Ein rätselhafter Sesterz des Nerva
Moderator: Homer J. Simpson
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Ein rätselhafter Sesterz des Nerva
Bei dem hier beschriebenen Stück handelt es sich auf den ersten Blick um ein ganz gewöhnliches Exemplar des folgenden Nervasesterzen aus dem Jahre 97:
Av.: IMP NERVA CAES AVG P M TR P COS III P P
Belorbeerter Kopf rechts
Rv.: FORTVNA AVGVST S C
Fortuna nach links stehend; die Rechte auf Steuerruder gestützt, in der Linken Füllhorn
RIC 83; C. 67 (26,92 g)
Provenienz: Münzhandlung Gilles Blançon, Hannover
Die Münze weist eine dunkelgrüne Patina auf, und ihre Vorderseite kann als „sehr schön“ bezeichnet werden, während die abgegriffene Rückseite nur noch das Prädikat „schön“ verdient. An der Echtheit besteht nicht der geringste Zweifel.
Höchst bemerkenswert und erklärungsbedürftig an dem vorliegenden Stück ist nun, daß, obwohl die Rückseite eine Fortuna zeigt, die wenn auch nur schwach zu lesende Umschrift links unten dennoch deutlich erkennbar folgende Buchstabenfolge aufweist: „ ... SCIIVDA ... “ Dieses Legendenfragment aber läßt sich ausschließlich dem unten ebenfalls abgebildeten Reverstyp FISCI IVDAICI CALVMNIA SVBLATA S C mit der Dattelpalme zuordnen.
Die Legende unseres Stückes endet dann rechts von der Figur der Fortuna ganz regulär, wenn auch nicht besonders deutlich, mit AVGVST. Auch die übrigen Details der Rückseite weisen ausnahmslos nur die Merkmale des Fortunatyps auf. Das gilt auch für das S C, das hier klein gehalten ist, weil das S in den schmalen Zwischenraum zwischen dem Körper der Fortuna und dem auf den Boden gestellten Steuerruder passen mußte, während auf den Münzen des anderen Typs die verhältnismäßig großen leeren Flächen links und rechts des schlanken Stammes der Dattelpalme schon aus Gründen eines harmonischen Gesamteindrucks nach sehr viel größeren Buchstaben verlangten.
Das COS III der Averslegende grenzt den Prägezeitraum der Vorderseite ein auf das erste Viertel des Jahres 97*. Der „FISCI“-Reverstyp ist mit dem gleichen Avers ebenfalls für diesen Zeitraum belegt (RIC 82; C. 57). Es spricht also nichts gegen die Annahme, daß beide Seiten unseres Stückes, und nicht nur dessen eindeutig datierbare Vorderseite, zwischen Anfang Januar und März 97 geprägt wurden.
Wie kann es nun zu der hier zu beobachtenden Erscheinung gekommen sein? Als gesichert darf wohl gelten, daß die Prägung mit der „FISCI“-Rückseite zuerst erfolgte und sie erst im zweiten Prägevorgang von der „FORTVNA“-Rückseite überdeckt wurde. Dabei muß der Schrötling im selben Vorderseitenstempel wie beim ersten Prägevorgang gelegen haben, da die gut ausgeprägte Vorderseite keinerlei Überprägungs- oder Doppelschlagspuren aufweist.
Über die letztlichen Ursachen für diesen Vorgang aber lassen sich nur mehr oder weniger stichhaltige Vermutungen anstellen. Denkbar wäre beispielsweise, daß nach Prägen einer abschließenden Serie von „FISCI“-Sesterzen versehentlich eine fertige Münze auf dem Unterstempel mit dem Vorderseitenbild liegenblieb und zu Beginn der neuen Serie mit demselben Vorderseitenstempel, diesmal aber mit der „FORTVNA“-Rückseite, einen zweiten Prägehieb erhielt, weil die vorangehende Serie (endgültig?) abgeschlossen und jetzt eben der „FORTVNA“-Revers an der Reihe war. Dabei wurde eventuell der Oberstempel mit dem Rückseitenbild leicht nach rechts verkantet, so daß ein Teil der ursprünglichen „FISCI“-Umschrift erhalten blieb. Für die oben entwickelte Hypothese könnte auch sprechen, daß die Konturen des neuen Rückseitenbildes einschließlich des linksseitigen „AVGVST“-Legendenteils ausgesprochen flau geraten sind, ganz so, wie es bei der Prägung eines kalten Schrötlings auch zu erwarten war.
Hilfreich bei einer weiteren Klärung dieses rätselhaften Sachverhaltes könnte das Auftauchen eines Sesterzen des „FISCI“-Reverstyps mit einer unserem Exemplar stempelgleichen Vorderseite sein. Damit ließe sich die hier aufgestellte These erhärten, daß beide Rückseitentypen zwar gemeinsam im späten Frühjahr 97 ausliefen, die Prägung des „FISCI“-Typs aber wahrscheinlich unmittelbar vor der des „FORTVNA“-Typs eingestellt wurde. Mit allem gebotenen Vorbehalt könnte unsere Münze damit als ein Indiz für den endgültigen Abschluß der „FISCI“-Prägung betrachtet werden, bevor man zu einer letzten Serie der dann ebenfalls sehr bald endenden Prägung des „FORTUNA“-Typs überging.
_______________________________
*Zur Datierung des dritten Konsulats des Nerva s. Dietmar Kienast, Römische Kaisertabelle, WBG Darmstadt, 1996, S. 120
Was nun sagen die Experten des Forums zu diesem Stück?
Av.: IMP NERVA CAES AVG P M TR P COS III P P
Belorbeerter Kopf rechts
Rv.: FORTVNA AVGVST S C
Fortuna nach links stehend; die Rechte auf Steuerruder gestützt, in der Linken Füllhorn
RIC 83; C. 67 (26,92 g)
Provenienz: Münzhandlung Gilles Blançon, Hannover
Die Münze weist eine dunkelgrüne Patina auf, und ihre Vorderseite kann als „sehr schön“ bezeichnet werden, während die abgegriffene Rückseite nur noch das Prädikat „schön“ verdient. An der Echtheit besteht nicht der geringste Zweifel.
Höchst bemerkenswert und erklärungsbedürftig an dem vorliegenden Stück ist nun, daß, obwohl die Rückseite eine Fortuna zeigt, die wenn auch nur schwach zu lesende Umschrift links unten dennoch deutlich erkennbar folgende Buchstabenfolge aufweist: „ ... SCIIVDA ... “ Dieses Legendenfragment aber läßt sich ausschließlich dem unten ebenfalls abgebildeten Reverstyp FISCI IVDAICI CALVMNIA SVBLATA S C mit der Dattelpalme zuordnen.
Die Legende unseres Stückes endet dann rechts von der Figur der Fortuna ganz regulär, wenn auch nicht besonders deutlich, mit AVGVST. Auch die übrigen Details der Rückseite weisen ausnahmslos nur die Merkmale des Fortunatyps auf. Das gilt auch für das S C, das hier klein gehalten ist, weil das S in den schmalen Zwischenraum zwischen dem Körper der Fortuna und dem auf den Boden gestellten Steuerruder passen mußte, während auf den Münzen des anderen Typs die verhältnismäßig großen leeren Flächen links und rechts des schlanken Stammes der Dattelpalme schon aus Gründen eines harmonischen Gesamteindrucks nach sehr viel größeren Buchstaben verlangten.
Das COS III der Averslegende grenzt den Prägezeitraum der Vorderseite ein auf das erste Viertel des Jahres 97*. Der „FISCI“-Reverstyp ist mit dem gleichen Avers ebenfalls für diesen Zeitraum belegt (RIC 82; C. 57). Es spricht also nichts gegen die Annahme, daß beide Seiten unseres Stückes, und nicht nur dessen eindeutig datierbare Vorderseite, zwischen Anfang Januar und März 97 geprägt wurden.
Wie kann es nun zu der hier zu beobachtenden Erscheinung gekommen sein? Als gesichert darf wohl gelten, daß die Prägung mit der „FISCI“-Rückseite zuerst erfolgte und sie erst im zweiten Prägevorgang von der „FORTVNA“-Rückseite überdeckt wurde. Dabei muß der Schrötling im selben Vorderseitenstempel wie beim ersten Prägevorgang gelegen haben, da die gut ausgeprägte Vorderseite keinerlei Überprägungs- oder Doppelschlagspuren aufweist.
Über die letztlichen Ursachen für diesen Vorgang aber lassen sich nur mehr oder weniger stichhaltige Vermutungen anstellen. Denkbar wäre beispielsweise, daß nach Prägen einer abschließenden Serie von „FISCI“-Sesterzen versehentlich eine fertige Münze auf dem Unterstempel mit dem Vorderseitenbild liegenblieb und zu Beginn der neuen Serie mit demselben Vorderseitenstempel, diesmal aber mit der „FORTVNA“-Rückseite, einen zweiten Prägehieb erhielt, weil die vorangehende Serie (endgültig?) abgeschlossen und jetzt eben der „FORTVNA“-Revers an der Reihe war. Dabei wurde eventuell der Oberstempel mit dem Rückseitenbild leicht nach rechts verkantet, so daß ein Teil der ursprünglichen „FISCI“-Umschrift erhalten blieb. Für die oben entwickelte Hypothese könnte auch sprechen, daß die Konturen des neuen Rückseitenbildes einschließlich des linksseitigen „AVGVST“-Legendenteils ausgesprochen flau geraten sind, ganz so, wie es bei der Prägung eines kalten Schrötlings auch zu erwarten war.
Hilfreich bei einer weiteren Klärung dieses rätselhaften Sachverhaltes könnte das Auftauchen eines Sesterzen des „FISCI“-Reverstyps mit einer unserem Exemplar stempelgleichen Vorderseite sein. Damit ließe sich die hier aufgestellte These erhärten, daß beide Rückseitentypen zwar gemeinsam im späten Frühjahr 97 ausliefen, die Prägung des „FISCI“-Typs aber wahrscheinlich unmittelbar vor der des „FORTVNA“-Typs eingestellt wurde. Mit allem gebotenen Vorbehalt könnte unsere Münze damit als ein Indiz für den endgültigen Abschluß der „FISCI“-Prägung betrachtet werden, bevor man zu einer letzten Serie der dann ebenfalls sehr bald endenden Prägung des „FORTUNA“-Typs überging.
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*Zur Datierung des dritten Konsulats des Nerva s. Dietmar Kienast, Römische Kaisertabelle, WBG Darmstadt, 1996, S. 120
Was nun sagen die Experten des Forums zu diesem Stück?
- richard55-47
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- chinamul
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Hallo richard55-47!
Stell den doch bitte mal ein! Ich würde ihn gerne mal sehen. Sollte er gar stempelgleich sein, was angesichts des überaus kurzen Prägezeitraums nicht mal so unwahrscheinlich ist, wäre das für mich ein echter Gabelbissen.
Gruß
chinamul
Stell den doch bitte mal ein! Ich würde ihn gerne mal sehen. Sollte er gar stempelgleich sein, was angesichts des überaus kurzen Prägezeitraums nicht mal so unwahrscheinlich ist, wäre das für mich ein echter Gabelbissen.
Gruß
chinamul
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit
- richard55-47
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- Homer J. Simpson
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Hallo Chinamul!
Bin gerade beim Suchen nach etwas ganz Anderem auf diesen alten Thread gestoßen; da haben wir doch mal wieder einen Beleg für die Anwendung der Kraay-Clay-Technik, d.h. gleichzeitiges bzw. abwechselndes Prägen mit zwei Rs.-Stempeln auf einem Arbeitsplatz mit einem Vs.-Stempel (zwecks Erhöhung der Prägegeschwindigkeit und Schonung der Rs.-Stempel, die zwischen zwei Schlägen ein paar Sekündchen länger kühlen durften). Wenn die Münze aus Versehen im Vs.-Stempel liegen blieb, wurde sie nicht mit demselben, sondern mit dem anderen Stempel überprägt. Das belegt die gleichzeitige Verwendung der beiden Rs.-Stempel am selben Arbeitsplatz!
Viele Grüße,
Homer
Bin gerade beim Suchen nach etwas ganz Anderem auf diesen alten Thread gestoßen; da haben wir doch mal wieder einen Beleg für die Anwendung der Kraay-Clay-Technik, d.h. gleichzeitiges bzw. abwechselndes Prägen mit zwei Rs.-Stempeln auf einem Arbeitsplatz mit einem Vs.-Stempel (zwecks Erhöhung der Prägegeschwindigkeit und Schonung der Rs.-Stempel, die zwischen zwei Schlägen ein paar Sekündchen länger kühlen durften). Wenn die Münze aus Versehen im Vs.-Stempel liegen blieb, wurde sie nicht mit demselben, sondern mit dem anderen Stempel überprägt. Das belegt die gleichzeitige Verwendung der beiden Rs.-Stempel am selben Arbeitsplatz!
Viele Grüße,
Homer
Wo is'n des Hirn? --- Do, wo's hiig'hört! --- Des glaab' i ned!
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