Mythologisch interessante Münzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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chinamul
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Beitrag von chinamul » Di 18.10.05 17:58

Auch die hübsche Dame auf dem Av. der folgenden Münze ist unser Dionysos. Zu erkennen ist er hier an dem Efeukranz aus Blättern und Früchten um den Kopf. Mit diesem weichen und anmutigen Porträt steht er in krassem Gegensatz zu dem Kraftmeier auf der Rückseite, nämlich Herakles. Diese griechische Tetradrachme gehört zwar strenggenommen nicht in das Römerforum, aber zur Abrundung unseres Bacchusbildes darf man sie hier wohl zitieren.

AR Tetradrachme Thasos nach 146 v. Chr.
Av.: Kopf des jugendlichen Dionysos mit Efeukranz rechts
Rv.: Herakles nach links stehend; die Rechte auf am Boden stehende Keule gestützt, über dem linken Arm Löwenfell; zwischen Keule und rechtem Bein Monogramm
Rechts und links von oben nach unten: ΗΡΑΚΛΕΟΥΣ / ΣΩΤΗΡΟΣ - unten: ΘΑΣΙΩΝ
BMC 70; SNG Cop. 1038ff.
Durchmesser: 34 mm, Gewicht: 17,02 g

Gruß

chinamul
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dionys u herakl.jpg
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Beitrag von Peter43 » Di 18.10.05 18:38

@Chinamul

Wunderschön! Wenn man eine solche griechische Münze sieht, dann kann man als Sammler von römischen Münzen neidisch werden. Hier sieht man den Unterschied zu römischen Abbildungen: Dies ist große Kunst! Dagegen sind römische Abbildungen eher gutes Handwerk.

MfG
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Beitrag von chinamul » Di 18.10.05 20:01

@Peter

Nun sei mal nicht ganz so streng mit unseren wackeren römischen Stempelschneidern! Der Herakles ist hier doch ziemlich übertrieben "muskulär definiert", wie die Bodybuilder sagen, und außerdem ist sein Kopf unproportioniert groß. Der Dionysoskopf allerdings ist erste Klasse! Aber dann denk doch mal an die teilweise wunderbaren Kaiserporträts zwischen der Mitte des 1. und des 3. Jahrhunderts!

Gruß

chinamul
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Beitrag von Peter43 » Sa 22.10.05 21:48

Aphrodite Pudica

Hier möchte ich eine Münze vorstellen, die ich wegen eines Details auf ihrer Rückseite gekauft habe. Es ist ein AE 23 des Gordian III. aus Deultum in Thrakien:

Gordian III AD 238-244
AE - AE 23, 6.42g
Av.: IMP GORDIANVS PIVS FEL AVG
Büste, drapiert und cürassiert(?), belorbeert, n.r.
Rv.: COL FL PAC, DEVLT im Abschnitt
Kultstatue der Aphrodite mit Vase steht im Porticus eines
viersäuligen Tempels, der in Perspektive gezeigt wird, mit
zweistufigem Pedement, dreieckigem Pediment geschmückt durch
eine Halbkugel, und mit durch Kreuze geschmückten Akroterien.
Moushmov 3735; Jurukova 261 (4 Spec.: Sofia, Plovdiv, Burgas, Berlin)
Selten, SS, hübsche blau-grüne Patina (so hat es den Anschein, als sei der Vorraum des Tempels von hinten beleuchtet)
Veröffentlicht bei http://www.wildwinds.com

Deultum wurde gegründet durch Veteranen von Vespasians VIII. Legion Augusta vor 77 n.Chr. als COLONA FLAVIA PACIS DEULTUM wegen seiner strategischen Lage an der Kreuzung wichtiger Straßen. Heute Develt in der Nähe von Burgas in Bulgarien.

1) Kulturgeschichte:
Aphrodite ist die griechische Göttin der Schönheit und der Liebe. Sie ist viel älter und viel ursprünglicher als die römische Venus. Venus war eine mehr lokale Göttin und kam nach Rom erst im 4.Jh. Aphrodite ist eine Gottheit aus indoeuropäisch-hellenistischen, ägäisch-anatolischen und semitisch-orientalen Elementen. Der Ursprung ihres Namens ist unbekannt, vielleicht ist er verwandt mit dem semitischen *asthart. Ihre Beziehung zu Zypern würde gut zu diesem Ursprung passen. Einige Wissenschaftler glauben, daß der Name des Monats April vom Etrukischen *aprodita kommt. Das würde für eine Etruskische Vermittlerrolle sprechen. Sie scheint ein Konglomerat alter Fruchtbarkeitsgöttinnen zu sein. Ihre Attribute Delphin und Muschel weisen auf die marine, Taube, Sperling und Schwan auf die himmlische und Apfel, Rose und Granatapfel auf die pflanzliche sexuelle Sphäre hin. Erst mit Homer wurde Aphrodite als dunkle, unheimliche Gottheit abgelöst und ersetzt durch die lichte Göttin des Liebreiz und der Anmut. Sie wurde 'philommeides' genannt, die lächelnde, und sie war die Herrin der Grazien.

2) Kunstgeschichte:
Auf der Rückseite dieser Münze sehen wir in der Mitte des Tempels die Statue der Aphrodite Pudica in der Stellung der Kapitolinischen Venus, mit einer Vase re am Boden. Diese Haltung gilt heute als schamhaft (daher 'Pudica'), war aber in der Frühzeit eher hinweisend gemeint.

Die Stütze (hier die Vase) variiert von Darstellung zu Darstellung, wechselt auch von re. nach li., aber die Stellung und die Haltung der Venus sind immer gleich. Dies ist genau die Venus, die Giovanni Pisano zitiert auf der Kanzel des Doms von Pisa (allerdings für Prudentia) und dann natürlich das Vorbild, das Botticelli benutzt hat für sein berühmtestes Gemälde 'Die Geburt der Venus' (und nicht die Venus Medici!). Es ist der Lieblingstyp des Römischen Reiches! Leider wissen wir nicht, wer sie geschaffen hat und und nicht einmal, wann sie geschaffen wurde (irgendwann vom 4. bis zum 1.Jh. v.Chr.). Diese Statue war so verbreitet im Reich, daß es unmöglich ist zu sagen, welche Kopie Giovanni Pisano oder Botticelli gesehen haben.

Denselben Rückseitentyp gibt es auch von Julia Domna und Plautilla aus Nikopolis. Die Knidische und die Mediceische Venus sind auf Münzen dagegen sehr viel seltener.
Man muß allerdings sagen, daß die Aphrodite, die man als Genetrix bezeichnet und die auf Münzen von Sabina erscheint, und die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie sich selbst enthüllt (vielleicht für Ares oder Adonis), und ihnen einen Apfel anbietet, ebenfalls in vielen Kopien existierte und genauso populär war wie der Typ, der Kapitolinisch genannt wird.

Dank an Patricia Lawrence (meiner Quelle sovielen unschätzbaren Wissens!)

Als Zugabe das Bild der Kapitolinischen Venus

Mit freundlichem Gruß
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gordianIII_deultum.jpg
pudica02.jpg
Kapitolinische Venus Göttingen.jpg
Zuletzt geändert von Peter43 am Di 24.05.11 23:42, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Peter43 » Di 25.10.05 14:33

Priapos

Ich weiß, diese Münze ist in keinem guten Zustand. Aber ich möchte hier etwas über Priapos erzählen. Und dafür ist diese Münze besonders gut geeignet. Es ist ein AE21 von Trajan Decius aus Lampsakos in Mysien.

Trajan Decius AD 249-251
AE 21, 4.15g
Av.: AYT KOI TPAIAN ΔEK[IOC]
Büste, drapiert, belorbeert, n.r.
Rv.: ΛANYAKHN / [Ω]N - EΠI AΠOΛΛ[ΩN?] - ETOY
Priapos steht n.l., drapiert von den Hüften abwärts, mit Ithyphallos,
hält Thyrsosstab li. und Kantharos re.
cf. SNG Paris 1294
Sehr selten, gut S - knapp SS
veröffentlicht bei www.wildwinds.com

Diese Münze zeigt einige numismatische Besonderheiten unabhängig von der Mythologie:
1) LAN fälschlicherweise für LAM
2) für KOI gibt es zwei verschiedene Erklärungen:
a. Es müßte KVI heißen und stände dann für QVINTVS
a. Es müßte KAI heißen und stände dann für CAESAR (Curtis Clay)
3) Für den Magistrat APOLLONITOS konnte bis heute keine Quelle gefunden werden.

PRIAPOS wurde von Aphrodite in Lampsakos/Mysien geboren. Deshalb war Lampsakos auch der wichtigste Ort der Praiposverehrung. Das besondere an dieser Münze ist, daß Priapos hier nicht wie üblich als dumm-geiler Gartenzwerg dargestellt ist, sondern mit Thyrsosstab und Kantharos, also mit den Attributen des Dionysos!

Mythologie:
Priapos soll der Sohn der Aphrodite und des Dionysos gewesen sein, nach anderen Quellen des Adonis oder des Zeus selbst. Als Aphrodite sah, wie häßlich ih Kind war, mit großer Zunge, dickem Bauch und übermäßigem Phallos, warf sie es von sich und verleugnete es. Es heißt, der Grund für diese Mißgestalt sei Heras Neid oder Eifersucht gewesen. Sie habe den schwangeren Leib der Aphrodite mit böser Zauberhand berührt. Ein Hirt habe das Kind gefunden und aufgezogen, weil er gleich geahnt habe, daß dieses Wesen wichtig für die Fruchtbarkeit der Tiere und Pflanzen sei. Erst in römischer Zeit wurde er zum grotesken Gartengott und einer Art Vogelscheuche. So wird ihm angedichtet, er habe sich einmal über die schlafende Hesta hermachen wollen, wurde jedoch durch den Schrei eines Esels verraten. In Bithynien wird erzählt, daß er den jungen Kriegsgott Ares erzogen habe, dem er zunächst das Tanzen und dann erst das Kriegshandwerk beigebracht habe.So sei er eigentlich ein kriegerischer Gott gewesen, einer der Titanen. Damit gehörte er wohl auch in die Reihe der vorgriechischen, halbtierischen Erzieher der Götter, wie Kedalion, Chiron, Silen oder Pallas.

Hintergrund:
Priapos ist der ithyphallische Gott der animalischen und vegetabilischen Fruchtbarkeit und überhaupt Segensbringer und Übelabwehrer, heimisch an der Küste des Hellespont, besonders in Lampsakos. Die Stadt Priapos ist nach ihm benannt. Sein Name ist verwandt mit Priene, Priamos und dem Namen des bithynischen Kriegsgotts Prietos. Wohl infolge des Alexanderzuges breitete sich sein Kult in der griechischen Welt aus und sog andere, lokale Gottheiten auf, z.B. den Phallos in Attika oder den Mutunus in Rom, den er verdrängte. Ursprünglich waren ihm roh gebildete, rot angestrichene Holzstatuen gewidmet, sog. Hermessäulen (Büste auf einer Säule). Typisch war immer die Stellung in Lordosis (nach hinten zurückgelehnt) mit dem erigierten Phallos.
In seiner Fruchtbarkeitsfunktion wirkte er sowohl positiv fördernd als auch vor Schaden bewahrend. In römischer Zeit spielte er dann eingeschränkt als Gartengott eine Rolle. Er war aber auch Beschützer der Wanderer und in Griechenland Patron der Schiffer und Fischer. Seine Kultstätten waren einfach und in die Landschaft eingebettet. Er war auch Grabhüter als Erbe der sepulkren Phalloi. Dies weist auf tiefere Bedeutungen hin. Er wurde zeitweise sogar zu einem Allgott.
In Lampsakos wurden ihm Esel geopfert, was zu mythologischen Erklärungen führte, z.B. der sprichwörtlichen Geilheit der Esel. Aus den Graffitti an den Wänden der Kultstätten entwickelte sich eine eigene poetische Gattung, die Priapea und das priapeische Versmaß.
Natürlich reizte die Darstellung des Priapos zum Spott, aber er hätte sich nicht so durchsetzen können, wenn nicht dahinter auch ein ernster Glaube gestanden hätte. So gab es selbst in christlicher Zeit noch Priester, Priesterinnen und ganze Genossenschaften, die sich ihm widmeten. Ihm galten Mysterien und dabei hatte er einen starken Rückhalt in Dionysos, der ihn an sich gezogen und auch beeinflußt hat. Sonst ist er noch der Aphrodite, dem Pan, den Nymphen, Silvanus und Herakles beigestellt. Mythenbildend wurde er erst in hellenistischer Zeit und auch das nur gering.

Quellen:
Karl Kerenyi, Die Mythologie der Griechen
Der kleine Pauly

Mit freundlichem Gruß
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trajan_decius.jpg
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Beitrag von chinamul » Di 25.10.05 15:30

Sehr interessante Münze!

Und hier dazu eine Statuette des Priapus aus der Göttersammlung meiner Frau.
Diesmal ist er wieder als "dumm-geiler Gartenzwerg" (Peter43) dargestellt. Deutlich erkennbar ist die von Peter43 erwähnte Lordose im Lendenbereich, ohne die er wohl auch vornüber fallen würde :lol: .

Gruß

chinamul
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priapus.jpg
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Beitrag von Peter43 » Di 25.10.05 15:51

Hallo Chinamu!

Interessant, was Deine Frau so alles sammelt!

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von Peter43 » Di 25.10.05 18:02

Und aus aktuellem Anlaß und bevor ich in den wohlverdienten Urlaub gehe noch eine Münze mit interessantem Hintergrund.

Die Stymphalischen Vögel - eine antike Vogelgrippe?

Diese Münze hat mich angezogen, weil sie ein wenig einer Apollodarstellung ähnelt. Dann aber war es doch Herakles mit einem Bogen. Es ist die einzige Abbildung des Herakles mit einem Bogen. Er jagt damit die Stymphalischen Vögel. Insgesamt sind alle diese Münzen ziemlich selten. Besonders selten sind die, welche neben Apollo auch noch einige Stymphalische Vögel zeigen.

Dies hier ist ein AE27 von Septimius Severus aus Nikopolis ad Istrum, geprägt unter dem Magistrat Pollenius Auspex:

Septimius Severus 193-211
AE 27, g
Av.: KAI CEP CEYHPOC
belorbeerter Kopf n.r.
Rv.. VPA POL AVCPIKOC NIKOPOLI PROC
Herakles steht n.r., hält Keule re. und Löwenfell und Bogen li.
Moushmov 1009-A. No.2649. Nicht in Varbanov. Selten, SS
Wie Moushmov 1013, aber Herakles hält hier einen Bogen. Nicht in Varbanov.
veröffentlicht bei www.wildwinds.com

Dieser Typ wurde unter dem Magistrat Pollenius Auspex geprägt, der dieses Amt nur für kurze Zeit zu Beginn der Herrschaft des Septimius Severus innehatte, bevor er nach Britannien geschickt wurde, wo er von 200 bis zur Niederwerfung des Clodius Albinus 205 Statthalter war. Cassius Dio erzählt von ihm: Auspex war der klügste und einfallsreichste Mann bei Spaß und Gespräch, aber auch bei der Verachtung aller Menschen, bei der Belohnung von Freunden und beim Rachenehmen an Feinden. Zahlreiche bittere, aber weise Worte sind von ihm überliefert, viele sogar gerichtet an Septimius Severus selbst. Hier eines der letzen Art: Als der Kaiser in die Familie des Marcus Aurelius aufgenommen wurde, sagte Auspex: Ich gratuliere dir, Kaiser, daß du einen Vater gefunden hast! Damit spielte er darauf an, daß Septimius aufgrund seiner dunklen Herkunft bisher vaterlos war.

Mythologie:
In der üblichen Zählung gilt der Kampf gegen die Stymphalischen Vögel als die 6. Arbeit des Herakles. Nachdem Herakles erfolgreich von der Ausmistung des Augiasstalls zurückgekommen war, beauftragte Erystheus ihn mit einer noch schwereren Aufgabe. Er sollte eine riesige Vogelschar verteiben, die sich in einem Sumpf nahe der Stadt Stymphalos gesammelt hatte und der in einem tiefen Wald lag. Herakles hatte keine Idee, wie er das bewerkstelligen sollte, aber Athena kam ihm zur Hilfe. Sie gab ihm zwei große bronzene Klappern (krotala), mit denen er Lärm machen konnte wie mit Kastagnetten. Aber es waren nicht einfache Lärmgeräte, sondern sie waren geschmiedet worden von Hephaistos, dem unsterblichen Handwerker. Herakles kletterte auf einen nahen Berg und schlug die Krotala laut zusammen, sodaß die Vögel erschreckt aufflogen und er sie mit Pfeil und Bogen (nach anderen mit einer Schleuder) erlegen konnte. Die Überlebenden sollen dann zur Insel des Ares im Schwarzen Meer geflohen sein, wo sie Jason und den Argonauten auf der Suche nach dem goldenen Vlies noch viel Ärger gemacht haben, bis sie vom Boreas, dem Nordwind, vertrieben wurden.

Hintergrund:
Einige Versionen der Mythe erzählen, daß diese Vögel furchtbare Menschenfresser gewesen seien, mit Schnäbeln aus Metall und bronzenen Federn, die sie abschießen konnten wie Pfeile. Auch ihre Füße seien aus Eisen gewesen, würden im Sumpf rosten und alle umliegenden Ortschaften bedrohen. Sie waren die Lieblingsvögel des Ares. Nach Arkadien wären sie gekommen auf der Flucht vor Wölfen.
Pausanias, der berühmte Reiseschriftsteller des 2.Jh., hat versucht herauszufinden, um welche Vögel es sich habe handeln können. Er schrieb, daß es zu seiner Zeit in der arabischen Wüste eine Art Vögel gegeben habe, die Stymphalische Vögel genannt wurden. Die seien genauso gefährlich gewesen wie Leoparden oder Löwen. Sie hätten die Größe eines Kranichs und ähnelten dem Ibis, nur seien ihre Schnäbel kräftiger und nicht gebogen wie beim Ibis.
Pausanias 8.22.5

Pausanias hat auch die Kultstätte gesehen, die die Griechen in Stymphalos gebaut und der Göttin Artemis geweiht hatten. Er berichtet, daß der Tempel noch Einkerbungen der Stymphalischen Vögel direkt unter dem Dach gehabt hatten. Hinter dem Tempel hätten Marmorstatuen gestanden von Jungfrauen mit Vogelbeinen. Hier hätten sie also ausgesehen wie Harpyien.

Der antike Geograph Strabo war der Meinung, daß der Stymphalische Sumpf entwässert wurde in einen unterirdischen Fluß, der dann meilenentfernt auf der anderen Seite der Berge entsprang in der Nähe von Kefalari.
(Photo: Joel Skidmore)

Heutige Meinung:
1. Als erstes gibt es eine astrologische Erklärung: Wenn die Sonne im Sternbild des Sagittarius (des Schützen) ist, gehen die Sternbilder der Lyra, des Adlers und des Schwans auf. Zu dieser Jahreszeit werden die Abende dunkler und deshalb wird diese Sternenkonstellation als böse angesehen. Gleichzeitig beginnt in Griechenland die Regensaison und macht aus sonst trockenen Flächen Sümpfe.
Für die Griechen hatte das Sternbild des Sagittarius verschiedene Interpretationen, einschließlich der einer Klapper. Auch war das nächste Sternbild, das die Sonne durchquerte, der Delphin, dessen Sagen die Rettung des Musikers Arion erzählen. Heracles scheuchte die Stymphalischen Vögel mit Lärm auf, und schoß Pfeile auf sie ab. Dies zeigt, daß Sagittarius (Heracles als Bogenschütze) mit seinem Pfeil auf das nächste Sternbild, das des Adlers, hinweist.
Diese Erklärung halte ich allerdings für Quatsch!

2. Sucht man einen realistischen Kern in dieser Sage, dann finde ich die folgende Erklärung einleuchtender:
Die meisten Mythologen halten heute die Stymphalischen Vögel für das Sinnbild eines giftigen Sumpffiebers. Auch früher gab es schon öffentliche Bedrohungen wie Luftverpestung oder die heutige Umweltverschmutzung. In dieser Sage werden Wasservögel dämonisiert als Ursache für Krankheiten und Epidemien um den Stymphalischen Sumpf herum. Ein Ausdruck menschlicher Angst und Ahnungslosigkeit nicht als eine Metallophobie, sondern davor, daß diese Tiere als explosives Reservoir für pathogene Keime dienten.
Wir brauchen nur an die aktuelle Vogelgrippe zu denken. Jedesmal, wenn die Vögel woanders hinflogen, verbreiteten sie die Seuche durch Kontakt mit anderen Vögeln weiter. Vielleicht haben Zugvögel den West-Nil-Virus in die Westliche Welt gebracht, evtl. über die Infektion von ornithophilen Moskitos. Diese könnten dann andere Tiere oder Menschen angesteckt haben.
Außerdem ist es bekannt, daß ziehende Wasservögel, Enten und Gänse, den Influenzavirus in sich tragen und ihn über den Darm ausscheiden können. Damit werden sie zur Quelle weiterer Epidemien bei heimischem Geflügel. Dies bedeutet eine immense Gefahr für die öffentliche Gesundheit.
Über den West-Nil-Virus wissen wir inzwischen mehr. Er ist heute genauso bedrohlich wie früher. Aber im Gegensatz zu Herakles benutzen wir nicht mehr Klappern, Bogen und Pfeile, sondern Pestizide, Impfstoffe, antivirale Medikamente und Maßnahmen wie Isolierung und Quarantäne.

Quellen:
Centers for Disease Control and Prevention, USA (http://www.cdc.gov)

Als Zugabe
a) ein Bild der Jagd auf die Stymphalischen Vögel auf einer schwarz-
figurigen attischen Vase, und
b) ein heutiges Bild der Gegend von Stymphalos.

Mit freundlichem Gruß
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Attische schwarz-figurige Amphore, BM.jpg
Sept_Sev_Nikopolis_ Moushmov2649.jpg
stymphalian_marsh.jpg
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Beitrag von chinamul » Mi 02.11.05 15:55

Nachtrag zu Bacchus - Dionysos - Liber

Gestern bei mir eingetroffen:

SEPTIMIUS SEVERUS 193 – 211
AR Denar Rom 197
Av. L SEPT SEV PERT AVG IMP VIIII - Belorbeerter Kopf rechts
Rv. LIBERO PATRI - Bacchus (Liber) mit nach links gewandtem Kopf frontal stehend; die Rechte auf den Kopf gelegt und Thyrsus in der Linken; links zu seinen Füßen sitzender Leopard
RIC 99; C. 304 - 2,89 g

Gruß

chinamul
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liber.jpg
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Beitrag von Pscipio » Mi 02.11.05 19:25

Meiner Treu, DAS nenne ich einen Prachtsdenar! Wundervoll!
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von Peter43 » Do 03.11.05 00:23

Liber

Einige Bemerkungen zum Liber auf Chinamuls Denar:

Liber ist eine alte römische Gottheit und zusammen mit Libera eines der echt italischen Götterpaare. Sein Name und seine Bedeutung sind bis heute leider unsicher.
1. Die antiken Interpretationen gingen in der Mehrheit von 'liberare', befreien aus. Entweder weil er den Weingenuß in Unmaßen erlaubt hätte, oder dadurch den Menschen von Sorgen befreit, oder auch weil man nach Weingenuß freier spricht als sonst. Andere Erklärungen beziehen sich auf die sexuelle Sphäre, z.B. weil er dem Mann erlaubt, seinen Samen freizugeben, oder im Falle der Libera, Kinder (liberi) zu gebären.
2. Heute nimmt man an, daß die Wurzel seines Namens wahrscheinlich *leudh, sprießen, keimen, ist. Es handelt sich also bei diesen beiden Göttern um alte Fruchtbarkeitsgottheiten. Sie wurden deshalb auch zusammen mit Ceres verehrt. Dieser Götterdreiheit war bereits vom Diktator A.Postumius 496 v.Chr. ein gemeinsamer Tempel am Circus Flaminius geweiht worden, den Augustus später erneuert hat.

Als Dionysos im 5.Jh. v.Chr. in Latium bekannt wurde, ist Liber schnell an diesen angeglichen worden, was seine Ursprünge leider verdunkelt hat.
Dem Liber und der Libera gehörte eines der ältesten in den Kalendern erwähnten Feste, das Fest der Liberalia am 17.März. An diesem Tag boten alte Frauen Opferkuchen feil, die sie dann für den Käufer auf einem tragbaren Herd opferten (wahrscheinlich auch nur volksetymologisch zu 'libum'). Dieser Tag wurde auch oft zum Anlegen der Männertoga gewählt. Ursprünglicher scheinen phallische Umzüge gewesen zu sein.
Ob Liber schon immer mit dem Wein zu hatte, ist unsicher, wenngleich dies die Identifizierung mit Dionysos erleichtert hätte. In historischer Zeit ist diese Gleichsetzung bereits vollzogen, was die Münze von Chinamul schön zeigt. Hier trägt Liber alle Attribute des Dionysos. Ohne die Inschrift hätte man ihn für Dionysos gehalten.
Cicero allerdings (in De Nat. Deor. II, 24) unterschied streng zwischen dem lateinischen Liber und dem griechischen Dionysos/Bacchus. Der Senat verbot 186 v.Chr. den Dionysoskult und die Bacchanalien, nicht aber das Fest der Liberalia. Erst Caesar erlaubte den Kult wieder.

MfG
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Beitrag von Peter43 » Fr 04.11.05 17:14

Asklepios und Telesphoros

Hier möchte ich etwas über den griechischen Heilgott Asklepios, lat. Aesculapius, erzählen. Dazu stelle ich erst einmal meine 2 Münzen vor. Beide sind für Caracalla, 198-217 n.Chr., geprägt worden.

1) Thrakien, Serdika, Caracalla Ruzicka 245
AE 30, 16.6g
Av.: AYT KM AYP CEYH - ANTΩNEINOC
Büste drpiert, belorbeert, n.r.
Rv.: OYΛΠIAC - CEPΔIKHC
Asklepios, halbbekleidet, steht frontal, füttert mit der re Hand
Schlange, die sich um seinen Stab windet, der links neben ihm auf
dem Boden steht.
Ruzicka 245 (Bestimmung durch Curtis Clay)
Sehr selten, VZ
Serdica ist das heutige Sofia in Bulgarien. Ulpia war ein Ehrenname
der Stadt, um Ulpius Trajan zu ehren, der die Stadt zum municipium
erhob. (Curtis Clay)

2) Caracalla RIC IV, 253 var.
AR - Denar, 3.30g, 20.3mm
Rom 215
Av.: ANTONINVS PIVS AVG GERM
belorbeerte Büste n.r.
Rv.: PM TRP XVIII COS IIII PP
Aesculapius, steht frontal mit nacktem Oberkörper, Kopf nach
vorne, hält in der re Hand schlangenumwundenen Stab, die li Hand
quer über den Körper hält Gewandfalte, re zu seinen Füßen
Globus, li neben ihm eine kleine Figur mit Kapuzenmantel
(Telesphoros)
RIC IV/1, 253 var.; C.307; BMC 105
FDC, mit Lüster
RIC hat diesen Typ nur mit Kopf des Aesculapius n.l. Aber Marktbeobachtungen haben gezeigt, daß diese Variante nicht so selten ist

1. Mythologie:
Asklepios ist der griechische Heilgott. Bei Homer war er allerdings noch kein Gott, sondern ein Mensch, der Vater des Machaos und des Podaleirios, die vor Troja die großen Wundärzte waren. Er soll auch der Vater der Hygieia gewesen sein. Nach Homer stammte alle Heilkunst ab von Paieon, welches ein anderer Name des Apollo war. Später gab es mehrere Mythen seiner göttlichen Abstammung. Er war der Sohn des Apollo und der Prinzessin Koronis, der Tochter des Phlegyas, des Königs der Lapithen. Als sie von Apollo schwanger war, ließ Apollon einen Raben bei ihr, der sie bewachen sollte. Sie aber betrog ihn mit Ischys, dem Sohn des Elatos. Als der Rabe ihm von der Untreue berichtete, verfluchte Apollo sie. Seit dieser Zeit sind alle Raben schwarz. Seine Schwester Artemis rächte ihn, indem sie Koronis durch Pfeile tötete. Doch Apollo wollte seinen ungeborenen Sohn retten und Hermes schnitt ihn aus der Toten. Er wurde Asklepios genannt und dem Zentauren Cheiron übergeben, der ihn erzog und ihn die Heilkunst lehrte.
Eine andere Mythe erzählt, daß er nach seiner Geburt auf dem Berg Titthion ausgesetzt wurde, wo ihn der Hirt Aresthanas fand und wo er abwechselnd von seinem Hund und einer seiner Ziegen gesäugt wurde. Deshalb wird er oft mit diesen beiden Tieren abgebildet.

Asklepios konnte nicht nur Kranke heilen, sondern auch Tote wieder zum Leben erwecken. Dazu hatte Athene ihm zwei Gläser mit dem Blut der Gorgo Medusa gegeben. Mit dem Blut ihrer linken Seite konnte er Leben erwecken, mit dem ihrer rechten töten. Vom Tode zurück holte er z.B. Lykurgos, Kapaneos und Tyndareos. Das Ende des Asklepios kam, als Hades sich bei Zeus beklagte, daß Asklepios ihm zuviele Seelen stehlen würde. Wegen der Wiedererweckung des Orion wurde er wegen Bestechlichkeit angeklagt und von Zeus mitsamt seinem Patienten mit einem Blitz getötet. Später bereute Zeus jedoch seine Tat, und schenkte ihm wieder das Leben. Zusammen mit seinem Schlangenstab wurde er als Sternbild an den Himmel gesetzt.

2. Hintergrund:
Asklepios ist eine nordgriechische, vorhellenische Gottheit, wahrscheinlich aus Thessalien, wo sein Name zusammenhängt mit 'Asgelatas', was schlangengliedriger Gott bedeutet. Asklepios wurde an vielen griechischen Orten verehrt, besonders wenn sich dort Heilquellen befanden. Seine Tempel standen deshalb oft außerhalb der Städte oder auf Hügeln. Dort hielten sich oft zahlreiche Kranke auf, sdaß sie etwas Ähnlichkeit mit heutigen Krankenhäusern hatten. Das Hauptheiligtum in Giechenland befand sich in Epidaurus. Von dort kam der Kult 359 v.Chr. nach Rom zur Hilfe bei einer großen Pestepidemie. In Epidaurus stand auch ein großes Standbild des Asklepios, das den Zeus nachahmte. Es wird von Pausanias beschrieben: Der Halbgott sitzt auf einem Thron, hält in der einen Hand einen Stab, die andere Hand auf einer Schlange, zu seinen Füßen liegt ein Hund. Schlangen waren wegen ihrer ständigen Häutungen ein Symbol der Erneuerung. Es wird auch erzählt, daß sie in der Lage wären, Heilpflanzen zu finden. Asklepios wurde deshalb nicht nur mit den apollinischen Schlangen abgebildet, sondern auch selbst als Schlange, In seinen Tempeln wurden oft Schlangen gehalten.

Die Heilungsvorschläge empfingen die Priester durch Träume (Thaumaturgie) oder im Schlaf (sog. Tempelschlaf). Als Dank wurden von den Geheilten im Tempel ein Hahn oder eine Ziege aufgehängt, dazu eine Tafel mit der Beschreibung der Krankheit und der Art und Weise der Heilung. Diese Tafeln sind von Archäologen gefunden worden.
Die Priester des Asklepios hießen Asklepiadae und waren eine verschworene, sektenartige Gruppe von Heilern. Ihr Beruf ging immer vom Vater auf den Sohn über. Bei der Aufnahme mußte der Adept einen heiligen Eid schwören. Dieser Kult breitete sich in der gesamten Ökumene aus. Er galt als Heiland und es gab später große theologische Auseinandersetzungen mit den Apologeten des Christentums.


Telesphoros

Auf dem Denar des Caracalla befindet sich links neben Asklepios (oder besser Aesculapius, da es eine römische Münze ist), die kleine Figur des Telesphoros. Dies ist ein sprechender Name, er bedeutet 'Vollender', d.h. er vollendete die endgültige Heilung. Er wird immer mit einem langen Kapuzenmantel dargestellt, aus dem nur seine Füße herausragen. Der kleine Pauly spricht von ihm als einem der problematischsten Gestalten der Religionsgeschichte. Er trat erst spät zu Asklepios hinzu als dessen 'Reis' oder 'Sohn'. Eingeführt wurde er durch Orakel Ende des 1.Jh. n.Chr. in Pergamon, von wo sich sein Kult schnell ausbreitete. Wegen seiner kleinen Gestalt und des Kapuzenmantels ist Telesphoros identisch mit den genii cucullati, die Fruchtbarkeits-, Heil-, aber auch Totengötter waren. Cucullus ist die Kapuze. Wahrscheinlich sind es alte keltische Gottheiten.

Quellen:
Der kleine Pauly
Robert von Ranke-Graves, Griechische Mythologie
William Smith, Dictionary of Greek and Roman Biography and Mythology
Karl Kerenyi, Die Mythologie der Griechen

MfG
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caracalla_serdica_ruzicka245.jpg
caracalla_253var.jpg
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Beitrag von Peter43 » Fr 04.11.05 23:14

Diesen Beitrag habe ich vom Thread 'Historisch interessante Münzen' übernommen, weil er thematisch hier besser aufgehoben ist.

Die Unterweltgötter

Hier habe ich einen der ersten Antoniniani von Caracalla (198-217) mit einer interessanten Rückseite:

AR - Antoninianus, 5.3g
Rom 215
Av.: ANTONINVS PIVS AVG GERM
geharnischte Büste, Kopf mit Strahlenkrone n.r.
rev. PM TRP XVIII COS IIII PP
Pluto mit Modius auf dem Kopf, sitzt n.l. auf Thron, Zepter in der li.
Hand, re. ausgestreckt zu dreiköpfigem Zerberus vor ihm.
RIC IV/1, 261(d); nicht in Cohen
R; hübsches VZ, veröffentlicht bei Wildwinds

Ich bin der Identifizierung der sitzenden Figur mit Pluto einmal nachgegangen und glaube inzwischen, daß dies eher Serapis ist! Dazu muß ich etwas weiter ausholen:

1. Hades war neben Zeus und Poseidon der dritte der drei Kronos-Söhne, dem nach dem Titanenkampf durch Los die Unterwelt zugeteilt wurde. Sein Name kommt von griechisch 'a-ides' = unsichtbar, wie auch unser Wort 'Hölle', oder die Hel der nordischen Völker mit 'verhehlen' zusammenhängt, oder das hebräische Wort für Hölle 'sheol'. Er war als Herrscher der Unterwelt unheimlich, sein Name wurde nicht gerne genannt, oft nur umschrieben. Für ihn gab es im Grunde keinen Kult.
Als Herrscher über die Schätze in der Erde hatte er aber Beziehungen zu Plutos.

2a. Plutos, im eigentlichen Sinn kein richtiger Gott, war die Gestalt der Fülle und des Reichtums. Ursprünglich war er der Herr über die unterirdisch aufbewahrten Getreidevorräte, später auch der Toten (zuerst wohl in Eleusis). In dieser Funktion wird er meist Pluton genannt.

2b. Pluton, ursprünglich der Gott des Reichtums, der Gabenspender, deshalb mit Modius auf dem Kopf, dem römischen Getreidescheffel. Ähnelt in der Darstellung dem Zeus: Ein ehrwürdiger Mann mit Vollbart, vollem Haupthaar und Zepter. Zu seinen Füßen der dreiköpfigige Zerberus, der Wächter über die Unterwelt. Im Gegensatz zu Hades stand er mehr für die mildere Seite der chthonischen Mächte und war ein Helfer der Menschen. Deshalb gab es für ihn viele Kulte, oft zusammen mit Proserpina/Demeter. Er verschmolz im Laufe der Zeit mit Hades und ersetzte ihn so als Herrscher über die Unterwelt.

3. Serapis. Um 300 v.Chr. wurde von Ptolemäus I. Soter (305-284 v.Chr.), der auch die berühmte Bibliothek gründete, der Gott Serapis (auch Sarapis) in Alexandria als Staatsgott eingeführt. In Alexandria wurde das berühmte Serapeion gebaut und der berühmte Bildhauer Bryaxis schuf die Statue des Serapis: Es zeigte einen ehrwürdiger Mann mit dem Modius (griech. Kalathos, nicht Polos!) auf dem Kopf, mit Zepter, und dem dreiköpfigen Zerberus zu seinen Füßen. Vollbart und mächtiges Haupthaar machten ihn Zeus ähnlich, erinnerten aber auch an Pluton.
Er war eine synkretistische (d.h. zusammengesetzte, zusammengemischte) Gottheit und sollte griechische und ägyptische Religionen vereinigen, also die Völker des Ostens und des Westens zusammenfügen, was ja ein Ziel des Hellenismus war.
So stammt seine Name von Apis-Osiris, der auch ein Gott des Getreides, der Fruchtbarkeit und des Reichtums war. Er verschmolz mit Asklepios, dem Heilgott, mit Dionysos, dessen geheime Weihen er übernahm, mit Pluton, als Gott der Unterwelt, und dann selbst mit Zeus und Christus, als einzigem Gott und Schöpfer der Welt. Zuletzt wurde sein Kult gefördert von Julian II., der sich selbst als Deus Serapidis bezeichnete.
389 n.Chr. zerstörte Theophilus, der Bischof von Alexandria, wohl auf Befehl des Theodosius, das Serapeion von Alexandria, und damit war das Zeitalter des Heidentums (des Paganismus) für alle Zeiten untergegangen.

4. Caracalla, 198-217 n.Chr.
Bereits Severus, der Vater des Caracalla, hatte sich mit Serapis identifiziert! Seine Darstellung mit den 5 Locken auf der Stirn wird in der Kunstgeschichte als serapeisch bezeichnet, obwohl man jetzt annimmt, daß es eher eine antoninianische ist.
Caracalla setzte den Kult seines Vaters fort. So baute er auf dem Quirinal ein Serapeion in Rom, das dem III. römischen Stadtbezirk seinen Namen gab. Diesem Tempel weihte er nach Dio Cassius das Schwert, mit dem er seinen Bruder Geta erschlug. Caracalla war an Religionen sehr interessiert, sein Besuch des Serapeions von Alexandria ist berühmt. Er hat dort alle Riten mitgemacht und alle Weihen empfangen. Sein Tod ist bezeichnend: Er war auf dem Ritt zum Tempel des Mondgottes von Carrhae als er umgebracht wurde.

5. Darstellung auf der Münze
Das auf der Münze dargestellte Bild entspricht in allen Einzelheiten dem Standbild des Bryaxis im Serapeion von Alexandria! Die Ähnlichkeit mit Zeus, der dreiköpfige Zerberus, alles ist da. Deshalb spricht vieles dafür, daß es eine Darstellung des Serapis ist!
Während RIC von Pluto spricht, werden die Darstellungen auf dem Aureus RIC 242, C.253, und auf dem Denar RIC 261(a) von CNG richtigerweise als Serapisbild bezeichnet.
Nun haben sich natürlich die Bilder des Serapis und des Pluton miteinander vermischt. So kann es gut sein, daß dieses selbe Bild von einem Römer als Pluton, von einem Griechen jedoch als Serapis bezeichnet wurde (Patricia Lawrence). Eine solche Betrachtung ist ja typisch für den Synkretismus!

Zusammenfassend kann man sagen, daß diese Münze ein charakteristisches Beispiel für den Synkretismus ist, der jetzt von allen Seiten - besonders aber aus dem Orient - in das römische Reich eindringt. Die Zeit der alten Götter neigt sich dem Ende zu. Es wird nicht mehr lange dauern, dann kommt Elagabal mit dem ersten richtigen monotheistischen Gott nach Rom!

Mit freundlichen Grüßen
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caracalla_261(d).JPG
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Beitrag von Peter43 » Sa 05.11.05 02:17

Die Ägis

Ich habe mich jetzt doch dazu entschlossen, den Thread über die Münze von Constantin II. mit dem wunderschönen Schild von Bastard-Ratte hier einzustellen.

Die Münze von Bastard-Ratte ist RIC VII, Cyzicus 8 und zeigt Constantin II. mit einem phantastischen Schild! Dieser zeigt das Medusenhaupt, dessen Anblick jeden versteinerte. Medusa, zunächst als Gorgo ein einzelnes Schreckenwesen, war in der späteren Mythologie eine der Gorgonen, drei furchtbaren Schwestern. Bis auf Medusa/Gorgo waren sie unsterblich. Dafür verwandelte deren Anblick jeden sofort in Stein. Perseus gelang es, sie mit Hilfe der Athene zu töten, indem er sie nur in einem Spiegel ansah. Dabei entsprang ihrem Haupt der Pegasos. Das abgeschnittene Haupt schenkte er Athene, die es auf ihrem Schild, der Ägis trug.

Nach anderer Darstellung tötete Athene selbst die Gorgo. Die Ägis war ein Wunderschild des Zeus, der von Hephästos verfertigt und mit goldenen Quasten und Bildwerken geschmückt war. Zeus lieh ihn manchmal aus an Apollo und insbesondere an Athene. Er selbst benutzte ihn, wenn er auf der Erde irgendwelche Taten verbringen wollte, die die Olympier, insbesondere seine Frau Hera, nicht sehen sollten. Dann schleuderte er die Ägis hoch und die hüllte den Olymp in Wolken und Gewitter. Er war also eine Art Wetterschild.

Nachhomerisch wurde die Ableitung des Wortes Ägis (gr. Aigos) von Aix = Ziege, Ziegenfell üblich. Diese Form der Ägis sieht man dann seit Nero öfter auf Münzen auf der linken Schulter von Büsten als Zeichen der Macht. Besonders Domitian hat es oft benutzt, wie die hier gezeigte Münze zeigt (Domitian RIC III, 65 var.) Sie zeigt deutlich das Profil des Medusenhaupts (Nase!) und die Schlangenhaare!

Das Medusen- oder Gorgonenhaupt kommt dann noch öfter auf Münzen des späten Römischen Reiches vor und zwar als Bild auf dem Brustpanzer von Kaiserbüsten. Als Beispiel hier eine Münze von mir: Licinius II. RIC VII, Siscia 115, eine etwas seltenere Münze.

Mythologischer Hintergrund:
Die Darstellung der Tötung der Gorgo durch Athene ist ursprünglicher als die Sage von Perseus. Früher neigten die Wissenschaftler dazu, Gorgo und Athene als zwei Seiten derselben Divinität anzunehmen, wobei dann, als Athene sich zu einer Olympierin wandelte (die als hell und klar galten - rationalistisch, menschenähnlich - im Gegensatz zu den alten Divinitäten), das Schrecklich-Dämonische von ihr abgelöst und als feindliche Macht ihr gegenüber gestellt wurde.

Diese Auffassung gilt heute nicht mehr so. Heute nimmt man an, daß Athene eine ägäische Vorgängerin chthonischer Art hatte, die von ihr überwunden wurde und der sie dabei etwas von der Vernichtungskraft ihres bösen Bickes abgewonnen hat.

Quelle: Der kleine Pauly

Mit freundlichem Gruß
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constantinII_cyzicus_8.jpg
domitian_65var.jpg
liciniusII_siscia_115.jpg
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Beitrag von Peter43 » Sa 05.11.05 02:27

Das Gorgoneion

Zur Ergänzung noch ein Wort zum Medusenhaupt, griech. Gorgoneion:

Überraschenderweise ist das Gorgoneion älter als der Gorgomythos. Bei allen primitiven Völkern gibt es Schreckmasken, die den Glauben an den bösen Blick und an die Bannkraft des potenzierten Ausdrucks von Wut und Hohn vorraussetzt. Wann die Griechen von der unpersönlichen Auffassung der Fratze zu der mythologisch persönlichen übergingen, ist nicht bekannt. Homer kennt bereits die Perseussage.

Zunächst überwiegt das Gorgoneion mit breitem Gesicht, gräßlichen Augen, gebleckter Zunge und Schlangen in den Haaren, oft mit 4 Flügeln. Es wird magisch-apotropäisch (= abwehrend) angebracht an Schilden, Panzern, an Tür und Tor, an Schiffen und Pferden usw. auch an Grabmalen.

Im Laufe der Zeit mildert sich ihre Häßlichkeit und um 400 v.Chr. ist in der Medusa Rondanini (in München) ein ausgesprochen schöner Typ erreicht, allerdings von einer kalten, seelenlosen Schönheit. Der Hellenismus leiht dem Gorgoneion sodann die schmerzvollen Züge der Schwermut und zeigt nicht das peinigende, sondern das gepeinigte Wesen.
(Der kleine Pauly)

Zum Schluß noch ein Antoninian von Probus, RIC. 157. Auf dem Avers eine interessante Büstendarstellung: Der Brustpanzer ist dekoriert mit einer Ägis, die in der Mitte das geflügelte Medusenhaupt trägt. Man erkennt deutlich die beiden Flügel re und li oben vom Kopf. Zusätzlich trägt der Kaiser noch eine Ägis über der li Schulter!
(wiederum nach Curtis Clay)

D.h. man muß eigentlich unterscheiden zwischen der Ägis, die auf den Münzen in der Regel das Ziegenfell ist, und dem Gorgoneion, dem Medusenhaupt, das zusätzlich zur Ägis am Panzer befestigt sein kann.

Mit freundlichem Gruß
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gorgona15.jpg
probus_157.jpg
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