Tiefe Schätzpreise haben im Prinzip zwei einfache Gründe:
a) Es generiert mehr Bieter, wodurch das Auktionshaus an die Kontaktdaten dieser Bieter kommt (alleine das ist schon viel Wert), und hat einen einfachen aber wichtigen Effekt: Sobald man sich einer Münze durch ein Gebot "verpflichtet" hat, möchte man die Münze auch haben und bietet dann im Endeffekt vielfach mehr, als ursprünglich geplant. (
https://de.wikipedia.org/wiki/Eskalierendes_Commitment)
b) Durch die tiefen Schätzpreise und dann - im Verhältnis dazu - die hohen Zuschläge, erscheint die Auktion als besonders erfolgreich, was Einlieferer anziehen soll. Wer sich mit Preisen auskennt, durchschaut das vielleicht. Aber es gibt genügend Leute, die das nicht tun. Sagen wir eine Münze ist 100 EUR "wert". Das Auktionshaus schätz sie auf 100 EUR, die Münze wird aber bei 90 EUR zugeschlagen (90/100 -> 90%). Das sieht für das Auktionshaus viel schlechter aus, als wenn die Münze bei 20 EUR geschätzt und bei 90 EUR zugeschlagen wird (90/20 -> 450%). Oder was glaubt ihr, wieso nach der Auktion häufig ein Bericht folgt, in dem das Auktionshaus auf das Verhältnis von Start- oder Schätzpreis zum Zuschlag hinweist, um den eigenen Erfolg zu unterstreichen?
Und das von LordLindsey beobachtete Phänomen, dass Münzen oft wieder und wieder angeboten werden, hängt damit zusammen, dass die meisten Auktionshäuser häufig nicht nur als Versteigerer auftreten, sondern selbst auch mit Münzen handeln. Also Münzen einkaufen und diese dann im eigenen Namen versteigern. Das führt einerseits zu einem Interessenkonflikt (gerade bei schriftlichen Vorgeboten, wo das Auktionshaus das Maximalgebot des Bieters kennt), uns ist andererseits der Grund, weshalb dann eine Münze zurückgekauft wird, wenn der gewünschte Preis nicht erzielt wird.
Ein Deutsches Auktionshaus treibt dieses Vorgehen auf die Spitze, indem es Münzen, die es nicht verkaufen kann, in der Auktion absichtlich hoch zuschlägt, in der Hoffnung, diese in einer Folgeauktion dann effektiv zu einem hohen Preis verkaufen zu können (die Leute sehen dann den Zuschlag aus der vergangenen Auktion in den Archiven, und meinen, die Münze sei effektiv soviel wert).
Selbstverständlich gibt es auch zahlreiche andere Gründe, weshalb eine Münze nochmals angeboten wird (ausbleibende Zahlung, Käufer liefert die Münze gleich wieder ein, es gab eine Reserve vom Einlieferer, etc.).