Schaukasten: Brandenburg / Preußen

Diskussionen rund um Medaillen, Medailleure, Jetons, Rechenpfennige

Moderator: Lutz12

Erst Ludwig
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Re: Schaukasten: Brandenburg-Preußen

Beitrag von Erst Ludwig » Sa 10.10.20 13:58

Albrecht, Markgraf von Brandenburg, Kardinal, Kurfürst,Erzbischof von Mainz und Magdeburg, Administrator von Halberstadt, Erzkanzler des Reiches
Silbermedaille 1535 von Hans Rheinhard, sign. HR
Vs.Brustbild nach rechts mit Barett und Ornat
Rs.Kardinalshut, darunter das Wappen Albrechts mit den kirchlichen Insignien.
56 mm, 81 gr.
Brockmann 11, ex. Menadier 13, ex. Kabinett Berlin
Sammlung Heerdt, Rosenberg 77/230
Sammlung Belli 899
Eichelmann: Betrachtungen zu einer Medaille des Kardinals Albrecht von Brandenburg
IMG_2158.jpg
IMG_2054.JPG
IMG_2054.JPG (52.2 KiB) 1329 mal betrachtet
IMG_2050.JPG
Geboren am 28.Juni 1490 in Cölln/Berlin, gestorben am 24. September 1545 in Mainz.
Im Alter von 16 Jahren trat Albrecht in den geistlichen Stand und 1513 wurde er vom Magdeburger Domkapitel zum Erzbischof gewählt.
Da das Erzbistum Magdeburg die Paliengelder für die Kurie in Rom nicht aufbringen konnte, erklärte sich Albrecht dazu bereit, alle Kosten persönlich zu übernehmen. Das Geld dazu lieh er sich von den Fuggern und tilgte es durch den Ablasshandel, der Auslöser der Reformation.
Albrecht war ein Meister de Selbstdarstellung. Er liebte es, sich selbst zu verherrlichen. Diese Eigenschaft und seine Vorliebe, Bildnisse in verschiedener Form zu verschenken, machten ihn zu einem Kunstmäzen und Auftraggeber von Schaumünzen/Medaillen.
Das Schwert in Albrechts Wappen steht für die weltliche Macht des Kardinals als Gerichtsherr, der Hirtenstab für seine geistliche.
Schildhalter sind die heilige Magdalena und der heilige Mauritius.
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Re: Schaukasten: Brandenburg-Preußen

Beitrag von mimach » Sa 10.10.20 15:16

Hallo Erst Ludwig,
Sehr schöne Medaille. Das Bildnis ist ein tolles Renaissanceportrait vom Stein des Anstoßes der lutherischen Thesen.
Ist die Medaille beschichtet, z.B. vergoldet?

Grüße,
Christian
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Erst Ludwig
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Re: Schaukasten: Brandenburg-Preußen

Beitrag von Erst Ludwig » Sa 10.10.20 18:07

Das Stück ist auf der Wappenseite teilvergoldet. Auffallend und sehr ungewöhnlich ist jedoch ein anderer Umstand, der für Medaillen aus der Zeit möglicherweise einzig dasteht.
Der Rand ist folgendermaßen punziert:
IMG_2166.JPG
IMG_2164 (2).JPG
Es handelt sich um einen sog. Tremulierstich, ein Beschauzeichen (Mainzer Rad) sowie die Signatur HR für Hans Rheinhard.
Seit in der Antike aus Siber Geld geprägt wurde und der Staat zum Garanten für dessen Feingehalt wurde, war es notwendig, Verfahren zu entwickeln um den Feingehalt zu überprüfen. Dies geschah u.a. durch die Methode des Kuppelierens indem mit einer Graviernadel eine geringe Menge Probematerial aus dem zu prüfendem Gegenstand entnommen wurde (Tremulierstich).
Durchgeführt und " bestätigt " wurde dies von den sog. Beschaumeistern, von der Gold und Silberschmeidezunft ernannten Prüfern die meistens auch das Amt des Wardeins innehatten, mit Ihrem individuellem (Beschau)zeichen. Es handelt sich also um eine amtliche Qualitäts und Echtheitsgarantie der Zeit, die für Silbergegenstände des täglichen Gebrauch`s später üblich wurde.
Vorliegendes Beschauzeichen, siehe u.a. Rosenberg Nr. 3324, Bösken und Scheffler ist für den Beschaumeister Lorenz Faust/Mainz nachgewiesen, der am 3 März 1524 von Kardinal Abrecht zum Wardein bestellt wurde. Damit ist diese Medaille nicht nur 1535 datiert sondern durch " Beschau" zu dieser Zeit auch geprüft und zeitlich authentisch. Übrigens das erste überhaupt geführte Mainzer Beschauzeichen und z.Zt. im Original nur noch an vorliegendem Objekt nachweißbar
Viele Medaillen der Zeit der Renaissance wurden in späteren Jahrhunderten mit der ursprünglichen Vorlage nachgeprägt/gegossen und sind bis auf wenige Ausnahmen keine Originale. Nur sehr wenige Beschreibungen auch in Katalogen großer und namhafter Auktionshäuser sind diesbezüglich korrekt.

Bis heute konnte kein Auktionshaus noch die befragten großen Münzkabinette gleiche oder ähnliche Punzen/Beschauzeichen auf Medaillen dieser Zeit nachweisen.
Sollte ein Leser hier weitere Standorte solch gepunzter Medaillen kennen, wäre ich dankbar über eine PN.

Zu weiteren Details verweise ich auf die Arbeit von Herrn Dr. Wolfgang Eichelmann
Zuletzt geändert von Erst Ludwig am Mo 05.04.21 14:33, insgesamt 2-mal geändert.
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Medaille von Kullrich - Auf den triumphalen Einzug des Kaisers und des Heeres in Berlin 1871

Beitrag von mimach » Sa 10.10.20 23:15

Zu der Reichsgründung im Jahr 1871 gibt es viele Medaillen. Die nachfolgende wurde von Friedrich Kullrich nach den Entwürfen von A. Wolff und R. Siemering gestaltet.
Kullrich thematisiert den Festeinzug des Kaisers*** mit dem Herr nach Berlin am 16. Juni 1671. https://www.gibs.info/index.php?id=680
Vorangegangen war der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 der zur deutschen Reichsgründung führte. (Siehe Proklamierung des deutschen Kaisserreiches https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Prokl ... nuar_1871).

Das gezeigte Exemplar ist aus Zinn und wiegt stattliche 316g und hat einen Durchmesser von 85,90mm.

Medaille - Kullrich - Auf den triumphalen Einzug des Kaisers und des Heeres in Berlin 1871 - Sommer K 72 in Zinn - AV.jpg
Medaille - Kullrich - Auf den triumphalen Einzug des Kaisers und des Heeres in Berlin 1871 - Sommer K 72 in Zinn - RV.jpg
Sommer Nr. K 72 (Klaus Sommer - Band 2 - Die Medailen der königlich-preußischen Hof-Medailleure Christoph Carl Pfeuffer und Friedrich Wilhelm Kullrich)



Gestaltung:
Die Vorderseite zeigt das Brustbild des Kaisers in Uniform, nach rechts blickend. Im Abschnitt die Signatur des Medailleurs „W.KULLRICH F.“
Die Rückseite zeigt die thronende Germania mit Alsatia (Elsass) und Lothringia (Lothringen). Darüber im Bogenschrift „BERLIN 16 JUNI 1871“.
Signaturen auf der Hohlkehle „ R.SIEMERING INV.“ und „W.KULLRICH FEC.“
Signatur unter der Gruppe: „A.WOLFF INV.“

Das Reliefband wird von Sommer pauschal wie folgt beschreiben: …das marschierende Soldaten und Zivilpersonen zeigt.

Im Detail finde ich dieses Reliefband aber viel interessanter. Es zeigt Zivilpersonen und Soldaten die zum Krieg gerufen werden, sich verabschieden und vorbereiten.


Die Details des Reliefbands im Uhrzeigersinn:


12 Uhr - Herold ruft* zum Krieg (*edit vom 12.10.2020)
Medaille - F.W. Kullrich - Einzug des Kaisers und Königs Wilhelm I. ... Sommer K 72 - 12 Uhr Borussia bläßt zum Krieg.jpg

01 Uhr – Marschierende Soldaten.
Medaille - F.W. Kullrich - Einzug des Kaisers und Königs Wilhelm I. ... Sommer K 72 - 01 Uhr marschierende Soldaten.jpg


02 Uhr - Abschied der Familie – Mädchen klammert an Vaters Bein, Vater küsst Kleinkind.
Medaille - F.W. Kullrich - Einzug des Kaisers und Königs Wilhelm I. ... Sommer K 72 - 02 Uhr Abschied mit Familie.jpg

2.30 Uhr - Offizier gürtet Schwert, Tabakspfeife an der Wand, Bücher und Helm auf dem Tisch.
Medaille - F.W. Kullrich - Einzug des Kaisers und Königs Wilhelm I. ... Sommer K 72 - 02.30 Uhr Abschied vom Heim mit Tabakpfeife.jpg

3 Uhr – In der Schmiede bereitet sich ein Soldat vor. Amboss mit Werkzeug und Esse im Hintergrund.
Medaille - F.W. Kullrich - Einzug des Kaisers und Königs Wilhelm I. ... Sommer K 72 - 03 Uhr in der Schmiede.jpg

04 Uhr – Liebespaar/Verlobte verabschiedet sich voneinander. Kavelleriepferd.
Medaille - F.W. Kullrich - Einzug des Kaisers und Königs Wilhelm I. ... Sommer K 72 - 04 Uhr Abschied Liebespaar und Pferd.jpg


***Wilhelm I. seit 1861 preußischer König. Im Januar 1871 nach dem Deutsch-Französischen Krieg im Schloss von Versailles zum Deutschen Kaiser ausgerufen. Die Politik des neuen Deutschen Reiches wurde durch seinen Kanzler Otto von Bismark gelenkt.
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Re: Medaille von Kullrich - Auf den triumphalen Einzug des Kaisers und des Heeres in Berlin 1871

Beitrag von mimach » Sa 10.10.20 23:18

05 Uhr – Pfarrer segnet jungen Mann. Dieser bereits zum Gehen abgewandt.
Medaille - F.W. Kullrich - Einzug des Kaisers und Königs Wilhelm I. ... Sommer K 72 - 05 Uhr Seegen.jpg


06 bis 08 Uhr – Älteres Paar verabschiedet sich. Ein Offizier übergibt einem jungen Bauern das Marschbuch. Hund beißt den Offizier in den Stiefel.
Medaille - F.W. Kullrich - Einzug des Kaisers und Königs Wilhelm I. ... Sommer K 72 - 06 bis 08 Uhr Älteres Paar und Kuhhandel.jpg


09 Uhr – Veteranen studieren einen Anschlag an einer Mauer. Einer auf Schemel sitzend. Der andere auf Stock gestützt.
Medaille - F.W. Kullrich - Einzug des Kaisers und Königs Wilhelm I. ... Sommer K 72 - 09 Uhr Veteranen und Plakat vorlesen.jpg

10 Uhr – Paar verabschiedet sich. Die Frau hält schluchzend die Hand vor das Gesicht.
Junge winkt marschierenden Soldaten zu.
Medaille - F.W. Kullrich - Einzug des Kaisers und Königs Wilhelm I. ... Sommer K 72 - 10 Uhr Verabschiedung Paar und winkender Junge.jpg

11 Uhr – Marschierende und singende Soldaten
Medaille - F.W. Kullrich - Einzug des Kaisers und Königs Wilhelm I. ... Sommer K 72 - 11 Uhr marschierende Soldaten.jpg

Und zum Schluß noch ein Bild um den Maßstab zu zeigen:
Medaille - Kullrich - Auf den triumphalen Einzug des Kaisers und des Heeres in Berlin 1871 - Sommer K 72 in Zinn - RV mit Maßstab.jpg
Zuletzt geändert von mimach am So 11.10.20 16:34, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Schaukasten: Brandenburg-Preußen

Beitrag von Erst Ludwig » So 11.10.20 01:16

Hallo Christian
Eine herrlich detailreiche Medaille, die Du hier vorstellst und die neben der " großen Geschichte " viele kleine Geschichten zu erzählen vermag.
Meinen herzlichen Glückwunsch zu diesem Stück und besonders zu seiner/Deiner tollen Präsentation mit all Ihren Details.

Gruß
Erst Ludwig

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Re: Schaukasten: Brandenburg-Preußen

Beitrag von mimach » So 11.10.20 08:09

Hallo Erst Ludwig,
danke Dir!
Könntest du meine Fragezeichen bei dem Herold auf 12 Uhr helfen? Ist es vielleicht die Germania oder Borussia?

Gruß,
Christian
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Re: Schaukasten: Brandenburg-Preußen

Beitrag von Erst Ludwig » Mo 12.10.20 07:45

Nach meiner Meinung sollte es sich um die Figur des Herold handeln.

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Re: Schaukasten: Brandenburg-Preußen

Beitrag von mimach » Mo 12.10.20 21:51

Erst Ludwig hat geschrieben:
Di 06.10.20 23:42
Und gleich noch ein weiteres, geschichtlich hochbedeutendes Stück.

Silbernes Medaillon 1871 von Emil Weigand und Friedrich Wilhelm Kullrich
Sog. Generalsmedaille auf den Sieg über Frankreich
Vs. Kopf Wilhelms I. , umher ein Band mit den Namen der kommandierenden deutschen Generäle, des Reichskanzlers von Bismark und des Kriegs und Marineministers Roon
Rs. Germania sitzt auf einem Podest, in der rechten ein Schwert, die Linke auf einen Schild gestützt. Links die Siegesgöttin, die einen Kranz über Germania hält, rechts die stehende Friedensgöttin.
85 mm, 325,5 gr.
Sommer K 70/W 17
Hüsken 7.277.2
27189_20170324000_m.jpg
Hallo Erst Ludwig,
Danke dir, dass du diese großartige Medaille mit uns geteilt hast.
Wenn du mal die Möglichkeit hast ein Detailfoto der Vorderseite mit den Namen zu ergänzen, wäre das einfach Klasse.

Gruß Christian
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Re: Der Siegestaler

Beitrag von mimach » Sa 17.10.20 23:30

...zur Erinnerung an den "glorreichen Krieg gegen Frankreich".

Auch wenn der Begriff "Siegestaler" vorkommt und auch im Nominal als Taler gehandhabt wurde (immerhin wurden fast 900.000 Stück geprägt), handelt es sich von der Aufmachung und dem Werdegang durchaus auch um eine Medaille. Der Siegestaler reiht sich als Erinnerungsstück in die Reihe der hier bereits gezeigten Stücke (Generalsmedaille und der Medaille auf dem Triumpheinzug zu Berlin) anlässlich des Deutsch-Französichen Krieges 1870/71 ein.
Es ist unzweifelhaft eines der häufigste Stücke, das sich auch in Privathaushalten finden läßt, welche ansonsten wenig mit Numismatik anfangen können. Was meiner persönlichen Meinung nach für die ansprechende Gestaltung und den historischen Wert spricht.

Was spricht dafür, dass der Siegestaler von Klaus Sommer als Medaille Nr. W 16 aufgeführt wird:
♦ Die Jahreszahl auf dem Revers ist mit 1871 angegeben, doch die Ausprägung wurde von Kaiser Wilhelm I. am 11.04.1872 genehmigt. Die Jahreszahl soll somit an die Reichsgründung und den Sieg über Frankreich erinnern.
♦ Vorangegangen war ein Wettbewerb über die Gestaltung.
Die Vorderseite gewann Emil Weigand, die Rückseite Friedrich W. Kullrich. Beides bedeutende Medailleure des 19. Jahrhunderts.
Beide gestalteten auch Münzen, dafür gab es in der Regel keine Wettbewerbe, sondern diese wurden zum Abnicken der Direktion vorgelegt.
♦ Das Projekt stand unter der Leitung von Friedrich Drake. Drake war zu diesem Zeitpunkt bereits als Bildhauer weit über die Grenzen Deutschlands bekannt. Die heute noch bekannteste, von ihm gestaltete, Statue ist die Viktoria auf der Berliner Siegessäule, die auch als Teil der Erinnerungspolitik zur Entstehung des Deutschen Kaiserreiches im Jahr 1873 enthüllt wurde.

(Quellen:
Klaus Sommer - Band 3 - Emil Weigand - Sein Medaillenwerk, 1989, Seite 21
Wikipedia, Friedrich Drake https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Drake
Wikipedia, Definition Medaille https://de.wikipedia.org/wiki/Medaille)


Sommer W 16, in Silber, 33mm
Jaeger 99 (Band 9)

Vorderseite:
Kopf König Wilhelms I., nach rechts. Unter dem Abschnitt "A"
Umschrift: WILHELM KOENIG VON PREUSSEN
Medaille - Geldstück - Weigand - Siegestaler 1871 - AV -Pic.jpg
Rückseite:
Die sitzende Borussia. Bogenschrift: SIEGES THALER
Abschnitt 1871
(Man beachte, dass die Borussia mit gezogenem Schwert und Schild thront, also nach dem Siege weiterhin zum Kampf bereit ist.
In der politischen Außen- und Innenwirkung ein eindeutiges Bild.)
Medaille - Geldstück - Weigand - Siegestaler 1871 - RV - Pic.jpg
Rand: GOTT MIT UNS zwischen Verzierungen
Umschrift -pic.jpg
Zuletzt geändert von mimach am Mo 31.10.22 22:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Schaukasten: Brandenburg-Preußen

Beitrag von Erst Ludwig » Di 20.10.20 00:29

Dieser Siegestaler ist genau wie jene von Bayern, Sachsen und Württemberg ein typischer " Zwitter ".
Eigentlich eine (Volks)medaille zum Gedenken an den Sieg, aber geprägt in Größe und Gewicht eines Vereintalers der Zeit und demnach im normalem Geldumlauf auch entsprechend genutzt und aktzeptiert. Deswegen Sieges(taler).....................
Genaugenommen handelt es sch um ein numismatisches Objekt mit Medaillencharakter.
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mimach (Di 20.10.20 06:03)

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Medaille auf Otto Fürst von Bismarck, 85. Geburtstag

Beitrag von mimach » Mi 21.10.20 22:35

Otto Fürst von Bismarck (1815 bis 1898)
genannt: „Der Eiserne Kanzler“,
war einer der wichtigsten politischen Figuren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er gilt als Dirigent der preußischen und deutschen Außen- und Innenpolitik und war maßgeblich an der Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871 beteiligt.
(ausführlicher Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_von_Bismarck)

Bis in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde Bismarck in der breiten Gesellschaft stark verehrt. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges jedoch als Sinnbild für preußisch-deutschen Militarismus gesehen. Die Geschichtsschreibung des 21. Jahrhunderts relativiert die beiden gegensätzlichen Ansichten und stellt Bismarck als in den Zwängen und Gegebenheiten seiner Zeit eingebunden Politiker dar.
Medaille - Kunst - Otto von Bismark, 80. Geburtstag 1895 - Heidemann 35 in Silber - AV - Gesicht.jpg
Die hier gezeigte Medaille zu seinem 80. Geburtstag aus dem Jahr 1895 stammt von Adolf von Hildebrandt und gilt als ein Schlüsselwerk in der Wiederbelebung der Medaillenkunst in Deutschland von 1895 bis 1914.
(Quelle: Martin Heidemann - Medaillenkunst in Deutschland von 1895 bis 1914 - Die Kunstmedaillen in Deutschland Band 8, Hrsg. Wolfgang Steguweit – 1998)


Heidemann Nr. 35 „ Bismarck, Otto von, 80. Geburtstag, 1895
Medailleur: Adolf von Hildebrandt
Material: Silber, 30mm
Hersteller: Königliche Münze München
Medaille - Kunst - Otto von Bismark, 80. Geburtstag 1895 - Heidemann 35 in Silber - AV.jpg
Kopf Bismarcks mit Kürassierhelm innerhalb eines vertieften Runds im Profil, nach rechts;
signiert am Halsansatz: AH
Medaille - Kunst - Otto von Bismark, 80. Geburtstag 1895 - Heidemann 35 in Silber - RV.jpg
Ein das Feld ausfüllender Eichbaum mit einer Krone aus vier sich kreuzenden Ästen und zwei Eicheln, Aufschrift zu beiden Seiten des Stammes: BISM – ARCK;
Umschrift unten herum: I.APRIL MDCCCXCV



Zusammen mit vielen anderen Medaillen auf Bismarck (Heidemann führt in seinem Buch allein 14 Kunstmedaillen auf), ist diese ein wunderbares Beispiel für die Personenverehrung die bereits zu Lebzeiten und insbesondere auch nach seiner Entlassung aus dem Dienst durch Kaiser Wilhelm II. (1888-1918) im Jahr 1890 praktiziert wurde.

Bei der Beschäftigung mit dieser Medaille kam mir die Erinnerung an eine Buchserie des uckermärkischen Schriftsteller Ehm Welk*** ("Die Heiden von Kummerow"), in der auch die Verehrung um Bismarck auf charmante Art und Weise betrachtet wird.

Ich möchte hier ein Kapitel aus dem 3. Band der Serie vorstellen, in dem sich der ein sozialdemokratischer Landarbeiter und Handwerker an die Verehrung um Bismarck erinnert, nachdem dieser vom „neuen Kaiser“ entlassen wurde. Das Buch basiert auf den Tagebuchaufzeichnungen vom Autor des Vaters und ist somit aus zweiter Hand ein Zeitzeugnis:
Ehm Welk – „Die Lebensuhr des Gottlieb Grambauer, Bericht eines einfältigen Herzens“
Die Lebensuhr des Gottlieb Grambauer.1.jpg
Ziffer 10
Herrlichen Zeiten entgegen
(Seite 295 bis 303)

Ich habe über den Begebnissen in Kummerow vergessen zu berichten, daß inzwischen der alte Kaiser Wilhelm gestorben war und der Kaiser Friedrich auch. Nun hatten wir einen neuen. Der hatte das gesagt von den herrlichen Zeiten, zu denen er die Brandenburger führen wollte. Die Kummerower waren nun aber Pommern, wenn auch bloß welche von vier Kilometer hinter der uckermärkischen Grenze, aber sie nahmen es ihm doch übel, daß er sie demnach auf seinem Marsch in die herrlichen Zeiten nicht mitnehmen wollte. Es sollen sich ja auch die Schlesier und die Sachsen und die Hannoveraner aufgeregt haben, daß er sie zurücklassen wollte.
„Und wenn er auf seinem Marsch in die herrliche Zukunft in den Modder rutscht und steckenbleibt“, fragte Schulze Wendland, „wer muß dann kommen und ihn wieder auf festen Boden bringen? Die Pommern!“ Kantor Kannegießer nickte schwer mit dem Kopf, und wir sahen, daß er sich Gedanken machte. „Jaja“, sagte er dann auch, „wenn es man mit dem Modder abgeht. Da könnte es genügen, wir müßten lange Stiefel anziehen, um ihm zu helfen. Bloß ich befürchte, daß es nicht wieder so gut abgeht wie vergangenes Jahr und wir doch noch müssen das Gewehr nehmen.“ Mit dem, was im vergangenen Jahr gut abgegangen war, meinte Kantor Kannegießer, daß da ein neuer Krieg mit Frankreich bevorstand. Die Franzosen hatten von Anno siebzig her einen Dorn im Fleisch, das war der Verlust von Elsaß-Lothringen; und dann auch, weil sie glaubten, ein verlorener Krieg bedeute eine Schande, die müßte ausgewetzt werden, sonst könnten sie nicht leben. Dabei hatten sie für Elsaß-Lothringen und den Dritten Napoleon etwas viel Besseres gekriegt, nämlich eine Republik und ein mächtiges Kolonialreich. Aber nein, sie wollten durchaus Revanche haben. Können sie haben, schrien sie bei uns. Als sie es dann 1887 so weit gebracht hatten, daß sie auf beiden Seiten des Rheins die Uniformen anzogen und die Flinten luden…
Als nun Bismarck wegen des Musjeh Boulanger nicht den Küraß anzog, da soll der Prinz Wilhelm den ersten Krach mit dem alten Fürsten gemacht haben
. Er wollte nun mal ebenso wie die jungen Knechte von Kummerow seinen Krieg haben, denn Anno siebzig, da war er ja man erst elf Jahre alt gewesen. Ich muß es sagen, weil sie in den Geschichtsbüchern immer den alten Bismarck als einen Eisenfresser hinstellen, daß er jedenfalls damals in Kummerow und im übrigen Deutschland viele Freunde verloren hat, weil er durchaus kein Eisen fressen wollte. Sogar Schulze Wendland fürchtete, der Kanzler sei nun wohl schon zu alt geworden und habe die Traute verloren. Damals, da setzten nicht bloß die meisten Kummerower große Hoffnung auf den Prinzen Wilhelm. Laßt den man erst ran, sagten sie. Als er dann so rasch Kaiser geworden war und es bekannt wurde, daß er sich immer mehr mit Bismarck verzankte, wurde das bald anders. Er redete ihnen zuviel, und da sie das meiste nicht verstanden, kriegten sie es langsam mit der Unruhe. Da wurde ihnen Bismarck wieder so etwas wie ein Festungswall. Es war aber nicht so, daß nun alle Bauern ihn bloß als Kürassier ansahen, durchaus nicht. Da war nicht allein Kantor Kannegießer, der ihn benörgelte, weil er das mit dem Sozialistengesetz gemacht hatte und den Arbeitern in den großen Städten alle Rechte nehmen wollte, nein, da gab es auch Bauern, die sagten: „Wäre er man mehr Bauer und weniger Junker!“ Aber zuerst war er für alle eben doch der Mann, der endlich das Deutsche Reich geschaffen hatte. Ja, und dann hatten wohl alle langsam das Gefühl gekriegt: Solange als der Alte da ist, gibt es keinen Krieg!
Als nun der glitzernde junge Kaiser das gesagt hatte von den herrlichen Zeiten, zu denen er ausgerechnet die Brandenburger hinführen wollte, da redeten sie sehr viel darüber in Kummerow; und sich redeten sie in eine richtige Wut hinein, und wenn sie gekonnt hätten, dann hätten sie ihn abgesetzt.

Lange hielt es dennoch nicht vor mit der neuen Kaisertreue der Kummerower. Nämlich wir hatten eine neue Enttäuschung durch Wilhelm erfahren, und das war eine, gegen welche die Geschichte mit den Brandenburgern und ihren herrlichen Zeiten gar nichts gewesen war. Was jetzt die Kummerower aufbrachte, und es war gleich, ob sie im Kriegerverein oder im Gesangverein waren, sie hatten allesamt eine Wut auf Wilhelm: er hatte nun doch Bismarck sogar weggejagt! Ich hatte zwar von meiner Berliner Zeit her einen kleinen Pik auf Bismarck gehabt, nämlich weil er zuließ, daß es uns Handwerkern in seinem neuen Reich so dreckig ging, und Kantor Kannegießer war ihm immer etwas gram geblieben wegen des Gesetzes gegen die Sozialisten, denn unter den eingesperrten Roten waren zwei Freunde von Kantor Kannegießer gewesen, auch Lehrer, wenn auch bloß welche in der Stadt. Aber der Stolz auf das neue Deutsche

Damals nun, als der Kaiser Bismarck weggeschickt hatte und solchermaßen bewies, daß Bismarck außer Gott doch noch etwas auf Erden zu fürchten hatte, da hätten dem Grafen keine zwei Viertel Bier geholfen, um den Kummerowern eine bessere Meinung über Wilhelm beizubringen. Er gab die zwei Viertel auch gar nicht erst aus, er schimpfte nämlich selber aus Leibeskräften, denn er war Kürassier gewesen, wie Bismarck auch.

Auf meinem Pfeifenkopf war der neue Kaiser drauf, den hatte es damals gegeben, als er den Thron bestieg, und fast alles, was rauchte in Kummerow, hatte ihn sich angeschafft. Ich habe Wilhelm sofort kaltgestellt und mir in Randemünde einen Pfeifenkopf besorgt mit Bismarck drauf. Nachher mußte ich noch zwei Dutzend solcher Pfeifenköpfe nachbestellen. Sie wollten sich alle Bismarcken warmhalten und dem Kaiser zeigen, daß mit ihnen nicht zu spaßen sei.

***(Ehm Welk, bekannt durch den Roman „Die Heiden von Kummerow“, welcher auch populär verfilmt wurde.
Ehm Welk: https://de.wikipedia.org/wiki/Ehm_Welk
Über den Film: https://www.filmportal.de/film/die-heid ... db2fefecde
Der Film: https://www.youtube.com/watch?v=plXHeUb07z0 )

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Re: Schaukasten: Brandenburg-Preußen

Beitrag von ischbierra » Do 22.10.20 09:46

Dann schließe ich mich mit meiner Bismarck-Medaille gleich mal an. Geprägt wurde sie anläßlich des 70. Geburtstages 1885. Medailleur ist Schwenzer; sie wiegt 26,22 gr. bei einem Durchmesser von 38,1 mm. Literaturangabe (habe ich übernommen): Bennert 34
Dateianhänge
Bismark,70.Geb.+50.Dienstjub. 1885, Br.,Bennert 34 (1).JPG
Bismark,70.Geb.+50.Dienstjub. 1885, Br.,Bennert 34 (2).JPG
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mimach (Do 22.10.20 10:14) • Numis-Student (So 01.11.20 22:18)

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Überlegungen zu einer Medaille von Emil Weigand „Auf ein unbekanntes Paar“

Beitrag von mimach » So 01.11.20 21:33

Avers:
Darstellung eines Paares: Vorne Kopf eines Mannes, dahinter versetzt der einer Frau.
Im Abschnitt: E.W.
Medaille - Emil Weigand - Auf ein unbekanntes Paar - nicht katalogisiert - AV - PIC.jpg
Revers:
Lorbeerkranz. In der Mitte ein freies Feld für eine mögliche Signatur.
Medaille - Emil Weigand - Auf ein unbekanntes Paar - nicht katalogisiert - RV - PIC.jpg

Durchmesser: 21,13mm
Gewicht: 3,56g
Material: Bronze

Von der Machart handelt es sich um eine private Jubiläumsmedaille, wie sie unter anderem zu Hochzeitsfeiern, inklusive silberner oder goldener Hochzeiten in Auftrag gegeben wurde.

Die Medaille stammt von Emil Weigand. Er signierte seine Werke unter anderem mit E.W.

Diese Medaille ist bei Klaus Sommer „Emil Weigand - Sein Medaillenwerk“ nicht aufgeführt.
Auch gibt es keine Jahreszahlangabe auf dem Stück.
Der renommierte Händler und ausgesprochene Preußen- und Medaillenspezialist, von dem ich diese Kleinmedaille erstanden habe, konnte auch keine Zuordnung vornehmen. Er gab diesem Stück den Namen „Auf ein unbekanntes Paar“.
Die Identität des Paares oder des Jahrganges zu ermitteln war nicht nur für einen Laien, wie mich, unmöglich. Sollte also jemand mitlesen, der mehr Wissen über diese Medaille hat, so bitte ich dem geneigten Leser um Aufklärung.

Ich versuche mich hier dem Wesen dieser Medaille aus verschiedenen Richtungen anzunähern. Mein Ansatz als Amateur möge der kritische Spezialist bitte entschuldigen. Im Bestfall erhoffe ich mir Ergänzungen, Aufklärung und auch Kritik.

Als Quelle für die Werke von Emil Weigand diente mir hauptsächlich das bereits oben erwähnte Standartwerk von Klaus Sommer: Emil Weigand – Sein Medaillenwerk, 1989.

--------------------------------------------------------------------------
Überlegungen zur zeitlichen Einordnung

Die Identität des Paares aus der weiten Entfernung von anderthalb Jahrhunderten jemals zu ermitteln, scheint schlichtweg unmöglich. Es bleibt nur der Versuch sich der Medaille zeitlich zu nähern.

Folgende Punkte gilt es zu beleuchten:
A) Signatur
B) Mode
C) Darstellung von Standardelementen
D) Ähnliche Werke
E) Biografie des Künstlers
F) Machart


Signatur
Emil Weigand signierte seine Werke nach meiner Zählung mit:

E. Weigand F = 21x
E. Weigand Berlin = 1x
E.W. und Jahreszahl = 4x
E. W. = 8x
E.W.F. = 1x
E W und Jahreszahl = 1x
W = 11x
E. WEIGAND FEC.= 9x
E. WEIGAND SC. = 19x
WEIGAND SC.= 1x
E. Weigand A.U. FEC = 1x
WEIGAND = 2x
Weigand F. = 1x
F.E. WEIGAND SC = 1x

Die Häufung der Medaillen EW und E.W. mit dokumentierter Jahreszahl bei Sommer liegt zwischen den Jahren 1868 und 1880.

E.W. und Jahreszahl 68 69 71 71
E. W. 80 80 88 92
E W 72 76 78 81

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Signatur E.W. oder EW hauptsächlich auf kleinfallenden Medaillen oder auf den Rückseiten durch Weigand benutzt wurden.

Fazit: Die Signatur ist somit ein erster Ansatz, erscheint aber wenig geeignet für eine zwingende zeitliche Einordnung.


Mode: Frisuren
Ein weiterer Ansatzpunkt zur Eingrenzung sind die Frisuren des Paares.
Der Herr trägt seine Haare etwas lang und keinen Bart.
Die Dame die Friseur glatt gescheitelt.

In der sogenannten viktorianischen Zeit trugen verheiratete Frauen ihre Frisur zum geraden Teil gescheitelt und glatt gekämmt. Die Haare wurden hinten zu einem Knoten zusammengefasst. Diese Mode soll in den 1850er entstanden sein. Vorbild war die Frisur der Königin von England für Ihre Hochzeit.
In den 1860er kam die Mode auf, die Haare am Hinterkopf in Kaskaden von gekräuselten Locken zu tragen. Vorne immer noch glatt gescheitelt.
In den 1870er wurde die Frisuren deutlich komplexer und in den 1880er wurde ein Pony beliebt, begleitet von Frisuren mit leicht gewellten Haaren und einer Fülle von Locken und Zöpfen.
Fisuren Privatpersonen  - Medaille Weigand.jpg
Herren trugen in Preußen ab den 1840er keine Bärte. In Preußen gab es im Jahr 1846 ein Bartverbot für preußische Referendare und Postboten um sich von revolutionären Kräften (Revoluzzerbart) abzuheben. Zwischen 1845 und 1865 soll der Mann mehr oder weniger lange Haare getragen haben. Ab den 1860 wurden die Haare wieder kurz getragen und das Gesicht zierte wieder ein Bart oder Schnurbart.

Auf einem Kupferstich über das Attentat von 1866 auf Bismarck tragen fast alle Männer einen Schnauzer und augenscheinlich kurze Haare. Die einzige dargestellte Frau zur Seite gescheitelte Haare.
Wikipedia - Schüsse_auf_Otto_von_Bismarck.jpg
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... smarck.jpg

Fazit: Die Frisuren des Paares passen gut in die 1860er Jahre.
Eine Anmerkung: Es ist nicht ungewöhnlich, dass Frisuren aus der Jugend auch im fortschreitenden Alter nicht dem Modegeschmack angepasst werden. Somit ist die Mode ein gutes Indiz, mehr aber auch nicht.

Darstellung von Standardelementen: Lorbeerkranz

Der dargestellte Lorbeerkranz auf der Rückseite wird fast identisch auf folgenden Medaillen mit bekannten Prägejahren durch Emil Weigand dargestellt:
Sommer W 25 - 1876
Sommer W 27 - 1878
Sommer W 28 - 1878
Sommer W 108 – 1892
Sommer W 64 - 1899

Die identische Darstellung zeigt eine Häufung in den Jahren 1876 und 1878. Die Verwendung in den Jahren 1892 und 1899, sowohl einer Anzahl weiterer Prämien- und Personenmedaillen ohne Jahreszahl.
Dies spricht für eine beliebte Gestaltung.

Fazit: Dieser Ansatz ist somit wenig aussagekräftig für die Bestimmung des Entstehungszeitpunkts dieser Medaille.
Beispiel Lorbeerkranz - Medaille Weigand.jpg
Beispiel - Sommer W 64 von 1899 mit Lorbeerkranz




Ähnliche Werke: Medaillen von Privatpersonen

Eine Reihe von Medaillen, die Privatpersonen darstellen, sind für Emil Weigand durch Klaus Sommer dokumentiert.

Sommer W 3 – 1868
Sommer W 4 – 1868
Sommer W 5 – 1868
Sommer W 6 – 1869
Sommer W 9 – 1871 Selbstportrait
Sommer W 10 – 1871
Sommer W 27 – 1878
Sommer W 37 – 1882
Sommer W 39 – 1881
Sommer W 61 – 1889

Nach 1871 werden von Weigand nur noch sporadisch Privatpersonen dargestellt.

Fazit: Eine Tendenz an Arbeiten für Privatpersonen ist für die Schaffensphase bis 1871 deutlich erkennbar.

Biografie des Künstlers
Weigand zeigte bereits als Student in Ausstellungen der Akademie der Künste seine Arbeiten und gewann 1860 einen ersten Preis für sein Portrait des Prinzregenten (Wilhelm I.). Er bewarb sich 1862 als Medailleur bei der Berliner Münze. Er war dort bereits bekannt, da er Friedrich Wilhelm Kullrich „bei einigen leichteren Arbeiten wie Punzenschneiden geholfen habe“. (Sommer, Seite 4)
Kullrich vermittelte Weigend jedoch an Wyon in London (https://en.wikipedia.org/wiki/Leonard_Charles_Wyon), wo er als Medailleur seine ersten offiziellen Arbeiten ablieferte und kehrte erst 1866 nach Berlin in die Anstellung bei der Königlich-Preußischen Münze zurück.
In der Zeit ab 1870 war Weigand in viele Projekte rund um den Sieg über Frankreich und der Gründung des deutschen Reiches involviert (Pfennigstücke, Gold- und Silbermark, Generalsmedaille, Siegessäule, Siegestaler etc.).
Ab 1888, nach dem Tod Kullrichs, wurde Weigand erster Münzmedailleur.

Fazit: Anhand seiner Biographie erscheint eine Entstehung der hier betrachteten Medaille um 1870 bis 1872 unwahrscheinlich, da Weigand durch seine Arbeit an der Berliner Münze ausgelastet war. So wurde z.B. die Fidicin-Medaille (Sommer W 18) erst einige Monate später als beauftragt wegen Weigands Arbeitsauslastung später fertiggestellt. (https://www.diegeschichteberlins.de/61- ... aille.html)



Machart
In der Nahaufnahme erscheint das Portrait der Frau etwas unscharf. Dies hebt sich stark von weiteren dokumentierten Arbeiten Weigands ab. Siehe z.B. die Generalsmedaille in diesem Threat.
Eventuell standen Weigand bei der Schaffung nicht die gleichen technischen Möglichkeiten wir für spätere Werke zur Verfügung.

Fazit: Die Gesamterscheinung der Medaille könnte für ein ein frühes Werk sprechen.
Detail Frau .jpg

Finale Enschätzung des Herstellungszeitpunktes
Eine Prägung in den Jahren zwischen 1860 und 1870 scheint wahrscheinlich.
Dafür sprechen die Biografie, der weiche Faktor der modischen Erscheinung des Paares und die Häufung der Medaillen über Privatpersonen in diesem Zeitraum.

Ein weiterer Indikator ist, dass die Medaille nicht in den offiziellen Unterlagen erscheint, die von Klaus Sommer gesichtet wurden. Eventuell haben wir hier eine frühe studentische Arbeit von Emil Weigand vor uns.

Natürlich wird diese Betrachtung in dem Moment Ihre Bedeutung verlieren, in dem eine gesicherte Quelle über „Auf ein unbekanntes Paar“ gesichtet wird.
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Zwerg (Mo 02.11.20 07:04) • didius (Mo 02.11.20 07:55)
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Re: Schaukasten: Brandenburg-Preußen

Beitrag von klaupo » Mo 02.11.20 17:38

Einen Ansatz zur zeitlichen Einordnung der Medaille (1892) könnte dieses Stück bieten, auf dem das Revers mit dem identischen Lorbeerkranz ebenfalls verwendet wurde.

https://www.acsearch.info/search.html?id=6278710

Es ist allerdings zu berücksichtigen, daß Medailleure identische Motive oft über Jahre hinweg für verschiedene Anlässe verwendeten.

Gruß klaupo

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