Nagelneue Tetartemoria aus Mylasa (oder Milet)

Griechische Münzen des Altertums

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Lampsakos
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Nagelneue Tetartemoria aus Mylasa (oder Milet)

Beitrag von Lampsakos » Mi 26.11.25 01:15

Neulich kam ein Päckchen von Savoca an, eigentlich nichts Besonderes, ein bißchen hübscher Kleinkram ....
Doch nachdem ich es geöffnet hatte, gingen mir die Augen über, so geblendet war ich vom Glanz und der geradezu duftenden Frische dieser drei Tetartemoria ... fast wie wenn man ein fabrikneues Elektronikteil aufmacht, das Plastik knistert, man riecht es: hier hatte noch niemand seine Finger dran :P

IMG_20251117_133504fdfd-98.jpg
IMG_20251117_132437er-80.jpg

Bis auf einen Hauch von Patina wirken die drei nahezu unberührt, wie direkt aus der Prägewerkstatt. Die Fotos können diesen überwältigenden Glanz nicht richtig wiedergeben, - die Unebenheiten, die man sieht, kommen direkt von der Prägung, eben weil sie noch nicht oder kaum im Umlauf waren. Auch aus den Auktionsbeschreibungen konnte man dies nicht erahnen:
Ionia. Miletos circa 525-475 BC.
Tetartemorion AR
6 mm, 0,28 g
Nearly Extremely Fine
....
6 mm, 0,28 g
Very Fine
....
6 mm, 0,27 g
Very Fine

Hier zum Vergleich mit 2 anderen Münzen vom gleichen Typus in durchschnittlicher Erhaltung:
IMG_20251117_133439vvvaaa.jpg
IMG_20251117_132815uuu75.jpg

Soweit man das bei solchen Winzlingen sagen kann, sind die drei auf beiden Seiten stempelgleich (beim Vögelchen eindeutiger als bei den Löwenköpfen, bei denen es leichte Abweichungen gibt, die mir aber eher dem Metallfluß als dem Stempel selbst zuschreibbar zu sein scheinen).
Stempelgleiche Münzen in einer Auktion, das ist normalerweise eher verdächtig, - in diesem Fall aber nicht, wie Altamura neulich bei einer anderen Gelegenheit schön ausgeführt hat:
Altamura2 hat geschrieben:
So 16.11.25 17:48
Lampsakos hat geschrieben: ↑
So 16. Nov 2025, 16:30
... zwei stempelgleiche Münzen in ziemlich guter Erhaltung zusammen, das schien mir doch recht unwahrscheinlich. ...

Wenn die nicht allzulange nach der Herstellung zusammen erworben, zusammen in einen Hort gepackt, zusammen ausgegraben wurden und dann zusammen bei einem Händler gelandet sind, dann kann das schon sein. Das alleine finde ich noch nicht so verdächtig.

Man kann daraus geradezu eine Regel ableiten:
Many types of ancient coins were minted by the millions so there are hundreds of dies involved. While in mint state hoards matched die pairs are possible, once coins enter into circulation the pairs get separated and mixed in with many others including many other types. Coins worn to a grade of VF would have circulated for a decade or more, those in Fine several decades, and those in VG a century or more. The chances of finding two coins from the same die pair reduces dramatically with the length of time they are in circulation. If a large group of coins with matched die pairs shows up heavily circulated, the odds they will be genuine is very low.
https://www.calgarycoin.com/reference/f ... eaways.htm


Bei Savoca waren nicht weniger als 16 (Los 85 - 101) dieser Tetartemoria im Angebot. Auch das spricht für einen neuen Hortfund (wer legt sich schon 10 oder 16 der gleichen Münzen in seine Sammlung?). Ich habe nur auf die besterhaltenen geboten, aber es könnte sein, daß die Fotos hier täuschen und die meisten in quasi prägefrischen Zustand sind! Hätte ich das geahnt, hätte ich alle aufgekauft! :D :P

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Re: Nagelneue Tetartemoria aus Mylasa (oder Milet)

Beitrag von Altamura2 » Mi 26.11.25 11:39

Lampsakos hat geschrieben:
Mi 26.11.25 01:15
... wirken die drei nahezu unberührt, wie direkt aus der Prägewerkstatt. ...
Das seh' ich nicht so :? . Auf dem Avers der linken Münze sieht man doch deutliche Kratzer, die kommen doch nicht vom Prägen.
Lampsakos hat geschrieben:
Mi 26.11.25 01:15
... beim Vögelchen eindeutiger als bei den Löwenköpfen, bei denen es leichte Abweichungen gibt, die mir aber eher dem Metallfluß als dem Stempel selbst zuschreibbar zu sein scheinen ...
Da glaub' ich auch nicht dran :? . Bei der mittleren Münze ist der Unterkiefer des Löwen viel dünner als bei den anderen beiden. Durch Materialfluss lässt sich das nicht erklären.

Aber schöne Exemplare sind das schon :D .

Wir hatten vor einiger Zeit auch mal eine Diskussion dazu, irgendwo hier ging das los: viewtopic.php?f=49&t=46718&start=30#p385979

In HNO werden diese Münzen auch Mylasa zugeordnet, Milet ist da inzwischen wohl vom Tisch: http://hno.huma-num.fr/browse?idType=977 (es gibt dort auch noch viele andere Varianten).

Gruß

Altamura

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Lampsakos
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Re: Nagelneue Tetartemoria aus Mylasa (oder Milet)

Beitrag von Lampsakos » Mi 26.11.25 19:33

Altamura2 hat geschrieben:
Mi 26.11.25 11:39
Auf dem Avers der linken Münze sieht man doch deutliche Kratzer, die kommen doch nicht vom Prägen.
Darum schrieb ich ja: nahezu unberührt. :D In der x-fachen Vergrößerung sieht es auch nach mehr aus ... Ich denke, die Münzen sind in einem Gefäß o.ä. aneinandergeklackert. Was fehlt, ist eben der Abrieb, der von einem längeren Umlauf kommt. Besonders im direkten Vergleich mit anderen gut erhaltenen Silbermünzen zeigt sich eine unglaubliche Frische, es funkelt, wenn man sie im Licht wendet ...

Altamura2 hat geschrieben:
Mi 26.11.25 11:39
Bei der mittleren Münze ist der Unterkiefer des Löwen viel dünner als bei den anderen beiden. Durch Materialfluss lässt sich das nicht erklären.
Ja, das ist ein guter Punkt. Auch der stilisierte Löwenschwanz/-bein unterhalb ist bei dem etwas anders gestaltet, so daß man wohl von einem zweiten Stempel ausgehen muß. Was wohl auch heißt, daß für den Revers (mindestens) zwei Stempel vorliegen. Wenn die Stempel routiniert nacheinander geschnitten wurden, dann ist es kein Wunder, daß sie kaum unterscheidbar sind.

Altamura2 hat geschrieben:
Mi 26.11.25 11:39
Wir hatten vor einiger Zeit auch mal eine Diskussion dazu, irgendwo hier ging das los: viewtopic.php?f=49&t=46718&start=30#p385979

In HNO werden diese Münzen auch Mylasa zugeordnet, Milet ist da inzwischen wohl vom Tisch: http://hno.huma-num.fr/browse?idType=977 (es gibt dort auch noch viele andere Varianten).
Das ist ja eine tiefgehende Diskussion. Lustigerweise finde ich auch die Argumente wieder, die mir die Zuweisung an Mylasa immer als fraglich erschienen liessen.
Habe ich das richtig verstanden, daß Mylasa nur darum ins Spiel kam, weil es eine (einzige?) Bronzemünze mit Aufschrift MILA gibt? Das wäre sehr schwach, zumal MILA ja eher für Milet spricht.

Die Argumente für Milet zusammengefaßt:
1) Der offenkundige Bezug zu den milesischen Obolen/Diobolen. Die Löwenprotome ist nicht nur eine Anleihe oder allgemeiner Typus, sondern entspricht exakt denen auf den milesischen Obolen, bis in die Stilvariationen hinein (Löwe mit angelegten Ohren, Löwe im Afro-Look usw.). Es fällt sehr schwer, nicht anzunehmen, hier die jeweils gleichzeitige Tetartemorion-Version zu sehen.
2) Mylasa hatte ja im 5. Jh. eine selbständige kreative und ansprechende Münzproduktion (z.B. Skorpion-Hemiobol). Warum sollten sie das bei der Kleinstmünze aufgeben? Und warum sehr viel mehr von denen prägen als von anderen Nominalen?
3) Umgekehrt fehlt für Milet gerade eine breite Münzproduktion im Tetartemorion-Bereich. Zuweilen sieht man solche (s.u.), aber die sind recht selten. Ausgerechnet Milet, die Vorreiterin der Monetarisierung und Massenmünzproduktion, sollte im Kleinstbereich nichts zu bieten haben? Kann ich nicht glauben.
Dateianhänge
Miletos. 6th-5th century B.C. AR hemitetartemorion (7.7mm,0.42g). - € 7.jpg
Miletos Tetartemorion Lion Eagle Adler 0,21 g 6 mm.jpg

Altamura2
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Re: Nagelneue Tetartemoria aus Mylasa (oder Milet)

Beitrag von Altamura2 » Do 27.11.25 09:21

Lampsakos hat geschrieben:
Mi 26.11.25 19:33
... Ich denke, die Münzen sind in einem Gefäß o.ä. aneinandergeklackert. ...
Da musst Du aber lange klackern, um solche Kratzer reinzukriegen. Ich will Dir ja nicht Deine Funkelekstase vermiesen, aber mir sehen die eher wie frisch aus der chemischen Reinigung aus :D .
Lampsakos hat geschrieben:
Mi 26.11.25 19:33
... Was wohl auch heißt, daß für den Revers (mindestens) zwei Stempel vorliegen. ...
Das hab' ich jetzt nicht verstanden :| . Meinst Du, dass bei Deinen drei Exemplaren mindestens zwei Reversstempel vorlegen müssten? Das kann sein, muss aber nicht.
Lampsakos hat geschrieben:
Mi 26.11.25 19:33
... daß Mylasa nur darum ins Spiel kam, weil es eine (einzige?) Bronzemünze mit Aufschrift MILA gibt? ...
Es gibt inzwischen deutlich mehr Exemplare als nur eines :D (hättest Du auch selbst herausfinden können :? ):
http://hno.huma-num.fr/browse?idType=2165
http://hno.huma-num.fr/browse?idType=2284
https://www.acsearch.info/search.html?id=7643734
https://www.acsearch.info/search.html?id=7643733
Lampsakos hat geschrieben:
Mi 26.11.25 19:33
... zumal MILA ja eher für Milet spricht. ...
Wieso denn das 8O ? Das Ethnikon von Milet enthält kein A.
Siehe dazu auch Richard H.J. Ashton, "The beginning of bronze coinage in Karia and Lykia", NC 166, 2006, S. 1-14, auf Seite 5: https://www.yumpu.com/en/document/read/ ... kia-royal-
Lampsakos hat geschrieben:
Mi 26.11.25 19:33
... Der offenkundige Bezug zu den milesischen Obolen/Diobolen. ...
Den haben die unter Hekatomnos geprägten Obole noch viel deutlicher, die wurden aber trotzdem nicht in Milet geprägt, sondern ebenfalls in Mylasa :D :
https://www.acsearch.info/search.html?t ... sd&order=1

Gruß

Altamura

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Re: Nagelneue Tetartemoria aus Mylasa (oder Milet)

Beitrag von Lampsakos » Do 27.11.25 12:49

Altamura2 hat geschrieben:
Do 27.11.25 09:21
Da musst Du aber lange klackern, um solche Kratzer reinzukriegen. Ich will Dir ja nicht Deine Funkelekstase vermiesen, aber mir sehen die eher wie frisch aus der chemischen Reinigung aus :D .
Tust Du auch nicht, die haben schon eine besondere, geradezu "sinnliche" Ausstrahlung ... :P
Ich habe auch eine stark gereinigte Münze, die sieht ganz anders aus, viel heller, gerade nicht dieser volle, eben "frische" Glanz, der mich so begeistert. Wenn die drei Winzlinge chemisch gereinigt wären, dann wären auch die Spuren von Patina, die ja auch zu sehen sind, verschwunden. Ich glaube, das Funkeln kommt daher, daß die winzigen Unebenheiten gerade noch nicht durch Umlauf abgerieben wurden. Jedenfalls übertrifft der Silberglanz der dreie auch meine bis dato besterhaltene Münze (der Obol aus Lampsakos in meinem Profil, der auch einen gewissen strahlenden Glanz hat, aber wohl doch ein paar Jährchen länger im Umlauf war).

Altamura2 hat geschrieben:
Do 27.11.25 09:21
Lampsakos hat geschrieben: ↑
Mi 26. Nov 2025, 19:33
... Was wohl auch heißt, daß für den Revers (mindestens) zwei Stempel vorliegen. ...

Das hab' ich jetzt nicht verstanden :| . Meinst Du, dass bei Deinen drei Exemplaren mindestens zwei Reversstempel vorlegen müssten? Das kann sein, muss aber nicht.
Nur aus der Überlegung, daß Reversstempel sich eher abnutzen und öfter ausgetauscht werden müssen. Der Vogelkopf bei der mittleren Münze ist vielleicht leicht kleiner, aber sicher kann man sich nicht sein. Könnte also schon der gleiche Reversstempel bei allen dreien sein, was ja auch interessant wäre.

Altamura2 hat geschrieben:
Do 27.11.25 09:21
Lampsakos hat geschrieben: ↑
Mi 26. Nov 2025, 19:33
... zumal MILA ja eher für Milet spricht. ...

Wieso denn das 8O ? Das Ethnikon von Milet enthält kein A.
Die dorische Form von Milet ist Μίλατος. Daneben gibt es die Sage, daß Milet vom kretischen Milatos aus bzw. von einem Gründer namens Milatos gegründet wurde.

Sprachlich ist das also einwandfrei. Wohingegen man bei Deutung von MILA auf Mylasa von einem Schreibfehler ausgehen müßte (Y und I waren damals noch klar unterschiedene Vokale). Deswegen taugt dieses Argument nichts. Wobei es sowieso etwas problematisch ist, von einer vereinzelten, eo ipso späteren Bronzemünze auf die Herkunft einer recht verbreiteten früheren Silbermünze zu schliessen.

Natürlich wäre es sehr sonderbar, wenn Milet, die glänzende Kapitale des Ioniertums, den eigenen Namen dorisch schreiben würde. Aber wer sagt denn, daß diese ungewöhnliche Münze dort geprägt wurde? Dorisches Griechisch sprach man in den hellenischen Städten Kariens (ab Halikarnassos nach Süden). Man könnte also spekulieren, daß ein dorisch sprechender karischer Münzmeister etwas herumexperimentiert hat ... oder so. Aber vielleicht wars auch ganz anders. :wink:

Altamura2 hat geschrieben:
Do 27.11.25 09:21
Es gibt inzwischen deutlich mehr Exemplare als nur eines :D (hättest Du auch selbst herausfinden können :? ):
http://hno.huma-num.fr/browse?idType=2165
http://hno.huma-num.fr/browse?idType=2284
https://www.acsearch.info/search.html?id=7643734
https://www.acsearch.info/search.html?id=7643733
Tja, und auch das sind allesamt Bronzestücke, die welche Aufschrift tragen?
ΜI oder ΜIΛΑ
Wenn die irgendeine Relevanz für die Tetartemoria haben, dann beweisen sie also das genaue Gegenteil, Zuweisung an Milet!


Inzwischen bin ich auch beim Lesen des zitierten Threads weiter vorgedrungen ... :lol:
Altamura2 hat geschrieben:
So 24.09.17 15:47
Es gibt ja inzwischen eine Reihe an Varianten der Wachtelmünzen mit unterschiedlichen Zeichen drauf. Einige davon scheinen mir eher karische Buchstaben zu sein, was gegen Milet spricht:
https://www.acsearch.info/search.html?id=3827737
https://www.acsearch.info/search.html?id=3482805
https://www.acsearch.info/search.html?id=2414327
https://www.acsearch.info/search.html?id=1515351
Das sind immerhin Silber-Tetartemoria. Aber die drei mit Symbolen, die karische Buchstaben sein könnten, zeigen eine völlig vergröberte Löwenprotome, die sind nicht aus der gleichen Werkstätte. Und ausgerechnet die vierte, die das vertraute Löwen-/"Wachtel"-Münzbild hat, trägt nur den Buchstaben M.

Ich weiß nicht, was man von diesen Münzen mit Aufschriften halten soll, aber als Belege für die Zuweisung der Löwe-Vögelchen-Serie taugen sie gar nicht.

Altamura2 hat geschrieben:
Do 27.11.25 09:21
Den haben die unter Hekatomnos geprägten Obole noch viel deutlicher, die wurden aber trotzdem nicht in Milet geprägt, sondern ebenfalls in Mylasa :D :
Nein, die Hekatomnos-Obole sind wohl ein bewußter Rückgriff auf die milesische Prägungen, aber stilistisch völlig anders, da gibts keine Verwechselungsgefahr. Während die Löwenprotomen der Tetartemoria oft exakt die gleichen wie auf den Obolen sind, - läßt man Münzgröße und -form außer Betracht, könnte man oft nicht sagen, von welchem Nominal sie stammen. Das war ja mein Hauptargument!

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