Historisch interessante Münzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Submuntorium
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Beitrag von Submuntorium » Do 14.05.09 21:29

Hallo Peter43!

Vielen Dank für deine Informationen zum Severus-Denar :idea:
viele grüße,
Submuntorium

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Do 14.05.09 22:01

Der Styraxbaum

Da es im Forum vor kurzem Mißverständnisse um den Styraxbaum gab, möchte ich hier diese interessante Pflanze vorstellen. Natürlich anhand von antiken Münzen.

1. Münze:
Pisidien, Selge, 2.-1.Jh. v.Chr.
AR - Triobol, 2.40g, 15.23mm
Av.: Kopf des Herakles frontal, ganz leicht n.r., mit Eichenkranz und um die Schultern
gewundenem Löwenfell.
Rv.: li Keule, re heiliger Styraxbaum auf Altar, dazwischen von oben n. unten SELGEWN
im re Feld Bukranion
Ref.: SNG France 1959; SNG Copenhagen 256; SNG von Aulock 5284
Selten, fast SS, Vs. etwas exzentrisch
Beschrieben wird Herakles zwar mit einem Eichenkranz. Es wird aber eher ein Kranz aus Styraxblättern sein! Besonders dann, wenn man sich die nächste Münze genau ansieht.

2. Münze:
Pisidien, Selge, 2.-1.Jh. v.Chr.
AE 11, 2.45g
Av.: Bärtiger Kopf des Herakles, bekränzt mit Styraxblättern und und das Löwenfell um die Schultern geschlungen.
Rv.: Hirsch n.r. knieend, Kopf n.l. gewendet
im Feld li und re SE - L
Ref.: SNG France 1963; SG 5489
fast SS
Hier ist deutlich zu sehen, daß der Kranz mit einem Eichenkranz wenig zu tun hat!

Styraxbaum (Storaxbaum, Styrax), Gattung der Styraxgewächse mit rund 100 Arten in den Tropen und Subtropen (mit Ausnahme Afrikas); immergrüne oder laubabwerfende Sträucher oder Bäume, deren Zweige und Blätter mit sternförmigen Haaren besetzt sind; Blüten weiß, einzeln, achselständig oder in endständigen Trauben. Bekannte Arten sind der Benzoebaum und der Echte Styrax (Styrax officinalis), letzterer ein in Südeuropa und Kleinasien beheimateter kleiner Baum; aus ihm wurde früher durch Einschneiden der Rinde das Balsamharz Storax gewonnen. Storax ist eine Sammelbezeichnung für mehrere aromatisch riechende, v.a. aus Zimtsäure, Zimtsäureestern, Alkoholen und Vanillin bestehende Balsame. Am bekanntesten ist der aus dem Orientalischen Amberbaum (Liquidambar orientalis) gewonnene orientalische Storax, der früher als Heilmittel bei Asthma, Katarrhen und Hauterkrankungen sowie als Räuchermittel verwendet wurde. Er dient heute zur Gewinnung eines ätherischen Öls und eines Resinoids, die in der Parfümindustrie verwendet werden.

Strabo (xii. 7, § 3) schreibt: 'Der Styrax wird hier (in der Umgebung von Selge) in großem Überfluß gefunden, ein Baum, nicht groß, aber aufrecht gewachsen. Aus dem Holz dieses Baumes werden Speere gemacht, ähnlich wie die aus der Esche. Im Stamm des Styrax wird ein Wurm gezüchtet, der sich durch das Holz zur Rinde hindurchfrißt und dabei Holzraspeln hinauswirft wie Holzspäne oder Kleie, ein Haufen, der sich an der Wurzel des Baums sammelt. Danach wird daraus eine Flüssigkeit, die sich schnell zu einer gummiähnlichen Masse verfestigt. Ein Teil dieser Flüssigkeit steigt empor und vermischt sich mit den Holzraspeln an der Baumwurzel und mit Erde; ein Teil erhält seine Festigkeit auf der Oberfläche der Masse und bleibt rein. Der Teil, der an der Oberfläche des Baumstammes entlangfließt, ist ebenfalls rein. Aus dem unreinen Teil wird eine Mischung gefertigt, die eine Kombination aus Holzstaub und Erde; und diese Mischung hat einen größeren Duft als der reine Styrax, ist ihm aber in allen anderen Eigenschaften unterlegen. Das ist nicht allgemein bekannt. Benutzt wird es als Räucherwerk in riesigen Mengen durch den Aberglauben der Gottesverehrer,'

Selge lag am Südhang des Tauros-Gebirges. Das Tal bei Selge war fruchtbar an Wein, Oliven, Iris und Styrax. Am bedeutendsten aber war die Styrax-Industrie. Viele Tausend von Menschen waren mit der Bereitung des Balsams beschäftigt. Darauf stützte sich der Reichtum und die Macht Selges in der Antike. Plinius gibt den Wert des reinen Styraxharzes mit 17 Silberdenaren pro Pfund an, was damals ein sehr hoher Preis war. Dem Styrax sagte man Heilkräfte nach und es fand, wie Weihrauch, auch bei Kulthandlungen Verwendung. Heute noch ist es neben dem Weihrauch das wichtigste Räucherwerk der griechisch-orthodoxen Kirche.

Am Eurymedon, an dem Selge lag, findet man heute noch Styraxbüsche, aus denen das kostbare Harz gewonnen wird. Wenn man am Eurymedon entlangfährt, glänzt manchmal das leuchtende Grün des Styrax officinalis durch das dunklere Blätterwerk. Die Einwohner von Selge verehrten diesen Strauch so sehr, daß sie ihn auf ihre Münzen setzten. Barcley Head (Historia Nummorum) schreibt: 'Münztypen sind - Zwei Styrax-Bäume in Kästen (ein Altar vor jedem), flankiert durch Blitzbündel und Keule, oder diurch eine Säule die einen Adler und Nike trägt.'

Auch in der Bibel wird der Styraxbaum an mehreren Stellen erwähnt, z.B. Hosea 4, 13: Sie feiern Schlachtopfer auf den Höhen der Berge, auf den Hügeln bringen sie Rauchopfer dar, unter Eichen, Storaxbäumen und Terebinthen, deren Schatten so angenehm ist. So werden eure Töchter zu Dirnen und eure Schwiegertöchter brechen die Ehe.

So war das Styrax für Selge nicht nur wirtschaftlich wichtig, sondern auch wegen seiner kultischen Bedeutung. Gibt es noch mehr Gründe, solch einen Baum zu verehren und auf seine Münzen zu setzen?

Neben den Bildern von meinen Münzen habe ich hinzugefügt:
(1) Das Bild von einem Styraxbaum
(2) Das Bild der Blätter, Blüten und Früchte des Styrax officinalis aus Leopold Dippel, Handbuch der Laubholzkunde, 1889.

Quellen:
Der Kleine Pauly
Hellmut Baumann, Pflanzenbilder auf griechischen Münzen
Strabo
Altes Testament
Meyers Enzyklopädisches Lexikon
http://commons.wikimedia.org/wiki/Categ ... fficinalis
http://www.zum.de/stueber/dippel/band1/203.html

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
selge_SNGcop256.jpg
selge_SG5489.jpg
Styrax_officinalis.jpg
FIG_203_mittel.jpg
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Beitrag von Peter43 » Do 21.05.09 22:26

Die Silphium-Pflanze

Seitdem ich antike Münzen sammle, hat mich die Silphium-Pflanze interessiert. Auch deswegen, weil sie beweist, daß das Ausrotten von Arten kein Privileg des modernen Menschen ist, sondern bereits in der Antike stattfand. Als Homer seine neulich erworbene Münze mit der Silphiumpflanze zeigte, war mir klar, daß ich endlich einen Artikel schreiben mußte. Paßt er ja auch gut zum vorigen Artikel über den Styraxbaum.

Kyrenaika, Kyrene, ca.250 v.Chr.
AE 21, 7.56g
Av.: Kopf des Zeus-Ammon, mit Taenia, n.r.
Rv.: Silphium-Pflanze
im li. und re Feld KOI - NON
Ref.: SNG Copenhagen 1276-84
Selten, SS, dunkelgrüne Patina mit erdenen Auflagerungen
Hier sind viele Details der Pflanze besonders hübsch zu sehen.

Einige Worte zur Kyrenaika:
247 v.Chr. gelang es Ptolemaios III. (Euergetes) den Thron von Ägypten zu erringen, und durch die Heirat mit Berenike, der Tochter der Magas, die selbst Königin der Kyrenaika war, vereinigte er die Kronen von Ägypten mit diesem Land. Die Münzen mit der Aufschrift KOINON beweisen, daß die Kyrenen während der Regierungszeit des Euergetes, sei es durch einen erfolgreichen Aufstand oder nicht, sich einer Periode der Autonomie erfreuten, die auch nach seinem Tod nicht aufhörte. In dieser Zeit schickten sie Gesandte nach Megalopolis in Arkadien, um Hilfe zu erbitten durch die Philosophen Demophanes und Ekdemos, die bereits Arados geholfen hatten bei der Befreiung Sikyons von seinen Tyrannen. Diese beiden Staatsmänner wurden mit der Regierung der Kyrenaika betraut, welche sie augenscheinlich nach den Regeln der Achäischen Liga einrichteten. Dies jedenfalls können wir aus den Schriften des Polybios (x.25) und des Plutarch (Philop., ii.1) schließen und von den Silber- und Bronzemünzen, die die Inschrift KOINON tragen, welche wahrscheinlich in diese Zeit gestellt werden müssen, da die Bronzestücke oft auf die Bronzen des Ptolemaios II. geprägt worden sind.

Name:
Silphium, griech. Silphion, ist der Name einer in der Kyrenaika wachsenden Pflanze. Der Name selbst ist nichtgriech. und stammt aus einer einheimischen semitischen(?) Sprache []i]silphi[/i], sirphi, lat. [/]sirpe[/i]; dazu lat. laserpicium, aus lac sirpicium; außerdem sind besonders griech. Namen für Teile der Pflanze überliefert.

Geschichte:
Die erste Erwähnung des Silphions verdanken wir Herodot, der auf seinen Reisen auch durch die Kyrenaika kam. Dort soll der Überlieferung nach das Silphion durch Aristaios, einen Enkel des Lapithenkönigs und Schüler des weisen Kentauren Chiron, eingeführt worden sein. So gibt es einen religiösen Zusammenhang mit dem Kult des Aristaios (cf. Schol. in Aristoph. Eq. 894). Das Silphion wurde zusammen mit Gold und Silber in Schatzkammern gehortet, wie man im unteren Bild der Arkesilas-Schale sehen kann (siehe Anhang).

Botanik:
Die Münze zeigt auf der Rs. eine vollständige Silphiumpflanze. Typisch ihr hoher, dicker, skulpturierter Stamm mit den gegenständigen Blättern, die am Ursprung den Stamm umhüllen, den Blüten, die aus den Blattachseln entspringen und dem großen, runden, zusammengesetzten Kopf. Trotz erhaltener Beschreibungen bei Theophrast u.a. (s. besonders Plin. nat. 19, 38-46) und den Abbildungen auf den Münzen von Kyrene und vieler Bemühungen von Historikern und Botanikern ist die sichere Bestimmung des Silphions nicht gelungen; doch scheint es sich um eine mit Scorodosma foetidum , welches Asia foetida liefert, nahe verwandte Pflanze zu handeln; Silphion soll einen zwar sehr intensiven, aber doch angenehmen Geruch gehabt haben.

Verwendung:
Stengel und Blätter wurden als Gemüse gegessen. Aus den Stengeln und Wurzeln wurde durch Einritzen ein harziger Milchsaft gewonnen. Diese Droge diente als Gewürz. Neben dem Gebrauch in der Griechisch-Römischen Küche (z.B. in den Rezepten des Apicius), schrieb man der Pflanze zahlreiche Heilwirkungen zu, sodaß es fast als Wundermedizin galt. Es sollte Husten heilen und Halsentzündungen, Fieber senken, Verdauungsstörungen beseitigen (was für die Römer mit ihrem schweren Essen besonders wichtig war), starke Schmerzen beseitigen und Warzen und alle Arten von Leiden. Eine Hauptrolle spielte es dabei - nach Plinius - als Kontrazeptivum. Da heute bekannt ist, daß viele Arten der Selleriefamilie, zu dem das Silphion wohl gehört hat, östrogene Eigenschaften besitzen, und einige, wie die Wilde Möhre, als Abortivum wirken, ist es gut möglich, daß diese Pflanze benutzt wurde, um Schwangerschaften zu verhindern oder zu beenden. Auch bei zeitgenössischen Schriftstellern wurde es mit Sexualität und Liebe verknüpft. So erscheint laserpicium in einem Gedicht des Catull an seine Geliebte Lesbia (Catull 7). Und auch Pausanias beschreibt den Gebrauch von Silphion durch junge Mädchen.
Der Sage nach war es ein Geschenk des Apollo. Es wurde von fast allen antiken Kulturen rund ums Mittelmeer gebraucht. Die Römer betrachteten es als 'wert seines Gewichtes in Denaren'. Das Silphion war vom 6. Jh. v.Chr. an eine sehr hochgeschätzte Droge und bildete als Ausfuhrartikel die Grundlage des Reichtums von Kyrene. Auch in der hellenistischen Zeit war der Silphion-Handel gewinnbringend (Plaut. Rud. 630 Catull. 7, 4), aber vom Beginn der Kaiserzeit an war das echte Silphion vom Markt verschwunden (in der Kyrenaika ausgerottet?), und man behalf sich mit minderwertigem Silphion aus dem Orient

Das Verschwinden des Silphion:
Die Silphiumpflanze ist nie kultiviert worden. Sie wurde nur wild gepflückt. Um den Preis zu erhöhen, sollen die Einwohner der Kyrenaika Ziegen auf die Felder getrieben haben, die die Pflanze dezimierten
und schließlich ausrotteten. Plinius erwähnt, daß schon zu seiner Zeit nur ein einziger Stengel des Silphions gefunden werden konnte, der als letzter Sproß der berühmten Pflanze Kaiser Nero zum Geschenk gemacht wurde. Dieser soll ihn mit Genuß verspeist haben. Die genauen Gründe, warum Silphion endlich ausgestorben ist, sind nicht ganz klar. Es scheint mehrere gegeben zu haben:
(1) Es ist trotz vieler Versuche, nie gelungen, diese wichtige Pflanze, so wie andere, zu kultivieren. So war man darauf angewiesen, auf die Pflanzen, die wild nachwuchsen.
(2) Obwohl es strenge Ernteregeln und Ausfuhrbestimmungen gab, die vom König überwacht wurden, begann besonders unter römischer Herrschaft eine Überernte, durch das Silphion zurückging.
(3) Dadurch verarmten die Silphion-Bauern und stiegen um auf Schafzucht. Die Schafe aber fraßen vermehrt die wohlschmeckenden Pflanzen, so daß es zu einer Verknappung kam. Es gibt auch die Behauptung, daß dies geschah, um den Silphion-Preis zu erhöhen.
(4) Die zur Römerzeit stattfindenden Kriege und Bürgerkriege ließen die für eine geregelte Ernte notwendige Ordung zusammenbrechen.
(5) Der letzte Grund, der gerade heute modern ist, war ein Klimawechsel im Maghreb. Die Temperaturen stiegen, die Wüsten dehnten sich aus und vernichteten wertvolles Kulturland.
(6) Man muß aber auch zugeben, daß das Silphion von vornherein besonders gefährdet war. Wuchs es doch nur endemisch in einem 55km breiten Küstenstreifen von vielleicht 200km Länge entlang des Mittelmeeres in der Kyrenaika.

Allerdings erschien 2001 im 'Celator' ein Artikel von W.S.Wright "Silphium Rediscovered", in dem er schreibt, daß das Silphion heute doch noch existiert (Wright, W. S. "Silphium Rediscovered". Celator 15 (2): 23-24).

Hinzugefügt habe ich
(1) ein Bild von Scorodosma foetidum, das mit Silphion verwandt sein könnte.
(2) das Bild der Arkesilaos-Schale. Diese Schale wurde in Vulci gefunden und befindet sich heute in der Französischen Nationalbibliothek in Paris. König Arkesilaos sitzt unter einer Zeltplane und trägt einen afrikanischen Hut. Wegen dieser Aufmachung und einer anderen Schale des Arkesilas-Malers, der nach dieser Vase benannt wurde, welche die Nymphe Kyrene beim Ringkampf mit einem Löwen zeigt, wurde der Arkesilas-Maler zunächst auch fälschlicherweise in Afrika lokalisiert. Spätere Funde wiesen ihn jedoch als Lakonier aus. Arkesilaos beobachtet sieben Arbeiter, wie sie Waren verpacken, wiegen, stapeln und verladen. Durch Inschriften sind die Funktionen der Arbeiter ebenso wie der Name des Arkesilaos gekennzeichnet. Unklar ist die Deutung dessen, was verladen wird. Manche Forscher glauben, dass es sich um Silphion handelt, für das Arkesilaos das Handelsmonopol hatte. Dafür würde auch die überwachende Haltung sprechen. Mehrere afrikanische Tiere illustrieren den afrikanischen Handlungsort des Bildes. Historisch gesehen ist ein solches Bild in Lakonien Beleg für die enge Verbundenheit Spartas zu Nordafrika.

Quellen:
Der Kleine Pauly
Hellmut Baumann, Pflanzenbilder auf griechischen Münzen
Wikipedia
http://www.ancient-coins.com/resourcedetail.asp?rsc=8
http://pagesperso-orange.fr/dalby/texts ... Texts.html
http://www.uni-graz.at/~katzer/engl/Silphion.html
http://www.islamonline.net/English/Scie ... le02.shtml (Abortivum, Antikonzeptivum)

Die Anzahl der Literatur über Silphium ist unüberschaubar. Für einen größeren Überblick empfehle ich die folgende Seite:
http://www.oeaz.at/zeitung/3aktuell/200 ... 1tier.html

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
cyrene_SNGcop1276-84.jpg
21984_Apiaceae%20-%20Ferula%20assa-foetida-1.jpg
800px-Tondo_Akesilas_Cup_CdM_189.jpg
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Beitrag von emieg1 » Fr 22.05.09 19:14

Wie gewohnt ein toller Artikel Artikel von dir, Jochen, dem kaum etwas hinzuzufügen ist. Vielen Dank!!

Darf ich trotzdem etwas ergänzen:

Der leidenschaftliche Hobbykoch bzw. kulinarisch interessierte kennt diese Pflanze vielleicht auch unter dem Namen "Laserwurzel". In vielen Gerichten aus dem Kochbuch des Apicius wird sie verwandt, doch dürfte der bereits von Plinius erwähnte "Ersatzstoff" gemeint sein, den man heute unter "Asant" (lat. Ferula asafoetida) kennt. Andere Begriffe dafür sind Teufelsdreck oder Stinkasant und wer trotz der bezeichnenden Begriffe einmal damit köcheln möchte, wird im gut sortierten Asia-Laden oder in der Apotheke fündig werden... ich konnte es mir bisher verkneifen!

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Beitrag von Peter43 » Fr 22.05.09 22:57

Hallo emieg1!

Vielen Dank für Deine Ergänzung und das Lob. 'Das erfreut des Menschen Herz'. Du hast recht. Es handelt sich um den Ersatzstoff, der aus der li abgebildeten Pflanze gewonnen wird. Schade, daß Du selbst es nie probiert hast. Ich würde schon gerne wissen, wie es schmeckt. Aber vielleicht schreckt einen schon der Name Asia foetida ab, der nun wirklich nicht vertrauenerweckend klingt.

Ich muß allerdings noch ergänzen, daß es ganz grob zwei verschiedene Auffassungen gibt: Ein Teil der Wissenschaftler ist der Überzeugung, daß das Silphion mit der Sellerie verwandt war, eine andere Gruppe meint, daß es eher eine Fenchelart war.

Den Artikel von W.S.Wright habe ich leider noch nicht erhalten. Dann werde ich den Artikel natürlich ergänzen.

Übrigens ist es möglich, über praktisch jede antike Münze einen solchen Artikel zu schreiben. Das ist ja das phantastische: Hinter jeder antiken Münze steckt ein Universum an Geschichte!

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von emieg1 » Fr 22.05.09 23:35

Peter43 hat geschrieben:Hinter jeder antiken Münze steckt ein Universum an Geschichte!
Die eine Seite daran ist diejenige, die wir mehr oder weniger recherchieren können, die andere Seite ist diejenige, die uns verborgen bleibt... Wer hat diese Münze in Händen gehalten.. und was hat dieser jenige damit bezahlt? Vielleicht einen fluffigen Bordellbesuch oder eine Tüte Otternasen im Colosseum? Durch wie viele Hände ist diese Münze wohl gewandert? Tja, immerhin hat sie halt beinahe zweitausend Jahre zu erzählen, wenn sie denn reden könnte...

upps... sorry... philosophical/off :oops:

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Beitrag von Peter43 » Sa 23.05.09 19:02

Ergänzung zu 'Silphium'

Ich hatte versprochen, den Artikel zu ergänzen, wenn ich den Artikel von W.S.Wright habe. Gestern hat ihn mir Kerry K.Wetterstrom vom Celator freundlicherweise gemailt. Wright bezieht sich auf einen Artikel des Italieners A. Manunta aus dem Jahr 1996. Der hatte bei einem Besuch Libyiens 1990 und 1991 - nachdem er einheimischen Beduinen antike Münzen mit der Silphionpflanze gezeigt hatte - eine Pflanze gezeigt bekommen, die er als das angeblich ausgestorbene Silphion erkannte. (Die verspätete Rezeption liegt wohl an der politischen Isolation Libyens durch Gaddafi.) Diese Pflanze identifizierte er als Cachrys ferulacea. Der Fundort auf der Kyrenaika war tatsächlich neu. Aber diese Pflanze ist bekannt aus Sizilien, Süditalien und dem südlichen Balkan.

Dieser Interpretation widerspricht überzeugend Monika Kiehn, die zeigen kann, daß Cachrys ferulacea bereits in der Antike bekannt gewesen ist und klar von Silphion unterschieden wurde. Sie als Botanikerin ist der Meinung, daß es sich bei Silphion um eine Umbellifera gehandelt haben muß, und daß es mit Ferula communis, dem Riesenfenchel, verwandt gewesen sei.
Sie widerspricht übrigens auch der Theorie, daß es sich bei Silphion um ein Kontrazeptivum oder Abortivum gehandelt habe, und meint auch, daß die Arkesilas-Schale keine Silphion-Verladung zeigen kann, weil es dort in Säcke gepackt werde, während Theophrast und Plinius schrieben, es sei in Amphoren verschickt worden.
http://cmsdata.iucn.org/downloads/mpc13.pdf

Hinzugefügt habe ich ein Bild des sehr giftigen Riesenfenchels, der nach Kiehn mit Silphion verwandt sein soll.

Mit freundlichem Gruß
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ferula.jpg
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Beitrag von Peter43 » So 31.05.09 13:38

Der sulcus primigenius

Da dieses Thema gerade im Forum angesprochen wurde, fühle ich mich aufgerufen, dazu etwas ausführlicher
zu schreiben.

Makedonien, Philippi(?), Tiberius, 14-37
AE 17 (Semis), 3.41g
Av.: [TI] AVG
bloßer Kopf n.r.
Rv.: 2 Priester, in langem Gewand und verschleiert, hinter einem Ochsengespann, pflügen den Sulcus primigenius.
Ref.: RPC 1657
Selten, SS, hübsche grüne Patina
BMC verlegt diesen Typ nach Parium in Mysien. Aber neuerliche Hortfunde sprechen für eine europäische Herkunft

Die Sitte des sulcus primigenius wurde von den Römern selbst als sehr alt angesehen. Bereits Romulus
habe diesen Ritus durchgeführt und auf diese Weise die Stadt Rom gegründet. Dionysos von Halicarnassus
(Ant. Rom. 1. 88 ) meint, daß dieser Akt des Romulus als Vorbild gedient habe für alle späteren römischen
Stadtgründungen. Hier eine unvollständige Liste dieses Münztypus: Brundisium, Philippi, Caesarea maritima,
Caesaraugusta, Akko-Ptolemais, Ninica Claudiopolis, Berytos, Petra, Rhesaena, Antiochia.

Gaebler schildert den Brauch aufgrund der Münzbilder und der Beschreibung des Hyginus Gromaticus:
Der Akt der Coloniegründung bestand darin, daß, wenn die Colonen angelangt und Auspicien eingeholt
waren, der legatus coloniae deducendae, das Haupt bedeckt mit einem Bausch, der auf besondere
Art (ritu Gabino) angelegten Toga, bei der ein Teil als Gürtel um die Hüfte gebunden war, um das zur
Verteilung bestimmte Territorium eine Furche (sulcus primigenius) pflügte, und zwar linksherum mit
einem Gespann, das rechts (also nach außen) ein Stier, links eine Kuh sein mußte. Dabei hielten sie den
gebogenen Griff des Pfluges so, daß die Scholle nach innen fiel. An den Stellen, wo später die Tore sein
sollten, hoben sie den Pflug an, so daß die Furche hier unterbrochen wurde (Varro LL.5. 143)

Schon vorher war das Gebiet durch Agrimensoren vermessen und in quadratische Flächen (centuriae),
diese weiter in eine bestimmte Anzahl (sortes acceptae) zerlegt worden. Es folgte nunmehr die
Zuweisung des Landes. Sie geschah, wie wir aus den Schriften des Gromatikers Hyginus wissen, durch das
Los, und zwar in drei Stadien: zunächst wurden die Anwärter in decuriae oder in conternationes
(je 10 oder 3 Empfänger auf eine centuria) eingeteilt, sodann die Reihenfolge, in der diese Losgemeinschaften
(consortia) zur Ziehung gelangen sollten, festgestellt und erst nachdem dies geregelt, die eigentliche
sortitio centuriarum vorgenommen.

Der Legat habe dann auf der sella curulis Platz genommen, vor seinen Füßen stand die Losurne. Aus
ihr seien die Lose (wahrscheinlich beschriebene Holzstäbchen) gezogen worden, die dem Einzelnen sein
Stück Land zuteilten. Der rituelle Akt der Gründung bestand also aus den zwei gleichbedeutenden Vorgängen
der Umgrenzung des eingeteilten Landes im primigenius sulcus, der die Anbindung an den ager publicus
populi Romani
bestätigte, und der Zuteilung der Ackerlose durch den Legaten (sortitio).

Der sulcus primigenius umschloß das Pomerium, den geweihten Teil der Stadt, und war selbst heilig. Deshalb
tötete Romulus den Remus, als der über die von Romulus gepflügte Furche sprang. Inwieweit nun das Pomerium
mit der vom sulcus primigenius umschlossenden Fläche identisch war, ist ein wissenschaftlich noch nicht
endgültig gelöstes Problem. Jedenfalls muß das Pomerium auch gesehen werden als ein Bereich der Ordnung
gegenüber der umgebenden Wildnis. Und damit auch der Herrschaft über die Umgebung!

Übernommen haben die Römer - wie so vieles - diesen Ritus wahrscheinlich von den Etruskern.

Ich hatte mir notiert, daß dieser Ritus in den römischen Kolonien jährlich von Priestern wiederholt wurde. Jetzt habe
ich leider die literarischen Belege dazu nicht mehr gefunden.

Anmerkungen:
Agrimensor = Landmesser
Gabinus, nach der Stadt Gabii, östlich von Rom
Gromaticus = Feldmesser (nach einem Meßgerät)

Quellen:
Lukas Bormann, Philippi
Daniel J.Gargola, Lands, laws & Gods
Wikipedia (Pomerium)

Mit freundlichem Gruß
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philippi_tiberius_RPC1657_#2.jpg
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Beitrag von emieg1 » So 31.05.09 17:52

Peter43 hat geschrieben: Der Akt der Coloniegründung bestand darin, daß, wenn die Colonen angelangt und Auspicien eingeholt
waren, der legatus coloniae deducendae, das Haupt bedeckt mit einem Bausch der auf auf besondere
Art (ritu Gabino) angelegten Toga, bei der ein Teil als Gürtel um die Hüfte gebunden war, um das zur
Verteilung bestimmte Territorium eine Furche (sulcus primigenius) pflügte, und zwar linksherum mit
einem Gespann, das rechts (also nach außen) ein Stier, links eine Kuh sein mußte.
Jetzt verstehe ich auch die eigenartige Darstellung der Gewänder. Mir scheint, als wenn die Toga dabei sogar mehrmals um den Körper geschlungen getragen wurde.

Ich hoffe, ich darf dieses Augustuslein mit dergleichen Reversdarstellung dazu beitragen :-)
Dateianhänge
Koloniegründung.jpg

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Beitrag von Peter43 » So 31.05.09 23:45

Hallo nummis durensis!

So wie ich es verstehe, besteht der cinctus Gabinus aus einer Umschlingung des Oberkörpers.

Der Kleine Pauly:
In der Frühzeit, da die Toga das einzige Gewandstück der Römer wie im Frieden so im Kriege war, wurde diese im Kampf als Wulst um den Leib geschlungen. (ähnlich bei den Griechen das Himation), daher classis procincta = das Heer. In dieser Tracht wird Mars noch in der Kaiserzeit als Statuette oder auf Münzen dargestellt. Eine besondere Form dieser Gürtung ist der cinctus Gabinus: der Wulst wird über die linke Schulter geworfen, und darüber um die Hüften gegürtet; er bleibt üblich bei einer Reihe von Opfern (z.B. Öffnung des Janustempels, Darbringung der spolia opima u.a.). Der cinctus Gabinus gestattet nicht, das Haupt zu bedecken, daher verdient die in den Hss. von Serv. Aen. 5, 755 öfter überlieferte Lesart ritu Sabino den Vorzug vor Gabino. Seine Erklärung befriedigt kaum, eine bessere fehlt.

Demnach haben die Strukturen, die man auf Deiner Münze auch im Bereich der Beine sieht, eine andere Ursache. Ich halte sie für Veränderungen, die auf dem Stempel nicht vorhanden waren.

Hinzugefügt habe ich eine Münze aus meiner Sammlung, die Mars in der erwähnten (archaisierenden) Tracht zeigt.

Mit freundlichem Gruß
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sept_severus_(Laodicea)509.jpg
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neuer Expertenstreit

Beitrag von inferus » Di 02.06.09 23:49

chinamul hat geschrieben:Publius Quinctilius Varus

Es war wohl nicht zuletzt das Auftauchen von mit einem bestimmten Gegenstempel versehenen Asses, das die Annahme erhärtete, man habe bei Kalkriese im Osnabrücker Land endlich den wahren Ort der legendären Varusschlacht entdeckt. Schon Mommsen hatte im 19. Jahrhundert angesichts einschlägiger Münzfunde entsprechende Vermutungen geäußert, war aber, wohl nicht zuletzt aus „deutsch-nationalen“ Gründen, dafür angegriffen worden.
Neben den Schlußmünzen weisen Funde römischer militärischer Ausrüstungsgegenstände darauf hin, daß es bei Kalkriese im Jahr 9 eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Germanen und Römern gegeben haben muß. Ob es sich dabei tatsächlich um die Varusschlacht mit der Vernichtung der 17., 18. und 19. Legion oder ein anderes, weniger bedeutendes Gefecht gehandelt hat, ist noch in der Diskussion. Man darf also auf weitere archäologische Befunde aus Kalkriese gespannt sein.
Natürlich hat auch die neuerliche Entdeckung, wie schon im Falle von Mommsen, prompt Gegenmeinungen provoziert, wobei nicht genau auszumachen ist, wie sie letztlich motiviert sind. Jedenfalls wirken die Argumente beider Seiten nicht immer besonders überzeugend und scheinen auch nicht gänzlich frei von Ressentiments zu sein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings neige ich dazu, Kalkriese als Ort der Varusschlacht anzusehen, bis das Gegenteil überzeugend nachgewiesen ist. Daher habe ich mich auch entschlossen, dem Förderverein für die Ausgrabungen in Kalkriese beizutreten, denn um historischen Boden mit Römerzeugnissen handelt es sich dort allemal.
Was nun die gefundenen Asses betrifft, so tragen auffällig viele von ihnen den Gegenstempel des Varus, auch wenn selbst das von einigen Numismatikern inzwischen angezweifelt wird.
Natürlich stehen nicht alle im Handel anzutreffenden Stücke dieser Art in einem unmittelbaren Kontext mit der Varusschlacht, wo auch immer diese letztlich stattgefunden haben mag. Man muß wohl davon ausgehen, daß Varus auch schon vor dem Jahr 9 Münzen mit seinem Gegenstempel hat versehen lassen, zumindest in den beiden Jahren davor, als er in Germanien schon Legatus Augusti pro praetore war. Daher sind solche Stücke nicht notwendigerweise auf dem Schlachtfeld verlorengegangen, auch wenn diese Vorstellung ausgesprochen reizvoll wäre.
Das unten abgebildete Exemplar aus meiner Sammlung scheint kein Bodenfund zu sein und wird demnach mit einiger Sicherheit eher nicht aus Kalkriese stammen.

AUGUSTUS 27 v. Chr. - 14 n. Chr.
AE As Lugdunum 15 - ca. 10 v. Chr.
Av.: CAESAR PONT MAX - Belorbeerter Kopf rechts
Rv.: ROM ET AVG (im Abschnitt) - Der Altar von Lugdunum flankiert von zwei einander zugewandten Victorien auf zwei hohen Säulen; Altarfront mit großer Corona Civica in der Mitte, von zwei Lorbeerzweigen innen und zwei nackten Männergestalten außen flankiert.
Zwischen den Victorien Gegenstempel VAR (ligiert)
RIC 230; BMC 550 (10,69 g)


Literatur:
Frank Berger, Kalkriese 1 - Die römischen Fundmünzen, Mainz 1996, ISBN 3-8053-1917-7

Gruß

chinamul


vielleicht sind ja hierzu die neueren Vermutungen zu dem Ort der Varusschlacht aus numismatischer Sicht ganz interessant...siehe folgende Literatur:
Römische Präsenz und Herrschaft im Germanien der augusteischen Zeit. Der Fundplatz von Kalkriese im Kontext neuerer Forschungen und Ausgrabungsbefunde. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007. ISBN: 978-3-525-82551-8; 449 S.
Rezension unter:
http://edoc.hu-berlin.de/e_histlit/2008 ... 3.php#9520

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Mi 03.06.09 00:06

Hallo inferus!

Vielen Dank für diese interessante Rezension. Sie wirft natürlich ein kennzeichnendes Licht auf die Bemühungen, Kalkriese zum Ort der Varusschlacht zu machen. Ich befürchte nur, daß inzwischen so viel Geld ausgegeben worden ist und daß sich so viele Wissenschaftler und Politiker für Kalkriese ausgesprochen haben, daß allein dies eine Entscheidung präjudiziert.

So stören Untersuchungen wie die über die geologischen Strukturen dieser Gegend zu Christi Geburt, die zeigen, daß es sich damals um eine offene Siedlungslandschaft gehandelt haben muß und eben nicht um die von antiken Autoren beschriebene Sumpflandschaft, nur den Konsens.

Was das mit kritischer Wissenschaft zu tun haben soll, bleibt mir ein Rätsel.

Jedenfalls steht als Ergebnis dieses Kongresses fest, daß Kalkriese nicht das finale Schlachtfeld der Varusschlacht sein kann.

Mit freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Beitrag von j-u.thormann » Mi 03.06.09 01:10

Peter43 hat geschrieben: Vielen Dank für diese interessante Rezension. Sie wirft natürlich ein kennzeichnendes Licht auf die Bemühungen, Kalkriese zum Ort der Varusschlacht zu machen.
Sie wirft m. E. eher ein Licht auf die Bemühungen des Herrn Kehne, eine vermeintliche "Kalkriese-Verschwörung" aufzudecken. Die Art und Weise seiner Argumentation (mit doch sehr persönlichen Angriffen gegen Rainer Wiegels und Frank Berger) toppt sogar sein Verhalten beim ersten Kolloquium zu den Fundmünzen von Kalkriese. :roll:

Gruß,

j-u.thormann

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Beitrag von inferus » Mi 03.06.09 01:20

Hallo Peter43,

diese Erkenntnis deckt sich ja zum großen Teil mit dem archälogischen Gedankengang, dass sich die Varusschlacht vermutlich mehr in vielen kleineren bis hin zu groeßeren Scharmuetzeln zugetragen hat, die sich flächenmäßig auf ein viel größeres Areal ausbreiten, als der angegebene Ort des Kalkriesen...hinzu kommt, dass häufig(auch bei den althistorikern) noch zu wenig über topoi der antiken historiker nachgedacht wird, wie z.B. der einer sumpflandschaft, welcher die assoziation an irgendwelche umherstreifenden nomois weckt, die mehr oder weniger zufällig die römer besiegt haben, als eine geschlossene heeressvereinigung von etlichen germanischen stammesverbänden

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Beitrag von justus » Mi 03.06.09 09:27

Zunächst ein Wort zur Bedeutung von Fundmünzen im Zusammenhang mit der Datierung von Fundplätzen. Die historische Einordnung oder Datierung eines Fundplatzes geschieht niemals nur auf der Grundlage von Fundmünzen. Diese können allenfalls dazu dienen, Zeiträume genauer einzugrenzen.

Die Zuordnung der Fundstätte von Kalkriese-Bramsche in den Horizont der Varusschlacht beruht überwiegend auf der überwältigenden Menge von Waffenteilen und Ausrüstungsgegenständen, die sowohl kämpfenden Einheiten, als auch einem nachfolgenden Tross zu zuordnen sind; sowie auf dem ergrabenen, mit einem Weidenrutenzaun befestigten Rasen-Soden-Wall. Dergleichen Befundsituationen finden sich nur auf Schlachtfeldern, wobei sich der bisher bekannte Horizont auf fast 30 km Länge in Richtung Weser erstreckt und eine erhebliche Fundverdichtung dann vor dem Rasen-Soden-Wall festzustellen ist (s. unten Cassius Dio).

Die Fundmünzen, allen voran die aufgefundenen Gaius-Lucius-Denare und Lugdunum II-Asses, ermöglichen nur eine ungefähre historische Einordnung. Interessanter ist dagegen in diesem Zusammenhang schon die Tatsache, dass vergleichbare Münzen des Tiberius hier fehlen.

Heinrich Chantraine*, Varus oder Germanicus? Zu den Fundmünzen von Kalkriese. In: Thetis. Mannheimer Beiträge zur Klassischen Archäologie und Geschichte Griechenlands und Zyperns 9, Mannheim 2002, S. 81-93.

In diesem Beitrag erörtert Chantraine zwei Aufsätze gleicher Zielsetzung von Peter Kehne und Reinhard Wolters, welche die Funde von Kalkriese den Ereignissen der Jahre 15/ 16 n. Chr. zuordnen wollen.

Kehnes Argumente, der sich schon seit langem bemüht, die bisherige Datierung zu erschüttern und z. B. nachzuweisen, dass Haltern auch nach der Varusschlacht noch weiterbestanden hätte und die Kalkrieser Funde daher in den Germanicushorizont einzuordnen wären, löst Chantraine vollständig auf und weist nach, dass sie oft genug sich widersprechend und ohne jeglichen Nachweis in den Raum gesetzt worden sind.

Sachlich und ausgewogen (im Gegensatz zu Kehne), aber unterschwellig genervt von dessen Maß an publizierter Unwissenheit, formulierte er das Resultat folgendermaßen: „In Summa. So wichtig es ist, etablierte Forschungsmeinungen und –methoden immer wieder zu überprüfen, so nützlich es für den Mitforscher und den Nutzer seiner Ergebnisse ist, die bisherigen Positionen zu überdenken und gegebenenfalls zu verdeutlichen, eine ausgewogenere Diskussion wäre der Sache dienlicher gewesen.“

* Heinrich Chantraine war bis 1995 Professor für Alte Geschichte an der Universität Mannheim.

mfg Justus

Nachtrag:

Cassius Dio, D 56,20,4 (1. Kampftag), D 56,21,1 (2. Kampftag), D 56,21,2 (3. Kampftag) und D 56,21,3 (4. Kampftag).
Kalkriese/Bramsche wird dem 4. Kampftag, also der entgültigen Vernichtung der Varus-Legionen zugeordnet.

D 56,20,5 (1. Kampftag) – „Es war unmöglich, erstens in irgendeiner Ordnung zu marschieren, sondern nur in einem Durcheinander von Wagen und Unbewaffneten, zweitens konnten sie sich auch nur schwer zusammenscharen, und waren Schar für Schar immer weniger als die Angreifer, und so litten sie schwer ohne Abhilfe schaffen zu können“.
mit freundlichem Gruß

IVSTVS
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