Münze:
Herennia Cupressenia Etruscilla 249/251 n.Chr.
Antoninian der römischen Kaiserzeit
Material: Silber
Durchmesser: 22,5mm
Gewicht: 4,68g
Münzstätte: Rom
Erhaltung: EF-
Rare: –
Provenienz: Comptoir des Monnaies, Lille, 18.01.2022
Referenz: RIC 59b
Avers:
Zu sehen ist der Kopf der Herennia Etruscilla mit Stephane nach rechts auf einer Mondsichel. Die Inschrift lautet: HERENNIA ETRVSCILLA AVG.
Im Vergleich zu den schrillen Frisuren der flavischen und trajanischen Zeit, die keine hundert Jahre zurück lagen, wirkte das Arrangement der gebildeten syrischen Aristokratentochter Julia Domna an der Seite des Kaisers Septimius Severus kompliziert, jedoch ein wenig statisch. Wie bei vielen ihrer Vorgängerinnen war die Art und Weise, wie die Haare getragen wurden, Teil des programmatischen kaiserlichen Gesamtkonzepts. Ging es doch darum, eine neue, dauerhafte Dynastie zu etablieren, deren Grundsatz der geregelten Verhältnisse sowohl auf familiärer als auf staatlicher Ebene gelten sollte.
Julia Domnas vertikal oder horizontal onduliertes Seitenhaar wurde im Bereich des Hinterkopfes von einem überdimensionalen, vertikalen Chignon überdeckt. Gelegentlich trug die Kaiserin auch einen kleineren Haarknoten im Genick, womit sie eine gewisse Solidarität mit ihrer Schwiegertochter Publia Fulvia Plautilla, ihrer Schwester sowie ihren Nichten Iulia Avita Mamaea und Iulia Soaemias Bassiana an den Tag legte. Allerdings zeigte sich das severische Kaiserhaus auch Experimenten gegenüber aufgeschlossen, was die Entwicklung des Scheitelzopfes enorm vorantrieb.
Bereits die oben erwähnte Julia Paula trug ihn auf der Mitte des Hinterkopfes, während er bei Tranquillina, der Gattin des Kaisers Gordians III, bereits bis zum Scheitel reichte. Beide Frisuren – die klassische severische, als auch die Scheitelzopffrisur – waren insbesondere im zweiten Viertel des 3. Jahrhundert n.Chr. gleichzeitig en vogue, wie die Münzbildnisse der Marcia Otacilia Severa, Gattin des Philippus Arabs, und der Gattin des Traianus Decius, unserer hier auf dem Antoninian abgebildeten Herennia Cupressenia Etruscilla, belegen.
Die Stephane ist ein weiblicher Haarschmuck, nicht unbedingt ein Kranz. Die Göttinnen Hera und Juno wurde stets mit einer Stephane als Zeichen ihrer Hoheit dargestellt.
Der Antoninian war eine antike römische Silbermünze, die unter Kaiser Caracalla um 214 n.Chr. als offizielles Zahlungsmittel eingeführt wurde. Der antike Name der Münze ist nicht überliefert. Die Bezeichnung Antoninian leitet sich vom eigentlichen Namen Caracallas, Marcus Aurelius Antoninus, ab und wurde im Mittelalter eingeführt. Nach neueren Forschungen soll der antike Name des Antoninian Bicharactus gewesen sein (Quelle: Bernd Sprenger, Das Geld der Deutschen). Hervorstechendes Merkmal des Antoninian war die Strahlenkrone auf dem Bild des Herrschers bzw. die Mondsichel unter dem Bild der Kaiserin.
Auf diesem Silberantonian der Herennia Etruscilla finden wir auf der Vorder- und Rückseite die Legendenbezeichnung AVG für Augusta. Die Legende HERENNIA ETRVSCILLA AVG identifiziert Herennia Etruscilla als Ehefrau des Kaisers und damit als Kaiserin. Betont werden damit auch ihre Privilegien, wie zum Beispiel das Recht ihre geweihten Bilder bei öffentlichen Anlässen in der Carpenta (überdachter Karren) transportieren zu lassen, wenn die Statuen des Kaisers in den Staatswagen präsentiert wurden. Die Verbindung einer Personifikation mit der Legende AVG, wie hier auf der Rückseite mit PVDICITIA AVG, soll eine noch engere Assoziation zwischen den Attributen der jeweiligen Personifikation und der Kaiserin herstellen.
Die Inschrift HERENNIA ETRVSCILLA AVG identifiziert Herennia Cupressenia Etruscilla und betont ihre Stellung und Privilegien als Augusta.
Revers:
Zu sehen ist die Personifikation der Pudicitia mit Szepter nach links sitzend und Schleier vor ihr Gesicht ziehend. Die Inschrift lautet: PVDICITIA AVG.
Pudicitia war die römische Personifikation der Keuschheit und Schamhaftigkeit, wobei festzuhalten ist, dass der Begriff zwar an sich weiblich ist, jedoch in der Antike von der Bedeutung her durchaus für beide Geschlechter verstanden wurde. Dargestellt auf römischen Münzen als eine sittsam in ihr Gewand gehüllte Matrona oder als Frau, die sich zu verschleiern im Begriff ist.
Das Gegenteil von Pudicitia war impudicitia (Schamlosigkeit), der man auch bei Vergewaltigung verfiel. An nichts erkannte man den Verfall der Sitten mehr als an der zunehmenden Schamlosigkeit der Frauen, waren viele traditionsbewusste Römer überzeugt. Der ähnliche Begriff Pudor als lateinisches Pendant des griechischen Aidos stellt lediglich eine Abstraktion dar und besaß in der römischen Religion keinerlei kultische Bedeutung. In Griechenland war Aidos als männliche Personifikation mit Nemesis, der Wächterin des göttlichen Rechts verbunden und galt als Amme der Athene. Seine Kultstätten sind zumindest für Athen und Sparta bezeugt.
Als würdevolle Anrede verwendete man den Begriff bei Livia und Plotina. Als perfekte Verkörperung der Pudicitia galt den Römern das Schicksal der Lucretia zur Zeit der Tarquinerkönige. Hieran zeigt sich der Unterschied zwischen römischer und etruskischer Tugendauffassung. Somit reichte die Keuschheitssphäre weit über die sexuelle Komponente hinaus sowohl in ein mentales Verhalten als auch den Auftritt in der Öffentlichkeit. Zeigte sich in frührömischer Zeit (teilweise bis in die Kaiserzeit) eine hochangesehene verheiratete Frau in Begleitung eines fremden Mannes, so kratzte dies an ihrem öffentlichen Keuschheitsimage.
Natürlich wurde dies auch in der politischen Propaganda ausgenutzt und über ihre öffentliche Pudicitia konnten Frauen, denen der Weg in die Politik verwehrt war, geschickt am politischen Willensbildungsprozess mitwirken. Als Ideal sah man es auch an nur ein Mal verheiratet zu sein. Auf dieser Basis wollte Kaiser Augustus ein moralistisches Reformprogramm durchsetzen, scheiterte jedoch am latenten Widerstand der Massen und sogar in der eigenen Familie.
In Rom waren ihr zwei Tempel geweiht. Dem älteren am Forum Boarium (Fleischmarkt) dienten ausschließlich Patrizierinnen. Als man 296 v.Chr. einer gewissen Virginia nach ihrer Heirat mit einem plebejischen Konsul den Zutritt verwehrte, nahm sie dies zum Anlass auch den vornehmen Plebejerinnen Zugang zum Kult durch einen eigenen Tempel in ihrem Haus am Vicus Longus zu ermöglichen. Dieser zweite Tempel war deshalb der Pudicitia Plebeia geweiht, wohingegen ab nun der ältere Tempel einfach der Pudicitia Patricia zugerechnet wurde. Den Tempeldienerinnen wurde aufgetragen nur plebejische Frauen zuzulassen, die keuscher waren als die Patrizierinnen. So durften sich ihrem Altar (in beiden Tempeln) nur Frauen nähern, deren Ehre allgemein anerkannt war und die maximal einmal verheiratet waren. Infolge des stark eingeschränkten Zugangs verwendete man die Tempel ab und zu als besonders geeignetes Versteck. (Quelle: imperiumromanum.com /
http://www.imperiumromanum.com/religion ... tia_01.htm)
Die Inschrift PVDICITIA AVG identifiziert die Personifikation Pudicitia und ihren Bezug zur Kaiserin. Durch diese Form der Legende soll die dargestellte Personifikation der vergötterten Keuschheit und Schamhaftigkeit noch enger mit der Person der Kaiserin identifiziert werden.
Hintergrund:
Herennia Cupressenia Etruscilla war die Frau des römischen Kaisers Gaius Messius Quintus Traianus Decius. Sie entstammte einer alten etruskischen Senatorenfamilie. Über ihre Jugend ist wenig bekannt, außer dass sie den aus Illyrien stammenden Aristokraten Decius vor 230 n.Chr. heiratete. Ihr ältester Sohn Herennius Etruscus wurde um 227 n.Chr. geboren, ihr zweiter Sohn Hostilian nach 230 n.Chr.
Der Kaiser Philippus Arabs übertrug Decius 248 n.Chr. den Oberbefehl über die Truppen, welche die Revolte des Pacatianus an der Donaugrenze unterdrücken sollten. Decius wurde aber nach seinem Eintreffen in Pannonien von seinen Truppen zum Kaiser ausgerufen. Er zog nach Italien, schlug Philippus in der Nähe von Verona und konnte sich als neuer Herrscher durchsetzen. Vermutlich im Herbst 249, spätestens im Sommer 250 n.Chr. erhielt Etruscilla den Titel Augusta. Ihre beiden Söhne erhielten 250 n.Chr. den Titel Caesar, im folgenden Jahr wurde Herennius Etruscus zum Augustus (nominell gleichberechtigten Mitherrscher seines Vaters) ernannt. Decius und Herennius brachen danach zu einem Feldzug gegen den Gotenkönig Kniva auf, um ihn für einen Überfall zu bestrafen, während der jüngere Sohn Hostilian mit seiner Mutter in Rom blieb.
Jordanes berichtet, dass Herennius früh in der Schlacht von Abrittus durch einen Pfeil getötet wurde, worauf Decius ausrief: „Lasst uns niemanden betrauern, der Tod eines Soldaten ist kein großer Verlust für die Republik.“ Die römische Armee wurde in dieser Schlacht vernichtet und Decius erschlagen. Die Niederlage wurde weitgehend durch die Fehler des Offiziers Trebonianus Gallus verursacht, der zu heftig angegriffen hatte. Als die Armee vom Tod des Decius erfuhr, proklamierten die Soldaten Trebonianus Gallus zum Kaiser.
In Rom war Decius in Senatskreisen sehr beliebt. Nachdem die Nachricht vom Untergang der beiden Kaiser die Hauptstadt erreicht hatte, wurden sie auf Beschluss des Senates unter die Götter erhoben. Außerdem bestand der Senat auf dem Nachfolgeanspruch des überlebenden Kaisersohns Hostilian. Es kam zu einem Kompromiss mit Trebonianus Gallus, der vom Senat als Kaiser anerkannt wurde, aber Hostilian adoptieren und als gleichberechtigten Mitkaiser mit dem Augustus Titel akzeptieren musste. Sein eigener leiblichen Sohn Volusianus musste sich, obwohl etwa zehn Jahre älter als Hostilian, zunächst mit dem Caesar-Titel begnügen. Die Ehefrau des Gallus, Afinia Gemina Baebiana, musste mit Rücksicht auf die älteren Rechte von Herennia Cupressenia Etruscilla auf den Titel Augusta verzichten.
Hostilian starb jedoch im November 251 n.Chr. in Viminatium an der Pest. Damit verschwand seine Mutter aus dem öffentlichen Leben. Ob sie damals ebenfalls an der Seuche starb oder noch länger lebte, ist unbekannt.
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Heute ist aus Lille der Silber Antoninian der Herennia Cupressenia Etruscilla angekommen, welche ich hier kurz vorstellen mag. Leider ist über ihr späteres Schicksal nichts bekannt. Ihren mann habe ich auch noch nicht in der Sammlung - aber das eilt nicht - hier ist die Auswahl recht groß und da warte ich noch auf "das" gewisse Exemplar.
Hier gehts wieder zum original Blog:
https://roma-aeterna.de/roemische-kaise ... lla-m0078/