antike Stätten

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Altamura2
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Mo 27.10.25 12:04

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 3: Agde (Folge 1/3)

Agde liegt am Ufer des Hérault, heute knapp vier Kilometer Luftlinie von dessen Mündung ins Mittelmeer entfernt. Die Stadt steht auf einer Art Basaltzunge, die Teil eines schmalen ehemaligen Lavastroms ist, der sich von Norden nach Süden durch das Département Hérault zieht.
Da die älteren Häuser aus diesem dunklen Basalt erbaut wurden, sieht es an manchen Stellen dort auch etwas düster aus (positivere Naturen bezeichnen Agde aber als "die schwarze Perle des Mittelmeers" :D ).
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03-01_Stadtansicht.jpg
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Besiedelt war die Gegend um Agde bereits in der Steinzeit, etwa im siebten Jahrhundert v. Chr. begannen Griechen dort Handel zu treiben. Um über eine feste Niederlassung zu verfügen, wurde etwa 525 v. Chr. Agde gegründet, das in einigen antiken Texten unter dem Namen Agàthe erwähnt wird.

Hier fängt es aber schon an, unscharf zu werden. Lange war nicht einmal geklärt, wo das griechische Agàthe denn genau lag, in Agde gab es nämlich keinerlei erkennbare Reste antiker Gebäude. Erst als 1938 beim Verlegen von Gasleitungen eindeutig griechische Artefakte zum Vorschein kamen (bemerkt hatte dies Raymond Aris, der ortsansässige Apotheker :D ), war überhaupt sicher, dass die antike Stadt direkt unter dem heutigen Agde lag.
Seitdem hat es im Stadtgebiet eine ganze Reihe Grabungen gegeben, die aber meist nur wenige Quadratmeter Fläche umfassten. Man hat zwar weitere Bestätigungen einer griechisch dominierten Besiedlung gefunden, ein halbwegs klares Bild der Stadtstruktur ergab sich dabei aber nicht. Auch über den Standort eines Hafens weiß man bis heute nichts :| , Agde besaß aber bestimmt einen.

Die momentan wohl aktuellste Chronologie der Geschichte von Agde ist nun diese:
  • Um 650-625 v. Chr. beginnen griechische Händler die Gegend zu bereisen, was man am Auftauchen von griechischen Vasen in Nekropolen aus dieser Zeit erkennen kann.
  • Um etwa 525-500 v. Chr. wird Agde als feste Niederlassung gegründet. In den Jahrzehnten danach entwickelt sich die Stadt, auch aufgrund der Rolle als Hafen für das etwa 22 Kilometer westlich gelegene, etwas ältere Béziers.
  • Um 350 v. Chr. fällt Béziers in eine tiefe Krise, die bis etwa 300 zur Aufgabe der Stadt führte. Dies riss die gesamte Region mit sich, so dass auch Agde zumindest einen sehr starken Bevölkerungsschwund erlebte.
  • Etwa 150 v. Chr. wurde Agde unter dem Einfluss Marseilles wiederbelebt, um dessen Handelsinteressen in der Region zu vertreten. Im Hintergund stand hier vermutlich schon Rom, damals ein Verbündeter von Marseille.
  • Bis etwa 50 v. Chr. blühte Agde wieder auf. Nachdem sich aber im Konflikt zwischen Caesar und Pompeius Marseille auf die "falsche" Seite gestellt hatte, verlor Agde dessen Unterstützung und verlor wieder an Bedeutung. Hinzu kam, dass die Provinzhauptstadt Narbonne zu diesem Zeitpunkt selbst ein System von Häfen aufgebaut hatte und Agde für den Handel in der Region nicht mehr benötigt wurde.
  • Der stetige Niedergang führte dazu, dass die Stadt etwa 50 n. Chr. nahezu verlassen war, archäologische Spuren finden sich erst wieder im fünften Jahrhundert n. Chr. Ein kaiserzeitliches Agde gibt es sozusagen nicht. Es gibt auch keinerlei lateinische Inschriften aus Agde.
Ganz so eindeutig, wie das hier steht, ist es aber vielleicht nicht, handfeste Tatsachen hat man da einfach nicht so viele :| .

Trotz meiner vielleicht enttäuschend klingenden Vorrede zu Agde, hat die Stadt sehr wohl Antikes zu bieten :D . Richtig begonnen hat das 1964, als Mitglieder der GRASPA (Groupe de Recherches Archéologiques Subaquatiques et de Plongée d'Agde), also einer lokalen Truppe von tauchenden Freizeitarchäologen (so interpretiere ich die zumindest) im Fluss irgendwo vor der Kathedrale eine etwa 1,40 m große antike Bronzefigur an Land gezogen haben, die erste in Frankreich gefundene ihrer Art. Wenig später tauchte auch noch das linke Bein auf, das man auf dem Bild noch nicht sieht. Gleich nach dem Fund wurde vom "Epheben von Agde" gesprochen
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03-02_Taucher.jpg
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Die Figur wurde dann, wie damals in einem zentralistischen Staat wie Frankreich üblich, nach Paris in den Louvre gebracht und dort konserviert, restauriert und analysiert. Sie fand ihren Platz damals dann in der Nähe der Nike von Samothrake. Da dieses aber ein feuchter und eher zugiger Standort im Treppenhaus war (aber einem sehr imposanten, das muss man schon sagen), begann die Figur weiter zu korrodieren und musste erneut konserviert werden (was nicht die letzte Restaurierung war, es folgten weitere).

In dieser Zeit entstand dann in Agde der Wunsch, den Epheben wieder heimzuholen. Nachdem die Stadt zugesichert hatte, ein geeignetes Museum zu bauen (und auch eine Konservatorenstelle einzurichten :) ), kam die Statue 1987, zwei Jahre nach der Einweihung des Museums, wieder nach Agde.
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03-03_Ephebe 1.jpg
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Es wurde viel darüber spekuliert, wen die Figur denn darstellen soll, eine beliebte Deutung ist Alexander der Große. Da kann man allerlei darüber lesen, das verkauft sich natürlich auch gut :D , in meinen Augen hat das aber eher den Status "kann sein, muss aber nicht" :? .
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03-04_Ephebe 2.jpg
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Eine halbwegs sichere Datierung des Epheben gibt es nicht, das geht vom Ende des vierten Jahrhunderts bis zum zweiten v. Chr., unklar ist auch, ob es sich um ein griechisches Original oder eine römische Kopie handelt. Es könnte gut sein, dass die Figur aus Griechenland stammt, wo nach der Eroberung durch Rom Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. Statuen in Massen gen Westen verfrachtet wurden, um die Villen reicher Römer zu schmücken. Eine Theorie besagt daher auch, dass der Ephebe in einer Hand eine (eventuell nachträglich angebrachte) Vorrichtung zum Anbringen einer Fackel oder ähnlichem erhielt und somit zum Leuchter degradiert wurde :| .
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Mo 27.10.25 12:08

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 3: Agde (Folge 2/3)

Das Musée de l'Éphèbe et d'Archéologie Sous-Marine, wie es offiziell heißt, hat aber noch weitere interessante Dinge zu bieten.
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03-05_Museum.jpg
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Der Golfe du Lion, also die Küste vor dem Languedoc, war für die Seefahrer in der Antike nämlich kein einfaches Gewässer, so dass viele Schiffe sanken und man heute eine entsprechend hohe Zahl an Wracks kennt und auch geborgen hat. Das Museum in Agde hat sich vor allem auf derartige Funde spezialisiert. Und als Besucher kommt man sich da manchmal in die Kinderzeit versetzt vor, als man von Piraten und deren Schätzen träumte :D .
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03-06_Piratenschatz.jpg
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Unter den antiken Ausstellungsstücken befinden sich vor allem Amphoren aus dem gesamten westlichen Mittelmeerraum, ...
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03-07_Amphoren 1.jpg
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03-08_Amphoren 2.jpg
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... verschiedene Anker (die stammen vermutlich nicht alle aus Wracks, da ging der eine oder andere auch bestimmt mal einfach so verloren :? ), ...
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03-09_Anker 1.jpg
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... auch einfachere Modelle für den kleinen Geldbeutel :D .
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03-10_Anker 2.jpg
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Mo 27.10.25 12:18

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 3: Agde (Folge 3/3)

Unter den besseren Stücken befindet sich auch diese etruskische Schnabelkanne.
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03-11_Schnabelkanne.jpg
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Leider sind die Aufstellung und die Beleuchtung dort so, dass sich immer irgendwas in den Vitrinenwänden spiegelt, so dass man von manchen Objekten gar keine vernünftigen Bilder zustande bringt :cry: .

Weitere Glanzstücke sind drei Objekte, die ein Taucher Ende 2001 in der Nähe von Agde gefunden hat, etwa 250 Meter vor der Düne, die den Étang de Thau gegenüber dem offenen Meer abgrenzt. Sie waren Teil eines im letzten Viertel des ersten Jahrhunderts v. Chr. untergegangenen Schiffs, das offensichtlich auch Kunstwerke transportiert hat und damit Teil des im ersten Jahrhunderts v. Chr. florierenden Antikenhandels war.

Eine Bronzefigur von etwa 60 cm Höhe stellt einen Eros dar, dem leider Arme und Flügel abhanden gekommen sind. Die Skulptur besteht aus mehreren, separat gegossenen Teilen, die anschließend zusammengelötet wurden. Man erkennt auch noch die Reste von Blattsilber auf den Augäpfeln. Datiert wird die Figur ins erste Jahrhundert v. Chr.
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03-12_Eros.jpg
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Von einer weiteren Bronzefigur, dem sogenannten "enfant royale" (also "Königskind"), stand in Agde leider nur eine Kopie, da das Original nach Paris ausgeliehen war :| . Da man das auf meinem Bild aber vielleicht gar nicht sieht, zeige ich die Kopie hier trotzdem :D .

Die 75 cm hohe Skulptur stellt einen etwa sechsjährigen Jungen dar, der mit dem rechten Zeigefinger auf seine linke Hand deutet, in der er vielleicht einen Vogel oder einen Hasen hielt, wie man es von ähnlichen Darstellungen kennt. Datiert wird die Figur ins erste Jahrhundert vor oder das erste nach Chr.
Art und Pracht der Kleidung deuten auf einen hohen sozialen Rang und einzelne Elemente weisen nach Ägypten. Damit kann man die Figur mit den späten Ptolemäern in Verbindung bringen, womit man dann schnell bei Caesarion wäre, dem Sohn von Kleopatra und Caesar :D . Das ist aber keinesfalls sicher, kann sein, muss aber nicht :? .
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03-13_Königskind.jpg
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Das dritte Objekt aus diesem Fund, das man bei einer Nachuntersuchung anderthalb Jahre nach den zwei Bronzefiguren geborgen hat, ist schließlich ein Emblema von etwa 50 Zentimetern Seitenlänge, also das zentrale Stück eines Mosaiks. Es war im Fundzustand vom Salzwasser und allerlei Meeresgetier schon etwas angegriffen und musste gründlich restauriert werden, wie man sieht aber mit gutem Erfolg.
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03-14_Emblema.jpg
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Gezeigt wird die Verurteilung des Marsyas durch Apollon am Ende von deren musikalischem Streit (https://de.wikipedia.org/wiki/Marsyas). Der Aulos des Marsyas liegt teilweise zerbrochen am Boden, links steht schon einer mit dem Messer in der Hand bereit, mit dem er dem armen Delinquenten dann die Haut abziehen wird.
Datiert wird das Stück in die Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr., es könnte aus einer griechischen Werkstatt in der Umgebung von Rom stammen.

Einen vernünftigen Gesamtkatalog zur Sammlung des Museums gibt es leider nicht :| , so dass ich mir die Informationen hier alle aus einzelnen Artikeln zusammengeklaubt habe. Die französischen Archäologen berichten aber sehr gut und ausführlich über das, was sie finden :D , und sehr viel davon ist im Internet frei zugänglich, so dass sich da bei einer Recherche auch etwas ergibt.
Über die drei letzten Objekte wird beispielsweise hier sehr ausführlich geschrieben: https://books.openedition.org/inha/3245 (die drei Artikel unter "Les découvertes récentes du Cap d'Agde").
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Do 30.10.25 15:48

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 4: Béziers (einzige Folge)

Béziers liegt knapp 22 Kilometer westlich von Agde auf einem Hügel über dem Orb, der etwa 15 Kilometer südöstlich der Stadt ins Mittelmeer mündet.
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04-01_Stadtansicht.jpg
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Ähnlich wie bei Agde hat sich der Nebel über der frühen Geschichte von Béziers erst in den letzten 50 Jahren etwas gelichtet, alles geklärt ist da aber immer noch nicht. Beim Zusammentragen der Eckpunkte davon ist mir die Unterscheidung schwergefallen, was da schon Gewissheit und was noch Vermutung ist :? . Aber ich versuch's mal :D .
  • Gegen 625 v. Chr. wurde Béziers von Griechen gegründet, auf den zwei Hügeln, auf denen sich die Altstadt heute noch befindet.
  • Die Stadt besaß ein rechtwinkliges Straßensystem, wie es auch andernorts in griechischen Siedlungen vorherrscht.
  • Der antike Name von Béziers in dieser Zeit war angeblich Rhòde, was man aber nur argumentativ aus antiken Quellen herleiten kann. Aus der gesamten griechischen Zeit hat man bis heute nämlich keinerlei Inschriften gefunden, abgesehen von Kritzeleien auf Keramik (meist wohl nur der Name des Besitzers :D ).
  • Ab etwa 600 v. Chr. lassen sich um Béziers bereits der Anbau von Wein und Oliven sowie in der Stadt ganze Handwerkerviertel nachweisen.
  • Bis ins fünfte Jahrhundert v. Chr. entwickelte sich Béziers zu einer Größe von 35 Hektar, womit es damals bei weitem die größte Ansiedlung zwischen Rhone und Pyrenäen war.
  • Der Handel der Stadt ist vor allem nach Osten ausgerichtet, nach Etrurien, Magna Graecia und Griechenland bis nach Kleinasien.
  • Mitte des vierten Jahrhunderts v. Chr. geraten Béziers und seine Region in eine Krise, die etwa 300 v. Chr. zur Abwanderung der griechischen Bevölkerung führt. Die Ursache dafür ist nicht bekannt.
  • Erst etwa im ersten Viertel des zweiten Jahrhunderts v. Chr., also nach einem Jahrhundert Leere, wird Béziers wieder besiedelt, diesmal von Kelten aus dem Verband der Volcae Tectosages (genannt werden da häufig die Longostaleten, so richtig sicher scheint das aber nicht zu sein).
  • Im zweiten und ersten Jahrhundert v. Chr. werden Münzen mit der Legende BHTAPPATIC in griechischer Schrift geprägt (https://www.syslat.fr//SLC/DICOMON/dico ... ion1=egale). Dies ist das erste Auftreten des (sprachlichen Vorgängers) des heutigen Ortsnamens.
  • Als Ende des zweiten Jahrhundersts v. Chr. die Römer auftauchen, besteht die keltische Siedlung fort und romanisiert sich langsam.
  • 36 v. Chr. wird Béziers schließlich zur Colonia Urbs Julia Septimanorum Baeterra.
Mit der Gründung gegen 625 v. Chr. wäre Béziers älter als Marseille, weshalb man dort unten auch gerne großspurig die Bezeichung "la plus ancienne ville de France" (also "die älteste Stadt Frankreichs") verwendet. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das auf harten archäologischen Fakten beruht oder eher auf starkem Lokalpatriotismus :D .

Was sichtbare Zeugnisse aus der Antike betrifft, sieht es in Béziers nur ein bisschen besser aus als in Agde. Auch hier hat die mehr oder weniger ständige Besiedlung und die Notwendigkeit, den Raum innerhalb der Stadtmauern optimal zu nutzen, zum Verschwinden antiker Bauten geführt.

Schon die alte Brücke über den Orb, die man oben auf dem Bild sieht, ist weitestgehend ein Neubau aus dem Mittelalter. Er ruht zwar angeblich noch auf ein paar Pfeilerresten aus römischer Zeit, mehr aber auch nicht. Sicher ist jedoch, dass an dieser Stelle die Via Domitia über den Orb führte. Auch die Trasse, über die man dann ins Stadtzentrum gelangte, gibt es als Straße noch, es ist die heutige Rue Canterelle.
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04-02_Stadtaufgang.jpg
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In unmittelbarer Nähe der stadtabgewandten Seite der alten Brücke hat man übrigens vor wenigen Jahren einen großen (kostenlosen :D ) Parkplatz eingerichtet, von dem aus man zu Fuß über die (ebenfalls kürzlich renovierte) Brücke auf den Hügel laufen kann. Es gäbe sogar einen Aufzug, der einem einen Teil des Aufstiegs ersparen könnte, der ging aber gerade nicht :| . Als wir dann oben angekommen waren, haben wir auch gesehen, dass es eine weise Entscheidung war, dort nicht mit dem Auto herumfahren zu wollen :D .

Auf dem Weg hoch auf den Hügel kommt man dann an den Resten der römischen Arena aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. vorbei. Viel ist nicht mehr übrig, aber man sieht, dass Béziers mit allen Einrichtungen römischer Urbanität ausgestattet war.
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04-03_Arena 1.jpg
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Interessant ist auch, wie sich die neuzeitlichen Häuser dann an die Krümmung der Arena angepasst haben, ...
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04-04_Arena 2.jpg
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... wobei das vielleicht auch etwas damit zu haben könnte, dass man dann die verbliebenen Arenagänge besser als Keller integrieren konnte :D .
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04-05_Keller.jpg
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Was man in den letzten Jahren bei Bauarbeiten (von denen es aber nicht allzu viele zu geben scheint) entdeckt hat, wurde aber oft nach Abzug der Archäologen wieder zugeschüttet :( , so beispielsweise an der Place des Chaudronniers. Dort musste man 2014 einen ganzen Häuserblock wegen Baufälligkeit abreißen und stieß bei den anschließenden Grabungen auf Schichten aus mehr oder weniger allen Phasen der Antike und des Mittelalters, unter anderem auch auf Reste eines römischen Theaters aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. Was man dort alles vorfand, kann man hier anschauen: http://www.persee.fr/doc/ran_0557-7705_ ... _54_1_2041 (wirkt aber zugegebenermaßen schon etwas unübersichtlich), und so sieht es dort heute aus: https://maps.app.goo.gl/qbWYJD8F2jtN3jxT6

Ein ganz klein bisschen etwas hat man bei den Renovierungsarbeiten an der alten Markthalle 2024 gerettet.
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04-06_Markthalle.jpg
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Unter dem Boden kam ein kleiner Rest eines Mosaiks aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr. zum Vorschein, den man nun an einem der Eingänge der Halle ausgestellt hat.
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04-07_Mosaik.jpg
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Mehr an Antikem haben wir in Béziers aber nicht zu Gesicht bekommen. Das lag zum Teil aber daran, dass das örtliche Musée du Biterrois, das auch eine archäologische Sammlung besitzt, seit längerem dauerhaft geschlossen ist :| . Es soll in einem künftigen Musée d’Art et d’Histoire de Béziers im ehemaligen Bischofspalast aufgehen. Wikipedia nennt dafür eine Eröffnung im Jahr 2025 (wonach es vor Ort nicht ausgesehen hat :D ), anderwo hab' ich etwas von 2030 gelesen (und teurer wird es auch immer wieder). Da muss man sich wohl noch etwas gedulden.

Ansonsten war unser Tag in Béziers aber ganz hervorragend, die Stadt hat ja nicht nur Antikes zu bieten :D .
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Sa 01.11.25 10:05

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 5: Ensérune (Folge 1/5)

Das Oppidum von Ensérune liegt etwa 9 Kilometer südwestlich von Béziers und etwa 17 Kilometer nordöstlich von Narbonne auf einem eher schmalen Hügel von etwa 650 Metern Länge in etwa 120 Metern Höhe über der umgebenden Ebene. Die Entfernung zum Meer beträgt heute etwa 15 Kilometer. Da sich die Lagunenlandschaft in der Antike aber weiter ins Landesinnere erstreckte als heute, gab es damals trotzdem eine akzeptable Anbindung ans Meer. Weder der Hügel noch die unmittelbare Umgebung sind heute besiedelt. Der Name Ensérune ist neuzeitlich, den antiken Namen der Stätte kennt man nicht :? .
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05-01_Ebenenblick.jpg
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Eine erste Besiedlung des Hügels beginnt ab etwa 575 v. Chr. durch Elisyker, ein damals an der Südwestküste Frankreichs siedelndes Volk (das man aber nur aus antiken Quellen kennt). Auf den höchsten Partien des Hügels werden Häuser mit einer Befestigungsmauer darum erbaut.
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05-02_Südquartier.jpg
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(Die Bilder passen jetzt nicht immer eins zu eins zu den beschriebenen Zeitabschnitten :? , die haben an ihrer Stadt ja ständig herumgebaut :D , an vielen Stellen überlagern sich daher auch mehrere Phasen.)

Zwischen etwa 450 und 200 v. Chr. wächst die Stadt, bekommt eine geordnete Struktur mit Straßen und Häuserblocks und dehnt sich auf dem Hügel weiter aus. Es entsteht eine ausgedehnte Nekropole mit Brandbestattungen. Durch eine günstige Lage entwickelt sich Ensérune zu einer Handelsdrehscheibe, auf der Waren aus dem gesamten westlichen Mittelmeerraum und dem französischen Hinterland umgeschlagen werden. Dadurch gelangen verschiedene kulturelle Einflüsse nach Ensérune, die in die Alltagskultur eingebunden werden. Eine prägende Rolle spielen dabei die Kontakte zu den Iberern aus Nordostspanien, man spricht hier auch von einer "culture ibéro-languedocienne".
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05-03_Südtor.jpg
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In der Zeit von etwa 200 bis 100 v. Chr. erreicht die Siedlung ihren Höhepunkt und auch ihre maximale Ausdehnung. Der römische Einfluss macht sich in der Alltagskultur bemerkbar, Konflikte mit Rom scheint es keine zu geben.
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Ab etwa 100 v. Chr. macht sich der römische Einfluss auch in der Architektur der Häuser bemerkbar, es werden größere Atriumhäuser in italischem Stil erbaut, die mit Wandmalereien ausgestattet sind.
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05-05_Westquartier.jpg
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Die Stadt erlebt aber einen langsamen Niedergang, bis sie etwa 200. n. Chr. verlassen ist. Wie andernorts auch gab es keine Notwendigkeit mehr für eine militärstrategisch günstige Lage, das Leben oben auf dem Hügel war unbequem geworden. Die Siedlungsform des Oppidums hatte sich überlebt :| .
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Sa 01.11.25 10:11

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 5: Ensérune (Folge 2/5)

Bereits im 19. Jahrhundert hatte man bemerkt, dass sich auf dem Hügel (der inzwischen als Weinberg genutzt wurde) vor langer Zeit etwas befunden haben müsse, da man an der Oberfläche Mauerreste sah, Scherben und Münzen fand und auch einzelne Gefäße zum Vorschein kamen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde dann Félix Mouret auf den Hügel aufmerksam. Er stammte aus der Gegend, hatte in Montpellier Jura studiert und war ein begeisterter Amateurarchäologe, der schon an anderen Stellen seiner Heimat den Boden umgegraben hatte.

Als er 1915 sah, dass sich ein Juwelier aus Béziers oben auf dem Hügel Land gekauft und eine Villa hatte bauen lassen, fürchtete Mouret, dass auch der Rest des Hügels in Juweliersbesitz geraten könnte 8O , und sicherte sich deshalb kurzerhand selbst ein Stück Rebland, das er für archäologisch erfolgversprechend hielt. Am Tag nach der Unterzeichnung des Kaufvertrags rückte er dann im Oktober 1915 mit einigen Arbeitern an und begann in der Nekropole (deren Grund er nun besaß) antike Gräber auszuräumen.

Dieser Ausdruck ist wohl nicht ganz unpassend, da es damals vor allem darauf ankam, möglichst schnell möglichst schöne Dinge ans Tageslicht zu bringen, von heutigen archäologischen Standards war Mouret noch weit entfernt :| . Wie man heute im Museum sehen kann, hat er da eine ordentliche Sammlung zusammengetragen (das ist nur einer der Schränke, die er sich dafür hat anfertigen lassen :D ).
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05-06_Sammlungsschrank.jpg
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1935 überließ Mouret sowohl seine Sammlung als auch seinen Grundbesitz auf dem Hügel dem Staat, der auch den Rest des Geländes aufkaufte und regelmäßig Grabungskampagnen unter archäologischer Federführung veranstaltete.
Alles abgegraben ist da aber noch nicht, wie man hier an dem Blick vom westlichen Teil zur Hügelspitze sehen kann.
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05-07_Ostblick.jpg
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Da Ensérune nur über eine einzige Quelle am Fuße des Nordhangs verfügte, hat man versucht, oben auf dem Plateau möglichst viel Wasser zu speichern. Daher findet man einige, teilweise recht große Zisternen.
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05-08_Zisternen.jpg
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Charakteristisch für Ensérune sind die vielen Löcher am Boden, die man im gesamten Gelände findet. Darunter befinden sich entweder sogenannte Silos, meist aus dem Fels geschlagene Hohlräume mit einer Tiefe von bis zu mehreren Metern, oder es sind die Öffnungen von eingegrabenen Dolia, also großen Keramikgefäßen. Von ersteren findet man am Ostrand des Hügels gleich ein ganzes Feld ...
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05-09_Silofeld.jpg
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... wobei die ziemlich neu aussehenden Randeinfassungen es auch sind :D .
Beim Bau der Straße zum Besucherparkplatz hat man einen solchen Hohlraum angeschnitten, die Höhe beträgt hier mehr als zwei Meter.
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05-10_Siloquerschnitt.jpg
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Auf dem Gelände stehen auch zwei bereits ausgegrabene Dolia.
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05-11_Dolia.jpg
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Sowohl bei der Datierung (6. bis 4. oder 2. bis 1. Jahrhundert v. Chr.) als auch dem Zweck (Speicher für Getreide und ähnliches oder Wassermanagement für Handwerker wie z. B. Färber) gehen die Ansichten über diese "Speichereinrichtungen" aber noch auseinander :? .
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Sa 01.11.25 10:18

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 5: Ensérune (Folge 3/5)

Aus der Villa des Juweliers aus Béziers wurde im Lauf der Jahre das heutige Museum, das erst vor wenigen Jahren generalsaniert, innen neu gestaltet und 2022 wiedereröffnet wurde.
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05-12_Museum außen.jpg
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Im Erdgeschoss geht es um die Entwicklung des Oppidums über die fast 800 Jahre seines Bestehens hinweg, die sehr schön und eindrucksvoll dargestellt wird.
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05-13_Museum innen.jpg
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Der Fokus liegt hier vor allem auf der Dokumentation der verschiedenen kulturellen Einflüsse, die in Ensérune aufeinander trafen. Hier im Bild sind das von links nach rechts phönizischer, iberischer, griechischer und eben keltischer (Objekte aus Etrurien gibt es auch, aber da hab' ich wohl keins fotografiert :? ). Wobei Punisches auch über Südspanien und Griechisches über die Kolonien Marseille, Agde, Emporion und Rhode nach Ensérune kamen, so ganz genau weiß man das nicht immer.
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05-14_Kulturmix.jpg
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Am meisten erstaunt hat mich der iberische Einfluss, der in Südwestfrankreich etwa bis Béziers reicht, davon hatte ich zuvor noch nie etwas gehört 8O . Hier beispielsweise ein typisch iberisches Gefäß.
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05-15_Iberertopf.jpg
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Gut sehen kann man diese kulturelle Vermischung an der Verwendung von Schrift. Erstaunlich ist ja schon, dass da überhaupt geschrieben wurde, angeblich taten die Kelten das ja nicht. Man hat aber massenhaft Graffiti auf Keramik gefunden, wobei diese aber in den allermeisten Fällen (oder gar allen?) nur aus einem Namen bestehen (waren da schon so viele Kleptomanen unterwegs, dass man seine Tassen kennzeichnen musste :D ?).

Bei diesen Graffiti kann man nun sehr oft feststellen, aus welchem Kulturbereich der Namen stammt und aus welchem das Gefäß. Dabei treten dann allerlei verschiedene Kombinationen auf. Hier beispielsweise links der keltische Frauenname Smeraz in etruskischer Schrift (von rechts nach links zu lesen) auf dem Boden einer rotfigurigen griechischen Vase von etwa 425-375 v. Chr. sowie rechts der keltische Männername Anailos in iberischer Schrift und die Zahl 35 in griechischer Schrift (ΔΔΔΠ, fragt mich jetzt aber nicht, nach welchem Zahlsystem das so sein soll 8) ) auf einem schwarzglasierten griechischen Gefäß von etwa 350 v. Chr.
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05-16_Sprachverwirrung.jpg
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Eine Besonderheit ist ein mit einem längeren Text in sechs Zeilen in iberischer Schrift beschriebenes Bleiblech. Da man das Iberische aber nocht nicht entziffert hat, kann man leider nicht sagen, was drinsteht :| .
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05-17_Bleitext.jpg
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Wie man sieht, haben die Menschan damals aber auch anderes auf Keramik gekritzelt :D .
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05-18_Kritzeleien.jpg
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Sa 01.11.25 10:24

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 5: Ensérune (Folge 4/5)

Im Obergeschoss des Museums sind vor allem Funde aus der Nekropole ausgestellt (mit wenig Licht und vielen Spiegelungen :| ). Bei den etwas neueren Ausgrabungen konnte man gesamte Grabinventare präsentieren ...
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05-19_Urne mit Beigaben.jpg
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... oder auch die Fundsituation nachstellen.
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05-20_Gesamtgrab.jpg
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Der Höhepunkt im Obergeschoss ist aber die "Salle Mouret", in der vor allem die Sammlung von Félix Mouret ausgestellt ist (dem Herrn in Gips in der Mitte im Hintergrund :D ). Es handelt sich fast ausschließlich um Gefäße, die als Urnen für Brandbestattungen dienten oder allenfalls Beigaben dafür waren.
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05-21_Salle Mouret.jpg
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Man sieht dort hochwertige attische Keramik wie diesen rotfigurigen Krater des Amazonenmalers aus der Zeit von 375-350 v. Chr. mit der Darstellung dreier Arimaspen, die gegen einen Greifen kämpfen ...
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05-22_Greifenkampf.jpg
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... oder diese Schale des Malers von Wien 202 aus derselben Zeit mit Dionysos, der auf einem Greifen das Meer überquert.
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05-23_Greifenritt.jpg
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Etwas einfacher ist dieser griechische oder kampanische Kantharos aus dem vierten Jahrhundert v. Chr., der auch eine iberische Imitation sein könnte und ein Graffito "Arki" in iberischer Schrift trägt, einen iberischen Namen.
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05-24_Kantharos Arki.jpg
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Es gab aber auch einfachere Modelle für den kleineren Geldbeutel :D .
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05-25_Discounturnen.jpg

Man kann sich über diese Gefäße auch beliebig tief einlesen (was ich aber jetzt nicht getan habe), da es da sehr viele Varianten und Schattierungen gibt. Beispielsweise gab es neben solchen aus einem "originalen" Herkunftsort auch welche, die dann andernorts imitiert und nach Ensérune geliefert wurden, sowie Imitationen, die man direkt um oder in Ensérune hergestellt hat. Aber auch daran erkennt man, wie vernetzt die Welt hier bereits in der Antike war.

Die Sammlung aus Ensérune, oder zumindest ein großer Teil davon, ist inzwischen im Internet katalogisiert, daher stammen auch die Details zu den Vasen hier :D : https://collections.monuments-nationaux ... ogique"]}}
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Sa 01.11.25 10:37

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 5: Ensérune (Folge 5/5)

Als Abschluss zu Ensérune vielleicht noch ein kleiner Exkurs in modernere Zeiten, der aber eng mit dem Hügel verbunden ist.

Blickt man von oben nach Norden, dann sieht man diese merkwürdige Einteilung von Ackerflächen.
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05-26_Montady.jpg
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Es handelt sich um den Étang de Montady, in antiken Zeiten wohl noch ein veritabler See. Im 13. Jahrhundert n. Chr. war es dann aber nur noch ein Sumpf, der den Anwohnern eher lästig geworden war :? . Da kam man dann auf die Idee, ihn trocken zu legen, um damit auch neues Land zu gewinnen. Aber um das Wasser abzuleiten, war der Hügel im Weg 8O .

1247 genehmigte daher der Erzbischof von Narbonne einer Gruppe von Bürgern aus Béziers, einen Entwässerungskanal unter dem östlichen Ausläufer des Hügels hindurch Richtung Süden zu bauen. Die Arbeiten dauerten zwanzig Jahre und wurden in Qanatbauweise durchgeführt (https://de.wikipedia.org/wiki/Qanat). Man grub also in regelmäßigen Abständen senkrechte Schächte bis zur gewünschten Tiefe und begann dann jeweils in zwei benachbarten Schächten unten horizontale Stollen aufeinander zu zu graben. Da man das damals mit der unterirdischen Navigation noch nicht so im Griff hatte, grub man gelegentlich etwas aneinander vorbei 8) . War man dicht genug beieinander, konnte man aber hören, welches die richtige Richtung sein müsse und die Grabungsrichtung korrigieren. Dementsprechend eckig sieht der Verlauf des Kanals dann auch aus :D : http://www2.culture.gouv.fr/Wave/image/ ... MH_IMH.pdf (ganz runter blättern, eine bessere Darstellung hab' ich leider nicht gefunden :| ).

Den Sumpf hatte man dann mit radial verlaufenden Entwässerungsgräben versehen, das Wasser wird in der Mitte gesammelt und dann über den Kanal abgeleitet. Verwaltet und instandgehalten wird das von einer Art Eigentümergemeinschaft der Besitzer der neu gewonnenen Felder. Die Gegenwartsform hab' ich jetzt bewusst verwendet, das ist nämlich bis heute so geblieben, der Kanal ist immer noch voll funktionsfähig :D .

Als im 17. Jahrhundert der Canal du Midi gebaut wurde, der letztlich das Mittelmeer mit dem Atlantik verbindet, war der Hügel wieder im Weg :? . Also grub man einen Tunnel, durch den die Schiffe dann fahren konnten. Er wurde 1681 in Betrieb genommen und war der weltweit erste Tunnel für Schiffsverkehr.
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05-27_Kanaltunnel West.jpg
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05-28_Kanaltunnel Mitte.jpg
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05-29_Kanaltunnel Ost.jpg
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Das war der Bohrerei aber noch nicht genug. Als man im 19. Jahrhundert die Eisenbahnlinie von Béziers nach Narbonne baute, stand der Hügel sozusagen wieder auf der Strecke und es wurde erneut ein Tunnel gegraben. Um diese Stelle herum kreuzen sich also von oben nach unten
  • die hier vorbeiführende Via Domitia,
  • der Kanaltunnel,
  • der Eisenbahntunnel und
  • der Entwässerungstunnel des Étang de Montady.
Ensérune hat also viel und vielerlei zu bieten. Allein die Stimmung, dort oben in der Mittagspause im Schatten alter Bäume zu sitzen und über den Hügel und die unliegende Landschaft zu schauen, wird mir noch lange im Gedächstnis bleiben :D . (Allerdings muss man sich etwas Essbares selbst mitbringen, ein Museumscafé oder ähnliches gibt es leider nicht :? .)
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Di 04.11.25 10:52

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 6: Narbonne - Stadt (Folge 1/2)

Narbonne wurde 118 v. Chr. durch Rom als Colonia Narbo Martius gegründet, es war eine der ersten römischen Kolonien auf nichtitalischem Boden (in Frankreich hört man zwar immer, dass es die erste überhaupt gewesen sei, man liest aber auch anderes 8) ).
45 v. Chr. führe Julius Caesar eine "Neugründung" durch, um Veteranen der X. Legion anzusiedeln. 22 v. Chr. machte Augustus die Stadt schließlich zur Hauptstadt der neu eingerichteten Provinz Gallia Narbonensis.

So ganz auf der grünen Wiese entstand aber auch Narbo Martius nicht, es war sozusagen die Nachfolgesiedlung des Oppidums Montlaurès, das etwa vier Kilometer nördlich lag. In der Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. wurde Montlaurès dann verlassen, auch hier hatte sich das Leben vom Hügel in die Ebenen und eben auch nach Narbonne verlagert.
(Montlaurès hätte man auch anschauen können, da es auf dem Hügel aber so gut wie nichts mehr zu sehen gibt :| , haben wir das bleiben lassen. Verpasst haben wir dort allerdings die hervorragende Aussicht auf die 400 Meter südlich liegende Uranaufbereitungsanlage von Malvési :D .)

Verkehrstechnisch an der Via Domitia und einem Unterlauf des Flusses Aude sehr günstig gelegen, entwickelte sich die Stadt zügig, so dass sie Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. geschätze 40.000 Einwohner hatte. Wie schon in antiken Quellen beschrieben, besaß Narbo Martius alles an öffentlichen Bauten, was eine Provinzhauptstadt benötigte. Identifiziert hat man bislang das Kapitol, das Amphitheater, einen Kaiserkulttempel, Thermen. Gut erhalten ist davon aber nichts, es gibt meist nur noch kümmerliche Reste.

Im Zuge der Reichskrise des dritten Jahrhunderts n. Chr. wurde Narbonne ummauert und deutlich verkleinert. Man vermutet, dass bereits hier ein Teil der "heidnischen" Bauten als Steinbruch verwendet wurde. Während der gesamten Zeit des Römischen Kaiserreichs war Narbonne aber neben Lyon eine der wichtigsten Städte in Gallien. Im fünften Jahrhundert n. Chr. geriet Narbo Martius dann in das Hin und Her zwischen Westgoten und dem Weströmischen Reich, bis es 462 endgültig an die Westgoten überging.

Wenn man, wie wir es taten, die Stadt von Süden her den Canal de la Robine entlang betritt, dann ist das erste Stück Antike, an das man gerät, der einzige heute noch sichtbare Bogen des Pont des Marchands (auf Deutsch Händlerbrücke).
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06-01_Händlerbrücke.jpg
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Ursprünglich bestand die Brücke aus sieben Bögen und führte die Via Domitia über die Aude von Westen her in die Stadt. Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Brücke verbreitert und der so gewonnene Platz überbaut, das Flussbett führte nur noch unter einem Bogen hindurch. Die alten römischen Brückenbögen lassen sich in den Kellern der Häuser links und rechts des Kanals aber noch nachweisen.
Eine Händlerbrücke ist der Pont des Marchands nach wie vor, wenn man drüberläuft, dann sieht es so aus :D :
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06-02_Händlerstraße.jpg
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Leider ist das Bauwerk in jüngster Zeit negativ in die Schlagzeilen geraten. Wegen jahrzehntelanger Vernachlässigung durch die Eigentümer waren manche Häuser derart baufällig, dass die Stadt Narbonne einige hat räumen lassen, 2023 war die Brücke sogar fast ein Dreivierteljahr lang gesperrt 8O . Die Stadt hat dann eine ganze Reihe der Gebäude aufgekauft (unter Androhung von Zwangsenteignung) und begonnen, alles zu sanieren. Unser Eindruck war, dass einige Häuser schon saniert waren, viele wirkten aber noch recht mitgenommen. Es sah auch so aus, als ob sich da vorwiegend Geschäfte im Erdgeschoss und Leerstand in den oberen Etagen befänden. Hoffen wir mal, dass die Stadt das wieder gut in den Griff bekommt.

Ein paar Schritte weiter gelangt man auf den Platz vor dem Rathaus, dem ehemaligen Bischofspalast. Dort hat man 1997 bei Bauarbeiten ein kleines Stück der Via Domitia gefunden und entsprechend präpariert.
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06-03_Rathausplatz.jpg
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06-04_Via Domitia.jpg
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Di 04.11.25 10:55

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 6: Narbonne - Stadt (Folge 2/2)

Das einzige halbwegs erhaltene römische Bauwerk in Narbonne ist ein unterirdisches. Es handelt sich um ein System von Gewölben oder Lagerräumen, dessen genauen Zweck man nicht kennt. Es wird als Horreum bezeichnet, also ein Lagerhaus. Eventuell war die dreiflügelige Anlage auch der Unterbau für ein oberirdisch darauf gebautes öffentliches Gebäude.

Der Eingang liegt etwas unscheinbar in einem Altstadtviertel, aber die zwei Säulen im Vorgarten zeigen schon, dass es hier was antikes zu sehen gibt :D . Man hat sie 1807 im Untergrund des Kreuzgangs der Kathedrale Saint-Just gefunden, sie stammen vermutlich vom römischen Forum und waren wohl in einem Vorgängerbau der Kathedrale wiederverwendet worden.
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06-05_Horreum Eingang.jpg
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Ist man drin, dann geht es erstmal steil runter :D .
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06-06_Horreum Abgang.jpg
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Unten kann man dann durch die Gänge laufen, soweit sie ergraben sind. Ein Mittelgang von etwa 50 Metern Länge mit einem rechtwinklig abzweigenden Seitengang von knapp 40 Metern sind begehbar, vom anderen Seitengang kennt man nur Ansätze. Spuren eines vierten Gangs, der die Anlage zu einem Rechteck komplettieren würde, hat man bis heute keine gefunden.
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06-07_Hauptgang.jpg
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06-08_Seitengang.jpg
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Diese unterirdischen Räume wurden aber teilweise über Jahrhunderte als Keller der darüber errichteten Häuser verwendet, wobei ihr Ursprung völlig in Vergessenheit geriet.
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06-09_Weinkeller.jpg
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Entstanden sind die Räume wohl in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr., wobei eine Datierung hier aber eher schwer ist. Man würde vielleicht noch weitere Teile dieser Anlage finden, wenn man sich durch die Keller der benachbarten Häuser graben könnte, was den Anwohnern aber vermutlich nicht gefallen würde :D .

Im Stadtbild von Narbonne sieht es mit antiken Hinterlassenschaften also eher mager aus, wie in Agde und Béziers auch :? . Es gibt noch das Viertel Clos de la Lombarde, wo man ab 1973 zwei römische Häuser gehobenen Standards ausgegraben hat. Das haben wir uns aber nicht angeschaut, die haben recht undurchsichtige Öffnungszeiten, vor Ort sieht man auch nur noch wenige Grundmauern, die besseren Sachen sind nämlich jetzt im Museum :D .
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Do 06.11.25 15:50

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 7: Narbonne - Museum Narbo Via (Folge 1/6)

Nach längeren Vorplanungen wurde 2015 am Rande der Altstadt von Narbonne am Ufer des Canal de la Robine mit dem Bau eines neuen Museums für die Römerzeit begonnen. Den vorausgegangenen Wettbewerb hatte das Architekturbüro von Norman Foster gewonnen, das schon einige spektakuläre Bauten entworfen hat (https://de.wikipedia.org/wiki/Foster_%2B_Partners).

Wie es der Zufall so will, wurde fast zur selben Zeit in unmittelbarer Nachbarschaft eine 2000 m2 große römische Nekropole mit etwa 1400 Grablegungen ausgegraben, so ganz falsch ist der Standort des Museums also nicht :D . Im Mai 2021 wurde das "Narbo Via" genannte Museum dann eröffnet (nach den üblichen Terminverschiebungen und Kostensteigerungen :? ).

Berichte in den Medien darüber haben zumindest auch dazu beigetragen, dass ich mal ins Languedoc wollte und dieses Museum vor Ort erleben. Wie man sieht, haben wir uns einen Tag mit eher mauem Wetter ausgesucht, in der Erwartung, dass wir da vermutlich schon ein Weilchen drinbleiben werden 8) .
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07-01_Museum vormittags.jpg
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Gleich am Eingang wird gezeigt, womit man es hier zu tun hat.
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07-02_Reliefkarte.jpg
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Schon neben dem Eintrittskartenschalter begegnet einem die Via Domitia wieder. Ausgestellt ist hier der Meilenstein von Treilles, den man 1949 an einer Stelle namens Pont de Treilles in einem Bachbett gefunden hat, etwa in der Mitte zwischen Narbonne und Perpignan gelegen.
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07-03_Meilenstein.jpg
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Die Inschrift lautet CN DOMITIVS CN F / AHENOBARBVS / IMPERATOR / XX , bezieht sich also auf Gnaeus Domitius Ahenobarbus, den Initiator der Via Domitia. Das XX bezeichnet die Entfernung bis Narbonne in römischen Meilen, entspricht also knapp 30 Kilometern. Der Meilenstein wird mit 118/117 v. Chr. datiert, er ist damit der älteste in Frankreich gefundene und trägt gleichzeitig auch die älteste lateinische Inschrift in Gallien.

Ein paar Schritte weiter steht man dann schon vor dem vielleicht beeindruckendsten Bereich des Museums, der "mur lapidaire", also der Steinewand.
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07-04_Steinewand hoch.jpg
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Auf 76 Meter Länge und 10 Meter Höhe werden hier 760 römische Reliefsteine ausgestellt, das ist in dieser Form einzigartig. Hier davorzustehen ist richtig beeindruckend, das vergisst man nicht so schnell 8O .
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07-05_Steinewand quer.jpg
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Do 06.11.25 15:53

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 7: Narbonne - Museum Narbo Via (Folge 2/6)

Technisch gesehen ist die mur lapidaire ein Hochregallager. Jeder Block steht auf einer Art Palette, die von der Rückseite automatisiert herausgenommen werden kann (zur Konservierung, für Forschungszwecke usw.).
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07-06_Hochregallager.jpg
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Über große Touchscreens kann man sich zu einzelnen der Blöcke (nicht zu allen) weitere Informationen anzeigen lassen und auch 3D-Modelle im Detail betrachten sowie drehen und wenden, wie man möchte :D .
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07-07_Touchscreen.jpg
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Bei den allermeisten dieser Steinquader weiß man aber so gut wie nichts über deren Herkunft, da sie eine etwas kuriose Geschichte haben. Als im 16. Jahrhundert unter François I die Stadtmauer von Narbonne erneuert wurde, verwendete man als Baumaterial auch die Überreste römischer Gebäude und vor allem römischer Grabbauten. Die schönsten dieser Blöcke mauerte man um Stadttore herum als Verzierung ein, wie man auf diesen Lithographien aus der ersten Hälfte des 19. Jahrunderts sehen kann (aus Charles Nodier, "Voyages pittoresques et romantiques dans l'ancienne France. Languedoc. Vol. 3", Paris 1835).
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07-08_Stadttore.jpg
(https://www.europeana.eu/de/item/794/ar ... 17?page=59)

Als ab 1868 die Stadtmauern abgerissen wurden, setzte sich die Commission Archéologique et Littéraire de Narbonne (trotz des offiziell klingenden Namens ein privater Verein) dafür ein, die alten Reliefblöcke zu erhalten. Sie wurden eingesammelt, in der während der französischen Revolution enteigneten Église Notre-Dame de Lamourguier ausgestellt und dort in Form einer Mauer präsentiert.
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07-09_Steinmauer.JPG
(https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:%C3 ... ier009.JPG)

Die Ausstellung in der Kirche wurde dann 2018 geschlossen und der Großteil der Blöcke in das neue Museum Narbo Via transportiert. Die Steinewand spiegelt dort also in ihrer Gestalt in gewisser Weise auch die Geschichte der Reliefblöcke wieder :D .
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Do 06.11.25 15:57

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 7: Narbonne - Museum Narbo Via (Folge 3/6)

Von der Glanzzeit von Narbo Martius ist nun, wie oben schon erwähnt, nicht mehr sonderlich viel erhalten, entsprechend können auch nur Bruchstücke ausgestellt werden.
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07-10_Kapitoltrümmer.jpg
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Nur zufällig kamen bei Bauarbeiten hin und wieder Teile der alten Monumentalarchitektur ans Licht, sie zeigen aber, wie groß die Gebäude damals gewesen sein müssen. Den Tempel auf dem Kapitol schätzt man beispielsweise auf 48 m Länge und 36 m Breite, was etwa zweieinhalb mal so groß wie die maison carrée in Nîmes wäre (hatten wir mal hier :D : viewtopic.php?f=6&t=31790&p=474267&hili ... 9e#p474267 ).
Ein Rekonstruktionsversuch dieses Kapitoltempels sieht so aus:
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07-11-Rekonstruktion.jpg
(https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Nar ... 019_ok.jpg)

Schon in der Spätantike hat man angefangen, die alten Bauten als Steinbruch zu verwenden. Man hat beispielsweise in einem Schiffswrack vor der Küste nahe der Pyrenäen ein Stück behauenen Marmor gefunden, das als Ballast verwendet wurde und für ein Bruchstück aus dem antiken Narbonne gehalten wird.
Ein besonders schönes Beispiel solcher Wiederverwendung ist dieses Stück Marmor:
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07-12_Doppelverwendung.jpg
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Vorne ein römisches Girlandenmotiv vom Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr., auf der Rückseite drei Wappen aus der Zeit der Renaissance (oder später?), eingemauert in einem Haus am Rathausplatz.

Auch eine Reihe von Grabsteinen ist zu sehen, die oft ein bisschen etwas über die Bestatteten erzählen. Links der Stein des Manius Egnatius Lugius, seines Zeichens Koch (erkennt man auch am Messer) und seiner Frau Antistia Elpis, einer Freigelassenen, die diese Stele schon zu ihren Lebzeiten haben errichten lassen.
Rechts davon ein Doppelgedenkstein, was man auch an den unterschiedlich großen Schriften erkennt. Oben in großen Buchstaben ein Epitaph des verstorbenen Freigelassenen Sextus Statius Rufius, von Beruf Tonsor (was wohl einem Frisör entspricht). Später widmete Sextus Statius Urbanus in Erfüllung eines Gelübdes ein zweites Epitaph dem Sextus Statius Gemellus, ebenfalls ein Freigelassener und Tonsor (alles etwas verwirrend :| ).
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07-13_Grabsteine.jpg
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Auf beiden Steinen wird auch angegeben, welche Seitenlänge die erworbene Grabfläche in römischen Fuß hatte: P(edes) Q(uoqueuersus) XV bzw. XII, was etwa 4,44 m bzw. 3,55 m entsprach. Das hatte ich so noch nirgends gesehen :D .

Besonders nett der Stein des Müllers und Bäckers Marcus Careieus Asisa für sich und seine Familie. Links sieht man ein Maultier, das eine Getreidemühle antreibt, rechts der Hund des Bäckers (mit Glöckchen um den Hals) vor einem Altar.
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07-14_Bäckerstein.jpg
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Do 06.11.25 16:00

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 7: Narbonne - Museum Narbo Via (Folge 4/6)

Ausgestellt sind auch einige weitere Objekte aus verschiedenen Fundzusammenhängen und mit unterschiedlichem Verwendungszweck. Viel mehr als dieses weiß man von diesen Einzelfunden dann meistens auch nicht :? .

Bereits 1639 wurde dieser von Titus Domitius Romulus aufgrund eines Gelübdes errichtete Altar für die Pax Augusta entdeckt, der zwischen 13 und 9 v. Chr. datiert wird.
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07-15_Altar.jpg
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Eine Statue des Silen wurde 1856 beim Bau des Bahnhofs von Narbonne enteckt. Die (vermutete) Kopie eines griechischen Originals wird in die Zeit vom Ende des 1. bis zum frühen 3. Jahrhundert n. Chr. datiert.
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07-16_Silen.jpg
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Hier eines von zwei marmornen Seitenteilen eines Altars oder Tischs mit Greifen und Ziegen. Woher das stammt hab' ich leider nicht herausbekommen :? .
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07-17_Ziegen.jpg
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1873 fand man bei Sondierungen in der Stadt ein Mosaik mit einem Bacchus im Zentrum, das aus dem zweiten oder dem Anfang des dritten Jahrhunderts n. Chr. stammt.
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07-18_Bacchus schräg.jpg
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Entzerrt man das, wird er besser erkennbar :D .
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07-19_Bacchus gerade.jpg
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Besonders gut gefallen hat mir diese Präsentation eines Läufers :D (oder was auch immer das gewesen sein mag).
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07-20_Läufer.jpg
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