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Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Fr 21.02.20 18:15
von Altamura2
Ich hab' mal versucht mich sozusagen an die Quelle zu begeben und nach französischer Literatur zum Thema gesucht, der Erfolg war aber überschaubar :? .

In einem Artikel beschäftigt sich Vincent Geneviève mit "Les trouvailles de monnaies de bronze romaines en contexte médiéval et leur possible circulation à cette période : quelques exemples issus de l’archéologie et des trésors monétaires du Sud Ouest de la France", also mit römischen Bronzemünzen, die in Südwestfrankreich in mittelalterlichen Kontexten gefunden wurden:
https://www.academia.edu/30704591/Les_t ... _la_France
(stammt aus einem Tagungsband, der weitere, inhaltlich verwandte Artikel enthält; in allen Details hab' ich das jetzt auch nicht gelesen).

Der Betrachtungszeitraum ist etwas früher als napoleonische Zeit, aber immerhin etwas :D .

Geneviève erhebt nicht den Anspruch, das Thema allumfassend abzuhandeln und endgültig zu klären, sein Fazit klingt jedoch eher zweifelnd:
"Peut-on les considérer comme un objet d’usage quotidien reconnu par tous, disposant d’une valeur et participant régulièrement aux échanges ? Je ne le pense pas et ce bref aperçu ne plaide pas en ce sens."
Er glaubt also nicht, dass römisches Bronzegeld im Mittelalter als allgemein akzeptierte Währung in Umlauf war.

Ein argumentum ex silentio ist zwar immer ein bisschen schwach, aber wenn später bis in napoleonische Zeit der Umlauf römischer Münzen von der Kategorie "Es ist doch bekannt, dass" wäre, dann hätte Geneviève das vermutlich in irgendeiner Form erwähnt.

Gruß

Altamura

Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Fr 21.02.20 18:28
von beachcomber
im frühen mittelalter liefen, zumindest auf der iberischen halbinsel, die spätrömer in jedem fall noch um. westgotische siedlungsplätze sind voll davon!
die legionsdenare des marc anton sind auch ein beispiel für andauernden umlauf. sie werden oft noch zusammen mit spätrömern gefunden, manchmal bis zur unkenntlichkei abgenudelt!
grüsse
frank

Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Fr 21.02.20 18:39
von Perinawa
Altamura2 hat geschrieben:
Fr 21.02.20 18:15
Er glaubt also nicht, dass römisches Bronzegeld im Mittelalter als allgemein akzeptierte Währung in Umlauf war.
"Allgemein akzeptiert" ist ein furchtbar dehnbarer Begriff. Es reicht ja schon, wenn eine bestimmte Region sie als Zahlungsmittel akzeptiert - und wie jetzt gerade Frank schon schreibt: Zum Bleistift auf der iberischen Halbinsel.

Die marc'schen Legionsdenare waren mW bekannt für gutes Silber und nahmen daher eine "Sonderstellung" ein. Ich denke sogar, dass es der hohe Wiedererkennungswert des Motivs war, der diese Denare so lange für den Umlauf zuliess.

Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Fr 21.02.20 19:45
von chevalier
Perinawa hat geschrieben:
Fr 21.02.20 18:39
Die marc'schen Legionsdenare waren mW bekannt für gutes Silber und nahmen daher eine "Sonderstellung" ein. Ich denke sogar, dass es der hohe Wiedererkennungswert des Motivs war, der diese Denare so lange für den Umlauf zuliess.
Ich möchte dir nur ungern widersprechen, lieber Rainer, da ich dein numismatisches Wissen und deine Beiträge hier im Forum sehr zu schätzen weiß. Aber bei den Legionsdenaren des Mark Anton liegst du falsch. Es ist nämlich genau umgekehrt. Sie liefen so lange um, da sie aus einer "schon äußerlich erkennbar schlechteren Legierungsqualität als die zeitgleich geprägten augusteischen Münzen" waren, wie Reinhard Wolters in "Nummi Signati" schreibt.

Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Fr 21.02.20 19:58
von Perinawa
Hallo Thomas,

überhaupt kein Problem; nur durch Wiederspruch lernt man. Ich habe mich sicher (noch) nicht genug mit dieser Zeit beschäftigt, nur war mir aufgefallen, dass es gerade bei den augusteischen Münzen viele Subaerate gibt; vielleicht nicht annähernd so viele wie bei den Legionsdenaren, obwohl deren Silbergehalt vielleicht auch nicht so gut war, aber immerhin besser als ein Kupferkern. Es könnte daher sein, dass man diesen mehr vertraut hat als einem "Augustus" mit silberner Hülle, hinzu kommt ja auch noch die immense Ausmünzung der Legionsserie und eben des von mir angesprochenen Wiedererkennungswertes.

Danke für deinen Input.

Grüsse
Rainer

Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Sa 22.02.20 08:54
von Altamura2
beachcomber hat geschrieben:
Fr 21.02.20 18:28
... im frühen mittelalter liefen, zumindest auf der iberischen halbinsel, die spätrömer in jedem fall noch um. westgotische siedlungsplätze sind voll davon! ...
Das hab' ich ja auch nicht bezweifelt. Mir ging es um die Frage, ob in Frankreich bis in napoleonische Zeit römische Bronzemünzen als Zahlungsmittel verwendet wurden, vielleicht kam das nicht so deutlich rüber :? . Und was ich dazu gefunden habe, spricht eher dagegen.
Perinawa hat geschrieben:
Fr 21.02.20 18:39
... "Allgemein akzeptiert" ist ein furchtbar dehnbarer Begriff. ...
Das mag jetzt meiner Zusammenfassung des Fazits des französischen Artikels geschuldet sein. Eher dehnbar werden Aussagen dazu aber wohl immer bleiben, etwas à la "im Jahr 1643 haben in Toulouse 76,8% der Markthändler römische Bronzemünzen als Zahlung akzeptiert, aber nur, wenn sie mindestens Erhaltungsgrad schön hatten" werden wir heute wohl nicht mehr bekommen :D .

Ich glaube gerne, dass römisches Geld nach dem Ende des römischen Reichs nicht schlagartig verschwunden ist. Aber dass es in Frankreich noch in napoleonischer Zeit als Geld verwendet wurde (Achtung! wieder dehnbar :D ) glaube ich eben nicht.

Gruß

Altamura

Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Do 05.03.20 08:37
von Lucius Aelius
Sicherlich sind Hortunde ein wichtiges Indiz zur Klärung der eingangs gestellten Frage.
Hortfund von Bath (Beau-street-hoard) mit ca. 17.500: in einem der verrotteten Lederbeutel befanden sich 1771 Denare (älteste Münze von Marcus Antonius 31/30 v.Chr.) und 24 Antoniniani (aus den 250er Jahren n.Chr.). Im Hortfund von Reka Devnia: Münzen von Nero (64) bis Herennius Etruscus (251).
Im Goldschatz von Trier reicht die Bandbreite der Aurei von Nero (64) bis Septimius/Julia Domna (193). Im Hortfund von Hoxne
hingegen nur Solidi Valentinianus I.-Honorius (keine Aurei); die silbernen Siliqua von Hoxne datieren von Constantinus II. bis Honorius (keine Denare oder Antoniniani). Im Hortfund von Frome (ca. 52.000 Billon-/AE-Antoniniani) reicht die Spannweite von 253 bis 305 (keine Denare bis auf 5 von Carausius)

Das ergibt natürlich kein umfassendes Bild, dazu muss man noch andere Hortfunde vergleichen. Allerdings zeichnet sich schon ab, dass bspw. die Silbermünzen (Denare) durchaus eine Umlaufzeit von 200 Jahren besaßen und dass Münzreduktionen bspw. bei den Denaren unter Nero 64 (900/1000) und zu Beginn der Regierungszeit Trajans um 100 (800/1000) keinen eklatanten Einschnitt im Umlaufgeld brachten, der erfolgte offenbar nach 260, das war die Zeit, wo der Silbergehalt gegen Null fuhr. Und von Trajan wissen wir, dass unter seiner Regentschaft völlig abgeschliffene Denare eingeschmolzen wurden - diese dürften wohl noch aus spätrepublikanischer Zeit stammen.
dictator perpetuus hat geschrieben:
Mi 19.02.20 19:16
Ich frage mich gerade, ob vielleicht auch unter der flavischen Dynastie oder bei den Adoptivkaisern vielleicht immer noch teils mit Münzen aus der Augustus- oder sogar der Republikzeit bezahlt wurde.
Ja.

Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Do 05.03.20 22:23
von Numis-Student
viewtopic.php?t=8710

Hier gibt es zumindest mal einen Nachweis in der Literatur, dass Römermünzen im 19. Jhdt. erneut im Zahlungsverkehr offiziell erlaubt waren.
Ich meine mich zu erinnern, dass es aus der Zeit der französischen Revolution ein Edikt gibt, dass römische Sesterzen einer französischen Kupfermünze (2 Sou ???) im Umlauf gleichgestellt waren.

Man darf aber nicht davon ausgehen, dass die Münzen nun 1700 Jahre durchgängig verwendet wurden, sondern dass aus Funden der Zeit um 1790-1850 die "passenden" Münzen wieder in den Umlauf gegeben wurden.

Schöne Grüße,
MR

Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Do 05.03.20 23:09
von Peter43
Dann bin ich wohl rehabilitiert, wenn ich "nachnapoleonisch" geschrieben habe,

Jochen

Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Fr 06.03.20 08:52
von richard55-47

Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Fr 06.03.20 09:50
von Altamura2
Entschuldigt, wenn ich hier wieder den ungläubigen Thomas gebe :D .
Numis-Student hat geschrieben:
Do 05.03.20 22:23
viewtopic.php?t=8710

Hier gibt es zumindest mal einen Nachweis in der Literatur, dass Römermünzen im 19. Jhdt. erneut im Zahlungsverkehr offiziell erlaubt waren.
Einen Artikel, zu dem ich weder Titel noch Autor habe, würde ich jetzt nicht "Nachweis in der Literatur" nennen, das ist für mich nicht so recht überzeugend :? . Wenn ich mir "Numismatique et change" so anschaue, dann gehört das für mich eher in die Kategorie Moneytrend, und dass in solchen Blättern nicht alles Gold ist, was glänzt, haben wir hier ja auch schon erfahren :? . Da bin ich erstmal misstrauisch.
richard55-47 hat geschrieben:
Fr 06.03.20 08:52
https://journals.openedition.org/rao/3129
Auch ein Hinweis(?)
Da steht aber eindeutig "Toutefois, l’hypothèse d’une réutilisation dans la circulation monétaire n'emporte pas la conviction." Heißt auf Deutsch, dass der Autor nicht daran glaubt.
Es wird da eher davon ausgegangen, dass in späteren Zeiten römische Münzen durch Erdbewegungen unterschiedlicher Art ans Tageslicht gekommen sind und dann zu unterschiedlichen Zwecken verwendet wurden. "Geldumlauf" kann man das aber dann nicht nennen.

Gruß

Altamura

Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Fr 06.03.20 10:50
von klaupo
Einen Artikel, zu dem ich weder Titel noch Autor habe, würde ich jetzt nicht "Nachweis in der Literatur" nennen, das ist für mich nicht so recht überzeugend :? . Wenn ich mir "Numismatique et change" so anschaue, dann gehört das für mich eher in die Kategorie Moneytrend, und dass in solchen Blättern nicht alles Gold ist, was glänzt, haben wir hier ja auch schon erfahren :? . Da bin ich erstmal misstrauisch.
Bitte sehr: "Numismatique et Change No. 179, Décembre 1988, M. Galléazzi, D'une république a l'autre (1848-1870) - Les monnaies de la république et du Second Empire, p. 27 ff."

... aber das hast du vermutlich schon gelesen, denn zitiert habe ich aus dem Artikel seinerzeit hier:

viewtopic.php?f=6&t=47926&p=399034&hili ... er#p399034

Gruß klaupo

Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Fr 06.03.20 18:45
von Altamura2
klaupo hat geschrieben:
Fr 06.03.20 10:50
... aber das hast du vermutlich schon gelesen, denn zitiert habe ich aus dem Artikel seinerzeit hier: ...
Nein, diesen Beitrag hatte ich noch nicht gesehen.

Aber in der von Dir dort zitierten Stelle steht das auch nur wieder als Behauptung, ohne irgendwelche Verweise, wie man denn darauf kommt. Die römischen Münzen werden auch nur als Randerscheinung beschrieben, die da "reingerutscht" sind.

Das Buch von Johanna Schopenhauer hab' ich auch nach allerlei passenden numismatischen Begriffen durchsucht, aber nichts dazu gefunden :? .

Ich bleibe also weiterhin standhaft skeptisch :D .

Gruß

Altamura

Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Do 02.04.20 17:46
von beachcomber
weil ich sie gerade beim umzug wiedergefunden habe, so sehen marc anton's denare nach 3-400 jahren umlauf aus! :)
grüsse
frank

Re: Wie lange waren die Münzen eigentlich im Umlauf?

Verfasst: Fr 03.04.20 17:46
von kc
Ganz schön abgenutzt, äh wo ziehst du hin? 😉