Historisch interessante Münzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Mo 02.05.05 22:16

Ein Hallo allen an historisch interessanten Münzen Interessierten!

Dieser Thread begann mit dem berühmten Germanicus-Dupondius 'SIGNIS RECEPT - DEVICTIS GERM RIC 57(Gaius) von Chinamul. Nun habe ich über diese Münze neue Informationen, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Hier sind sie:

Die Bedeutung des Ausgabezeitpunkts für das richtige Verständnis des Münzbildnisses zeigt sich exemplarisch in der Diskussion über den sogenannten Germanicus-Dupondius. Er stellt im Avers Germanicus im Triumphwagen mit der Legende GERMANICVS CAESAR dar und verkündet im Revers die Wiedergewinnung der Feldzeichen sowie Besiegung der Germanen: SIGNIS RECEPT(IS) - DEVICTIS GERM(ANIS). Die Interpretation des Münzmotivs ist strittig und hängt unmittelbar von der Datierung des Stücks ab, für die aufgrund fehlender Angaben auf den Münzen die Regierungszeit von insgesamt drei verschiedenen Herrschern in Frage kommt: Möglich ist, daß diese Münze anläßlich des Triumphes des Germanicus 17 n.Chr. ausgegeben wurde und sie somit seine in Germanien erzielten Erfolge feierte. Wenn sie unter Gaius geprägt wurde, wofür unter anderem der Stil der Münzen angeführt werden kann, dann war es eine Erinnerungsprägung des Gaius an die Taten seines Vaters, mit denen er sich über seine Herkunft zusätzliche Legitimation und Reputation verschaffen wollte. Harald Küthmann (in 'Claudius, Germanicus und Divus Augustus, JNG 10, 1959/69') vermutete, daß auf einer Seite nicht Germanicus, sondern Claudius dargestellt wurde, da zu Beginn seiner Herrschaft der letzte in der Varusschlacht verlorene Legionsadler zurückgewonnen werden konnte, und daß Claudius dieses nun mit den Erfolgen des Germanicus auf eine Stufe stellte.

Die vor wenigen Jahren gefundene TABULA SIARENSIS, die einen Ehrenbeschluß des Senats für den verstorbenen Germanicus zu großen Teilen im Wortlaut erhalten hat, legt jetzt aufgrund vieler Übereinstimmungen die Interpretation nahe, daß die Münze beim Tod des Germanicus 19 n.Chr. ausgegeben wurde und den Ehrenbeschluß des Senats illustrierte. Dann stellte sie dem großen Triumph des Germanicus 'De Cheruscis Chattisque et Angrivariis quaeque aliae nationes usque ad Albim colunt' nur zwei Jahre später ein einfaches 'devictis Germanis' entgegen und half, die Vorstellungen über das in Germanien Erreichte wieder mit der Realität in Einklang zu bringen. - So unterschiedlich die heutigen Vorschläge zum verständnis dieser Münze auch sind: Die Zeitgenossen hatten dieses Problem nicht und konnten aus dem Ausbringungszeitpunkt der Münze den Bezug und somit die Bedeutung des Motivs unzweifelhaft ableiten.


Zitiert nach: Reinhard Wolters, Münzprägung und Münzpropaganda, in Nummi Signati, Vestigia Band 49, 1999 Beck

Mit freundlichem Gruß

Nachtrag:
Nach längerer Suche im Web habe ich hier eine Übersetzung der TABULA SIARENSIS gefunden (natürlich nicht auf deutsch sondern nur auf englisch!): http://www.umich.edu/~classics/programs ... /H006.html

MfG
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Beitrag von chinamul » Mo 02.05.05 23:14

Hallo Peter43!

Etwa Deine? Ein tolles Stück mit einer ausgesprochen reizvollen Patina!! Es ist wirklich viel zu schön, als daß man es ein solches Schattendasein führen lassen sollte. Daher "spotlight on!"

Gruß

chinamul
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Beitrag von Peter43 » Di 03.05.05 00:57

@chinamul:

Danke! Ich habe nur einen Scanner und keine gute Software zum Nachbearbeiten

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von Peter43 » Do 05.05.05 15:12

Verschoben in den Thread 'Mythologisch interessante Münzen'!
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Beitrag von Peter43 » So 08.05.05 20:22

Verschoben in den Thread 'Mythologisch interessante Münzen'!
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Beitrag von chinamul » Di 10.05.05 14:39

Publius Quinctilius Varus

Es war wohl nicht zuletzt das Auftauchen von mit einem bestimmten Gegenstempel versehenen Asses, das die Annahme erhärtete, man habe bei Kalkriese im Osnabrücker Land endlich den wahren Ort der legendären Varusschlacht entdeckt. Schon Mommsen hatte im 19. Jahrhundert angesichts einschlägiger Münzfunde entsprechende Vermutungen geäußert, war aber, wohl nicht zuletzt aus „deutsch-nationalen“ Gründen, dafür angegriffen worden.
Neben den Schlußmünzen weisen Funde römischer militärischer Ausrüstungsgegenstände darauf hin, daß es bei Kalkriese im Jahr 9 eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Germanen und Römern gegeben haben muß. Ob es sich dabei tatsächlich um die Varusschlacht mit der Vernichtung der 17., 18. und 19. Legion oder ein anderes, weniger bedeutendes Gefecht gehandelt hat, ist noch in der Diskussion. Man darf also auf weitere archäologische Befunde aus Kalkriese gespannt sein.
Natürlich hat auch die neuerliche Entdeckung, wie schon im Falle von Mommsen, prompt Gegenmeinungen provoziert, wobei nicht genau auszumachen ist, wie sie letztlich motiviert sind. Jedenfalls wirken die Argumente beider Seiten nicht immer besonders überzeugend und scheinen auch nicht gänzlich frei von Ressentiments zu sein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings neige ich dazu, Kalkriese als Ort der Varusschlacht anzusehen, bis das Gegenteil überzeugend nachgewiesen ist. Daher habe ich mich auch entschlossen, dem Förderverein für die Ausgrabungen in Kalkriese beizutreten, denn um historischen Boden mit Römerzeugnissen handelt es sich dort allemal.
Was nun die gefundenen Asses betrifft, so tragen auffällig viele von ihnen den Gegenstempel des Varus, auch wenn selbst das von einigen Numismatikern inzwischen angezweifelt wird.
Natürlich stehen nicht alle im Handel anzutreffenden Stücke dieser Art in einem unmittelbaren Kontext mit der Varusschlacht, wo auch immer diese letztlich stattgefunden haben mag. Man muß wohl davon ausgehen, daß Varus auch schon vor dem Jahr 9 Münzen mit seinem Gegenstempel hat versehen lassen, zumindest in den beiden Jahren davor, als er in Germanien schon Legatus Augusti pro praetore war. Daher sind solche Stücke nicht notwendigerweise auf dem Schlachtfeld verlorengegangen, auch wenn diese Vorstellung ausgesprochen reizvoll wäre.
Das unten abgebildete Exemplar aus meiner Sammlung scheint kein Bodenfund zu sein und wird demnach mit einiger Sicherheit eher nicht aus Kalkriese stammen.

AUGUSTUS 27 v. Chr. - 14 n. Chr.
AE As Lugdunum 15 - ca. 10 v. Chr.
Av.: CAESAR PONT MAX - Belorbeerter Kopf rechts
Rv.: ROM ET AVG (im Abschnitt) - Der Altar von Lugdunum flankiert von zwei einander zugewandten Victorien auf zwei hohen Säulen; Altarfront mit großer Corona Civica in der Mitte, von zwei Lorbeerzweigen innen und zwei nackten Männergestalten außen flankiert.
Zwischen den Victorien Gegenstempel VAR (ligiert)
RIC 230; BMC 550 (10,69 g)

varus gegenstemp.jpg
varus.jpg
Literatur:
Frank Berger, Kalkriese 1 - Die römischen Fundmünzen, Mainz 1996, ISBN 3-8053-1917-7

Gruß

chinamul
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Beitrag von Peter43 » Di 10.05.05 18:24

@chinamul:

Ich beneide Dich um diese Münze! Allein wegen des historischen Hintergrundes für die deutsche Geschichte. Nun habe ich allerdings einige Zusatzinformationen zu Deinem Beitrag, die ich nicht unterschlagen will (Quelle, Der Spiegel, 7.3.2004):

Eine der Hauptgründe, Kalkriese für den Ort der Varusschlacht zu wählen, ist das Verteilungsmuster der Prägejahre der in Kalkriese gefundenen Münzen.
1. Da gibt es die berühmten Münzen mit dem Gegenstempel von Varus
aus den Jahren 7-9 n.Chr.
2. Außerdem wurden niemals Asses aus der 'Altar II'-Serie gefunden, die
9 n.Chr. in Lugdunum geprägt wurden.
Der Schluß ist: Die Schlacht von Kalkriese fand im Jahre 9 n.Chr. statt und deshalb muß es die Varus-Schlacht sein!

Nun gibt es allerdings etwas Skepsis:
Prof. Reinhard Wolters in 'Hermeneutik des Hinterhalts. Die antiken Berichte zur Varuskatastrophe und der Fundplatz von Kalkriese, in: Klio 85, 2003, S.131-170' zeigt, daß diese Asses aus der 'Altar II'-Serie (RIC 233 bis 245) nicht bereits 9 n.Chr. geprägt wurde, sondern erst 12-14 n.Chr. Das bedeutet, die Tatsache, daß man bei Kalkriese diese Münzen nicht gefunden hat, ist kein Beweis für den Zeitpunkt der Schlacht 9 n.Chr. Damit ist einer der Hauptgründe für Kalkriese als Ort der Varusschlacht gefallen. Die Schlacht von Kalkriese kann auch später stattgefunden haben!

Mit Sicherheit hat bei Kalkriese ein Gemetzel stattgefiunden, aber es ist bis jetzt nicht bewiesen, daß es das Gemetzel der Varus-Schlacht 9 n.Chr. war! Es ist bekannt, daß die Römer sich nach 9 n.Chr. nicht völlig aus Germanien zurückzogen. So begannen mehr oder wenige große Schlachten erst nach 9 n.Chr. als Germanicus über den Rhein ging und zur Elbe zog und bis 16 n.Chr. gab es viele Schlachten und Massaker in Germanien. Kalkriese kann gut ein Ort eines dieser Gemetzel sein.

Dann habe ich einige Fragen zu dem Gegenstempel VAR (Quelle, Rainer Friebe, ...gesichert von Türme geschützt vom Schwert..., 1999):

1. Es gibt auch die Meinung, daß VAR sich nicht auf Varus bezieht, weil
diese epigraphische Vereinfachung dem Kaiserhaus vorbehalten war,
wie z.B. AVG oder IMP.
Nicht-Angehörige des Kaiserhauses wurden allgemein zusätzlich mit
Prae- oder Cognomen bezeichnet, wie z.B. C.VAL, der auch in
Kalkriese vorkommt.
2. Dann gibt es das Problem, warum Varus nicht sein nomen gentile
benutzt hat. Das war nämlich VARI und hätte nicht abgekürzt zu
werden brauchen. Es war nicht länger als C.VAL!
3. Es wurden bis 1993 in Kalkriese über 200 Kupferasses gefunden,
davon 160 der Serie 'Altar I'. 6 von ihnen tragen den Gegenstempel
VAR. Bei allen in Germanien gefundenen VAR-Gegenstempeln gibt es
mindestens 13 verschiedene Typen. Daneben gibt es noch eine Reihe
von VAR-Gegenstempeln von Fundorten außerhalb Germaniens.
Es stellt sich nun die Frage, warum es für Varus soviele
gegengestempelte Münzen geben soll, wo es für Augustus, der
immerhin 41 Jahre an der Regierung war, wenn man mit 27 v.Chr
beginnt, deutlich weniger Typen gibt als für Varus in den 2 Jahren, die
er in Germanien war.

Was meinst Du zu diesen Argumenten?

Friebe, einer der wissenschaftlichen Gegner von Berger, meint deshalb, daß VAR die Abkürzung sein kann von VNCIA AVREVS REPONERE. Die so gekennzeichneten Münzen wurden bei Knappheit an Cash an die Soldaten verteilt und konnten dann, wenn wieder Münzen zur Verfügung standen, von ihnen wieder in die richtige Währung zurückgetauscht werden. Da der Umtauschkurs etwas schlechter war, machte die Armee dabei noch einen guten Schnitt.

Hast Du von dieser Auflösung von VAR etwas gehört und was hältst Du von ihr? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeitfür sie?

Mit freundlichen Grüßen

Nach Abschluß meines Beitrags habe ich übrigens noch diesen alten Thread im Forum gefunde, bei dem es ebenfalls um dieses Thema geht:
http://www.numismatikforum.de/ftopic564.html
Übrigens scheint Susanne Hartmann die Sekretärin von Rainer Friebe zu sein!
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Beitrag von Pscipio » Mi 11.05.05 02:23

Augustus und Rhoimetalkes

Eine häufige und doch gesuchte Münze ist diese Bronze von Rhoimetalkes I., dem König von Thrakien 11 v. Chr. bis 12 n. Chr. Der Stammesführer (?) Rhoimetalkes wurde 13 v. Chr. vom thrakischen Stamm der Bessi unter Vologaeses vertrieben und musste sich in die thrakische Chersonesos zurückziehen. Zwei Jahre später vertrieb der römische Prätor von Pamphylia (Mommsen sieht ihn eher als Statthalter von Moesia), Lucius Calpurnius Piso, die Bessi wieder, woraufhin Rhoimetalkes von Augustus die Königsherrschaft über Thrakien erhielt. Er und sein Bruder Rhaskuporis III. scheinen den Römern treue Dienste erwiesen zu haben, unter anderem besiegten sie 6 n. Chr. in Makedonien die Dalmatier und Breukier. Nach dem Tode von Rhoimetalkes I. teilte der Princeps Thrakien unter Rhaskuporis III. und Kotys V. (Sohn des Rhoimetalkes I.) auf, vielleicht, weil ihm das kriegerische Volk der Thraker zu gefährlich erschien, um es weiterhin durch einen einzigen König beherrscht zu wissen, oder aber weil er Rhaskuporis nicht im gleichen Masse traute wie seinem verstorbenen Bruder (beide Befürchtungen sollten sich bald nach dem Tode des alten Kaisers als nur zu begründet erweisen).

Die Prägung dieser Münze zeigte aller Welt, wem Rhoimetalkes seine Herrschaft verdankte und wem seine Verbundenheit in erster Linie galt bzw. zu gelten hatte:

Rhoimetalkes I. AE 22, Königreich Thrakien, geprägt 11 v. Chr. – 12 n. Chr.
Av: KAIΣAPOΣ ΣEBAΣTOY, Kopf des Augustus nach rechts.
Rev: BAΣIΛEΩΣ POIMHTAΛKOY, Kopf des Rhoimetalkes mit Diadem und drapierte Büste der Königin Pythodoris nebeneinander nach rechts.
Ø 22 mm, 8.20g.
RPC 1711

Beide Fotos zeigen die gleiche Münze, das zweite Bild wurde zwecks besserer Erkennung der Legenden mit künstlichem, schräg einfallendem Licht aufgenommen.

Gruss, Pscipio

PS: es ist natürlich nicht meine Absicht, in die laufende Diskussion zwischen Peter43 und Chinamul hineinzuplatzen. Die Münze lag nur gerade so verlockend vor mir, dass ich nicht anders konnte, als meine durch kurze Recherchen gewonnenen Erkenntnisse im Forum zu präsentieren.
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Beitrag von Peter43 » Mi 11.05.05 11:07

@pscipio:

Interessant, und eine hübsche Münze! Die Römer hatten ja das berühmte System DIVIDE ET IMPERA zur Höchstform entwickelt. So mischten sie sich ständig in die inneren Angelegenheiten der benachbarten Länder ein und unterstützten den einen Thronfolger gegen den anderen (z.B. in Armenien). Neben Deiner Münze gibt es noch die Münze von Aurelian zusamme mit Vabalathus. Gibt es eigentlich noch mehr Münzen mit Bildnissen von romabhängigen Königen? Eigentlich gehören ja auch die Münzen mit der Legende REX PARTHIS/ARMENIS DATVS und ähnliche zu diesem Themenkreis.

Mit freundlichem Gruß
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chinamul
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Beitrag von chinamul » Mi 11.05.05 11:42

Hallo Peter43!

Vorausschicken muß ich, daß ich mich natürlich nicht so eingehend mit dem Varus-Themenkreis beschäftigt habe wie die beruflich damit befaßten Wissenschaftler. Das liegt vor allem daran, daß ich leider nicht in einer Universitätsstadt mit einem Institut für Klassische Altertumskunde oder gar für Numismatik lebe und daß außerdem Schleswig-Holstein, was römische Relikte anbetrifft, weit vom Schuß liegt. Wenn ich also eine diesbezügliche Aussage mache, dann geschieht das mit aller gebotenen Vorsicht. Diese Zurückhaltung hast Du hoffentlich auch in meinem Posting bemerkt.

Es ist doch auf allen Gebieten der Wissenschaft so, daß jede Erkenntnis nur so lange Bestand hat, bis sie von einer anderen abgelöst wird, was bekanntlich sogar für einen Teil der Theorien Einsteins gilt. Wissenschaft hat eben Prozeßcharakter, sie ist niemals „fertig“, sie braucht ständig einen langen Atem und eine gründliche Auseinandersetzung, und deshalb wird auch der Mensch ewig auf der Suche bleiben, weil kein Mephisto da ist, der ihn von seiner faustischen Rastlosigkeit beim Streben nach Wissen befreien könnte.

Das zum Grundsätzlichen. Was nun die Auslassungen von Ritter-Flamberg angeht, die ich schon vor längerer Zeit mit einigem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen habe, so hat mich besonders der ziemlich gehässige Tonfall befremdet, mit dem die Kalkriese-Ausgräber abqualifiziert werden und durch den die etwas unstrukturierten Feststellungen noch weiter an Überzeugungskraft verlieren. Ein absoluter „Klopper“ aber ist die Sache mit dem Follis des Constantinus. Hat es im Lager der Kalkriese-Gegner denn wirklich niemanden gegeben, der dieses schon mit einem flüchtigen Blick bestimmbare Stück richtig hätte einordnen können? Das würde bedeuten, daß es dort an zumindest an Kenntnissen in der römischen Numismatik erheblich gemangelt hat.

Ich meine, daß so, wie die eventuell durchaus berechtigten Zweifel an Kalkriese hier vorgetragen werden, vorläufig kein zwingender Grund besteht, den Ort der Schlacht woanders als eben dort zu vermuten.

Zur Auflösung von VAR als VNCIA AVREVS REPONERE kann ich nur sagen, natürlich immer aus der wissenschaftlichen „Froschperspektive“, daß ich die Grammatik dieser Auflösung nicht verstehe und es sich damit für mich allenfalls um eine sachlich immerhin mögliche, wenn auch wohl grammatisch fehlerhaft aufgelöste Lesart handelt. Allerdings könnte man sich noch eine Menge anderer Möglichkeiten ausdenken, und solange nicht irgendwo eine ausgeschriebene Version dieses Kürzels auftaucht, bleibt das Ganze reine Spekulation.

Die Frage, warum es nicht so viele von Augustus gegengestempelte Münzen gibt, beantwortet sich für mich dadurch, daß dessen Münzen durch sein Bildnis hinreichend als durch ihn herausgegeben gekennzeichnet waren, was für Varus nicht der Fall war. Gleichgültig, ob es nun Wertmarken oder auch Donative waren: Eine andere Möglichkeit als die Gegenstempelung von Asses hatte Varus nicht zu deren Kennzeichnung. Die Nachfolger des Augustus ließen dann als faktische Münzherren auch bei der Aes-Prägung Asses mit ihrem eigenen Bild prägen.

Meine persönliche Einstellung bei der Diskussion wissenschaftlicher Probleme ist die, daß ich mich davor hüte, bereitwillig auf jede neue Theorie aufzuspringen, selbst auf die Gefahr hin, in einem alten Irrtum zu verharren. Um es mit einem Bild zu illustrieren: Bei Seegang lasse ich auch auf meinem Boot einen Haltegriff grundsätzlich erst dann los, wenn meine andere Hand einen neuen festen Halt gefunden hat.

Gruß

chinamul
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Beitrag von Pscipio » Mi 11.05.05 11:50

Hier der von Peter43 angesprochene Aurelianus-Vabalathus Antoninian und ein Trajan-Sesterz mit der REX PARTHVS DATVS-Legende.

Aurelianus Antoninianus, geprägt 271-272 n. Chr.
Av: IMP C AVRELIANVS AVG, Z im Abschnitt, kürassierte Büste des Aurelianus mit Strahlenkrone nach rechts.
Rev: VABALATHVS VCRIMDR, belorbeerte Büste des Vabalathus nach rechts.
Ø 20-21 mm, 3.41 g
RIC 381

Traianus Sesterz, geprägt 116-117 n. Chr.
Av: IMP CAES NER TRAIANO OPTIMO AVG GER DAC PARTHICO P M TR P COS VI P P, drapierte und lorbeergekrönte Büste nach rechts.
Rev: REX PARTHVS DATVS, Traian auf Plattform thronend, präsentiert Parthamaspates als neuen König einem niederknieenden Parther.
RIC 667

Schöne Beispiele für die Stellung der Klientelkönigreiche. Übrigens wurde der arme Parthamaspates nach dem Rückzug der Römer aus Parthien wieder vom Thron verjagt, erhielt aber als Trost von Hadrian die Herrschaft über ein kleines Königreich in Armenien. Ein weiteres Beispiel, wie die römischen Kaiser beliebig Königreiche oder Fürstentümer erschufen und wieder auflösten.

Der Traian-Sesterz gehört, wie ihr euch sicher denken könnt, leider nicht mir, sondern stammt von wildwinds.

Gruss, Pscipio

PS: Entschuldigung für die erneute Überschneidung mit der Diskussion zwischen Peter43 und Chinamul :oops:
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Beitrag von Peter43 » Mi 11.05.05 13:09

@pscipio:

Dank für Deine Bilder! Die Vabalathus-Münzen scheinen wohl alle diese gleiche Patina zu haben? Und dann gibt es bei ihnen noch die bis heute nicht 100% gelöste Auflösung von VCRIMDR. Siehe dazu die ausführliche Diskussion im Thread 'Fehlleistungen beim Stempelschneiden und Prägen' S.1/2!

Der Sesterz mit der Verleihung der Königswürde ist phantastisch! Ich möchte nicht wissen, wie teuer der gehandelt wird!

@chinamul:

Du hast recht bei Deiner Meinung über Friebe. Ich finde ihn auch nicht glaubwürdig. Allerdings ist die Frage, wie man mit seinen Argumenten umgehen soll. Ich bin der Meinung, man sollte ihn nicht einfach als Spinner abtun und seine 'Beweise' damit als Spinnerei in Bausch und Bogen verwerfen. Im Prinzip bin ich also dafür, daß man sie im Einzelnen widerlegen muß. Es gibt auf der anderen Seite aber Behauptungen, die so unsinnig sind, daß man auf sie nicht eingehen muß. Ich nehme da als Beispiel immer diese 2 Behauptungen:
1. Der Mond besteht aus Gold.
2. Der Mond besteht aus Käse.
Beide Behauptungen sind bekanntlich falsch. Aber das allein reicht nicht aus, sie zu differenzieren. Sie besitzen beide eine unterschiedliche Qualität: Behauptung #1 ist falsch, könnte aber oberflächlich gesehen richtig sein.
Behauptung #2 ist nicht nur falsch, sondern absoluter Blödsinn. Sie verstößt massiv gegen alle Naturgesetze, wie wir sie kennen. Deshalb lohnt es sich nicht, sich mit ihr wissenschaftlich auseinanderzusetzen.

Leider kommen von diesen Behauptungen ständig mehr auf den Markt, seien es Entführungen durch Aliens, fehlendes Mittelalter, multiple Persönlichkeiten, jahrelange Ernährung nur durch Lichtphotonen usw.usw. Eine endlose Reihe! Wenn man die alle unterschiedslos wissenschaftlich untersuchen sollte, wäre jede wissenschaftliche Arbeit blockiert. Deshalb werden z.B. Arbeiten, die die Erfindung eines PERPETUUM MOBILE behaupten, die jedes Jahr den physikalischen Instituten zugeschickt werden, sofort in den Pspierkorb geworfen, ohne sie zu lesen. Man muß also differenzieren!

So muß man die Behauptung von Wolters über die Datierung der 'Altar II'-Asses aus Lugdunum von Friebes Behauptungen trennen. Sie ist eine Behauptung, die man gewiss wissenschaftlich untersuchen kann. Oder mit Popper zu sprechen, sie ist falsifizierbar, gehört also zum Bereich der Wissenschaft und nicht zum Bereich des Glaubens.

Dein Bild mit dem Rettungsboot finde ich sehr schön. Ich selbst bin leitender Arzt in einem kleinen Krankenhaus. Und für Mediziner sollte das gleiche gelten: Ein gewisser Konservativismus kann nicht schaden. Bevor ich ein Medikament gegen ein neues auswechsele, muß das neue dem alten schon sehr überlegen sein. Dasselbe gilt auch für Methoden! Wenn das alle beherzigt hätten, dann wären auch solche Fälle wie zuletzt mit dem VIOXX nicht vorgekommen.

Andererseits sind selbst etwas abwegige Theorien von Nutzen, weil sie einen zwingen, über die eigenen Gewissheiten wieder einmal kritisch nachzudenken. Und das sollten wir alle doch hin und wieder tun, oder?

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von B.A. » Mi 11.05.05 18:15

Hier noch ein Stück aus Edessa, es zeigt Gordian III und Agbar X.
Leider ist mir nichts Über ihn oder sein "Königreich" bekannt, wäre über Informationen sehr Dankbar.

[ externes Bild ]
Demonax wurde kurz vor seinem Tode gefragt:"Wer sorgt für dein Begräbnis?" Seine Antwort:"Mein Gestank!"

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Beitrag von Pscipio » Mi 11.05.05 18:41

Hallo Bastard-Ratte

Das Königreich Osroene lag zwischen dem römischen Syrien und dem parthischen bzw. später (ab 226 n. Chr.) sassanidischen Mesopotamien. Es beherrschte damit ein militärisch und wirtschaftlich sehr bedeutendes Gebiet, lag es doch zwischen den beiden Grossmächten Rom-Parthien/Sassanidenreich und an einer wichtigen Handelsroute. Damit ist auch klar, dass das "Reich", ähnlich wie Armenien, keine Voraussetzungen hatte, jemals über die Rolle eines Satellitenstaates der "Grossen" herauswachsen zu können. Die Könige von Osroene führten ihre Abstammung bis auf die Assyrer zurück, deren Reich 612 zw. 609 v. Chr. unterging. Hauptstadt der Osroene war das bekannte Edessa, eine wichtige Handelsstation an der Ost-West-Route.

Anbei eine Karte des Königreiches sowie eine des Imperium Romanum, auf der du die Osroene unter der Nummer 41 findet.

Gruss, Pscipio
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Beitrag von Zwerg » Sa 14.05.05 22:05

Hallo Bastard-Ratte

Komplementär zu deiner Münze gibt es eine größere Bronzemünze, über die Helge Gesche (Kaiser Gordian mit dem Pfeil in Edessa, JNG XIX,1969, S.47ff) seinerzeit die immer noch gültige Analyse publiziert hat.
Quintessenz (ein Versuch): Osroene war ein Klientelkaisertum, formal selbständig, aber unter römischer Oberherrschaft. Abgar wurde von Gordian eingesetzt. Der von Gordian gehaltene Pfeil ist singulär in der römischen Kultur, wird im iranisch-persichen Kulurbereich als Herrscherinsignie verwendet. Gordian hält ihn wie ein Zepter. Abgar steht Gordian gleichberechtigt gegenüber mit seinen Herrschaftszeichen - Diadem, Tiara, Schwert - überreicht Gordian aber eine Victoria und erkennt ihn als Sieger und Oberherren an.

Die Geschichte der Stadt Edessa, des heutigen Urfa, ist höchst interessant. Ich kann nur empfehlen, einmal zu "googeln". Das Schweißtuch der Heiligen Veronika wurde möglicherweise dort aufgehoben - und es nicht ausgeschlossen, daß das Christusbild der byzantinischen Münzen (Vorbild auch unserer Christusportraits) darauf fußt.

Heute befindet sich in Urfa nach islamischer Lesung das Grab Abrahams - der Heilige Bezirk ist beeindruckend und jeder füttert gerne die heiligen Karpfen


Empfohlenes Suchen in google:

"Mesopotamien Abgar"
"Kaiser gordian pfeil edessa"

Grüße
Zwerg
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http://de.wikipedia.org/wiki/Edessa_(Mesopotamien)

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