Siliqua des Kaisers Constantius II.
358 - 361 n.Chr.
Prägestätte: Lugdunum
RIC 216
Gewicht: 2,15 g
Avers: Drapierte Büste des Constantius II. mit Perlendiadem n.l.
DOMINVS NOSTER CONSTANTIVS PIVS FELIX AVGVSTVS
Unser Herr Constantius, der Ehrfurchtsvolle, der Glückliche, der Erhabene
Revers: gebundener Kranz mit Mittelmedaillon, darin VOTIS XXX MVLTIS XXXX
LVGDVNVM (im Abschnitt)
„Anders als in der Prinzipatszeit sind spätrömische Silbermünzen aus Feinsilber hergestellt worden, ohne dass ihr Feingehalt absichtlich reduziert wurde. … Die im Jahr 294 n.Chr. eingeführte Feinsilbermünze hat … ein Sollgewicht von einem 96stel eines Römischen Pfundes [= 3,41 g] bzw. drei
scripula (zu je
1,13 Gramm). Dies entsprach dem Münzfuß des neronischen Denars … Der Begriff Siliqua … bezeichnet an sich eine Gewichtseinheit von knapp 0,19 Gramm. Sie entspricht dem Sechstel eines scripulum und ist zugleich die wohl kleinste messbare Größe der Antike gewesen. … Der Grundgedanke bei der … Siliqua ist jener, sie als Äquivalent einer (Gewichts-)Siliqua Gold anzusehen. Unweigerlich bringt dies das Problem mit sich, wie man das Wertverhältnis von Gold zu Silber ansetzt. … Die Stelle in C[odex] Th[eodosius] XIII, 2, 1 aus dem Jahr 397 n.Chr. besagt explizit, dass fünf Solidi einem Pfund Silber entsprechen. Das heißt, wir haben es mit dem Wertverhältnis von 1 zu 14,4 zu tun. Dieser Kurs hat sich bereits bei Ammianus Marcellinus angedeutet, der über ein 360 n.Chr. ausbezahltes Donativ von fünf Solidi plus einem Pfund Silber berichtet. Es liegt nahe, dass in diesem Fall derselbe Wert in beiden Metallen ausgegeben wurde. Constantinus Porpyhrogenetus bezeugt dasselbe Umtauschverhältnis noch mehrfach [de caeremoniis I, 91 (457 n.Chr.), I, 94 (473 n.Chr.), I, 92 (491 n.Chr.) und I, 93 (518 n.Chr.)].
… Die Bandbreite des in der Forschung für unterschiedliche Perioden angenommenen Verhältnisses liegt zwischen 1 zu 12 und 1 zu 18. … Geht man … von 1 zu 12 aus, … so wäre die Silber-Siliqua 2,27 Gramm schwer, genau zwei scripula, bei einem Kurs von 1 zu 18 eben 3,41 Gramm gleich drei scripula. … Die Unklarheit über das Wertverhältnis der Metalle zueinander mag der Grund sein, weshalb in der Mehrheit der Literatur ab Constantinus I. (306–337) die Münze zu drei scripula als Siliqua bezeichnet wird. Weshalb allerdings die leichtere Münze bisweilen reduzierte Siliqua genannt wird, bleibt ebenso schleierhaft wie die Inkonsistenz dieser Nomen-klatur. Ein weiterer Grund für die abweichenden Nominalbezeichnungen in der Forschung mag sein, dass die Feinsilberprägung wie gesagt zwischen 307 und 310 n. Chr. im Wesentlichen zum Erliegen kommt. … Der Argenteus zu drei scripula wird jedenfalls erst nach dem 324 n. Chr. errungenen endgültigen Sieg über Licinius und der damit verbundenen Alleinherrschaft des Constantinus wieder geprägt; Bruun datiert die frühesten Stücke in RIC VII auf 326/327 n. Chr. … In RIC VIII aus der Feder von John Kent treffen wir auf das Phänomen, dass die Münze zu 1/96 Pfund ebenfalls als ,Siliqua‘ und die neu eingeführte Münze zu 1/144 Pfund als ,reduzierte Siliqua‘ bezeichnet wird …
Die Fakten zeigen klar, dass am Ende der Regierung von Constantius II.
eine zwei scripula schwere Silbermünze, die wir Siliqua nennen, jene drei scripula schwere, die wir Argenteus nennen, ablöst.
Die Argentei der allerletzten Prägephase des Constantius II., also mit der VOT(IS) / XXX / MVLT(IS) / XXXX Legende sowie jene für Iulianus Caesar, haben ein Durchschnittsgewicht von 3,04 Gramm …. Dieses mit der Zeit fortschreitende Sinken der Gewichte ist wohl kein Zufall, anders als in der Prinzipatszeit wurde aber nicht der Feingehalt reduziert, sondern das Rauhgewicht. Die Stücke aus der Zeit nach 364 n.Chr. haben ein Durchschnittsgewicht von 3,18 Gramm… Die … Siliquen … haben ein Durchschnittsgewicht von 2,00 Gramm … Die Siliqua erfährt am Ende des vierten Jahrhunderts tatsächlich eine Reduktion, zunächst in Mailand …
Natürlich ist die Sammlung des KHM alleine, trotz ihrer Größe, nicht unbedingt repräsentativ, weshalb wie immer auf möglichst viel Material zurückzugreifen ist. In diesem Fall steht uns der 1949 geborgene Fund von San Genesio (bei Pavia, Italien) als Vergleich zur Verfügung. Er enthält einen Solidus, acht große Silbermünzen (vierfache Argentei), drei schwere und 87 leichte Miliarense sowie 441 Siliquen. Seine Belegungsdauer ist sehr kurz und liegt, von einigen Münzen des Constantius II. abge-sehen, im Wesentlichen zwischen 364 und 383 n.Chr. Die 439 verwertbaren Siliquen haben ein Durchschnittsgewicht von 2,20 Gramm und streuen zwischen 1,61 und 2,85 Gramm. Dies ist ein enormer Unterschied zu den Museums-Münzen und sicherlich dadurch begründet, dass die Stücke aus dem Hort vor ihrer Verbergung offenbar nicht lange zirkuliert sein können, und daher weder stark abgenützt noch die schwereren Exemplare gezielt aussortiert wurden.
Noch gewaltiger ist der 1992 entdeckte Fund von Hoxne (in East Anglia, Großbritannien), der neben Schmuck und Geschirr 580 Solidi, 60 Miliarense, nicht weniger als 14.565 Siliquen (nach englischer Nomenklatur!) sowie fünf Halb-Siliquen und 24 Bronzemünzen [enthielt]; er schließt 407 n.Chr. Leider sind die allermeisten Siliquen beschnitten, dennoch konnte Peter Guest 212 ,intakte‘ Stücke feststellen, die ein Durchschnittsgewicht zwischen 1,9 und 2,0 Gramm aufweisen, was sich eher mit den Daten der KHM-Münzen deckt.
… wir stellen [beim Gewicht] eine enorme Streuung fest, die an Buntmetallnominalien erinnert. Es steht außer Frage, dass Silbermünzen in der Spätantike nach der al-marco-Methode hergestellt wurden, d.h. aus einer gewissen Menge musste eine festgelegte Anzahl an Münzen entstehen. Nach al-pezzo, wobei jedes einzelne Stück justiert wurde, ist nur beim Gold verfahren worden. Folgt man RIC VIII und RIC IX, so werden Argentei und Siliquen für zwei jeweils kurze Perioden gleichzeitig emittiert. Das erste Mal ist dies am Ende der Regierungszeit von Constantius II. der Fall, als die Siliqua nach unserer Nomenklatur eingeführt wird, das zweite Mal zu Beginn der Herrschaft von Valentinianus I. (364-375) und Valens (364-378). In beiden Fällen werden Argentei und Siliquen mit identen Rückseitentypen ausgegeben…. In der Tat konnte aber die parallele Ausprägung von an sich gleich aussehenden Münzen, die jedoch in einem Wertverhältnis von 3 zu 2 zueinander stehen, nur mit größten Schwierigkeiten verbunden sein.
Viel wahrscheinlicher ist es, dass die Siliqua zu einem Zeitpunkt zwischen 358 und 361 n.Chr. den Argenteus ablöst und nicht gleichzeitig geprägt wird. Parallel dazu können wir im Buntmetall das Ende der FEL TEMP REPARATIO-Reiterstürze zugunsten der leichteren SPES REI PVBLICE-Stücke stellen. Die zeitgleiche Goldprägung zeigt keinerlei Veränderungen“ (Vondrovec, Argenteus und Siliqua, in: Stabilität und Instabilität von Geldsystemen, Tagungsband zum 7. Öster-reichischen Numismatikertag 2016, S. 32 ff.).
„Constantin hatte zur Deckung seiner alle fünf Jahre fällign Goldspenden an das Heer eine Fünfjahressteuer für die Händler und Handwerker ausgeschrieben, die auri lustralis collatio. Diese Vermögnssteuer wurde in Gold und Silber, seit 373 nur noch in Gold eingenommen” (Demandt, Geschichte der Spätantike, S. 210 f.).