"Grabenkunst" und "Lagerkunst"

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"Grabenkunst" und "Lagerkunst"

Beitrag von Tannenberg » Di 04.06.24 11:50

Hallo,

eigentlich habe ich nie speziell danach gesucht, aber im Laufe der Jahre haben sich da Kleinkunstwerke in, naja, verschiedenen Qualitäten angehäuft. "Grabenkunst" ist ein geläufiger Ausdruck für allerhand Bastelarbeiten, welche durch Soldaten in Schützengräben aus vorhandenem Kriegsschrott (oft aus Messinghülsen oder Granatsplittern) so hergestellt haben. Natürlich entstand das Meiste davon irgendwo in der Etappe oder auch in Kriegsgefangenschaft.
Das Spektrum ist groß. Brieföffner, Schreibtischdekorationen, Alltagsgegenstände aller Art wurde gefertigt...

Ich fange mal an mit ein paar Zigarettenetuis, welche aus Aluminium, irgendeinem Kunststoff und eingelegten Steinchen gemacht wurden. Das erste Etui trägt den Namen eines Luftwaffen-Hauptmanns, welcher wohl in britische Gefangenschaft geriet. Seinen Aufenthalt in verschiedenen Lagern hat er mit Jahreszahlen dokumentiert. Teile seines Nachlasses (Soldbuch, Fotos usw.) befinden sich wohl in den USA, wie ich mal herausgefunden habe.
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Die zwei weiteren Etuis sind ähnlich gemacht. Sehr ähnlich sogar. Man könnte fast auf den gleichen "Hersteller" tippen. Vielleicht war dem auch so, und sie wurden vom Besitzer nur noch bei Bedarf personalisiert? Das zweite Etui stammt aus dem Jahr 1946.
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Re: "Grabenkunst" und "Lagerkunst"

Beitrag von Tannenberg » Di 04.06.24 11:56

Hier das dritte, sehr ähnlich gemache Etui, leider ohne Jahreszahl:
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Das letzte Bild zeigt ein Sammelsurium einfacher gemachter Etuis. Teilweise wohl auch von Sowjetsoldaten gefertigt - habe ich noch nicht weiter ergründet. Manche sind auch innen graviert, insgesamt aber auch da weniger kunstvoll
Nur mal im Überblick, ich möchte natürlich nicht langweilen...
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Re: "Grabenkunst" und "Lagerkunst"

Beitrag von Tannenberg » Di 04.06.24 16:36

So. Hier noch ein paar "Klassiker" - aus Munitionsresten gefertigte Brieföffner. Gibt es in großer Zahl noch heute. Sie werden bei mir auch stets entsprechend verwendet.

Die beiden oberen Öffner sind aus Granatsplittern herausgearbeitet, bei dem einen Modell ist noch der Rest eines sog. Führungsbandes/Führungsringes zu sehen. Diese Ringe wurden in die Granaten eingewalzt, bestanden aus Kupfer oder Messing, später auch Zink oder Weicheisen. Sie schnitten sich in die Züge und Felder der Kanone ein und gaben der Granate den stabilisierenden Drall.
Die meisten Granaten sind aus Stahl- oder Grauguss gefertigt worden, ein relativ harter und schlecht zu bearbeitender Werkstoff im Vergleich zu Baustahl.

Das Stück aus Messing ist sicher aus einer Granathülse entstanden und das Teil aus Kupfer wurde gleich aus einem Führungsband gemacht.
IMG_2038.JPG
Gelegentlich zeige noch eine größere Schatulle, einen Bierkrug, eine Vase und Feuerzeuge aus Munitionsschrott
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Re: "Grabenkunst" und "Lagerkunst"

Beitrag von olricus » Di 04.06.24 21:39

Hier mal mein Stück zur Grabenkunst, Brieföffner aus einem Granatsplitter mit
Halbmond und Eisernen Kreuz, gestempelt 1917, Länge 21,7 cm.
DSCI0015 - Kopie (2).JPG
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Re: "Grabenkunst" und "Lagerkunst"

Beitrag von Tannenberg » Mi 05.06.24 04:43

olricus hat geschrieben:
Di 04.06.24 21:39
Hier mal mein Stück zur Grabenkunst, Brieföffner aus einem Granatsplitter mit
Halbmond und Eisernen Kreuz, gestempelt 1917, Länge 21,7 cm.DSCI0015 - Kopie (2).JPG
Ungewöhnlich schön und filigran!

Allerdings muß man da bei der Benutzung wohl sehr aufpassen, damit er nicht bricht?
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Re: "Grabenkunst" und "Lagerkunst"

Beitrag von Tannenberg » Mo 10.06.24 14:54

So, bevor ich eine Woche auf Reisen bin, mache ich hier noch ein wenig weiter...

Zunächst eine Schatulle mit ungarischer Beschriftung, Zeitraum WK1. Ich habe es mal übersetzen lassen, kriege es aber nicht mehr ganz zusammen. Irgendwas von brüderlichen Gedenken.
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Dann noch eine einfache Arbeit. "Vor Verdun", geritzt in ein Stück des für den Bereich ganz typischen Stücks Muschelkalk. Maße etwa 11,5x6,5cm. Ein Freund von mir (der leider 2005 starb) fand es mal als Sichtfund in einem Graben bei Verdun.
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Re: "Grabenkunst" und "Lagerkunst"

Beitrag von Tannenberg » Mo 10.06.24 15:04

Artilleriehülsen finden sich noch ganz oft mit Gravuren und/oder Treibarbeiten, besonders für den 1. Weltkrieg ist das typisch. Eigentlich gefallen sie mir i.d.R. nicht. Die hier gezeigte, sowjetische PAK-Hülse von 1938 ist allerdings ungewöhnlich plastisch getrieben worden. Die Heraldik dieser Zeit muß nicht gefallen, aber die Arbeit selbst ist jedenfalls interessant.
"Zum Andenken an Soldat Josef Morath" ist zu lesen und der Bezug zur Ortschaft Brody in der Ukraine. Der Soldat ist gefallen, wie ich über die Gräbersuche beim Volksbund herausfand...

Schwierig zu fotografieren.
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Re: "Grabenkunst" und "Lagerkunst"

Beitrag von Tannenberg » Mo 10.06.24 15:07

Dann noch etwas Praktisches. Ein Bierkrug, gemacht einer typischen Hülse einer 7,7cm Feldkanonengranate der Patronenfabrik Karlsruhe aus dem Jahr 1915. Fassungsvermögen 1/2 Liter, innen und der Lippenrand verzinnt.
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Re: "Grabenkunst" und "Lagerkunst"

Beitrag von Tannenberg » Mo 10.06.24 15:33

So, vorläufiger Abschluß.

Noch zwei Benzinfeuerzeuge. Das Tischfeuerzeug ist französisch, aus einer 37mm Hülse aus dem Jahre 1916 gemacht. Die Ortschaft Craonne liegt am Chemin de Dames, ein bekannter Schlachtabschnitt. Unweit befand sich der sog. Winterbergtunnel der vor kurzer Zeit wiederentdeckt wurde:

https://www.memorial-hwk.eu/de/kalender/winterberg-64

Das Feuerzeug daneben wurde aus einer amerikanischen Hülse des Browning-Maschinengewehrs (Kaliber .50, also 12,7mm Geschoßdurchmesser) gefertigt. Diese Munition wurde besonders von Jagdflugzeugen aus eingesetzt.
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Re: "Grabenkunst" und "Lagerkunst"

Beitrag von Lackland » Fr 14.06.24 11:33

Tannenberg hat geschrieben:
Mo 10.06.24 14:54

Dann noch eine einfache Arbeit. "Vor Verdun", geritzt in ein Stück des für den Bereich ganz typischen Stücks Muschelkalk. Maße etwa 11,5x6,5cm. Ein Freund von mir (der leider 2005 starb) fand es mal als Sichtfund in einem Graben bei Verdun.
Etwas ganz ähnliches kann ich hier auch noch beisteuern. Eine kleine Stele - ebenfalls wohl aus Muschelkalk.

Der Soldat hat sich hier namentlich verewigt: Eugen Michel
Dazu ‚Reims 1916‘ und das fast schon obligatorische Eiserne Kreuz.

Viele Grüße
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Re: "Grabenkunst" und "Lagerkunst"

Beitrag von Lackland » Fr 14.06.24 12:00

Dann habe ich hier noch ein sehr interessantes Objekt, das ‚Grabenkunst‘ mit ‚Numismatik‘ verbindet.

Geschaffen wurde es von einem Soldaten, der nach dem Krieg tatsächlich den Beruf des Steinmetzes ergriff und weit und breit als ‚Schtoihauer‘ (Steinhauer) vom Bussen (größte Erhebung Oberschwabens) bekannt war.

Er verarbeitete hier ein Stück Sandstein in die Form eines ‚Kriegstagebuches‘ mit dem Titel ‚Zwischen Maas und Mosel 1914 - 16‘ und ließ zusätzlich ein französisches 10-Centimes-Stück von 1854 ein (Kaiser Napoleon III.).
Diese Münzen waren tatsächlich während des 1. Weltkrieges - stark abgegriffen - noch in großen Mengen im Umlauf.
Mein eigener Großvater brachte ebenfalls eine größere Menge davon aus dem Krieg mit nach Hause.

Viele Grüße

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Re: "Grabenkunst" und "Lagerkunst"

Beitrag von tilos » Mo 17.06.24 21:21

Zum Thema Trench Art kann ich auch Kleinigkeiten beisteuern:

- Einen Brieföffner aus einem kupfernen Granatführungsring hergestellt (WK I), Länge 17,8 cm. Erinnert an die Kämpfe an der Ostfront, bei TOBOLY kämpften 1916 z.B. bayerische und russische Truppen gegeneinander.

- Zwei kleine Kerzenleuchter aus 20mm-Flackmunition bzw. derer Messing-Hülsen gefertigt (WK II). Ein Hülsenboden lässt noch Herstellungsjahr und Kaliber erkennen: 1944, 20MM. Dann ist noch erkennbar MK_ evtl. die Hersteller-Kennung? Eine weitere schwache Gravur ist nicht mehr entzifferbar, evtl. ein _A_ enthaltend.


TOBOLY av 440.jpg
TOBOLY rv 405.jpg
20 mm Flak b.jpg
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Gruß
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