Historisch interessante Münzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Sa 18.12.04 19:14

Die Auguren

Die Auguren waren ein Kollegium von Priestern, die den Willen der Götter erkundeten und in diesem Zusammenhang bei wichtigen Entscheidungen den stadtrömischen Magistraten assistierten. Ihre Rolle in der Gesellschaft war bedeutsam, da sie bei allen wichtigen Anlässen des öffentlichen Lebens dabei waren. Zuständig für die Deutung der Zeichen der Götter hatten sie es in der Hand, eine Schlacht, eine Wahl oder eine Versammlung hinauszuzögern.
Der Bezeichnungen augures (Priester) und augurium (Kulthandlung) stammen vom lat. Wort augere (wachsen lassen, vermehren) ab. Es gibt hierbei Zusammenhänge mit Vermehrungsriten bei der Fruchtbarkeit. Einer genaueren Etymologie entzieht sich das Wort.

Die Auguren traten als Deuter göttlicher Zeichen auf. Dabei ging es nicht um die Voraussage von zukünftigen Ereignissen, sondern um die Zustimmung der Götter zu einer beabsichtigten Handlung. Im Falle fehlender Akzeptanz sollte man besser auf die Tat verzichten, denn ansonsten würde sie misslingen. Es versteht sich von selbst, dass sich das augurium nur schwer von der Zukunftsdeutung trennen lässt.

Die wichtigen Handlungen des Staates durften nur mit Zustimmung der Götter vollzogen werden. Der zuständige Magistrat beauftragte dabei die Auguren mit der Befragung der Götter nach ihren Wünschen. Er brauchte sich bei seiner Entscheidung zwar nicht an den Rat der Priester halten, doch konnte es im Ernstfall zur Anfechtung seiner Handlung kommen. Um dem vorzubeugen war etwa bei Wahlen immer ein Augur zur Stelle, der öffentlich die religiösen Zeichen bestätigte. In ältester Zeit durfte wahrscheinlich jeder Familienvorstand den Willen der Götter für seinen Wirkungskreis erkunden, doch kam dies schon in der Republik außer Mode.
Die Deutung selbst und die Entscheidung bei sich widersprechenden Zeichen beruhte auf einem komplizierten System, das als eigene Wissenschaft von den Auguren bewahrt wurde. In ihrem Archiv wurden zudem alle bisher erteilten Gutachten aufbewahrt, sodaß man im Zweifelsfall auf Präzedenzfälle zurückgreifen konnte. Zunächst als Geheimarchiv konzipiert wurden die Akten im 1.Jh.v.Chr. der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Beim Recht auf ein auspicium unterschied man zwischen großen und kleinen Auspizien. Eigene konnten nur Feldherrn als Inhaber eines selbständigen Oberkommandos ausrichten. Vor der Abreise aus Rom hatten sie wie die Statthalter auspicia einzuholen. Sie konnten nur in Rom selbst wieder erneuert werden.

Für die Beobachtung wurde mit dem templum eine rechteckige Fläche bestimmt, die mit Tag und Ort der zugrundeliegenden Handlung (z.B. Senatssitzung, Comitien, etc.) zusammenfallen musste. Der Augur grenzte mit seinem lituus (Krummstab) die Beobachtungsfläche ab. Der Stab dürfte ursprünglich als Zauberstab gedient haben. Die Fläche konnte sowohl im freien als auch innerhalb eines Raumes Platz finden. Eine genaue Bestimmung für die Blickrichtung des Auguren zur Erhaschung des Zeichens gibt es nicht. Es sind sowohl Ost- als auch Südrichtung überliefert und dürfte in seinem Belieben gelegen sein.

Ein Schwerpunkt ihrer Handlungen war die Einweihung (und somit Einführung) von Tempeln, Orten und Priestern. Diese (heute noch) Inauguration genannte Tätigkeit, erkundete die Wohlgesonnenheit der Götter gegenüber dem Vorhaben bzw. der Person.

Im militärischen Bereich wandelte sich die Beobachtung des Vogelflugs zu jener der signa ex tripudiis; der heiligen Hühner. Fraßen die Hühner derart gierig, dass ihnen ein Teil des Futters wieder aus dem Schnabel fiel, so galt dies als günstiges Zeichen. Mancher Augur wußte das auszunutzen, indem er den Hühnern vorher nichts zu fressen gab oder eine von ihnen besonders beliebte Futtermischung einsetzte. Auch aus diesem Grund wurde das augurium im militärischen Bereich immer unbedeutender. Als Ausgleich wuchs die Bedeutung der Haruspices.

Der Dienst der Auguren währte ein Leben lang, jedoch konnten andere Magistrats- und Priesterämter übernommen werden. Ein Augur genoß großes Ansehen und er hatte bei der Ausübung seiner Pflichten Anrecht auf die toga praetexta (Toga mit Purpurstreifen). Bei den Spielen durfte er an einem Ehrenplatz teilnehmen. Als Zeichen ihres Amtes trugen sie den lituus (Krummstab) und die trabea (Toga entweder rein purpurn oder mit purpurnen, weissen oder scharlachroten Streifen gemustert). Trotz der immer geringer werdenden Tätigkeit, blieb das Augurenamt bis zum Ende der Republik hoch angesehen.


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Beitrag von chinamul » So 19.12.04 16:33

Nero als Apollon Kitharoedos

Wie schon an anderen Stellen ausgeführt wurde, sah sich Nero als begnadeten Künstler, der ganz in der Tradition der griechischen Vortragskunst stand. Selbstverständlich übte er sich auch im Gesang zur selbstgespielten Kithara (eine besondere Form der Leier, daher unsere Wörter Gitarre und Zither, aber wohl auch die indische Sitar) und soll dabei auch bereitwillig immer wieder Selbstverfaßtes zum Besten gegeben haben. Es wird u. a. berichtet, daß er anläßlich des großen Brandes von Rom im Jahre 64 die Feuersbrunst - die entgegen anderslautenden Beschuldigungen besonders aus christlichen Kreisen wohl nicht sein Werk war - von der hochgelegenen Terrasse seines Palastes aus beobachtete und sich durch diesen Anblick so sehr an das brennende Troja erinnert fühlte, daß er zum Klang der Kithara den Untergang Trojas besang.
Die vorliegende Münze, ein As, zeigt auf der Rückseite Nero in einem langen Chiton, dem traditionellen Gewand der Kitharoeden, mit der Kithara.

NERO 54 – 68
AE As Lugdunum ca. 65
Av.: NERO CLAVD CAESAR AVG GERMANICVS - Kopf links barhaupt (an der Spitze des Halsabschnittes Kugel = Lugdunum)
Rv.: PONTIF MAX TR POT IMP P P S C - Nero im langfließenden Gewand des Apollon Kitharoedos nach rechts schreitend und Kithara spielend, die er in der Linken hält
RIC 417 - 10,65 g

Um diesbezüglichen Nachfragen zuvorzukommen: Die eigenartigen konzentrischen Spuren auf dem Av. haben sich wohl beim Scannen ergeben. Auf der Münze selbst sind sie nicht vorhanden!

Gruß

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nero kithar.jpg
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Beitrag von Peter43 » So 19.12.04 19:25

@chinamul:

Wunderschönes As mit kulturhistorisch bedeutsamer Darstellung! Glückwunsch!

Dazu habe ich aber eine Frage: Man muß ja unterscheiden zwischen LYRA und KYTHARA. Die Lyra wurde der Sage nach von Hermes erfunden und bestand aus einem Schildkrötenpanzer, der als Schallkörper mit Haut überzogen war. Sie war eher ein Instrument des Hausgebrauchs (Pauly). Die Kythara wurde von Apollo erfunden und bestand - wie man auf Deiner Münze schön sehen kann - aus einem großen Holzkasten als Schallkörper. Sie war das typische Instrument von öffentlich auftretenden Sängern.
Wie kommt es dann dazu, daß Apollo, dessen Instrument doch die Kithara sein sollte, so oft mit einer Lyra dargestellt wird? Hier ein Beispiel:
Ein Antoninianus von Trebonianus Gallus RIC IV, 32(s); C.20

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von chinamul » So 19.12.04 23:05

Peter43 hat geschrieben:Wie kommt es dann dazu, daß Apollo, dessen Instrument doch die Kithara sein sollte, so oft mit einer Lyra dargestellt wird?
Tja, wenn ich das wüßte! Eine Erklärung könnte sein, daß der römische Normalbürger und damit auch der Stempelschneider mit dem Apolloinstrument eher die Vorstellung einer Leier verband, weil er ihr im täglichen Leben einfach öfter begegnete als dem "Konzertinstrument". Man trifft die Klampfe eben häufiger als die Harfe.
Unten die Rückseite eines recht seltenen Sesterzen des Commodus (RIC 578), auf dem das Instrument vielleicht noch etwas deutlicher zu erkennen ist.

Gruß

chinamul
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Beitrag von Peter43 » Mo 20.12.04 00:11

@chinamul:

Vielen Dank für Deine Antwort!

Einige Anmerkungen zu den codierten Münzen

Vor kurzem hatte antoninus1 einen Thread begonnen 'Ein kleines Rätsel zum Sonntag'. Darin hatte er die drei sog. 'codierten Münzen' des Maximian vorgestellt. Die gibt es auch für Diokletian. Nun habe ich beide Serien vollständig, möchte sie hier vorstellen und für diejenigen unter uns, die sie noch nicht kennen, etwas Hintergrundinformation bringen.

284 wurde Diokletian zum Kaiser ausgerufen. 285 machte er seinen Landsmann Maximian - nach dessen Erfolgen gegen die Räuberbanden der Bagauden in Gallien - zum Caesar und 286 zum Mitkaiser. Sie nannten sich beide fratres und - gegen das aufkommende Christentum - Diokletian JOVIUS nach Jupiter und Maximian HERKULIUS nach Herkules, übrigens ein Zeichen dafür, daß Diokletian etwas über Maximian stand.
289 begann die Münzstätte in Siscia mit der Ausgabe einer Serie von Münzen, bei denen jede der 3 tätigen officinae je einen Teil dieses selbst gewählten Namens der beiden Kaiser auf das Revers prägte. Das waren bei den Antoninianen RIC 263/264 die 3 Teile I-O-BI für Diokletian und bei den Antoninianen RIC 580/581/582 die drei Teile HP-KOY-LI für Maximian. Dieser Zusammenhang wurde erst 1827 von Joseph von Kolb entdeckt.

Diese Münzserien geben auch heute noch viele Rätsel auf:
1. Diese Legenden, die sich immer im Abschnitt finden, sind eigentlich
lateinische Wörter, werden hier aber mit griechischen Buchstaben
wiedergegeben, und das bei imperialen Prägungen!
2. Sowohl IOBI als auch HPKOYLI stehen im Genetiv! Das ist sehr
ungewöhnlich und bis heute nicht geklärt. Normalerweise stehen die
Namen entweder im Nominativ - z.B. IMP DIOCLETIANVS - oder im
Dativ der Dedikation - z.B. DIVO CONSTANTINO. Der Genetiv kommt
nur bei abhängigen Wörtern vor, z.B. GENIO POPVLI ROMANI.

Es ist wohl allgemeine Überzeugung, daß diese sog. 'Codierung' die beiden Herrscher ehren sollte. Aber es ist sehr fraglich, ob das gemeine Volk dies erkennen konnte, wenn die Einzelteile dieses Puzzles bei der Ausgabe der Münzen auseinandergerissen wurden.
Deshalb gibt es die Meinung, daß diese Codierung eher eine Bedeutung für die Münzstätte hatte. Welche Bedeutung ist aber nicht bekannt! Doch damit sollte man als Freund der Antike leben können; denn vor dieser Situation steht man ja öfter!

Eine Bemerkung noch zu den abgebildeten Reversen. Die erste Münze von Maximian (mit HP) zeigt nicht wie üblich 'Herkules auf einer Keule lehnend' sondern 'Herkules hält Keule und Löwenfell'. So handelt es sich um RIC 582. Allerdings hat sie eine andere Averslegende und ist wahrscheinlich bisher unbekannt.

Für vertiefte Informationen hier einige Links:
http://dougsmith.ancients.info/code.html
http://www.forumancientcoins.com/forvm/ ... lation.htm
http://www.forumancientcoins.com/forvm/ ... s_west.htm

Mit freundlichen Grüßen
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dio_263.jpg
max_580.jpg
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Beitrag von chinamul » Mo 20.12.04 10:10

@Peter43

Dein interessanter Beitrag macht mir wieder mal klar, daß ich mir das von mir bisher eher halbherzig beackerte Gebiet der tetrarchischen Münzprägung mal etwas genauer ansehen sollte, weil es da offenbar doch einiges zu entdecken gibt, das sich nicht auf den ersten Blick erschließt. Habe vielen Dank für diese Schärfung meines Wahrnehmungsvermögens!

Gruß

chinamul
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Beitrag von Iotapianus » Mo 20.12.04 16:08

zu der Darstellung von Peter43:

Vielen Dank; diese Codierung ist wirklich interessant. Nur eines fiel mir auf: Wieso sollen IOBI (= Iovi) und HPKOYLI (= Herculi) Genitive sein? Wenn das Transliterationen aus dem Lateinischen sind, sind das lupenreine Dative, die bei einer Dedikation auch zu erwarten sind.

Iotapianus

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Beitrag von Peter43 » Mo 20.12.04 18:48

@Iotopianus:

Du hast recht! Dann wären die zugrunde liegenden Namen nicht JOVIUS sondern JOVIS (Jupiter) und nicht HERKULIUS sondern HERKULES gewesen. Dann wären es die Dative, und die Übersetzung wäre: (gewidmet) dem Jupiter, bzw. (gewidmet) dem Herkules.
Allerdings bestände dann immer noch die Diskrepanz (das wäre aber auch im Falle des Genetivs so!) zwischen dem Nominativ CONSERVATOR AVGG in der Legende und dem deklinierten Codewort im Abschnitt. Aber sollten es wirklich interne Codewörter gewesen sein, dann hätte den Münzmeistern die Wahl des Kasus wohl freigestanden. Aber das weiß ich nicht genau; ebensowenig, wie frei sie in der Wahl der Serienzeichen gewesen sind, also z.B. Zweig, Stern, Mondsichel, aufgehende Sonne und was es alles so gibt.

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von chinamul » Di 21.12.04 19:00

Um noch einmal auf den Denar des Domitianus anläßlich der ludi saeculares zurückzukommen, den @spider vor einigen Tagen hier vorgestellt und den @Peter43 dann so ausführlich erläutert hat, hier ein As, der zum selben Anlaß geprägt wurde und eine bei solchen Gelegenheiten immer vorgenommene Opferhandlung darstellt. Leider kann ich ihn nicht schöner machen als er nun mal ist!

DOMITIANUS 81 – 96
AE As Rom 88 zu den Feierlichkeiten anläßlich des achthundertjährigen Bestehens der Stadt Rom
Av. IMP CAES DOMIT AVG GERM P M TR P VIII CENS PER P P - Belorbeerter Kopf rechts
Rv. COS XIIII LVD SAEC FEC S C (im Abschnitt) - Domitianus vor einem Tempel nach links stehend und aus Patera auf Altar opfernd; ihm gegenüber nach rechts hintereinanderstehend ein Doppelflöten- und ein Leierspieler - RIC 385a (11,54 g)
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lud saec b.jpg
lud saec a.jpg
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Beitrag von Peter43 » Mi 22.12.04 14:41

@Chinamul:

Ich liebe diese Münzen mit Szenen aus dem täglichen Leben! Ich weiß zwar nicht, wie sehr sie stilisiert und damit unrealistisch sind, aber aus solchen Quellen sollten sich uns unsere Vorstellungen von der Antike speisen und nicht aus Filmen wie 'Quo vadis'!

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von chinamul » Do 30.12.04 19:50

Bevor das Jahr ganz zu Ende ist, hier noch etwas numismatisches Futter für den arbeitsfreien Neujahrstag.
Ich wünsche allen Forumsmitgliedern für das neue Jahr Glück, Gesundheit und auch weiterhin viel Freude an unserem schönen Hobby!!!

Zitate älterer Römermünzen

Es gibt eine Unmenge gängiger Münzbilder, besonders von Rückseiten, die von allen Kaisern verwendet und über die Jahrhunderte praktisch unverändert beibehalten wurden. Man denke nur an die nach links oder rechts schreitende Victoria mit Kranz und Palmwedel, an die Aequitas mit der Waage, die Fortuna mit dem Steuerruder und etliche andere.
Daneben aber finden sich ganz vereinzelt Münzbilder, die einmal geschaffen wurden, dann für längere Zeit verschwanden und plötzlich wieder aufgenommen wurden, ohne daß es sich dabei in jedem Fall um ausdrückliche Restitutionsprägungen handelte.

Ein Beispiel dafür ist der Denar des Vespasianus (Abb. 1), der ca. 120 Jahre später den Revers eines Denars des Marcus Antonius aus dem Jahre 41/40 v. Chr. zitiert (Sydenham 1178ff.):

VESPASIANUS 69 – 79
AR Denar Rom 77/78
Av. IMP CAESAR VESPASIANVS AVG - Belorbeerter Kopf rechts
Rv. COS VIII - Schiffsbug nach rechts; darüber das Sidus Iulium
RIC 108; C. 136 - 3,12 g

Leider fehlt mir in meiner Sammlung noch das republikanische Gegenstück zu dieser Münze, so daß ich leider keine Abbildung liefern kann.

Ein anderes Beispiel ist dieser Sesterz des Drusus (Abb. 2):

DRUSUS (geb. 14 v. Chr., gest. 23 n. Chr.)
AE Sesterz Rom 22/23 unter Tiberius
Av. (ohne Legende) - Zwei unten gekreuzte Füllhörner, aus denen zwei einander zugewandte Knabenköpfe (die Drusussöhne Germanicus und Tiberius) herausragen; zwischen ihnen ein geflügelter Caduceus
Rv. DRVSVS CAESAR TI AVG F DIVI AVG N PONT TR POT II um großes S • C
RIC 42 (Tiberius); BMC 95 - 25,94 g

Dieses Münzbild nimmt ebenfalls ca. 120 Jahre später Antoninus Pius wieder auf (Abb. 3):

ANTONINUS PIUS 138 – 161
AE Sesterz Rom 148/159
Av. ANTONINVS AVG PIVS P P TR P XII - Belorbeerter Kopf rechts
Rv. TEMPORVM FELICITAS S C COS IIII (im Abschnitt) - Zwei gekreuzte Füllhörner, aus denen die einander zugewandten Büsten zweier Knaben herausragen (wohl Zwillinge des Marcus Aurelius und der Faustina Filia)
RIC 857; C. 813 - 23,42 g

Ein drittes Beispiel ist ein Denar des Marcus Aurelius, der einen der Legionsdenare des Marcus Antonius (Abb. 4) zitiert, und zwar beidseitig, wobei allerdings Av. und Rv. (Nennung des Prägeherrn) vertauscht sind. Der Aureliusdenar ist, wie die Rv.-Legende auch klar besagt, hierbei das einzige Beispiel für eine echte Restitution (Abb. 5):

Römische Republik
Marcus Antonius
AR Denar Asia Minor 32 - 31 v. Chr. von Marcus Antonius vor der Seeschlacht von Actium zum Umlauf in Heer und Flotte geprägt
Av. Prätorianische Galeere mit Ruderern nach rechts; Standarte im Bug
Oben: ANT • AVG ; unten: III • VIR • R • P • C
Rv. Drei Feldzeichen; das mittlere ein Legionsadler
Zwischen ihnen: LEG• VI
Syd. 1223 - 3,45 g

MARCUS AURELIUS 161 – 180
AR Denar Restitution der von Marcus Antonius vor der Schlacht von Actium geprägten Legionsdenare durch Marcus Aurelius und Lucius Verus
Av. ANTONIVS AVGVR III VIR R P C - Prätorianische Galeere nach links fahrend
Rv. ANTONINVS ET VERVS AVG REST - Legionsadler zwischen zwei Feldzeichen, im Feld dazwischen: LEG VI
RIC 443 - 3,31 g

Gruß

chinamul
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Abb. 5  leg VI m aurel.jpg
Abb. 4  leg VI m anton.jpg
Abb. 3  ant pius gemini.jpg
Abb. 2  drusus gemini.jpg
Abb. 1  vesp rep.jpg
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Beitrag von Zwerg » Do 30.12.04 22:21

Hallo chinamul,
Zu genau diesem Thema gibt es ein Buch von Michael Grant, Roman Anniversary Issues (irgendwann in den 60ern) Er fuehrt alle diese Muenzzitate auf und stellt die These auf, dass die entsprechenden Muenzen bewusst und zeitlich genau in Anlehnung auf die Emission der Ursprungsmuenze ausgegeben wurde.
Diese These ist heute kaum noch bekannt, auch in den meisten Muenzkatalogen wird sie nicht erwaehnt. Viele der von ihme aufgefuehrten Beispiele sind verblueffend, andere erscheinen abwegig. Ich weiss noch immer nicht, ob M.Grant nicht vielleicht doch Recht (recht??) hat.

Beste Gruesse
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Beitrag von seekuh_1 » Fr 07.01.05 13:30

Ich melde mich selten zu Wort (bin nicht sehr gesprächig) aber man muß auch einmal Lob aussprechen : Die Beiträge in diesem Forum sind hochklassig! Die Autoren dieser Beträge kann man zur Themenwahl und deren Darstellung nur beglückwünschen. Grüße an alle :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol: :lol:

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Beitrag von chinamul » Mo 10.01.05 19:25

Der berühmte "Zinsgroschen"

Von Tiberius gibt es nur drei verschiedene Denare. Zwei davon sind außerordentlich selten, während der dritte massenhaft geprägt wurde und lange im ganzen Reich, also auch im vorderen Orient, umlief. Steuerzahlungen im römischen Reich waren seinerzeit in Silbermünzen des herrschenden Kaisers zu entrichten, also in Denaren. Dies als Vorbemerkung zu den folgenden Ausführungen.
Weil Jesus, der bekanntlich während der Regierungszeit des Tiberius (14 – 37) wirkte, sich durch seine Beliebtheit beim Volk viele Neider und Feinde machte, versuchten die Pharisäer und Handlanger des Herodes ihn zu unbedachten und gegen die Obrigkeit gerichteten Äußerungen zu provozieren (Zitat N. T. Markus 12, Vers 14 – 17):

„14. Und sie kamen und sprachen zu ihm: Meister, wir wissen, daß du wahrhaftig bist und fragst nach niemand; denn du achtest nicht das Ansehen des Menschen, sondern du lehrst den Weg Gottes recht. Ist’s recht, daß man dem Kaiser Zins gebe, oder nicht? Sollen wir ihn geben oder nicht geben?
15. Er aber merkte ihre Heuchelei und sprach zu ihnen: Was versuchet ihr mich? Bringet mir einen Groschen, daß ich ihn sehe!
16. Und sie brachten ihm. Da sprach er: Wes ist das Bild und die Überschrift? Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers.
17. Da antwortete Jesus und sprach zu ihnen: So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist , und Gott, was Gottes ist! Und sie verwunderten sich über ihn.“

Immer vorausgesetzt, diese Szene hat sich tatsächlich in der berichteten Weise zugetragen, muß es sich bei der Jesus vorgelegten Münze mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um einen Denar gehandelt haben, der auf dem Avers den belorbeerten Kopf des Tiberius zeigte und auf dem Revers seine als Concordia nach rechts sitzende Mutter Livia (RIC 26, 28 oder 30). Wer also ein solches Stück in der Hand hält, kann sich mit etwas Fantasie in die damalige Situation hineinträumen. Und wer weiß: Vielleicht war es just sein Stück, das Jesus damals in der Hand gehabt hat! Die oben zitierte Stelle aus dem Markusevangelium hat dem Tiberiusdenar jedenfalls in Numismatiker-kreisen die Bezeichnung „Zinsgroschen“ eingetragen.

Gruß

chinamul
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Beitrag von Peter43 » Mo 10.01.05 21:25

Ganz klar, der 'Zinsgroschen' und seine Geschichte gehört in diesen Thread. Nicht ohne Grund wird dieser Tiberiusdenar, der ja einer der häufigsten ist - er wurde jahrelang geprägt - , zu völlig überhöhten Preisen gehandelt. Aber es muß ja wohl jeder christlich angehauchte Münzsammler ein Exemplar des 'Zinsgroschen' in seiner Sammlung haben.

Leider ist es nötig historisches Wasser in den Wein der christlichen Legende zu giessen.

Kürzlich hat eine Untersuchung der Münzfunde von Jerusalem gezeigt, daß nur wenig römische Kaisermünzen tatsächlich während der Lebenszeit von Jesus dort im Umlauf waren. Die Autoren von RPC stellen fest, daß in Syrien römische Denare weder geprägt wurden noch in Umlauf waren. Sondern die hauptsächlichsten Silbermünzen in Syrien, von dem Judaea ein Teil war, waren die Tetradrachmen aus Antiochia und die Schekel von Tyrus!

Und dann muß man die Belegtexte bei Matthäus, Markus und den nicht-kanonischen Evangelien (Thomas, Egerton-Evangelium) einer Textkritik unterziehen.

Es ist unglaubwürdig, daß Jesus überhaupt einen Disput mit den Pharisäern hatte. Zu Jesus' Lebenszeit waren die Ph. nicht an der Macht und es gibt auch keinen Hinweis darauf, daß sie damals überhaupt irgendeine Rolle gespielt haben.

Darüber hinaus waren die Probleme, über die Jesus mit den Ph. diskutierte, zu dieser Zeit nicht aktuell. Sie repräsentieren vielmehr religiöse Probleme zwischen der frühen christlichen Kirche und den nicht-christlichen Juden aus einer viel späteren Zeit, mehrere Generationen nach Jesus. Deshalb muß der Bericht mit dem Zitat: Gebt dem Kaiser. was des Kaisers ist...' mit allergrößter Skepsis betrachtet werden.

Wer sich für eine genauere Beweisführung und Literatur dazu interessiert, hier ein Link: http://www.forumancientcoins.com/forvm/ ... urces.html
Dann auf 'No Tribute Penny? von James S. Wilk, M.D' klicken.

Mit freundlichen Grüßen
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