Beitrag
von Pscipio » Mo 09.01.06 12:29
Hallo syllektius
Sorry die verspätete Antwort - von Donnerstag Abend bis heute Mittag hat man mir das Netz abgestellt, mein obiges Posting habe ich geschrieben, als ich am Samstag kurz bei Nachbarn im Netz wart.
Zu protobyzantinisch: ich halte deswegen nichts von dem Begriff, weil er a.) rückblickend ist und b.) eine historisch vereinfachende Bedeutung mit sich trägt. Wenn du mich schon so "freundlich" dazu aufforderst, wird "Mr. Pscipio" das natürlich gerne kurz ausführen:
a.) protobyzantinisch ist ein rückblickender Begriff, d.h. er ist enstanden durch eine moderne, in die Geschichte zurückblickende Optik - Geschichte verläuft aber nicht rückwärts, d.h. das Römertum ist nicht definiert als vorbyzantinisch, sondern, wenn überhaupt, ist das Byzantinertum nachrömisch. Das soll keineswegs einen abschätzigen Ton innehaben, aber es ist eine Tatsache. Gleiches versuchte übrigens der berühmte Historiker Johan Huizinga in seinem Buch "Herbst des Mittelalters" klarzustellen, nämlich dass das 14. und 15. Jahrhundert nicht als Vorgeschichte der Renaissance, sondern als Ausklang des Mittelalters zu sehen sei. Natürlich ist für das Verständnis von Byzanz das Studium des römischen Reiches gleichermassen wichtig wie für das Verständnis der Renaissance das Studium des Mittelalters, aber man sollte keine verkehrten Rückschlüsse ziehen, à la: weil es später X war, muss es früher Y gewesen sein. "Protobyzantinisch" impliziert aber in meinen Augen genau das, deshalb finde ich den Begriff unsinnig (übrigens verhält es sich mit dem Begriff des "Mittelalters" nicht viel anders, wurde er doch in der Zeit der Renaissance aus einer Optik heraus geprägt, die jenes "Mittelalter" als Zwischenzeit zwischen der Antike und der wiedergeborenen Antike, d.h. der damaligen Gegenwart sah).
b.) vieles der historisch vereinfachenden Bedeutung, die der Begriff "protobyzantinisch" mit sich trägt, habe ich schon unter Punkt a.) angeführt. Nicht weil Byzanz gleich X war, war Rom gleich Y, sondern wenn überhaupt, dann umgekehrt. Geschichte entwickelt sich vorwärts, nicht rückwärts.
Ich behaupte übrigens nicht, dass du oder die Uni Köln anderer Meinung sind (Prof. Dr. Zahnd, Inhaber des Lehrstuhls "mittelalterliche Geschichte" an der Uni Bern, hält den Begriff "Mittelalter" z.b. für "idiotisch"), ich wehre mich nur gegen den Begriff als solches, weil er falsches impliziert.
Gruss, Pscipio
PS: selbst wenn die Uni Köln das anders als ich sehen sollte, würde das für mich kein Grund sein, meine Meinung aufzugeben - worin besteht denn Geschichtswissenschaft, wenn nicht aus unterschiedlichen Meinungen und Theorien, die man ausdiskutiert? Bloss weil eine bestimmte Uni oder ein bestimmter Historiker etwas behauptet, muss ich ihm ja noch nicht zwingend zustimmen, es sei denn, seine Argumente würden mich überzeugen.
Zuletzt geändert von
Pscipio am Mo 09.01.06 15:01, insgesamt 1-mal geändert.
Nata vimpi curmi da.