Notfallgrablege für Krisenzeiten. Die
Antoninische Pest, die manche Medizinhistoriker den
Pocken zuschreiben, würde zur Datierung passen. Allerdings konnte bislang
keine DNA eines entsprechenden Pathogens identifziert werden. … Offenbar genossen zu-mindest einige der Toten
eine hohe gesellschaftliche Stellung, denn zu den Kleinfunden gehörten zum Beispiel ein Paar goldener Ohrringe und ein Ring aus Gagat. Viele Leichname waren in Leinen eingewickelt worden, und manche dieser Stoffe waren von feiner Machart, wiesen bisweilen sogar eingewebte Goldfäden auf. Zuvor hatte man etliche Tote chemischen Analysen nach von Kopf bis Fuß mit Gips bedeckt. In dessen Resten sowie auf den Skeletten entdeckten die Forscher auch feine rötliche Partikel, die sich als Bernstein von der Ostseeküste herausstellten, sowie Rückstände von Sandarak und Weihrauch. Ersterer galt als Schutz gegen Krankheiten, unterstreicht also die Seuchenthese. Auch die beiden Harze passen dazu: Die hippokratische Tradition der antiken Medizin vertrat nämlich die Ansicht, dass übel riechende Luft gefährlich sei … … Dass die Gruft von Marcellinus und Petrus kein Einzelfall war, bewies der italienische Archäologe Giuseppe Wilpert: In der Katakombe von Sankt Calixtus legte er eine ähnlich organisierte Abfolge aus mehreren Schichten aufgehäufter menschlicher Skelette frei, die in die gleiche Zeitspanne datiert.
Beide Massengräber unterstreichen die Überlieferung des Cassius Dio, der von 8.000 Toten pro Tag infolge der Antoninischen Pest schrieb“ (Castex / Kacki, Hauptstadt der Seuchen, in: Spektrum, 19. Mai 2016).
Nach Ausweisung der Reverslegende bezieht sich das Münzbild auf die Einlösung (neben Soluta auch durch den dargebrachten Opferstier zu Füßen des Dreibeins)
der an die Götter gerichteten Gelübde, der Bevölkerung der römischen Hauptstadt durch Abwendung der "Pest" die Gesundheit wieder zurückzugeben. Die Münze wurde im zweiten Halbjahr 191 n.Chr. emittiert (ersichtlich am neuen Averslegendentyp L AEL...).
Und noch etwas enthüllt - gerade durch die festgestellte Münzdatierung - dieser Denar, nämlich
die Verlogenheit der senatorischen Geschichtsschreibung. Denn das "Jahr der 25 Konsule" 190 n.Chr. dürfte nach Darstellung der Dinge nicht dem korrupten Regime des Commodus (Stichwort Prätorianerpräfekt Cleander und das Verschachern politischer Ämter) geschuldet sein, sondern durch die Notlage, die durch das
Wegsterben auch der reichen Stadtrömer entstanden war, hervorgerufen worden sein.
1: „Ausgrabungen auf dem Esquilin, einem der sieben Hügel Roms, förderten Ende des 19. Jahrhunderts einen Teil der Verteidigungsanlage zu Tage. Die Mauer säumte tatsächlich ein gewaltiger Graben von gut 30 Meter Breite und etwa 9 Meter Tiefe, der auf einer Länge von mehr als 30 Metern frei gelegt wurde. Er war bis zum Rand mit menschlichen Skeletten gefüllt. Die Archäologen schätzten, dass etwa 24.000 Leichen dort ,beigesetzt‘ worden waren. Ob es sich dabei hauptsächlich um Seuchenopfer handelte und zu welcher Zeit die Menschen starben, ist nicht bekannt“ (Castex / Kacki, ebd.).
2: Die Katakombe, eine von 60 in Rom und Umgebung, besteht aus einem Netz von quer zueinander verlaufenden Gängen. Hier meißelte man von Ende des 3. Jh. n.Chr. bis zu Beginn des 5. Jh. n.Chr. etwa 25.000 loculi (Einzelgräbern) aus den Wänden heraus, verteilt auf ca. 4,5 km Galerien und drei Stockwerke.