Historisch interessante französische Medaillen

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Moderator: Lutz12

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chinamul
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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von chinamul » Mo 24.01.11 13:12

Die nordfranzösische Kleinstadt Saint-Lô in der Normandie spielte im Juli 1944 eine wichtige Rolle nach der Landung durch die alliierten Truppen am sogenannten D-day.
Die deutsche Wehrmacht hielt mit Saint-Lô einen deshalb strategisch bedeutsamen Ort in der Hand, weil er wegen seiner verkehrsgünstigen Lage u. a. zur Sicherung des Nachschubs benötigt wurde.
Um in die deutsche Verteidigungslinie eine entscheidende Bresche zu schlagen, beschlossen die Alliierten, Saint-Lô zu zerbomben. Zwar versuchte man die einheimische Bevölkerung vor dem geplanten Angriff noch zu warnen und ihr die Gelegenheit zum Verlassen der Stadt zu geben, doch die abgeworfenen Flugblätter gingen infolge heftigen Windes weit außerhalb der Stadt nieder.
Der Angriff kostete daher rund ein Zehntel der damals etwa 12.000 Einwohner das Leben, und die Stadt wurde durch etwa 2.000 Bombenflugzeuge praktisch dem Erdboden gleichgemacht.
Aus der Sicht der Alliierten war der Angriff insofern ein Erfolg, als er die deutschen Verteidigungslinien tatsächlich entscheidend schwächte und so die endgültige Bildung eines Brückenkopfes auf französischem Boden ermöglichte.
Die Stadt aber war derart zerstört, daß man nach dem Kriege ernsthaft erwog, sie aufzugeben und an anderer Stelle neu zu errichten. Glücklicherweise aber beschloß die Bevölkerung, ihre Heimatstadt nicht zu verlassen und sie stattdessen wieder aufzubauen.

Medaille Saint-Lô (Bronze Ø 59 mm / 119 g)
Av.: Ruine einer Kirche vor einem offenbar qualmerfüllten Himmel
Rv.: Das gekrönte und von Lorbeer- und Eichenlaubgirlanden eingerahmte Stadtwappen von Saint-Lô; unter der Krone Merkurstab als Symbol des Handels, ganz unten herabhängend zwei Orden, die vermutlich der Stadt nach dem Kriege verliehen wurden.
Oben SAINT-LÔ, links und rechts unten 1944 – 1984
Beidseitig undefinierbar monogrammiert
Auf dem Rand: 1974 – Füllhorn – BRONZE, wobei die Datierung 1974 zeigt, daß die auch überhaupt nicht zum Gesamtbild der Medaille passende Gravur „1944 – 1984“ erst zehn Jahre nach Entstehung der Medaille angebracht wurde.

Gruß

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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von Jules » Mo 24.01.11 20:22

Die beiden Orden sind links ist das Kreuz der Légion d´Honeur und rechts das Croix de Guerre.
Mit freundlichen Grüßen,
Jules

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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von chinamul » Di 25.01.11 00:21

Hallo Jules!

Danke für die Information, die meine Annahme zu stützen scheint.

Gruß

chinamul
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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von chinamul » So 05.06.11 21:21

Wenn ich bedenke, wieviele einschlägige Medaillen zum Thema Duc de Berry ich im Internet beboten, aber leider nicht bekommen habe, wird uns dieser Komplex vermutlich noch eine Weile beschäftigen. Dabei hoffe ich, daß ich Euch damit auf Dauer nicht ermüde.
Mein ursprünglich rein geschichtliches Interesse am Schicksal der Berrys hat sich inzwischen verlagert. Was sich mir zunächst lediglich als blutiges Attentat eines politischen Gegners auf einen Angehörigen des Königshauses darstellte, der eine junge schwangere Frau hinterließ, wandelte sich in meinen Augen nach und nach in ein immer stärker abstoßendes Schauspiel. Es ist traurig genug, daß die junge Frau nun ohne ihren Gatten, der kleine Sohn ohne seinen Vater ist. Noch trauriger aber ist, wie hier versucht wird, aus einem Familienschicksal politisches Kapital zu schlagen.
Während der kleine Prinz als "gottgesandt" bezeichnet wird, und während er in einem Fall sogar in die Nähe des auferstandenen Jesus gerückt wird, heißt es auf einer anderen Medaille, er sei ein "zweiter Henri IV". In scharfem Kontrast zu dieser fast religiösen Entrückung eines Hoffnungsträgers der Royalisten stehen die politischen Gegner, also die Bonapartisten, die auf Medaillen mehrfach als böse Drachen und mörderische Schlangen dämonisiert werden.
Aus der Glorifizierung des kleinen Prinzen, der Larmoyanz, mit der die arme Witwe instrumentalisiert wird, um Mitleid und Sympathie des Volkes zu erregen, und der Verteufelung der politisch Andersdenkenden entsteht ein übles demagogisches Gebräu, das sicher nicht nur an die edlen Gefühle der Menschen appelliert.
Es ist meiner Meinung nach durchaus denkbar, daß diese Polarisierung bereits den Keim für die späteren Unruhen und Umwälzungen des weiteren 19. Jahrhunderts in Frankreich legt.

Kleine Medaille Marie Caroline Duchesse de Berry (Kupfer Ø 22 mm / 5,76 g)

Av.: À LA RELIGION . – À LA PATRIE.
Unten in Randnähe CHEZ CAHIER ; auf dem Abschnitt der Büste MONTAGNY F
Drapierte Büste der Herzogin links mit Kranz aus Efeublüten, Sinnbilder für Liebe und Treue
Rv.: H. CH. F. M. - DIEU – DONNE = Henri Charles Ferdinand Maria – Der Gottgesandte
Im Abschnitt: 29. 7.BRE. 1820 (7.BRE steht für Septem-bre)
Minerva, durch Bourbonenlilien auf ihrem Gewand als Personifikation Frankreichs gekennzeichnet, geht nach links und tritt dabei einen Drachen in den Staub. Mit beiden Händen streckt sie den Säugling, der einen Olivenzweig als Friedenssymbol hält, den Strahlen des Himmels entgegen. Im Strahlenbündel ein Kreuz.
Mit einiger Sicherheit ist dies ein zeitgenössisches Stück.

Gruß

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caroline berry - minerva m. säugl..jpg
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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von Patlin » Fr 24.06.11 17:52

Kleine Medaille auf den Begründer der Gewebelehre

Xavier Bichat ( * 1771 in Thoirette; † 1802 in Paris ) war ein französischer Arzt
und Anatom, der als Begründer der Histologie ( Gewebelehre ) gilt.
Bichat 1807.JPG
Material = Bronze, Dm = 28 mm , Gewicht = 12,5 Gramm, Medailleur = F.Galle

Auf der Reversseite steht : Nachfolger der medizinischen Firma in Paris , 1807

LG

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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von Patlin » So 11.09.11 16:20

Eine Medaille,

ja als eine Medaille von Ludwig XVI. irrtümlich ersteigert, dann
mit Erstaunen festgestellt, dass es Ludwig der XVIII. ist.

Material = Silber a' 1,8 Gramm mit 14mm DM ! - Glatter Rand -
Louis XVIII.JPG
Leider weiß ich nicht viel über diesen Kleinstling,
vielleicht wurde er ab 1814 bis 1824 geprägt.

Anlass ??

Medailleur ??

LG

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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von chinamul » Mo 26.09.11 13:35

Medaille (Kupfer, Ø 68 mm / 172 g) Familie des Duc de Berry

Wie ich bereits in einem früheren Posting ausgeführt habe, wird uns angesichts der Unzahl einschlägiger Medaillen das Schicksal des Duc de Berry in diesem historischen Thread vermutlich noch eine ganze Weile beschäftigen.
Es war für die royalistische Seite auch gar zu verlockend, die geradezu filmdrehbuchreifen Umstände dieses traurigen Ereignisses propagandistisch ausgiebig gegen die immer noch lebendigen bonapartistischen Umtriebe zu nutzen.
Die vorliegende Medaille feiert ein weiteres Mal die Geburt des Sohnes des ermordeten Herzogs von Berry Monate nach dessen Tod.
ehepaar berry.jpg
Av.: Die gestaffelten Büsten des Herzogspaares. Die Herzogin mit dem Witwenschleier, links hinter ihr eine Lilie, vor dem Herzog eine drapierte Urne
Unter der Büste der Herzogin: ANDRIEU • FECIT
Rv.: Links die Personifikation der Stadt Paris, kenntlich gemacht durch ihre Mauerkrone und das Schiffsheck mit Aplustre hinter ihr als Verweis auf das Stadtmotto FLUCTUAT NEC MERGITUR = „Sie wird (von den Wogen) hin- und hergeworfen, geht aber nicht unter.“ Sie überreicht den Säugling Dieudonné an die Personifikation Frankreichs, hier zwar als Minerva dargestellt, jedoch durch den Bourbonenschild, der hinter ihr an einer kurzen Säule lehnt, auf der die drapierte Urne des toten Herzogs steht, als Gallia zu erkennen.
Im Abschnitt: 29 SEPTEMBRE 1820.
Unter der Standlinie signiert mit: ANDRIEU CHEV.ER DE ST. MICHEL INV. ET FECIT (= Andrieu Chevalier von St. Michel hat dies entworfen und ausgeführt)
Es war wohl vor allem diese Medaille, die Bertrand Andrieu von der Pariser Stadtverwaltung 15.000 Francs und von König Louis XVIII die in der obigen Inschrift erwähnte Würde eines Ordensritters von St. Michel eintrug.
Keine Punzen auf dem Rand, deshalb mit einiger Wahrscheinlichkeit ein zeitgenössisches Exemplar.

Gruß

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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von caspar1980 » Sa 26.11.11 12:31

Eigentlich ja nicht ganz französisch, aber irgendwie ja doch wieder :-)

Kupfer / 46 g / 45 mm

Medailleur: Bertrand Andrieu

AV: Kaiserlicher Adler mit Mediationsakte / Umschrift: LA SUISSE PACIFIEE ET REORGANISEE
RV: Gebäude des ersten kantonalen Parlaments des Staates Waadt / Umschrift: PREMIERE ASSEMBLEE DU GRAND CONSEIL DU CANTON DE VAUD / XIV AVRIL MDCCCIII

Spannendes und seltenes Stück aus einem für die Schweiz interessanten Geschichtsabschnitt. Dem Medailleur nach wohl in Frankreich hergestellt (?).

Nach bürgerkriegsartigen Tumulten und diversen Staatsstreichen war die von Frankreich 1798 etablierte, zentralistisch organisierte Helvetische Republik 1803 auseinandergebrochen. Auf Vermittlung Bonapartes wurde die Schweiz noch im gleichen Jahr als Staatenbund neu konstituiert. Am 19. Februar 1803 wurde den Vertretern der einzelnen Kantone von Bonaparte die sogenannte "Mediationsakte" übergeben. Sie erhielt alle einzelnen Kantonsverfassungen und auch die neue Bundesverfassung. Obwohl theoretisch unabhängig blieben die Staaten der Eidgenossenschaft bis 1813 auch weiterhin direktes französisches Einflussgebiet.

Beste Grüsse aus der (neuen) Eidgenossenschaft, caspar1980
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Medaille Medaiation 001.jpg
Medaille Medaiation 002.jpg
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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von cyrano » So 15.01.12 13:26

Medaille auf die Geburt des Herzogs von Bordeaux 1820.

Avers:

Randschrift: Dieu l'envoie pour le salut de son peuple.
Auf der Fahne des Soldaten: Armee jure de mourir pour le défendre.
Zu Füßen des Soldaten: Caque (Medailleur)
Unten: A l'armee fidele. Bouis.E.

Revers:

Randschrift: Dieu et le Roi Fidelite Devouement.
Mittig: Henri. C.F.M. Dieudonne Dart. Duc de Bordeaux. Ne le 29 Sept. 1820

Zitat chinamul: Nach der Ermordung seines Vaters und seiner Geburt lange nach dessen Tod gab es eine Unmenge von Medaillen, die die Ankunft des "Gottesgeschenkes" (Dieudonné) für Frankreich feierten. Alle möglichen Institutionen huldigten dem kleinen Prinzen mit den unterschiedlichsten Medaillen, auf denen sie ihn ihrer Loyalität versicherten.
Im vorliegenden Falle ist es die Armee, die sich den Treuebekundungen anschließt.
Umschrift Av.: Gott sendet ihn zum Wohle seines Volkes; auf der Fahne: Die Armee schwört, zu sterben, um ihn zu verteidigen; die Stadtgöttin von Paris (Mauerkrone!) steht mit dem Prinzen auf dem Arm, hinter ihr der Lilienschild der Bourbonen; ihr gegenüber ein Soldat mit ausgestreckter Schwurhand
Umschrift Rv.: Gott und König - Treue und Ergebenheit
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1820xx.jpg
1820x.jpg
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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von chinamul » So 15.01.12 23:14

Danke, cyrano!

Gruß

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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von chinamul » Sa 21.01.12 16:27

Im Anschluß an die Medaille, die cyrano gerade vorgestellt hat, möchte ich ein ebenfalls als Huldigung für die Familie Berry gedachtes Stück zeigen, diesmal vom Département du Nord. Wieder taucht hier das Zitat des Herzogs auf, mit dem er einst die unverbrüchliche Zusammengehörigkeit zwischen sich selbst und dem Département beschworen hatte.

Medaille (Kupfer, Ø 41 mm / 36 g) für den Duc de Berry
berry dptmt du nord.jpg
Av.: CH. FERDINAND DUC DE BERRY - Die uniformierte Linksbüste des Herzogs von Berry; darunter Signatur GAYRARD
Rv.: Zehnzeilige Inschrift: C’EST DÉSORMAIS / A LA VIE ET A LA MORT / ADIEUX DU PRINCE / AUX HABITANS DU DÉPT. / LE 26 AÔUT 1815 / LE DÉPT. DU NORD / A LA MÉMOIRE / DE S. A. R. MGR. / LE DUC DE BERRY / 26 AÔUT 1829 = „ ,Künftig sind wir auf Leben und Tod miteinander verbunden' – Abschiedsworte des Fürsten an die Einwohner des Départements am 26. August 1815 – Das Département des Nordens zum Gedenken an Seine Königliche Hoheit, den Herrn Herzog von Berry – 26. August 1829“
Keine Randpunzen!

Interessanterweise sind die Medaillen zum Tod des Herzogs von Berrry und der Geburt seines Sohnes Dieudonné sämtlich zeitgenössische Originale. Nachprägungen durch die Monaie de Paris scheint es also nicht gegeben zu haben. Offenbar war das angesichts der immensen Zahl der zu diesem Anlaß ausgegebenen Medaillen auch nicht nötig. Zudem ist es denkbar, daß bei der Bevölkerung, die zunächst sicher Anteil am traurigen Geschick der Herzogsfamilie genommen hatte, sich im Laufe weniger Jahre ein erheblicher Ermüdungseffekt einstellte. Die royalistische Karte war einfach zu lange, zu larmoyant und penetrant ausgespielt worden. Als dann noch die Witwe des Herzogs 1832 ein Kind von einem italienischen Adligen zur Welt brachte und Dieudonné, Duc de Bordeaux und nachmaliger König Henri V, keine überzeugende Figur machte und sich schließlich frustriert ins Privatleben zurückzog, erlahmte schließlich das Interesse des französischen Publikums insgesamt aber wohl auch der royalistischen Kreise an dieser Familie, so daß sich auch daraus kein Grund ergab, die ohnehin nicht offizielle Medaillenproduktion noch weiter fortzusetzen. Damit hatte das Geschlecht der Bourbonen sich - zumindest numismatisch - als politische Kraft ziemlich sang- und klanglos aus der französischen Geschichte verabschiedet.

Gruß

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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von chinamul » Mo 27.02.12 12:58

König Henri IV (le Bon) wird folgender Ausspruch zugeschrieben: „Si Dieu me donne encore de la vie je ferai qu’il n’y aura point de laboureur en mon Royaume qui n’ait moyen d’avoir une poule dans son pot.“ („Falls Gott mir weiteres Leben gewährt, werde ich dafür sorgen, daß es in meinem Königreich keinen Bauern geben wird, der sich nicht ein Huhn im Topf leisten kann.“)
Es heißt, daß Henri sich so gegenüber dem Herzog von Sully, seinem geistesverwandtem Freund, geäußert habe.
Henri Charles Ferdinand Marie Dieudonné comte de Chambord, der Sohn des ermordeten Herogs von Berry, wird auf einer in diesem Thread bereits vorgestellten Medaille als ALTER HENRICUS, als ein zweiter Henri (IV) und somit gewissermaßen als dessen Wiedergeburt bezeichnet, so daß von ihm jetzt die Einlösung des Vermächtnisses seines Ahnen erwartet wird.

Medaille (Kupfer, Ø 37 mm / 24 g) Dieudonné
poule au pot.jpg
Av.: Herzogin Caroline, die Witwe des Duc de Berry, mit ihrer Tochter Louise Marie Thérèse d'Artois (21. 9. 1819 - 1. Februar 1864), die also ziemlich genau ein Jahr älter war als ihr gerade geborener und links in seinem Bettchen liegender Bruder. Die kleine Prinzessin steht auf der Armlehne des Sessels, auf dem ihre Mutter sitzt, und streckt die Arme nach der Herme mit der Büste ihres Vaters aus, den sie bereits im Alter von knapp fünf Monaten verloren hatte.
Im Abschnitt in drei Zeilen: HONNEUR A LA MERE / DE / NOTRE HENRI • ( „Ehre sei der Mutter unseres Henri.“)
Links am Rand: VIVIER F. – rechts: DEGEN EDI.
Rv.: Eine um einen Eßtisch versammelte, gutgelaunte Familie, die sich offensichtlich auf den versprochenen Hühnerschmaus freut. Die „poule au pot“ steht bereits auf dem Tisch, und man gönnt sich zur Einstimmung schon mal einen Aperitif. Rechts oben an der Wand ein Bild, das König Henri IV zeigt.
Im Abschnitt in drei Zeilen: IL NOUS RENDRA / LA / POULE AU POT. („Er wird uns das Huhn im Topf verschaffen.“)
Links am Rand: DE PUYMAURIN D. – rechts: V. F.
Keine Randpunzen, daher mit großer Wahrscheinlichkeit wieder ein zeitgenössisches Original.

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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von chinamul » Di 13.03.12 12:02

Medaille Duc de Sully 1560 – 1641 (Bronze, Ø 67 mm / 184 g)
sully.jpg
Av.: • SULLY • PATURAGE ET LABOURAGE SONT LES DEUX MAMELLES DE LA FRANCE – Das Brustbild des Herzogs von Sully
Rechts in Randnähe signiert mit COUTRE
Rv.: In vier Zeilen: PRIX / OFFERT / PAR LES ALIMENTS / SANDERS = „Preis überreicht von (Tier)nahrung Sanders“ – Tiere
Auf dem Rand drei Punzen: 1967 - Füllhorn - BRONZE

Den im vorhergehenden Beitrag erwähnten Duc de Sully, mit vollem Namen und allen Titeln Maximilien (Ier) de Béthune, Duc de Sully, Baron de Rosny, Pair de France, Prince Souverain d'Henrichemont et de Boisbelle, Marquis de Nogent-le-Rotrou, Comte de Muret et de Villebon, Vicomte de Meaux, verband schon seit der Jugend eine enge Freundschaft mit Heinrich IV. Die streng calvinistische Erziehung des späteren Herzogs von Sully führte zwischen den beiden zu teilweise erheblichen Meinungsverschiedenheiten, besonders wegen der lockeren Lebensweise des jungen Königs. Beide aber verband lebenslang eine Liebe zu ihrem Land und die Sorge um das Wohlergehen der Bevölkerung, besonders deren Versorgung mit Nahrung.
Hatte Heinrich dem Volk für jeden Sonntag ein Huhn im Topf versprochen, falls Gott ihn lange genug leben lassen würde, und das in einem berühmt gewordenen Satz zusammengefaßt, soll Sully sehr plastisch die Land- und Weidewirtschaft mit diesen Worten als Lebensquell Frankreichs bezeichnet haben: „Paturage et labourage sont les deux mamelles dont la France est alimentée“. („Weidewirtschaft und Landwirtschaft sind die beiden Brüste von denen Frankreich genährt wird.“)
Bei der vorliegenden Medaille handelt es sich wohl um einen landwirtschaftlichen Ehrenpreis, der von der Firma Sanders gestiftet wurde. Sanders ist ein bedeutender Konzern, der mit Tierfutter handelt und sich im Zusammenhang damit der Förderung der Tiergesundheit in der Landwirtschaft widmet.
Daß diese Firma sich mit ihrer Medaille gerade auf Sully bezieht, der über dreihundert Jahre zuvor lebte, macht die wichtige und bis heute unvergessene Rolle dieses Mannes für die Volkswohlfahrt, besonders aber die Ernährung deutlich.

Gruß

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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von platinrubel » Di 13.03.12 13:07

Immerhin mindestens 8 verschiedene der berry-medaillen wurden übrigens damals zwischen 1820 und 1830 in geringen stückzahlen auch in platin geprägt.
da gehen die preise aber auch gleich in den 4-5 stelligen bereich.

das ist dann sammeln der extraklasse. exklusiver gehts kaum noch.

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Re: Historisch interessante französische Medaillen

Beitrag von chinamul » Di 13.03.12 13:31

Hallo platinrubel!

Das mit den Platinmedaillen war mir bisher nicht bekannt. Die Preise sind aber auch schon bei den etwas selteneren Stücken aus Kupfer manchmal ziemlich happig. Das Thema scheint also von großem Interesse zu sein. Die gängigeren Typen werden aber ständig angeboten und kosten dann so zwischen 30 und 60 €.

Gruß

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