Mythologisch interessante Münzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Mo 07.05.07 00:14

Hylas - der Liebling des Herakles

Es war zunächst schwierig, diese Münze zu bestimmen. Es gelang dann aber doch über die Historia Numorum von Barcley Head, die uns Ed Snible zur Verfügung gestellt hat unter
http://www.forumancientcoins.com/numisw ... %20Numorum

Münze:
Bithynien, Kios, Geta als Augustus, 209-212
AE 24, 7.42g
Av.: AYT.KP.CE - GETAC AY
Büste, mit Schuppenpanzer, belorbeert, n.r.
Rv.: K - IA - NW - N
Der junge Hylas, mit wehender Hüftkleidung, n.l. gehend, hält mit der li Hand Trinkgefäß
an den Mund
Ref.: ANS -; cf. SNG von Aulock 518 (Rs., für Volusian), zitiert Rec.Gen. S.225, 125 (Volusian); wahrscheinlich unpubliziert in den größeren Werken
Sehr selten, S+, braune Patina

Mythologie:
Hylas, wörtlich 'aus dem Walde', war der Sohn des Theodamas, des Königs der Dryoper in Thessalien. Herakles kam nach Trachis und traf Theodamas, der mit seinem Ochsengespann die Felder umpflügte. Da er hungrig war und Streit mit den Dryopern anfangen wollte, verlangte er einen Ochsen von ihm. Als Theodamas dies verweigerte, erschlug er ihn und entführte Hylas noch als Säugling. Er verliebte sich in ihn und Hylas wurde sein Favorit.

Nachdem Herakles den Erymanthischen Eber gefangen hatte, verließ er Erichtheus und begab sich mit Hylas zu den Argonauten, um mit ihnen das Goldene Vlies aus Kolchis zu holen. Als sie nach den Abenteuern in Kyzikos an der Küste von Kios in Mysien landen mußten, weil Herakles die Ruder zerbrochen hatte, wurde Hylas ausgeschickt, um für Herakles Wasser zu holen. Als er zu einer Quelle kam, waren die Quellnymphen so entzückt von seiner Schönheit, daß sie ihn ins Wasser zogen, um ihn bei sich zu behalten, und er wurde niemals wieder gesehen. Herakles machte sich auf, ihn zu suchen, aber vergeblich. Nur den Wasserkrug am Ufer der Quelle fand er. Dreimal rief er den Namen des Hylas, aber sein Schrei ging im Wasser der Quelle verloren. Nur wie ein weit entferntes Echo kam die Stimme des Hylas aus der Tiefe herauf. Herakles drohte, das ganze Land zu verwüsten, falls man Hylas nicht fände, tot oder lebendig.

In einer Vision soll Hylas, gekleidet in Seegras, noch einmal dem Herakles erschienen sein mit folgenden Worten: "Warum, Vater, verschwendest Du Deine Zeit mit nutzlosem Gejammer? Mein Heim, das mir das Schicksal zugewiesen hat, ist nun dieser Wald, weil die Nymphen auf Befehl der grausamen Hera mich gestohlen haben. Jetzt,
da ich die Ströme des Zeus und der himmlischen Götter begleite, teile ich mit ihnen ihre Liebe und die Verehrung der Quelle" (Valerius Flaccus, Argonautica 4.22)

Am Morgen kamen günstige Winde auf, und da sich Herakles nicht zeigte, gab Jason den Befehl, die Fahrt auch ohne Herakles fortzusetzen. Es gibt allerdings auch die Meinung, daß die Argonauten die Suche nur als Vorwand nahmen, um Herakles loszuwerden. Denn aufgrund seiner übermenschlichen Stärke zerbrach er ständig die Ruder und die Argonauten mußten diese wieder reparieren.
Schol. Apollon. ad I.c.v. 533&1163

Es heißt, daß die Einwohner von Kios, um Herakles zu besänftigen, immer noch jedes Jahr auf die Suche nach Hylas gehen. Sie schwärmen dabei aus in die Wälder und auf die Berge. Ihre Priester rufen dreimal den Namen des Hylas und dreimal antwortet das Echo. Wahrscheinlich waren es diese Zeremonien, die Anlaß zu der Sage von Hylas gaben (Theocrit. xiii. 72; Strab. p. 564.). Aber obwohl diese Mythe erst in Alexandrinischer Zeit erzählt wurde, war der sogenannte 'Schrei des Hylas' lange vorher bekannt als 'Mysischer Schrei' und wurde erwähnt von Aischylos in den 'Persern' (1054) und von Aristophanes in 'Plutos' (1127). 'Hylas schreien' wird sprichwörtlich benutzt für 'etwas vergeblich suchen'.

Hintergrund:
Hylas, wie Adonis und Hyakinthos, verkörpert die neue Vegetation des Frühlings oder das Wasser einer Quelle, die unter der Hitze des Sommers austrocknet. Es wird angenommen, daß Hylas eine Erntegottheit war, und daß die Zeremonie, die von den Kianern durchgeführt wurde, eine Erntefeier war, bei der ein Junge ins Wasser geworfen wurde, als Symbol für den mit der Ernte sterbenden Vegetationsgott oder den Jahreskönig. Die damit verbundenen schwermütigen Weisen waren schon Aischylos bekannt.

Die Verbindung des Herakles zu Hylas ist zweifellos homoerotisch gefärbt. Er war sein 'Lustknabe'. So erscheint Hylas bereits in der Antike als Beispiel für die Homoerotik der Heroen und wird dann entweder gepriesen oder verdammt.

Kios:
Kios (lat. Cius), später auch Prusias ad Mare genannt, war eine griechische Stadt in Bithynien am Ufer der Propontis (Marmarameer) und hatte eine lange Geschichte. Sie wurde erwähnt bereits von Homer, von Aristoteles und Strabo. Kios war eine Kolonie der Milesier und wurde schnell zu einem bedeutenden Handelsplatz. Es trat der Aetolischen Liga bei und wurde von Philipp III. von Makedonien zerstört. Wieder aufgebaut von Prusias I. von Bithynien erhielt es nach ihm seinen neuen Namen. Als wichtiger Punkt der Seidenstraße wurde es als reiche Stadt berühmt.

Kunstgeschichte:
Zahlreiche literarische Erwähnungen und Kunstdarstellungen bezeugen die Beliebheit der Sage. Hylas erscheint in der hellenistischen und besonders der römischen Kunst, zumal in der Malerei Pompejis (Haus der Epheben). Einen Krug in der Hand, sucht sich der Jüngling an der Quelle dem Zugriff der Nymphen zu entziehen. Giulio Romano (1499-1546) hat sich mit dem Thema befaßt, wie eine Zeichnung in Wien (1530) für ein nicht mehr vorhandenes Gemälde bezeugt. Ferner gibt es eine Skulptur von Thorwaldsen (1768-1844) in Kopenhagen (1831) und mehrere Gemälde von J.W.Waterhouse (1849-1917).

Ausgesucht habe ich zusätzlich
(1) ein Mosaik, (Grenoble, Musée de Saint-Romain-en-Gal)
(2) ein Gemälde von Francesco Furini (1603-1646), Hylas und die Najaden (1638; Firenze, Palazzo Pitti)
(3) und ein Gemälde von J.W.Waterhouse (1896/8; Manchester, CAG)

Quellen:
(a) Originalliteratur:
Strabo, Geography 12.4.3
Strabo XII, 564
Apollonois Rhodios, Argonautika I, 1207-1357
Apollodor. I, 117
Vergil, Bucolica 6, 44ff.
Theokrit Idyll. XIII

(b) Sekundärliteratur:
Der Kleine Pauly
Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon
G . Turk in Breslauer Philologische Abhandlungen, VII (1895)
W . Mannhardt, Mythologische Forschungen (1884) .
Robert von Ranke-Graves, griechische Mythologie
Karl Kerenyi, Griechische Heroengeschichten
http://www.theoi.com/Nymphe/NymphaiMysiai.html
http://www.androphile.org/DE/Library/My ... /Hylas.htm
Wikipedia
Aghion/Barbillon/Lissaraue, Reclams Lexikon der antiken Götter und Heroen

(c) Bilder:
http://www.affinities.net/states/forum/ ... rumId=1985
http://www.culture.gouv.fr/culture/arcn ... mosa17.htm

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
kios_geta_SNGaul518(rev).jpg
hylas_and_the_nymphs.jpg
Francesco_Furini_Ila.jpg
naiad_bal_Waterhouse.jpg
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Beitrag von Peter43 » Fr 11.05.07 21:24

Aphrodite Urania

1. Münze:
Königreich Bosporos, Königin Gepaepyris, 37-39 n.Chr.
AE 23 (12 Nummi), 8.04g
Av.: BACILICCHC GEPAIPYREWC
Büste, drapiert und diademiert, n.r
Rv.: Büste der Aphrodite Urania, mit Schleier und Kalathos, n.r.
davor IB
MacDonald 306; Anokhin 326 var; RPC I, 1907 var. (haben IB dahinter)
fast SS, braune Patina mit grünen Highlights

Diese Münze kommt aus einem geographischen Gebiet, von dem ich bisher nur oberflächliche Kenntnisse hatte, nämlich dem Bosporanischen Königreich. Dieses bestand zwischen dem 7.Jh. v.Chr. bis zum 4.Jh. n.Chr. und lag am Nordufer des Schwarzen Meeres. Es zog sich hin nach Osten bis zur Krim, der Taman-Halbinsel am heutigen Asowschen Meer (Maiotis) bis zum Rand des Kaukasus. Es besaß eine lebendige, hochentwickelte Kultur und hatte eine enge Verbindung zur griechisch-römischen Kultur. Man kann sagen, daß es der östlichste Vorposten der europäischen Kultur war und damit eine wichtige Funktion bei der Abwehr der Barbaren erfüllte. Vieles, was wir über diese Region wissen, stammt von den Münzen, die von Lokalstädten aber auch vom bosporanischen Königreich selbst geprägt worden sind. Ursprünglich war es unabhängig, vom 1.Jh. v.Chr. an ein mit dem römischen Reich freundschaftlich verbundenes Klientel-Königreich. Insgesamt ein hochinteressantes Gebiet, mit dem sich näher zu beschäftigen lohnt!

Die Hauptgöttin des ganzen bosporanischen Königreiches war zweifellos Aphrodite Urania. Der Mittelpunkt ihrer Verehrung war auf der Ostseite des kimmerischen Bosporos (die heutigen Straße von Kertsch), wo sie einen Tempel in Phanagoria hatte und einen anderen am Südufer des Corocondamitis-Sees, der Apatouron genannt wurde. Nach diesem Heiligtum wird sie in Inschriften auch oft Apatourias genannt, oder noch öfter Apatourische Medusa (Minns 1913 p.618). Apatura scheint aus dem skythisch/sarmatischen zu kommen, *ap- tur-, und bedeutet dann 'Wasser-überquellend'.

2. Münze:
Makedonien, Uranopolis, quasi-autonom, ca. 300 v.Chr.
AE 15, 3.34g
geprägt unter Alexarchos
Av.: achtstrahliger Stern, die Sonne repräsentierend, in Punktkreis
Rv.: OYRANIDW - POLEWC
Aphrodite Uranos mit langem Ärmelchiton und Mantel, der auf der li Schulter befestigt
ist und die Beine und den li Arm umhüllt, auf der Himmelskugel halblinks sitzend und
den Oberkörper und den Kopf frontal wendend. Sie trägt auf dem Kopf einen konischen
Aufsatz, der in einem Stern endet und stützt mit der Rechten einen langen Stab auf,
der oben in die (perspektivisch oval geformte) Sonnenscheibe endet.
[im Feld li I, am Rande li ein achtstrahliger Stern]
AMNG III, 3, Taf.25, Abb.4; SNG ANS 914ff.; BMC Macedonia, S.134, 2ff.; SNG Copenhagen 455; SNG Evelpidis 1363; Lindgren 1260
Sehr selten, gutes S, hell-grüne Patina

Der Name der Stadt und dieser Typ beziehen sich auf Uranos, die göttliche Personifikation dieser Stadt. Uranopolis war eine Gründung am oder in der Nähe des Berges Athos, auf der Halbinsel Akte, dem östlichsten Vorgebirge der Chalkidike. Gegründet wurde sie ca.315 v.Chr. von Alexarchos, dem jüngeren Bruder des Königs Kassander. Alexarchos galt als halbverrückt. Er hielt sich selbst für Helios, die Sonne. Für Statistiker: Bei der Darstellung auf der Rs. handelt es sich übrigens um die erste Darstellung eines Globus auf einer Münze!

Aphrodite:
Ursprünglich war Aphrodite wohl eine Mutter- und Fruchtbarkeitsgöttin - des Wachsens und Entstehens. Indem auch der Natur ein sehnsüchtiges Verlangen zugeschrieben wurde, wurde aus ihr die Göttin der Liebe und allmählich die der Schönheit. Frühe Forscher behaupten, daß der Ursprung ihrer Verehrung bereits in die Epoche zurückfalle, in welcher die Griechen noch mit den übrigen indoeropäischen Völkern eine Einheit bildeten; bei der Mehrzahl dieser Völker finde sich eine ihr wesensverwandte Göttin. Während Aphrodite sicher bereits in der frühesten epischen Literatur erwähnt wird, kommt ihr Name nicht vor auf den Linear b Tafeln der Mykenischen religion. Am wahrscheinlichsten kommt ihr Kult nach Griechenland in der Periode zwischen 1200 und 800 v.Chr. Ihr Name aber bleibt bis heute unerklärt.
Für Homer und Hesiod stand fest, daß sie mit Zypern verknüpft war. Die Odyssee nimmt Paphos als Heimat der Göttin an und in der Ilias ist Kypris ihr häufigstes Epitheton. Hesiod nennt sie Kyprogene und Kythereia.

Heute ist es eine Art von Konsens, daß der Kult der Aphrodite ursprünglich aus dem Nahen Osten nach Griechenland kam. Hinter der Figur der Aphrodite steht klar die antike semitische Göttin der Liebe, Ishtar-Astarte, die göttliche Gemahlin des Königs, Himmelskönigin und Geliebte in einer Person. Diese Ansicht wird stark gestützt von den Griechen sebst. Pausanias z.B. führt an 'Die Assyrer waren die erste menschliche Rasse, die die himmlische Göttin (Aphrodite Urania) verehrten, dann das Volk von Paphos auf Zypern, und in Phoenikien war es Askalon in Palaestina, und das Volk von Kythera lernte ihre Verehrung von den Phoenikern.' So finden sich viele Züge der semitischen Astarte (griech. Aschtaroth) auch bei Aphrodite. Wie diese wurde sie bewaffnet dargestellt und wurde angerufen, um den Sieg zu sichern. Als solche hieß sie Areia und wurde zur Geliebten des Ares, zu welchem sie auch schon insofern in mythologischer Beziehung stand, als er auch der Gott des Gewitters und somit auch der Befruchtung der Erde war. Später haben sich hauptsächlich drei Formen der Aphrodite herausgebildet – man kann auch sagen eine panhellenische dreifache 'Große Mutter'.

Aphrodite Urania:
In Homers Hymnos erscheint die Göttin als 'Herrin der wilden Tiere' (pothia theron), die sich auf ihren Wink paaren. Besonders wurde jedoch die Göttin der Liebe nach zwei Aspekten unterschieden der 'heiligen, himmlischen' Aphrodite Urania und der dem 'ganzen Volk' gehörende Aphrodite Pandemos. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Dualismus der Aphrodite. Platon vermutete, daß es zwei verschiedene Göttinnen gab: Aphrodite Urania, Göttin der edlen Liebe, und Aphrodite Pandemos, Tochter der Dione und Göttin der gemeinen Sittlichkeit. Platon interpretierte diese (im Symposion) als eine homosexuelle und eine heterosexuelle.

Aphrodite Urania (Venus caelestis), die Heilige Liebe (sakral), die Himmlische Liebe, die Himmelsgöttin, steht für die 'reine, himmlische, edle Liebe'. Als Urania wurde sie zur Tochter des Uranos gemacht, der sie ohne eine Mutter geboren haben soll (dies die Meinung von Plato!), oder zur Tochter des Zeus als des lichten Himmels und der Dione, der weiblichen Ergänzung desselben, und gern auf den lichten Höhen der Berge verehrt, daher auch Akraia genannt, wo sie dem Himmel näher war. Als solcher dient ihr der Polos, ein runder, hoher Aufsatz auf dem Kopf, als Abbild der Stütze des Himmelsgewölbes, ein caelestischer Globus und in gleicher Anschauung auch die Schildkröte als Symbol.

Als griechischer Abkömmling der semitischen Fruchtbarkeitsgöttin Ishtar ist Aphrodite verbunden mit deren Sternsymbol, dem Planeten Ishtar, der bei uns Venus heißt. Dies hat als erste Plato angeführt. Die Frage ist nur, ob dies eine späte Zuschreibung ist, oder ob es bereits begründet ist im ursprünglichen Kult der Göttin. Dabei gibt das Epitheton Urania einen wichtigen Hinweis. Urania soll die griechische Übersetzung des semitischen Titels malkat hassamayim (= Himmelskönigin) sein, der eine alte Beziehung zur Venus hatte. Dies gilt auch für den Kult anderer Venus-Göttinnen der Antike. In Sumer wurde z.B. Inanna mit der Venus identifiziert. Für die akkadische Ishtar gibt es Hymnen, wo sie mit dem Planeten Venus gleichgesetzt wird. In babylonischen Tafeln wird er als Himmelskönigin bezeichnet und mit der Sonne verglichen. Die kanaanitische Anat, essential verbunden mit Inanna und Ishtar, wurde ebenfalls als Himmelskönigin bezeichnet und mit Venus identifiziert. Im Alten Testament wird eine Himmelskönigin erwähnt, der das Volk Opferfeuer brachte. Obwohl Jeremiah keinen Namen nannte, handelte es sich sehr wahrscheinlich um Astarte, und tatsächlich gibt es ein späte Inschrift aus dem Jahr 160 v.Chr., in der Astarte mit Aphrodite gleichgesetzt wurde.

Kunstgeschichte:
Pausanias berichtet von einer Aphrodite Urania aus Gold und Elfenbein, die im Aphroditetempel in Elis aufgestellt war. Der linke Fuß der Statue ruhte auf einer kleinen Schildkröte. Diese Statue wird Phidias (500- 432 v.Chr.) zugeschrieben. Leider ist diese Statue verloren gegangen, sodaß wir nur die Beschreibung haben. Ein Torso im Pergamonmuseum in Berlin überliefert vielleicht die Statue. Stilistisch kann man das Werk den 430er Jahren zuordnen.

Quellen:
Wikipedia
http://www.aeonjournal.com/articles/aph ... odite.html
http://www.jannis.tu-berlin.de/23_Studi ... emern.html
http://www.pontos.dk/publications/books ... prykin.pdf
http://www.anthroglobe.ca/docs/Sergei/s ... eliefs.htm

Hinzugefügt habe ich das Bild der Aphrodite Apatoura von einem Terracotta-Gefäß aus Phanagoria. Es zeigt übrigens überraschenderweise eine enge Verwandtschaft zwischen der Aphrodite Urania und der Anadyomene! Aber so überraschend ist diese Verwandtschaft dann doch nicht; denn Aphrodite galt als Tochter des Uranos. Als Kronos seine Vater die Geschlechtsorgane abschnitt und ins Meer warf, so entstand um diese herum ein weißer Schaum, der einige Zeitlang auf dem Meer umhertrieb, bis endlich Aphrodite aus ihm empostieg (Hesiod. Theog. v.188; Serv. ad Vergil. Aen.V.v.801). Sie soll auf einer Muschel zuerst auf die Insel Kythera gekommen sein, wo dann überall, wo sie mit ihren Füßen hintrat, Gras und Blumen hervorbrachen (Hesiod. I.c.v.192). Dies wird in dem berühmten Gemälde von Boticelli dargestellt.

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
bosporos_gepaepyris_Anokhin326var.jpg
uranopolis_Lindgren1260.jpg
Phanagoria_Pr025.JPG
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Beitrag von Peter43 » Do 17.05.07 21:05

Sandan von Tarsos

Aus einer fernen, fremden Welt!

Kilikien, Tarsos, autonome Ausgabe, 1.Jh. v.Chr.
AE 21, 6.54g
Av.: Büste der Stadtgöttin (Tyche) mit Schleier und Mauerkrone, n.r., in Punktkreis
auf der Wange Gegenstempel in Form eines männlichen Kopfes mit Strahlenkrone
(Helios?) in rundem Inkus
Rv.: Scheiterhaufen des Sandan in Pyramidenform, gekrönt von einem Adler mit
ausgebreiteten Flügeln auf einer kleinen Rundbasis n.r. stehend, darin Kultstatue
des Sandan mit Kalathos und eine Doppelaxt tragend, auf dem Rücken eines
geflügelten und gehörnten Löwen n.r. stehend, die Rechte erhoben; li und re je ein
Baetylus, alles auf einer niedrigen Rundbasis, die mit Girlanden geschmückt ist.
im re Feld von oben nach unten TAR[C]EWN
im li Feld von oben nach unten AR / AR / DI / Q
Ref.: SNG BN 1333-1334, Sear GIC 5672
fast SS, leichte Rauhigkeit

Religionsgeschichte:
Der Mittelpunkt des Sandankultes war Tarsos. Tarsos war eine wichtige hethitische Gründung und in griechischer und römischer Zeit die bedeutendste Stadt Kilikiens. Aus ihrer hethitischen Frühzeit behielt sie den Sandan als ihren Hauptgott. Aber Tarsos war eine Hochburg des religiösen Synkretismus. Hier verschmolzen auch Baal, Tarz und Zeus mit Sandan, der zu ihrem Stadtgott wurde und in hellenistischer Zeit auch mit Herakles gleichgesetzt wurde. Das Kultbild des Gottes wird schon in seleukidischer Zeit auf Münzen dargestellt (s. Houghton Coll. 475 ff.). Die ikonographischen Einzelheiten des Sandan und des ihm unterworfenen tierischen Mischwesens kennen wir auch sonst aus der orientalischen Kunst, z.B. eben gerade aus dem hethitischen Bereich.

Der Kult des Sandan, oder Sandon oder Sandas (LIMC VII), ist ein Überbleibsel aus der Zeit der Eroberung Kilikiens im 17.Jh. v.Chr. durch die Hethiter. In ihrer luwischen Form war er Teshub, der Gott der Bergstürme. Im hethitischen Heiligtum von Yazilikaya wird er abgebildet als bärtiger Mann mit einer konischen Kopfbedeckung, in der Hand eine Keule und eine Pflanze, wahrscheinlich mit Bezug auf den mesopotamischen Baum des Lebens. Wie auch die anderen hethitischen Hochgötter, berührten seine Füße niemals die Erde. Er ritt entweder auf dem Rücken mythologischer Tiere, wurde auf den Schultern niederer Götter getragen oder schritt über die Berggipfel. Die Berggipfel erinnerten die Hethiter an ihr hochaufragendes Kernland, wie auch die hohe Kopfbedeckung oder die Pyramidenform von Sandans Altar. Während Sandans Kult in Tarsos mit dem des Herakles assimiliert wurde, ähnelte er durch seinen Ursprung als Naturgott eigentlich mehr dem griechischen Götterkönig Zeus. Diese Abbildung des Sandan erscheint erst rund 2000 Jahre nach ihrem ersten Auftreten in der Mythologie, dennoch ist die Ähnlichkeit mit dem hethitischen Original frappierend (CNG).

Dem Namen nach zu urteilen wurde Sandan oder Shantash nicht nur in Kilikien und Kappadokien verehrt, sondern auch in Lykaonien, Isaurien, Pisidien, Karien und Lydien (s. Pauly-Wissowa 'Sandon' oder Roscher 'Sandas'). Nach H.T.Bossert war er auch der Hauptgott von Kreta, und er ist der Gott, nach dessen Erscheinen (Epiphanie) man sich sehnte, wenn die Frauen ihre Tänze aufführten mit nackten Brüsten und Schlangen in den Händen (diese Hypothese mußte allerdings nach den Übersetzungen der Linear-B-Tafeln fallengelassen werden!). In geschichtlicher Zeit hat er überlebt in Dionysos und Bes, dem Zwerg mit dem Löwenfell über der Schulter, in Herakles mit dem Löwenfell, der als Frau gekleidet am Hof der Omphale diente, der mit dem Löwen kämpfte oder den Stier von Marathon bezwang, als Apollo und Ares/Arte-mis Lafria = Labrys, d.h. 'mit der Doppelaxt' (der androgyne Jäger wurde in einen männlichen und einen weiblichen
Aspekt aufgespalten). In hieroglypischen hethitischen Texten wird Santas 'der Große' genannt, und in Syrien kann sein Kult bis ins 3.Jh. n.Chr. verfolgt werden. Eusebius schreibt, daß Herakles in Phönikien und Kappadokien und noch bis in seine Zeit hinein unter dem Namen Desandus (Tesh Shandash) verehrt wurde. Auch verschiedene Herrscher scheinen sich selbst Tesh Shantash genannt zu haben, wobei Tesh der Stamm eines Wortes ist, das wir vom griechischen theos (= Gott) kennen. Der Große Jäger ist dann direkt identisch mit dem Herrscher, eine Idee, die dann großen Einfluß hatte auf die Ideologie um den römischen Kaiser herum. So scheint das Begräbnisfeuer, die sog. Consecratio, ein direktes Abbild von Sandans Pyra zu sein.

Die Pyra:
Auf Münzen wird er in hellenistischer Zeit immer nackt dargestellt, auf einem Löwen stehend, hinter einem brennenden Altar, der Löwe gehörnt und geflügelt, der Gott mit einer geheimnisvollen Blume und einer Axt in der li Hand und auf dem Kopf einen Polos, der zeigt, daß er die Weltsäule ist, die Himmel und Erde voneinander getrennt hält. Er wird auch dargestellt innerhalb einer pyramidenartigen Struktur, seiner Pyra, einem Scheiterhaufen, auf dem er verbrannt wird. Diese Pyra ist aber offensichtlich so kunstvoll konstruiert, daß sie zu einem Symbol des Weltberges geworden ist, mit dem Adler der Apotheose (Vergöttlichung) auf seiner Spitze und flankiert von den beiden personifizierten Weltsäulen, die den gespaltenen Weltberg repräsentieren. Sandan gilt als der Gründer von Tyrus und wird oft mit Perseus identifiziert, der ebenfalls als Stadtgründer verehrt wird.

Diese Pyra spielt im Sandankult eine wichtige Rolle. Sie war eine Pyramide aus Holz, die wahrscheinlich errichtet wurde, um Sandan in der Form eines Idols zu verbrennen. In Rom wurde dieser Kult um Sandan herum zum Vorbild für die Apotheose des Kaisers. Ebenso wie Herakles und der tyrische Melqart wurde Sandan durch das Feuer in den Himmel emporgehoben. Dieser Symbolismus hat auch starke Beziehungen zum phönikischen Sonnenvogel: Phönix, der im Feuer stirbt, aber ewig im Feuer wiedergeboren wird. Wir haben hier also bereits die Vorstellung von einer Wiedergeburt oder Auferstehung nach dem Tod.

Auch der römische Kaiser verbrennt wie Sandan in der Gestalt einer Puppe. Eine Wachspuppe spielt bei den Konsekrationsfeiern die Rolle des verstorbenen Caesars. Und anschließend wird die Seele zum Himmel erhoben durch den Sonnenvogel. Dafür wird von der Spitze der brennenden Holzpyramide ein Adler aus einem Käfig freigelassen (Phoenixsymbol!). Dies gab es auch im Melqarttemple in Tyros: ein fliegender Adler oben an der Spitze der brennenden Weltsäule (oder Weltbaums).

Sandan und das Christentum:
Der Schöpfer des Christentums in der Form, in der wir es kennen, ist Paulus von Tarsus. Unser Christentum ist eigentlich Paulismus. Er wuchs in einer Stadt auf, die der Mittelpunkt der Verehrung des Sandan war, der bei den Griechen auch unter dem Namen Herakles bekannt war. H.-J. Schoeps, den ich die Ehre hatte, in Erlangen selbst einmal kennenzulernen, schreibt über das religiöse Umfeld, in dem Paulus aufgewachsen ist, bevor er nach Jerusalem ging. Zur Ehre von Sandan-Herakles wurde jedes Jahr in Tarsus ein Fest des Beerdigungsscheiterhaufens gefeiert, auf dessen Höhepunkt ein Abbild des Gottes verbrannt wurde. Die Idee, die hinter diesem Mysterium stand, war das Absterben der Natur unter der verdorrenden Sommerhitze und ihr anschließendes Wiederaufblühen zu neuem Leben. Dies verrät ihre nahe Verwandtschaft mit dem Kult des syrischen Adonis, des phrygischen Attis, des ägyptischen Osiris, und des babylonischen Tammuz. Schoeps folgert: "Daß der junge Saul auf den Marktplätzen und den Straßen von Tarsus die Prozessionen zur Ehre dieser Gottheit gesehen hat, ist natürlich etwas, das nicht bewiesen werden kann, aber höchst wahrscheinlich erscheint." http://www.abrahamsknife.com/excerpt_lecture.shtml

Andererseits steht dem gegenüber, daß in den paulinischen Briefen nichts von irgendeinem kleinasiatischen oder syrischen Synkretismus gefunden werden kann. So folgt heute wohl niemand mehr dem Schluß von Schoeps und Goppelt, daß Paulus in seiner Christologie - wenn auch nur indirekt - von diesen Eindrücken aus seiner Jugend beeinflußt worden ist. Allerdings muß man zugestehen, daß durch Gottheiten wie Sandan, zu denen auch Herakles, Dionysos oder Mithras gehören, der Gedanke an eine Wiederauferstehung nach dem Tod nicht unbekannt war und so für den Gläubigen keine Überraschung barg.

Ich habe noch das Bild einer Tetradrachme des Antiochos VIII. Grypos (121 - 96 v.Chr.), CSE 489, aus Tarsos hinzugefügt (von CoinArchives), weil man hier die Details der Pyra noch genauer sehen kann

Quellen:
http://www.ancientlibrary.com/wcd/Hittites
http://www.tribwatch.com/hercules.htm
http://rg.ancients.info/lion/article.html
http://langkjer.dk/origin/1-12.htm
http://langkjer.dk/origin/1-18.htm
http://langkjer.dk/origin/2-25.htm

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
tarsos_GIC5672.jpg
Tarsos_AntiochosVIII_CSE489.jpg
Zuletzt geändert von Peter43 am So 27.05.07 20:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Diana Nemorensis

Römische Republik, P. Accoleius Lariscolus, gens Accoleia
AR - Denar, 3.90g, 19.7mm
Rom, 43 v.Chr.
Av.: P. ACCOLEIVS LARISCOLVS
Archaisierende Büste der Diana Nemorensis, drapiert, n.r.
Rv.: Dreifache archaisierende Kultstatue der Diana Nemorensis (Diana, Hecate, Selene)
frontal stehend, auf ihren Schultern eine Stange, ihre Hände karyatidenartig erhoben;
dahinter Hain mit 5 Zypressen; die li Figur hält in der äußeren Hand einen Bogen, die re
Mohn.
Ref.: Crawford 486/1; Sydenham 1148; Accoleia 1
SS+, feine Tönung, Bankierszeichen auf dem Rev., das das Bild jedoch kaum stört
Nach den Untersuchungen von Andrew Alföldi handelt es sich bei dieser Münze um einen späteren Typ, was man z.B. an der Haartracht der Diana Nemorensis auf der Vs. erkennen kann: Der früheste Typ hatte die Haare enganliegend von oben nach unten gestrichen und dann in 2 Rollen über die Stirn gelegt, bei einem Zwischentyp fielen einige Haarsträhnen in den Nacken und die späteren Typen hatten eine 'turbanähnliche' Frisur mit einem Wulst wie hier.

Die Familie des Münzmeisters stammte aus Aricia am Nemisee, wo sich Tempel und heiliger Hain der Diana Nemorensis befanden. Hier fanden sich auch Weiheinschriften der Accoleii. Octavians Mutter stammte ebenfalls aus Aricia, und möglicherweise hat Octavian Einfluß auf die Wahl des Münztyps gehabt.

Leider findet man fast immer nur falsche Beschreibungen dieser Münze. So wird die Büste der Vs. oft als Acca Larentia bezeichnet. Noch mehr Fehler finden sich bei der Beschreibung der Rs. (nach Alföldi):
(1) So werden die 3 Figuren auch als Nymphae Querquetulanae bezeichnet. Man erkennt aber deutlich, daß es sich bei den abgebildeten Bäumen im Hintergrund um Zypressen handelt, nicht aber um Eichen, wie man sie bei Eichennymphen erwarten würde. Bei Zypressen würde jeder Römer gleich an Furcht und Tod denken, was genau zum Umkreis der Diana-Hecate paßt.
(2) Es handelt sich danach bei den Bäumen auch nicht um Pappeln.
(3) Die Figuren halten auch keinen Tragebalken, auf dem sich die Bäume befinden, sondern es handelt sich eher um eine Stange, die die Figuren ursprünglich auf ihren Schultern trugen, um ihre Zusammengehörigkeit zu unterstreichen (wie z.B. das Standbild der Dioskuren in Sparta), und die Bäume befinden sich in einem Hain im Hintergrund. Diese Fehlinterpretation ist verständlich durch die Veränderungen, die die Stempelschneider im Laufe dieser Ausgabe vorgenommen haben. So sehen die 3 Figuren hier aus wie Karyatiden und die unteren Teile der Bäume sind weggefallen. Auf den frühen Ausgaben dieses Typs konnte man sie noch gut erkennen.
(4) Der Gegenstand, den die linke Figur (Diana) in der Hand hält, ist natürlich ein Bogen und kein Mohn. Bei der Pflanze der re Figur (Selene) wird es sich um Mohn gehandelt haben, obwohl die Pflanze in späteren Ausgaben immer mehr einer Lilie ähnelte.

Diana Nemorensis bedeutet soviel wie Diana des Waldes. Ihr Heiligtum lag am Nordufer eines Sees unter den Klippen der heutigen Stadt Nemi. Dieser See, auch 'Spiegel der Diana' genannt, hieß früher See von Aricia. Allerdings lag Aricia ungefähr drei Meilen entfernt am Fuß der Albaner Berge und durch eine tiefe Schlucht vom See getrennt, der in einem kleinen kraterähnlichen Loch lag. Ihr Heiligtum war das bedeutendste römische Dianaheiligtum.

Nach einer Überlieferung wurde die Verehrung der Diana am Nemisee durch Orestes eingeführt. Der floh mit seiner Schwester Iphigenia nach Italien, nachdem er Thoas, den König des Taurischen Chersonnes (der heutigen Krim), getötet hatte, und brachte von dort das Kultbild der Taurischen Diana mit, das er in einem Schilfrohr versteckt hatte. Nach seinem Tod wurden seine Knochen von Aricia nach Rom gebracht und vor der Front des Saturntempels verbrannt, neben dem Tempel der Cocordia auf dem Capitolinischen Hügel. Das blutige Ritual, das die Mythologie der Taurischen Diana zuschreibt, ist klassischen Lesern bekannt; es heißt, daß jeder Fremde, der an der Küste landete, auf ihrem Altar geopfert wurde. Nach Italien gebracht wurde dieser Ritus etwas milder. Der Kampf um den Rex Nemorensis soll eine alte Reminiszenz daran sein. Allerdings verneint Alföldi eine Beziehung zur Taurischen Diana völlig.

Die Weihegeschenke, die man im Hain von Aricia gefunden hat, zeigen, daß Diana als Jägerin verehrt wurde, aber auch, weil sie Männern und Frauen zu Nachwuchs verhalf und Schwangeren die Geburt erleichterte.

Sie wurde verehrt in einem heiligen Hain, über den James George Frazier in seinem Buch 'Der Goldene Zweig' schreibt. In der Mitte dieses Hains stand ein Baum, der schwer bewacht wurde. Niemandem war erlaubt, von ihm einen Ast abzubrechen, mit der Ausnahme, daß es einmal im Jahr einem entlaufenen Sklaven erlaubt war, einen Zweig abzubrechen. Gelingen konnte es nur einem Mann mit großer innerer und äußerer. Danach erhielt er das Privileg, den Rex Nemorensis, den augenblicklichen Köng und Dianapriester dieser Region, in einem tödlichen Kampf Mann gegen Mann herauszufordern. Gelang es dem Sklaven, den Kampf zu gewinnen, wurde er der nächste König, solange jedenfalls, wie er seine Herausforderer besiegen konnte.

Dies erinnert stark an einen Initiationsritus. Die Sage vom Rex Nemorensis erinnert sehr an Aeneas, der einen goldenen Zweig vom Baum der Unterwelt abbrechen mußte, damit er seine heilige Suche weiter fortsetzen konnte. Aeneas begegnete dem Wächter Charon, der sich weigerte, ihn über den Unterweltsee zu bringen. Charon und der König der Wälder sind Parallelfiguren, da der letztere auch der Wächter über den Nemisee ist. Er hat auch andere Namen. Im Heiligen Hain der Diana wird er z.B. Virbius genannt.

Das Fest der Diana Nemorensis wurde am 13. August gefeiert und war ein Fest der Sklaven (Bellinger, 116). Diana wurde bereits früh mit der Luna (Selene) gleichgesetzt, später auch mit der griechischen Artemis. Inwieweit die latinische Diana von der griechischen Artemis unterschieden werden muß, ist heute kaum noch zu erklären. So war sie schon früh bekannt als Diana triformis oder Diana triplex. Ovid nennt sie Trivia ('die man auf Dreiwegen anruft', Metam. II, 416), was eigentlich ein Beiname der Hekate ist, weil Diana als Mondgöttin mit ihr die nächtliche Herrschaft teilt. Weiter nennt Ovid sie auch Titania wegen ihrer scheinbaren Verwandtschaft mit Hyperion (Metam. III, 173). Unter diesem Namen erwähnt sie auch Shakespeare als Feenkönigin in seinem 'Sommernachtstraum'. Diana wurde nicht einfach von den Griechen übernommen. Das hier abgebildete Standbild ist wahrscheinlich etruskisch. Auch die archaische Abbildung des Portraits sieht etruskisch aus. So ist sie wahrscheinlich drch Vermittlung der Diana zu den Römern gekommen. Verehrt wurde sie in Hainen, so wie nach Tacitus die germanischen Stämme ihre Götter verehrten. Der Dianatempel wurde erst später in hellenistischer Zeit erbaut, ohne aber den Hain zu ersetzen. Diese Münze zeigt, daß das alte Kultbild und der Zypressenhain noch in der späten Republik bestanden haben müssen.

Über die politische Aussage dieses Münzbildes kann man nur spekulieren. Es kann einen Zusammehang geben mit dem Latinischen Städtebund, den es bis 338 v.Chr. gab. In der 1.Phase bis zum Ende des 6.Jh. gab es einen kultischen Zusammenschluß, um den herum sich der politische Zusammenschluß vollzug. Neben dem Juppiter Latiaris auf dem Albanerberg war es die Diana von Aricia. Als dieser Bund unter Roms Vorherrschaft geriet, wurde das Dianaheiligtum auf den Aventin verlegt. In einer 2.Phase von rund 500 bis zur Katastrophe an der Allia (387/6) machten sich die Latiner wieder unabhängig von von den Römern, schlossen sich aber nach der sagenhaften Schlacht am See Regillus wieder an Rom an. Nachdem auch noch die Herniker hinzutraten, kam es zu einem 'Dreibund', auf den vielleicht die abgebildete Dreigestalt anspielt. Dann wäre es ein Aufruf zur Einigkeit.

(wird fortgesetzt)
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Beitrag von Peter43 » Mi 30.05.07 22:12

(Fortsetzung)

Da ich nur diese Münze kenne, bei der es eine Anspielung auf Acca Larentia gibt, will ich hier ihre Mythologie bringen, obwohl sie tatsächlich auf dieser Münze nicht gemeint ist. Auch die Nymphae Querquetulanae sollen erwähnt werden.

Acca Larentia:
Diese Sage gibt es in zwei Fassungen, einmal ohne, das andere Mal mit Einbeziehung der römischen Gründungssage. Die erste geht auf Varro zurück: Einst forderte der Tempeldiener des Hercules den Gott zu einem Würfelspiel heraus. Der Preis waren eine Mahlzeit und ein Mädchen. Der Diener, der einmal für sich und einmal für den Gott würfelt, verliert. Die Speisen werden dem Gott geopfert. Das Mädchen, Acca Larentia, träumt, der Gott habe mit ihr geschlafen und ihr dafür versprochen, sie werde den Lohn von dem Mann bekommenm, der ihr als erster begegne. Dies ist der reiche Etrusker Tarutius, der sie heiratet. Nach seinem Tode wird sie die Erbin und vermacht später den ganzen Reichtum dem römischen Volk. Aus Dankbarkeit und um sie zu ehren, werden die Larentalia gefeiert. Dies habe sich zur Zeit des Ancus Martius abgespielt.

In der anderen Fassung ist Acca Larentia die Frau des Faustulus, des königlichen Hirten und der Ziehvater des Remus und des Romulus. Da sie früher eine lupa = Dirne gewesen sei, entstand die Meinung, eine Wölfin, lupa, habe die Zwillinge gesäugt. Nach dem Tod des Faustulus heiratete sie den reichen Tarutius und setzte später das römische Volk oder Romulus zum Erben ein.

Auch wird berichtet, Acca Larentia habe zwölf Söhne gehabt. Als einer starb, sei Romulus an seine Stelle getreten, das Kollegium habe dann den Namen Arvales fratres, die Flurbrüder, bekommen. Deren Abzeichen war ein Ährenkranz und die weiße Binde. Dies führt auf einen Zusammenhang jener Sage mit der Verehrung der ländlichen Laren, womit der Name und die Zeit des Festes (23. Dezember, auf welchen am 24. ein Fest der Laren folgte) übereinstimmen, und Acca Larentia scheint ursprünglich mit der Göttin Dea
Dia, wenn nicht identisch, so doch nahe verwandt gewesen zu sein. Sie soll auch den Beinamen Fabula gehabt haben, womit sie zur Ahnherrin des Fabischen Geschlechts wird.

Die Larentalia sind nach allgemeiner Meinung ein Totenfest, das die Pontifices und der flamen Quirinalis an ihrem am Velabrum gelegenen Grabe am 23. Dezember begingen. Andererseits gab es auch im April ein Fest für sie. Die Deutung ist eines der schwierigsten Probleme, da Altüberliefertes und Spekulationen kaum noch zu trennen sind. Die Wölfin der Gründungssage ist das Tier des Mars, die menschliche Pflegemutter sekundär, noch später die Verbindung mit der Hercules-Dirne. Die Gleichsetzung [/]lupa[/i] = Wölfin = Dirne ist eine Art euhemeristischer Sagendeutung. Damit hat die Amme der Zwillinge einen Namen. Gerade diese beiden Legenden sind verbunden, weil Hercules oft als Doppelgänger des Faunus, des Gottes des Lupercal, dessen Priester luperci sind, erscheint. Vermutlich stammt die Figur der Larentia aus der Zeit vor der Gründung Roms, gehörte in den Umkreis um den Wolfsgott Faunus und hatte eine Bedeutung in den Lupercalia, einem bäuerlichen Fruchtbarkeitsfest. Der Name Larentalia ist dann nicht von Larentia abgeleitet, sondern umgekehrt Larentia von den Larentalia. Außerdem wurde Acca Larentia neben Mania als 'Mater Larum', die Mutter der Laren, angesehen.

Nymphae Querquetulanae:
Bei diesen Nymphen, auch Querquetulanae virae genannt, handelt es sich um die Nymphen des grünenden Eichenhains innerhalb der Stadt Rom. Nach ihnen sei auch die Porta Querquetularia benannt gewesen. Nach Tacitus hätte der Mons Caelius früher Querquetulanus geheißen. Deshalb nimmt man an, daß sich dieser Hain und das Tor am Südhang des Caelius befunden habe. Der genaue Ort ist allerdings nicht genau bekannt, lag aber wahrscheinlich zwischen der Porta Capena und der Porta Caelimontana genau südlich der heutigen Kirche S. Stefano Rotondo. Die Beziehung der 3 weiblichen Gestalten der spätrepublikanischen Münzen zu den Eichennymphen ist jedoch sehr fragwürdig.

Quellen:
Der kleine Pauly
Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon
Wikipedia
Andrew Alföldi, Diana Nemorensis, in Am. J. of Arch. Vol.64, No.2 (Apr., 1960), S.137-144
http://www.answers.com/topic/rex-nemorensis
http://www.answers.com/topic/the-golden-bough
http://www.imperiumromanum.com/religion ... tia_01.htm
Samuel Ball Platner, A Topographical Dictionary of Ancient Rome, London, Oxford University Press, 1929 (zu finden unter http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/home.html)

Hinzugefügt habe ein Bild vom Nemisee und ein Bild von Turners Gemälde 'The Golden Bough'.

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von Peter43 » Mi 30.05.07 22:15

Apollo Smintheus und der Hirte Ordes

Dieser Beitrag ist meinem Freund Lars gewidmet!

Vorbemerkung: Der Name des Hirten, um den es auf diesen Münzen geht, ist als Ordes überliefert, nicht als Orodes, wie es fälschlicherweise bei Bellinger heißt!

1. Münze:
Troas, Alexandreia, quasi-autonom, 2.-3.Jh. n.Chr.
AE 22, 4.5g
Av.: CO ALEX TRO
Büste der Stadtgöttin (Tyche), drapiert und mit Mauerkrone, n.r.; dahinter
Vexillum mit Inschrift CO/AV(?)
Rv.: [CO oder COL] AV TROAC
Der Hirte Ordes, in kurzem Gewand und mit Stiefeln, n.l. gehend, über der li
Schulter Pedum haltend, die re Hand erhoben, re hinter ihm ein nach re
springendes Rind, den Kopf zurückgewendet; li unten in einer Grotte die liegende
Kultstatue des Apollo Smintheus, darüber Apollo Smintheus n.r. stehend.
Ref.: Bellinger A480; BMC 41
selten, fast SS, Prägeschwäche im oberen Teil des Rv.

2. Münze:
Troas, Alexandreia, Caracalla, 198-217 n.Chr.
AE 23, 6.99g
Av.: AV CEV A - NTONIN
belorbeerter Kpf n.r.
Rv.: CO - L - A - VG TR
Grasendes Pferd n.r. stehend, dahinter Hirte (Ordes) mit Pedum über der Schulter
nach re stehend, nach vorne gebeugt; li ein Baum, der sich mit beblätterten
Zweigen bis über den Pferderücken zieht
Ref.: Bellinger A284; BMC 95
fast SS

Die Mythologie zur ersten Münze hat mir einige Schwierigkeiten bereitet. Als Literaturzitat wird in der Regel Ilias I, 39 angegeben. Aber wenn man dort nachliest, findet man zu den dargestellten Szenen rein gar nichts! Sie spielen nämlich a) vor dem Trojanischen Krieg und b) nach dem Trojanischen Krieg und sind enthalten in einer ziemlich unbekannten lokalen Legende. Gefunden habe ich die Erklärungen dann bei Peter Weiß, dessen Ausführungen ich hier weitgehend übernehme:

Während Homers Ilias I, 39 die berühmte Anrufung des Pestapollon Smintheus durch den Priester Chryses bringt (siehe dazu den Beitrag über Apollo Smintheus in diesem Thread http://www.numismatikforum.de/ftopic11926.html ), wird die hier gesuchte Kultlegende überliefert in einem Scholion (A) zu Ilias. I, 39. Dort wird Polemon von Ilion als Gewährsmann zitiert, ein um 200 v.Chr. wirkender Perieget; die Passage stammt wohl aus der durch die Suda bezeugten Periegesis Iliou (3 Bücher). Unter dem Lemma 'Smintheu' findet sich folgendes:
Beiname des Apollon. Sminthos ist nämlich ein Ort in der Troas, in dem es ein Heiligtum des Apollon Smintheus gibt, aus folgendem Grund: In Chryse, einer Stadt Mysiens, war ein gewisser Krinis Priester des dortigen Apollon. Gegen ihn erzürnt sandte der Gott Mäuse auf seine Felder, die die Feldfrucht vernichteten. Als sich dann der Gott mit ihm versöhnen wollte, begab er sich zu Ordes, seinem Oberhirten (archiboukolos), wurde gastlich von ihm aufgenommen und versprach Befreiung von dem Übel, und er vernichtete auf der Stelle die Mäuse mit seinem Bogen. Beim Scheiden nun befahl er, seine Epiphanie dem Krinis mitzuteilen. Nachdem das geschehen war, errichtete Krinis dem Gott ein Heiligtum und gab ihm den Beinamen Smintheus; denn in der einheimischen Sprache heißen die Mäuse 'sminthoi'. Diese Geschichte findet sich bei Polemon.

Die Darstellung auf der ersten Münze:
Wir sehen links unten eine angedeutete Grotte, in der das Kultbild des Smintheus liegt und auf der der Gott selbst (in gleicher Ikonographie) nach re steht. Davor größer - im Zentrum der Darstellung - ein Hirte mit geschultertem Pedum in bewegter, offenbar erschrockener Haltung, die Rechte erhoben (eine Geste, die Überraschung oder Verehrung ausdrücken kann), hinter ihm ein sich aufbäumendes, erschreckt fliehendes Rind mit umgewandtem Kopf. Der Priester Krinis muß wohl im Besitz einer größeren Rinderherde gewesen sein. Erklärlich wird das dann, wenn man annimmt, daß es die Rinder des Gottes waren.
Imhoof-Blumer ging ausführlicher auf die Szene ein und setzte damit eine Diskussion in Bewegung. Er brachte zweifelnd das Ilias-Scholion ins Spiel (lehnte einen Bezug dazu aber ab) und erkannte, daß ein verborgenes Kultbild in einer Grotte dargestellt ist; es sei wohl, wie er in einem Nachtrag ergänzte, irgendwann später (in historischer Zeit) wiederaufgefunden worden. G.F.Hill nahm dieses Bild - angeregt von W. Leaf - zum Ausgangspunkt seiner Studie und verband es mit der Geschichte vom Hirten Ordes; Leaf selbst schloß sich ihm in seiner Monographie zur Troas an: "This enables us to complete the legend; the figure above the cavern is of course Apollo himself appearing to Ordes, and the actual cult-statue of the god as he appeared was afterwards found on the actual spot of his epiphania." Diese Deutung ist akzeptiert und sehr plausibel. Es wären dann aber zwei Vorgänge in einem Bild zusammengefaßt worden: die Epiphanie, die dann - will man nicht zwei Epiphanien annehmen - sicher identisch ist mit dem Sich-Offenbaren, der epiphania, dem Ordes gegenüber bei Polemon bzw. im Scholion, als der Gott schied, und die - spätere - Auffindung des Kultbildes, vermutlich ebenfalls durch den Hirten (von der in dem verkürzten Referat aus Polemon nichts steht, von der dieser aber ohne weiteres berichtet haben kann; im Scholion ist nur kursorisch von der Gründung des Kults durch den Priester Krinis die Rede).

Die Darstellung auf der zweiten Münze:
Ein Hirte kommt bekanntlich noch ein weiteres Mal auf den Münzen der Kolonie vor - er ist Bestandteil eines der häufigsten Münzbilder der Stadt überhaupt. Es tritt in der Kaiserzeit häufig zu dem alten Parasemon des hellenistischen Alexandreia, dem weidenden Pferd, das wiederum bereits "Wappen" der im Synoikismos inkorporierten Polis Neandria gewesen ist. In der Kaiserzeit - wieder bereits seit Commodus - wird dieses Pferd oft von einem Hirten mit Pedum begleitet. Man hat ihn deshalb schon lange mit dem Hirten auf den anderen Prägungen in Verbindung gebracht (W. Wroth, BMC Troas, so auch Hill, ohne irgendwelche Folgerungen), den Zusammenhang auch mit schwachen Argumenten bestritten. Aber man hat m.W. noch nie die naheliegende Frage gestellt, ob mit der Gruppenbildung konkrete mythologische Konnotationen verbunden waren. Zu dieser Annahme gibt es einigen Grund. Zum einen wird zu Pferd und Hirte häufig ein Baum gesetzt. Nach den Konventionen der kaiserzeitlichen Bildersprache muß damit annähernd sicher ein heiliger Bezirk angedeutet sein. Schon damit ist der Rahmen des bloßen Parasemon verlassen. Man hat ferner eine Auffälligkeit in der Haltung des Hirten nicht beachtet: Er beugt sich bei mehreren Darstellungen (und zwar gerade bei den besseren) deutlich nach vorne, als ob er durch das Pferd auf etwas aufmerksam geworden sei. Der Hirte war, wie wir gerade gesehen haben, anscheinend die Hauptfigur auch einer Auffindungsgeschichte im Rahmen der Kultlegende des Apollon Smintheus. Die Annahme liegt deshalb nahe, daß die Münzdarstellung mit Hirte und Pferd auf ein weiteres Detail dieser Auffindungsgeschichte zielen: Das Pferd hätte demnach - irgendwann nach der im anderen Bild dargestellten Epiphanie - den Hirten zur Auffindung des Kultbildes geführt, ein Topos, der in der Antike häufig vorkommt. Einige Darstellungen vermitteln den Eindruck, als solle vor dem Pferd eine Quelle oder ein Wasserlauf angedeutet werden. Auch hier ist zumindest erwähnenswert, daß Menander Rhetor sich den heiligen Hain des Apollo Smintheus inmitten von Bächen und Quellen vorstellt. Die hier zur Diskussion gestellte Vermutung trifft sich in einem zentralen Punkt mit einer Annahme von G.F.Hill. Auch er meinte, ein Tier sei der Führer gewesen, und er widmete den antiken Parallelen ein ganzes Kapitel - allerdings dachte er an das Rind neben dem Hirten bei der zuvor behandelten Darstelllung.

Wenn unsere Vermutungen zutreffen sollten, würde das zweierlei bedeuten. Die Vorstellung von der Geschichte des "alten", ersten Kultbilds des Smintheus geriete auf eine sehr ähnliche Ebene wie die des "vom Himmel gefallenen" Palladions von Ilion, der berühmtesten Stadt der Troas - auch das altertümliche Kultbild des Smintheus wäre in der Vorstellung nicht menschliches, sondern göttliches Werk gewesen. Einen Hinweis in dieser Richtung könnte tatsächlich noch einmal Menander Rhetor im Sminthiakos geben, wenn er etwas vage und neben anderem empfiehlt, bei der Behandlung des Kultbildes auch zu sagen "vielleicht ist dieses Kultbild auch vom Himmel gefallen; 445, 19)". Zum anderen hätte man irgendwann das alte Parasemon von Neandria und dann von Alexandreia, das mit der Kultlegende ursprünglich und sehr lange sicher nichts zu tun hatte, mit dieser amalgamiert. Das hieße, daß man in späterer Zeit das Bedürfnis hatte, nach einem Aition für das Parasemon zu suchen und eine Lösung dafür entwickelte. Die ursprünglich disparaten Elemente "Pferd" und "Hirte" waren dabei sachlich leicht zu verbinden; inhaltlich bot die Auffindungsgeschichte den offenbar am nächsten liegenden Lösungsansatz. In der Entwicklung der Kultlegende war das dann der inhaltlich und wohl auch zeitlich letzte Schritt. Daß er erst in der Kaiserzeit erfolgte, also lange nach Polemon und als Alexandreia bereits Kolonie war, ist durchaus möglich.

Anmerkungen:
- Aition: Begründung, Geschichte zur Begründung
- Epiphanie: das Erscheinen, besonders eines Gottes
- Parasemon: Zeichen, Abzeichen, z.B. auf griechischen Schiffen, um sie zu unterscheiden
- Pedum: Krummstab der Hirten, auch 'Lagobolon'
- Periegese (dazu Perieget): eine Art von Reisebeschreibung, der bekannteste Perieget war
später Pausanias
- Scholien: antike Kommentare zu antiken Autoren. Die Verfasser sind die Scholiasten
- Suda: das umfangreichste erhaltene byzantinische Lexikon, entstanden vermutlich um
970 n.Chr.
- Synoikismus: Zusammenlegung mehrerer Siedlungen zu einer Polis, z.B. Sparta

Quellen:
(1) Homer, Ilias
(2) Alfred R. Bellinger, Troy the Coins, Princeton University Press 1961 (Reprint 1979
Sanford J. Durst)
(3) Peter Weiß, Alexandria Troas: Griechische Traditionen und Mythen in einer römischen
Colonia, in 'Schwertheim, R. - Wiegartz, H. (Hrsg.), Die Troas - Neue Forschungen zu
Neandria und Alexandria Troas II, Asia Minor Studien 22, (1996) 157-173'
(4) G.F.Hill, Apollo and St.Michael: Some Analogies, in The Journal of Hellenic Studies,
vol.36, 1916, pp. 134-162'
(5) www.cngcoins.com
(6) Wikipedia

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Beitrag von Peter43 » Do 14.06.07 12:13

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Beitrag von Pscipio » Sa 16.06.07 21:30

Hallo Peter43,

ich sehe, Alexandria Troas hat es dir mittlerweile auch angetan, jedenfalls die mythologisch interessanten Münzen! Herzlichen Dank für deinen interessanten Beitrag!

Gruss, Lars
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von elenoxis » So 17.06.07 00:47

Hallo!

@Peter43, brauche noch Zeit, bis ich mit den gesammten Thread-Inhalt fertig bin, aber : DANKE für die Mühe!!!

Da kann ich viel neues lernen!

MfG

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Beitrag von Peter43 » Sa 23.06.07 00:14

Vielen Dank für eure Kommentare! Hier nun der neue Beitrag:

Hera Lakinia

Magna Graecia, Bruttium, Brettii, 214/213 - 211 v.Chr.
AR - Drachme, 21mm, 4.39g
geprägt während Hannibals Feldzug in Süditalien nach der Schlacht von Cannae
im 1. Punischen Krieg
Av.: Büste der Hera Lakinia, mit Schleier und Polos, über der li Schulter Zepter, n.r.; dahinter
eine Fliege
Rv.: Zeus, nackt, n.l., stehend, den re Fuß auf ein ionisches Kapitell gesetzt, in der li Hand
ein Zepter; vor ihm ein Adler n.l. fliegend, in seinen Krallen einen Kranz haltend
im re Feld BRETTIWN von oben nach unten
Ref.: SNG ANS 26; HN Italy 1970; Scheu 84; Arslan Stempel 28/33
SS, dunkle Tönung

Interessanterweise wird die Identität beider abgebildeten Gottheiten kontrovers diskutiert. Die Bevorzugung der Hera Lakinia auf der Vs., anstelle Ceres/Demeter, beruht auf der Existenz des Tempels zu ihren Ehren und der örtlichen Münze. Die Gottheit auf der Rs. erinnert mit ihrer Stellung an die klassische Ikonographie des Posidon, aber der Adler vor ihm läßt nur die Interpretation als Zeus zu.

Mythologie:
Lakinia ist ein Name der Hera, unter dem sie in der Nachbarschaft von Kroton verehrt wurde, wo sie ein reiches und berühmtes Heiligtum besaß. Aber ihre Verehrung war in ganz Magna Graecia verbreitet. Über die Herkunft des Namens gibt es verschiedene Meinungen: Der Mythologie nach war Lacinius ein Räuber, der sein Unwesen bei Tarent trieb. Als er dem Hercules einige von Geryons Rindern gestohlen hatte, erschlug dieser den Dieb. An der Stelle, wo er den Lacinius getötet hatte, baute Hercules den Termpel der Juno Lacinia (Strab. VI, 261 u. 281; Liv. XXIV, 3).
Oder es hat seinen Namen vom lakinischen Vorgebirge an der Ostküste von Bruttium, westlich am Eingang des Tarentinischen Meerbusens (heute Kap Nao), welches Thetis der Juno als Geschenk überreicht haben soll (Serv. ad Aen. III, 552).
Oder Lacinius soll ein König gewesen sein, der am lakinischen Vorgebirge herrschte. Als Herakles dort sein Vieh auf dem Weg nach Griechenland vorbeitrieb, konnte er Herakles zur Flucht treiben, indem er Hera zu Ehren einen Tempel baute, bei dessen Anblick Herakles in Ekel abzog. Sechs Meile weiter tötete Herakles versehentlich einen gewissen Kroton, den er mit großen Ehren begrub. Er prophezeite, daß sich in künftigen Zeiten dort eine Stadt erheben und seinen Namen tragen würde (Diodor. Sic. IV, 24; Ovid Metam. XV, 12ff.).
Dieser Tempel war später der jährliche Versammlungsort aller unteritalienischer Griechen. Von den Trümmern des Tempels und den Resten der Säulen erhielt das Vorgebirge im Mittelalter den Namen 'Capo delle Colonne'.

Trotz ihres Hasses auf die Karthager identifizierten die Römer ihre Juno mit Tanit, der punischen Göttin, als einen Aspekt ihrer Großen Göttin als Mutter und Schutzherrin der Geburt, als Lichtgöttin, die dabei hilft, die Kinder an den Tag zu bringen. Da Tanit auch eine Himmelsgöttin war, nannten die Römer sie Dea Caelestis, 'die Himmlische Göttin', oder Virgo Caelestis, 'die Himmlische Jungfrau'. Auf Münzen aus dem 4. und 3. Jh. v.Chr. wird sie manchmal dargestellt, wie sie auf einem Löwen reitet und einen Speer hält, im allgemeinen aber wird sie gezeigt mit einem Diadem oder einer Krone auf dem Kopf oder mit Getreideähren als Kranz ins Haar gebunden, hinter ihr die Mondsichel.

Einer römischen Legende nach soll Hannibal einmal versucht haben, den Tempel der Lakinia zu plündern. Dieser Tempel war sehr reich geschmückt und berühmt dafür, daß er eine Säule besaß, die vollständig aus Gold war. Um dies zu prüfen, ließ Hannibal ein Loch in die Säule bohren. Als er fand, daß sie tatsächlich aus Gold bestand, beschloß er, sie als Beute mitzunehmen. In der Nacht jedoch träumte er, daß die Göttin ihn davor warnte, ihren Tempel zu schänden, und daß sie ihm sonst sein noch verbliebenes Auge zerstören werde. Da erkannte Hannibal in Hera Lakinia die Göttin seiner Heimatstadt, Tanit, und ließ die Säule unbeschädigt im Tempel. Aus dem Gold, das er bereits herausgebohrt hatte, ließ er eine goldene Kuh gießen, die dann auf die Spitze der Säule gesetzt wurde.

Hannibal selbst hat dem Tempel der Hera Lakinia auch eine Stele mit einer bilingualen Inschrift in Punisch und Griechisch geweiht, in der die Geschichte seines Feldzugs festgehalten hatte, und die dann Polybius benutzte, um die Geschichte des Hannibalianischen Kriegs zu schreiben (Polyb. II, 33; cp. Liv. XXVIII, 46).

Eine weitere Sage handelt von Zeuxis, dem großen griechischen Maler, einem Schüler des Apollodor aus Athen 435-390 v.Chr. Er hatte die sog. Illusionsmalerei entwickelt, eine Malweise, die so naturalistisch gewesen sein soll, daß die Vögel heranflogen, um an den gemalten Weintrauben zu picken (Plin. Nat. 35, 64). Die Bewohner von Kroton, dem heutigen Crotone in Süditalien, beschlossen, den Tempel der Hera Lakinia mit Gemälden von besonderem Wert auszustatten. Für viel Geld beauftragten sie den angesehensten Maler der Zeit, Zeuxis aus Herakleia. Dieser wollte ein Bild von Helena, dem Inbegriff weiblicher Schönheit, malen. Dafür sollten die Krotoniaten ihm die schönsten Jungfrauen zeigen, aus denen er die fünf hübschesten auswählte. Er glaubte nämlich, nicht alles, was er zur Darstellung der Schönheit brauchte, an nur einem Körper antreffen zu können, weil die Natur kein Einzelwesen so geschaffen habe, dass es in all seinen Teilen vollkommen sei (Cicero, De Invenzione II,1).

Geschichte:
Die Bruttier waren ein italisches Volk lukanischer Herkunft, das am 'italienischen Stiefel' in Armut und Härte als Hirten, Köhler oder von Räubereien lebte. Sie sollen angeblich abstammen von Brettos, einem Sohn des Hercules und der Baletia, der Tochter des Sohns des Baletus, von dem die Stadt Brettium ihre Namen haben soll.
Die Bruttier kämpften mehrfach erfolgreich um ihre Freiheit und standen mit Pyrrhus gegen die Römer, die 278-272 sechsmal über sie triumphierten und ihnen Land abnahmen. 216 fielen sie zu Hannibal ab, von dessen Sieg sie sich ihre Freiheit erhofften und dessen letzte Zuflucht sie schließlich waren (Liv. 28, 12, 6). Sie wurden von den siegreichen Römern schwer bestraft, verschworen sich erneut und wurden endgültig unterworfen durch den Bau von Heeresstraßen, Kolonien und umfangreiche Versklavungen. Von den Römern wurden sie danach nie als Bundesgenossen behandelt oder als Soldaten ausgehoben.

Leider wrde der Tempel der Hera Lakinia zerstört und heute ist nur noch eine einzige Säule zu sehen, die das hinzugefügte Bild zeigt (Dank an Dapsul für die Berichtigung!).

Quellen:
Der kleine Pauly
Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon
Ovid, Metamorphosen
http://www.1911encyclopedia.org/Hera
http://de.wikipedia.org/wiki/Capo_Colonna
http://www.thaliatook.com/OGOD/tanit.html

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von Peter43 » Sa 23.06.07 00:17

Euthenia

Wieder einmal möchte ich die Münzfreunde teilnehmen lassen an den Recherchen zu einer Münze. Es ist diese hier:

Ägypten, Alexandria, Hadrian, 117-138 n.Chr.
AE - Drachme, 35.3g, 20.22g
Alexandria, 117/118 n.Chr. (Jahr 2)
Av.: AVT KAIC TRAIANOC ADRIANOC
Büste, drapiert, belorbeert, n.r.
Rv.: Euthenia, im Gewand der Isis (in Chiton und Peplos mit dem typischen Knoten vor der
Brust), auf dem Kopf die Uräuskrone und Getreide(?), n.l. liegend, stützt den li Arm auf
kleine Sphinx, die n.r. liegt, und hält in der erhobenen Rechten Getreideähren, Mohn und
Lotosblume(?).
im Feld LB (= Jahr 2)
Ref: Milne 844; BMC -
SS, braune Patina
Hadrianportrait ungewöhnlich, erinnert etwas an Caligula (darauf hatte mich Chinamul hingewiesen!)

Der typischer Gewandknoten vor der Brust ist der sog. Knoten der Isis, der Tit-Knoten. Dieser Knoten war ursprünglich eine speziell geknotete Gürtelschleife und stand in Beziehung zum religiösen Zeichen Ankh. Ankh, das berühmte Henkelkreuz, galt im alten Ägypten als Symbol für Wohlergehen und Leben. Der Knoten der Isis sieht aus wie ein Henkelkreuz, bei dem die beiden Henkel herabhängen.

Die dominierende Trias der ägyptische Götter während der römischen Zeit wurde gebildet von Serapis, Isis und Harpokrates. Die nächst wichtigen Götter scheinen Nilus und Euthenia gewesen zu sein, zumindestens insoweit die Prägungen von Alexandria berücksichtigt werden. Nilus war der Gott des Nils, von dem bekanntlich alles Leben in Ägypten abhing. Obwohl er in den Zeiten der Pharaonen unter dem Namen 'hapi' nur als eine geringere Gottheit betrachtet wurde, gelangte er während der römischen Zeit in Alexandria zu großer Bedeutung. Die Stempelschneider scheinen in der Darstellung dieses Gottes besonders frei gewesen zu sein und hatten ersichtlich große Freude daran, eine endlose Serie von Typen und Varietäten zu entwickeln. Er wurde häufig mit Osiris assimiliert und dieser wurde zu Serapis.

Euthenia selbst wurde erst sehr spät zum ägyptischen Pantheon hinzugefügt. Ursprünglich die Personifikation von 'Überfluß' und 'Fülle' und auf den offiziellen Münzen aus Rom als Abundantia dargestellt, wurde sie zu Zeiten der Ptolomäer zur Gefährtin des Nilus. Sie erreichte den Status einer wichtigen Göttin und wurde oft mit Isis assimiliert. Ihr erstes Auftreten in Alexandria hatte sie zur Zeit des Augstus. Sie stand in Beziehung zur Wichtigkeit Ägyptens als Getreidelieferant Roms, einem Handel der für beide Seiten wichtig war.

Nach der griechischen Mythologie scheint sie eine von einer Gruppe von vier jüngeren Grazien gewesen zu sein. Die anderen waren ihre Schwestern Eukleia (Ansehen), Eupheme (Beifall) und Philosophryne (Willkommen). Ihre Eltern sollen Hehaistos und Aglaia gewesen sein (Orphische Rhapsodien Fragm.).

Der ägyptischen Euthenia entspricht eigentlich die römischen Abundantia. Beide waren zuständig für die Getreideversorgung. Aber es gibt Unterschiede: Im Gegensatz zu Euthenia war Abundantia keine Göttin, sondern eine reine Personifikation. So besaß sie auch keine eigenen Tempel. Als abstrakte Idee besitzt sie daher auch keine eigene Mythologie!

Abundantia:

Severus Alexander, 222-235 n.Chr.
AR - Denar, 19.6mm, 3.22g
Rom, Ausgabe 10, 229 n.Chr.
Av.: IMP SEV ALE - XAND AVG
Büste, drapiert, belorbeert, n.r.
Rv.: ABVNDAN - TIA AVG
Abundantia, reich gekleidet, steht frontal, Kopf n.r., hält mit beiden Händen Cornucopiae
mit Öffnung nach unten und schüttet eine Menge Geldmünzen aus
Ref.: RIC V/2, 184(c); C.1; BMC 591
hervorragendes VZ (Revers!)
> Anlaß: Vielleicht spielt die Rs. an auf Geldgeschenke, die der Kaiser seinen Soldaten machte, bevor er in den Osten zog, um gegen die Parther zu kämpfen. Diese schritten unter der neuen Dynastie der Sassaniden in Asien zum Angriff gegen Rom.

Bild:
Es zeigt eine Marmorstatue der Euthenia aus der Zeit des Hadrian, 120-140 n.Chr., aus dem Griechisch-Römischen Museum in Alexandria. Euthenia liegt hier auf ihrer li Seite und trägt die Bekleidung der Isis. Ihr li Arm ruht auf einer liegenden Sphinx, dem Symbol Ägyptens. In der li Hand hält sie ein Gefäß für geweihtes Wasser und sie ist umringt von acht kleinen Kindern, die die halbe Ellenanzahl der Höhe der Nilschwelle repräsentieren, die benötigt wird, um eine genügend große Ernte zu gewährleisten.

(wird fortgesetzt)
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alexandria_hadrian_Milne844.jpg
severus_alexander_184c.jpg
Euthenia.jpg
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Beitrag von Peter43 » So 01.07.07 20:09

(Fortsetzung:)

Da ich die Münze der Euthenia insbesondere wegen der hübschen Spinx gekauft habe, nun noch einige Worte zur Sphinx.

Die ägyptische Sphinx:

Obwohl wir unter Sphinx in der Regel die Große Sphinx auf dem Plateau von Gizeh verstehen, gab es im alten Ägypten, wie auch in der übrigen antken Welt, eine ganze Reihe verschiedener Typen von Sphingen. Die Große Sphinx von Gizeh bewachte die Große Pyramide von Gizeh (Cheopsyramide) und wurde während des Feldzugs Napoleons in Ägypten wiederentdeckt. Sie war fast vollständig von Wüstensand bedeckt gewesen. Man nimmt an, daß der Kopf der großen Sphinx nach dem Pharaoh Chefren modelliert wurde. Ihr Körper ist der eines Löwen, und man nimmt an, daß sie um 2500 v.Chr. geschaffen wurde, gleichzeitig mit dem Bau der Cheopspyramide.

Man unterscheidet 3 verschiedene Typen der Sphinx:
(1) Die Androsphinx, das ist der typische Löwe mit Menschenkopf
(2) Die Kriosphinx, ein Löwe mit Widderkopf
(3) Die Hierakosphinx, ein Löwe mit dem Kopf eines Falken.

Die ägyptische Sphinx wurde nur selten weiblich dargestellt. Falls ja, symbolisierte sie Isis oder die regierende Königin. In Ägypten veredelten ihre geistigen Fähigkeiten die tierischen Eigenschaften im physischen Erscheinungsbild dieser Kreatur. In der griechischen Mythologie allerdings verzerrte die tierische Natur den Verstand und den Geist dieses Wesen und es wurde abgebildet als ein unglückliches Monster, ein Symbol der 'furchtbaren Mutter'. Dies Monster des Todes brachte Unglück und war eine Perversion von Verstand, Weiblichkeit und Macht. Die griechische Sphinx hatte den Oberkörper und den Kopf einer Frau, die Flügel eines Adlers, den Körper und die Füße eines Löwen und den Schwanz einer Schlange oder eines Drachen. Wie von vielen anderen mythologischen Tieren glaubten die Griechen auch von ihr, sie lebe in den äthiopischen Bergen.

Ursprung:
Die Sphinx kommt ursprünglich aus Ägypten und verbreitete sich von dort aus mit vielen Modifikationen über die ganze antike Welt. Ihr Name kommt vom ägyptischen ssp-'ng, was 'lebendes Abbild' bedeutet (nicht von griechisch 'sphingo' = 'erwürgen, erdrosseln', was man auch manchmal liest). Sie ist demnach das Abbild, mit dem die Ägypter das Wesen ihres Herrschers ausdrücken wollten.

Bedeutung:
Die ägyptische Androsphinx bewachte Pyramiden, Gräber und heilige Straßen. Die Phöniker und Syrer verknüpften die Sphinx mit ihrem Schutzgeist Lamassu und machten sie zu einem Symbol ihrer Herrschaft und zum Beschützer von Tempel und Palästen.

Symbol:
Die ägyptische Androsphinx ist ein Symbol für Überfluß, Macht, Weisheit, Mysterien, Rätseln, Wahrheit, Einheit und Geheimnissen. Manchmal wird ein Paar von Sphingen abgebildet zusammen mit dem Baum des Lebens als Symbol von Fruchtbarkeit und Empfängnis. Als Sonnensymbol wird die Sphinx oft assoziiert mit dem Sonnengott Ra, mit Horus und mit Harmakhis, dem Herrn der zwei Horizonte, die den Sonnenaufgang und den Sonnenuntergang repräsentieren, die Wiedergeburt und die Auferstehung.

Die Androsphinx trägt gewöhnlich das Gesicht des Pharaoh, der ihren Bau befohlen hat, und symbolisiert damit die göttliche Macht und die Weisheit, die er brauchte, um sein Volk zu regieren und zu schützen. Oft trägt der Königskopf das Königskopftuch, manchmal auch die Doppelkrone. Da ihre Gestalt aus menschlichen und tierischen Teilen besteht, symbolisiert die Sphinx üblicherweise die Einheit von Geist und Körper oder von intellektuellen, spirituellen und physischen Kräften. Falls sie aus vier verschiedenen Tieren zusammengesetzt ist, kann sie auch ein Symbol für die 4 Elemente sein - Erde, Wind, Feuer und Wasser. Die keltischen Druiden zählten eine vielbrüstige Sphinx zu ihren Fruchtbarkeits- und Müttersymbolen.

Als Herr der zwei Horizonte konnte die Doppelnatur der Androsphinx später die Doppelnatur Christus' repräsentieren, der sowohl menschlich als auch göttlich war. Wie auch viele andere Sonnensymbole wurde die Androsphinx auf oder neben frühchristliche Gräber gesetzt als ein Symbol des göttlichen Lichts der Welt.

Eine Sphinx zusammengesetzt aus einem menschlichen Oberkörper und Kopf, Adlerflügeln, dem Hinterkörper eines Bullen und dem Vorderteil eines Löwen wurde zum Symbol der biblischen Tetramorph und der 4 lebenden Kreaturen der Offenbarung (Hesek. 1:5-14; Offenb. 4:6-8). Andererseits repräsentieren diese auch die Cherubim, die 4 Evangelisten (Matthaeus, Markus, Lukas und Johannes) und ihre Evangelien, dann die 4 Könige der lebenden Welt - den Löwen als König des Dschungels, den Adler als König der Luft, den Bullen als König des festen Landes und den Mensch als Herrscher über die Schöpfung, und nach dem heiligen Hieronymus die Fleischwerdung Christus' (der Mensch), seine Passion (der Bulle), seine Auferstehung (der Löwe) und seine Himmelfahrt (der Adler)

Hinzugefügt habe ich das Bild von Androsphingen in der Sphingenallee des Luxortempels (Arnold, D., Lexikon der ägyptischen Baukunst, Düsseldorf 1994).

Quellen:
Der kleine Pauly
http://www.theoi.com/Daimon/Euthenia.html
http://www.coinsofromanegypt.org/html/l ... pter_I.htm
http://www.coinsofromanegypt.org/html/l ... tokens.htm
http://scholar.lib.vt.edu/ejournals/ElA ... enson.html
http://www.eternalegypt.org/EternalEgyp ... guage_id=1

Mit freundlichem Gruß
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Androsphinx_1.jpg
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Beitrag von Peter43 » So 01.07.07 20:13

Der Nil

Wie schon angedroht, der nächste Beitrag zum Thema Römisch-Ägyptische Mythologie. Anlaß für diesen Artikel war die folgende Münze, insbesondere die Bedeutung des IS im oberen Feld der Rückseite, die mich einfach fasziniert hat.

Münze:

Ägypten, Alexandria, Hadrian, 117-138 n.Chr.
AE - Drachme, 35.4mm, 26.43g
Alexandria, 117/118 n.Chr. (Jahr 29
Av.: AVT KAI - TRAI ADRIA CEB
Büste, drapiert und cürassiert, von hinten gesehen, belorbeert, n.r.
Rv.: Der Flußgott Nilus, bärtig und belorbeert, nackt bis zur Hüfte, n.l. liegend, stützt den li
Arm auf ein Nilpferd, , das n.r. steht, hält in der ausgestreckten rechten ein Cornucopiae
[, aus dem sich ein Genius erhebt und auf die Zahl IS deutet;] und im li Arm ein
Schilfbündel.
im Abschnitt LDWDEK (=Jahr 12)
im Feld oben IS
Ref.: Milne 1267-1278; Dattari 1805; Köln 993; Emmet 1015
fast SS, blaugrüne Patina
IS =16 [Ellen] war das Maß der idealen Nilschwelle. Das S ist ein Digamma, was man nachlesen kann im Beitrag 'Stigma oder Digamma' im Thread 'Historische Fehler bei Münzbeschreibungen'.
Unter Elle versteht man jede Längeneinheit, die auf der Länge des Unterarms basiert vom Ellbogen bis zur Spitze des Mittelfingers. Sie kann zwischen 45 und 53cm schwanken. Die ägyptische Königselle (meh nesut) betrug 52.3cm (mit einer Abweichung von unter 5mm über alle Zeiten!).

Mythologie:

Die dominierende Trias der ägyptische Götter während der römischen Zeit wurde gebildet von Serapis, Isis und Harpokrates. Die nächst wichtigen Götter scheinen Nilus und Euthenia gewesen zu sein, zumindestens insoweit die Prägungen von Alexandria berücksichtigt werden. Nilus war der Gott des Nils, von dem bekanntlich alles Leben in Ägypten abhing. Obwohl er in den Zeiten der Pharaonen unter dem Namen 'hapi' nur als eine geringere Gottheit betrachtet wurde, gelangte er während der römischen Zeit in Alexandria zu großer Bedeutung. Die Stempelschneider scheinen in der Darstellung dieses Gottes besonders frei gewesen zu sein und hatten ersichtlich große Freude daran, eine endlose Serie von Typen und Varietäten zu entwickeln. Er wurde häufig mit Osiris assimiliert und dieser wurde zu Serapis.

Obwohl Nilus den bedeutenden Fluß Nil verkörperte, spielte er in der griechischen Mythologie keine große Rolle. Nach Hesiod (Theog.338 ) war er der Sohn des Okeanos und der Thetis. Er hatte mehrere Kinder, u.a. Memphis, die Mutter von Libya, die dann Mutter des Ägypters Belos und von Agenor wurde. Unter seinen anderen Kindern waren Chione, Anippe, Kaliadne und Polyxo.

Die Fruchtbarkeit des schmalen Landstreifens im Niltal hängt ausschließlich vom Nil ab, der jedes Jahr seine Ufer übersteigt und frische, fruchtbare Erde von den Bergen bringt. Seinen Tiefstand hat er zwischen April und Juni, der Winterzeit. Genährt vom schmelzenden Schnee der abessinischen Berge und von den äquatorialen Seen, die sich während der Regenzeit füllen, wird der langsame Anstieg des Flusses merkbar ungefähr Mitte Juni. Das Wasser hat zuerst eine rötliche Farbe wegen des Lehms, das es mit sich trägt. Dann wird es für eine kurze Zeit grünlich und ungesund. Bevor diese Veränderung stattfand, holten sich die alten Ägypter das Wasser für ihren persönlichen Bedarf in großen Gefäßen. Anfang August steigt der Nil sehr hoch. Dann wurden in alten Zeiten die Kanäle geöffnet, sodaß das Wasser die Felder fruchtbar machen konnte. Wenn das Wasser stieg, führten die Bauern ihre Herden und das Kleinvieh vom tiefen Land hinweg, und wenn ein plötzlicher Wassereinbruch durch einen Deichbruch oder einen plötzlichen Wasseranstieg die Felder und Weiden überflutete, eilten sie zu dieser Stelle, zu Fuß oder im Boot, um ihre Tiere zu retten und sie auf noch höheres Land zu bringen. Und obwohl viele hofften, daß das Wasser nicht die alte Höhe erreichen würde, habe die, die schon lange im Land lebten, oft die Dörfer im Delta stehen sehen wie Inseln in der Ägäischen See, wie Herodot es beschrieben hat.

Nach Plinius hat die benötigte Flut eine Höhe von 16 Ellen, bei nur 12 Ellen leidet das Land unter Hunger, bei 13 fühlt es immer noch einen Mangel, 14 Ellen machen Freude, bei 15 Ellen verschwinden alle Ängste, während 16 großes Entzücken verursachen; der höchste bisher gesehene Anstieg habe 18 Ellen betragen, der niedrigste nur 5. Wenn der Fluß aber in den Tagen der Pharaonen zu hoch stieg, geriet das Leben und der Besitz der Bewohner in große Gefahr. In einigen Dörfern stürzten die Häuser zusammen, die ja nur aus ungebrannten Lehmziegeln bestanden. Daraus entstand die Legende, daß der Sonnengott Ra seine Feinde unter den Menschen zu töten versuchte.

Die Flut hatte ihren Höhepunkt Ende September und blieb auf diesem Stand ungefähr einen Monat. Danach begann der Fluß wieder zu sinken und nahm seine alten Maße wieder an. November war dann der Monat für die Saat und die Ernte wurde in Oberägypten im März und in Unterägypten im April eingebracht. Die Bauern in der Antike glaubten, daß die Flut durch die Tränen der Isis, die sie um Osiris weinte, entstehe. Wenn der Sirius Mitte Juli vor Eintritt der Dämmerung am Himmel aufging, wurde er mit der Göttin identifiziert. Im Sonnenkult galt dieser Stern als Hathor, 'das Auge des Ra', der käme, um die Menschheit zu töten. Es gibt Beweise dafür, daß dem Sonnengott deswegen Menschenopfer gebracht worden waren.

Hintergrund:
Homer nannte den Nil nach dem alten Namen der alten Hauptstadt Memphis ebenso wie das Land Aigyptos. Die Ägypter verehrten ihn als Bringer der Fruchtbarkeit, so bei Silsile in Oberägypten und besonders in Babylon, dem heutigen Altkairo. Dort nahm man die unterägyptische Nilquelle an, während die oberägyptische in Elephantine gesucht wurde (Herodot 2, 28, und zwar zwischen den Felsen Krwphi und Mwri). Die Überschwemmungen maß man an der Südspitze der Insel Rhoda bei Kairo; im Alten Reich, aus dem uns z.T. die Nilhöhen durch den Annalenstein erhalten sind, sind 4 Ellen die normale Höhe der Überschwemmung, in hellenistischer Zeit waren es 16 Ellen, was nicht einen Anstieg der Nilschwelle bedeutet, sondern auf eine Veränderung des Pegels hinweist.

Im Grunde aber waren die Nilquellen den Alten nicht bekannt. Ich erinnere nur an den berühmten 4-Flüsse-Brunnen von Bernini auf der Piazza Navona in Rom. Dort verhüllt der Nil aus diesem Grunde sein Haupt (Obwohl es auch das Bonmot gibt, er täte dies nur, um die gegenüberstehende Kirche Sant'Agnese in Agone von Borromini nicht sehen zu müssen!). Bei Ovid findet sich diese Stelle über den Nil: 'Als Phaeton den Sonnenwagen lenkte, kam er der Erde zu nahe. Da floh der Nil aus Angst bis ans Ende der Welt und seitdem ist sein Haupt verborgen; seine sieben Münder aber klafften im Staub, sieben Täler waren ohne Wasser' (Ovid, Metam. 2.254).
Die wirklichern Nilquellen wurden erst im 19.Jh. entdeckt. Die spannende Geschichte ihrer Entdeckung - insbesondere des Streits zwischen Burton (dem wir u.a. auch die Geschichten von Tausend-und-einer Nacht verdanken') und seines Kontrahenten Speke - kann man im Internet nachlesen.

Das Nilpferd
Noch einige Worte zum Nilpferd, Hippopotamus amphibius L. Dies war den Alten vornehmlich vom Nil her bekannt (daher sein Name!), aber auch aus Palästina. In westafrikanischen Flüssen (dem Senegal?, dem Gambia?) gab es wahrscheinlich die kleinere Art Hippopotamus liberiensis Mort. Sein Vorkommen im Indus wird zwar von Onesikritos behauptet, aber von Strabo 14, 706 bestritten, wird auch von Pausanias 4, 34, 3 nicht angenommen. Das Nilpferd war bereits im späten Altertum in Ägypten weitgehend ausgerottet und ist seitdem dort nicht wieder heimisch geworden. Nach Rom wurde es oft zu Tierkämpfen (besonders gegen Krokodile) gebracht und später gehörte das exotische Riesentier auch zu den kaiserlichen Bestiarien.

Kunstgeschichte:
Angefügt habe ich das Bild der berühmten Plastik des Nils im Vatikan (Photographie von 1892, Eigenbesitz)
Die Statue des Nils aus dem Vatikan, selbst eine Kopie einer hellenistischen Statue, hat ihren Ursprung wahrscheinlich in Alexandria. Entdeckt wurde sie im frühen 16.Jh. bei Ausgrabungen des Altars der Isis und des Serapis nahe der Kirche Santa Maria sopra Minerva in Rom. Plinius der Ältere beschreibt eine ähnliche Skulptur aus dem Alten Ägypten in seiner Naturgeschichte (36.58 ). Darin erklärt er, daß die kleinen Kinder, die den Flußgott umgeben die ideale Fluthöhe von 16 Ellen repräsentieren, zu der der Nil jährlich anschwellen muß, um die Fruchtbarkeit von Unterägypten zu sichern. Jedes Kind sei eine Elle hoch gewesen. Das 16., das wichtigste, die Fruchtbarkeit bringend, käme dabei oben aus dem Cornucopiae! Leider ist diese Plastik in der Renaissance massiv überarbeitet worden!

Quellen:
Der kleine Pauly
Wikipedia
Wilkinson, Ancient Egypt
http://www.sacred-texts.com/egy/eml/eml05.htm
http://www.gosahara.de/Forschung/rchtsforsch.html

Mit freundlichem Gruß
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alexandria_hadrian_Milne1267.jpg
Nil_Vatikan_1892.jpg
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Beitrag von Peter43 » Sa 07.07.07 00:01

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Beitrag von chinamul » Sa 07.07.07 10:47

Dies ist meine einzige Münze aus Alexandria, auf der der lagernde Nilus von Knaben umgeben ist, allerdings nicht von sechzehn, denn die hätten auf der Münze kaum alle Platz gehabt.

SEVERUS ALEXANDER 222 – 235
BI Tetradrachme Alexandria 222/223 (Jahr 2)
Av.: A KAI MAP AYP CЄYHP AΛЄΞANΔPOC ЄYCЄB - Belorbeerte, geharnischte und drapierte Büste rechts
Rv.: Nilus nach links gewandt lagernd; Kopf nach rechts; in der Rechten Schilfhalm, in der Linken Füllhorn, aus dem heraus ein kleiner Genius ihm einen Kranz entgegenhält; drei weitere kleine Genien am Unterschenkel des angewinkelten rechten Beines emporkletternd
Im Abschnitt: L B (= Jahr 2)
Geißen 2411; BMC 1672; Milne 2895 (13,07 g)

Gruß

chinamul
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sev alex nilus b.jpg
sev alex nilus a.jpg
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit

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