Fälscher in Mittelalter und Neuzeit

Alles über Varianten, Fehlprägungen und Fälschungen
Antworten
Benutzeravatar
tournois
Beiträge: 4446
Registriert: Fr 26.04.02 17:38
Wohnort: Rhein-Lahn-Kreis
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

Fälscher in Mittelalter und Neuzeit

Beitrag von tournois » Fr 07.01.05 13:41

http://www.zeccadimaccagno.it/tedesco/libro_de/presentalibro_de.htm hat geschrieben: Präsentation des Buches

Titel: "La zecca di Maccagno Inferiore e le sue monete"
(Die Münzprägestätte von Maccagno Inferiore und ihre Münzen)
Autor: Luca Gianazza
Verleger: Gemeinde Maccagno – Magazzeno Storico Verbanese – Alberti Libraio Editore


Eine kleine Münzprägestätte, ein gutes Geschäft: sicherlich ein gutes Geschäft für Giacomo III. Mandelli. Kaum hatte er von Kaiser Ferdinand II. von Habsburg 1622 das Recht erhalten, in seinem kleinen Lehen am Ufer des Lago Maggiore Münzen zu prägen, begann er auch schon, Fälschungen aller Art herzustellen: Löwentaler, holländische Dukaten, Churer Dukaten, deutsche Dukaten diverser Münzprägestätten und viele andere Münzen, darunter auch die Mailänder „sesini“. Vielleicht fing er auch schon 1621 damit an. Spuren dieser Fälschungen finden sich in Erlassen, die 1627 und 1630 in Holland gedruckt wurden, um den Geldmarkt zu warnen.
Wenn man bedenkt, dass im kaiserlichen Privileg von 1622 klar festgelegt war, dass nur echte, nicht gefälschte Münzen geprägt werden durften [...] bonam tamen et iustam, quae non sit adulterata [...] – ahnte da der Kaiser bereits etwas?
Das Treiben der Münzwerkstatt von Maccagno wird dann in anderen Dokumenten näher beschrieben, nicht nur in Holland oder im Staat Mailand; sogar in Bologna wurde 1638 der Befehl erlassen, die falschen doble d’oro aus Maccagno nicht in Umlauf zu bringen.
Der Staat Mailand geriet in arge Bedrängnis durch die kleinen Münzprägestätten, die diverse Münzen fälschten. Die Münzprägestätten der Herren Bozzolo, Sabbioneta, Mirandola, Guastalla, Correggio machten Maccagno Konkurrenz. Sie alle werden in einem Brief des Verwalters der Herzoglichen Einnahmen des Staates Mailand von 1636 aufgelistet, der im umfangreichen Apparat des Buches abgedruckt ist. Das Hauptproblem für die Mailänder bestand in der Kontrolle der Metallvorräte: Die Münzprägestätte von Macagno [...] würde der Münzprägestätte Seiner Majestät Schaden zufügen, wenn sie Gold oder Silber dieses Staates verwendete, denn dann würde der Rohstoff fehlen, um in der Staatlichen Münzprägestätte zu produzieren, und damit die Einnahmen, die der Staat aus dieser Produktion zieht [...].

Das Studium der Münzprägestätten, ob klein oder groß, beleuchtet viele Aspekte der Geschichte: juristische Urkunden und Technologiegeschichte, Organisation der Arbeit und der Unternehmen, die Fluktuation von Personal und Unternehmern, das Verhältnis von Metallen zum Gresham-Gesetz, Gewinne und Verluste, Wächter und Diebe. Eine besonders schillernde Figur in der Geschichte der Münzprägestätte Maccagno ist ein gewisser Gusmino. In einem Bericht über die falschen „ongari“, die im Staat Mailand kursierten, ist die Rede vom Prozess gegen Gusmino, dem Hauptproduzenten gefälschter Münzen. Nachdem er in den Münzprägestätten von Maccagno und Masserano gearbeitet hatte, setzte Gusmino sich in die Münzprägestätte von Tassarolo ab. Ein einträgliches Geschäft! Ein verdächtiger Münzer konnte also von einem ebenso verdächtigen Ort verschwinden und sein Geschäft einfach weiterführen. Das war auch sehr gewinnbringend für die neuen Herren, denen er seine „Fachkenntnisse“ anbieten konnte. Damals wie heute war es eben nicht leicht, Fachkräfte zu finden.
Doch die Falschmünzer begnügten sich nicht damit, für die noblen Herrschaften zu arbeiten, die im Besitz des offiziellen Münzrechts waren! Manchmal machten sie sich auch selbstständig, vielleicht mit Hilfe eines Schutzpatrons. Dies geht aus einem Prozess im Jahre 1645 hervor, in den zwei Münzer aus Maccagno verwickelt waren. Man hatte sie beim Prägen falscher „genovine“, Genueser Silbermünzen, im Schloss Vitaliana erwischt.
Die Falschmünzerei betraf nicht nur Gold- und Silbermünzen, sondern auch Münzen von geringem Wert, die hauptsächlich unter armen Leuten im Umlauf waren. Ein Mailänder Erlass von 1645 gegen gefälschte „sesini“ erwähnt eine enorme Menge von Sesini, die in den Münzprägestätten von Mantua und Maccagno mit Mailänder Prägeeisen geprägt wurden [...] von solcher Ähnlichkeit, dass die Falschen kaum von den Echten zu unterscheiden waren, um so weniger von den dummen, gemeinen Leuten, durch deren Hände das meiste von solchem Gelde geht [...].
Es wäre interessant zu wissen, ob die „gemeinen Leute“ wirklich nicht imstande waren, den Unterschied zu erkennen. Vielleicht hatten sie einfach keine andere Wahl. Konnte beispielsweise ein Bettler ein Almosen in Form von Falschgeld einfach ablehnen? Abgesehen von dieser Frage (wie groß war die Fähigkeit einfacher Menschen, die Münzen zu unterscheiden?), die Numismatiker und Wirtschaftshistoriker beschäftigt, ist klar, dass ein so gefährlicher Missbrauch schwer zu bekämpfen war. Die Münzprägestätte von Maccagno war bis 1668 in Betrieb, auch wenn neue Herrscher später das Privileg zur Münzprägung bestätigten.
Der größte Teil der heute bekannten Münzen stammt aus der Zeit des Grafen Giacomo III. Mandelli, dem Gründer der Münzprägestätte. Ihr Niedergang wird in einer Bittschrift um Steuerbefreiung beschrieben, die Giovanni Battista Mandelli und die Einwohner Maccagnos verfassten, und die sicher nicht frei von Übertreibung ist: [...] mit der Schließung des Marktes und der Münzprägestätte kam gleichzeitig auch der Handel zum Erliegen, die einzige Einkommensquelle der Einwohner dieses Gebietes [...]

Dieses Buch ist eine Hommage an ein Gebiet mit einer langen Geschichte und noch viel mehr.

Eine kleine Münzprägestätte, eine große Arbeit: Das Buch von Luca Gianazza ist sicherlich ein gründliches und leidenschaftliches Werk. Der Autor hat sämtliche Dokumente über das Lehen Maccagno und die Münzprägestätte zusammengetragen und in Museen, Sammlungen und Versteigerungskatalogen recherchiert. Damit nicht genug: Das Studium der Prägeeisen, die Untersuchung aller aufgeführten Münzen und deren Zuordnung zu den entsprechenden Prägeeisen führt zu einem völlig neuen Bild von der Arbeitsweise der Münzprägestätte. Jetzt lassen sich Münzen identifizieren, die mit demselben Prägeeisen hergestellt wurden.
Nicht zu unterschätzen ist die Quellenarbeit in den Archiven, die von der Hartnäckigkeit und Leidenschaft des wahren Forschers zeugt. Die kleine Münzprägestätte wird auch in ihren handfesten Aspekten beschrieben, angefangen vom Plan aus dem 18. Jahrhundert der „Casa detta La Zecca“, der auch den Wasserlauf zeigt „auf der Höhe der Münzprägestätte“, bis hin zum Verzeichnis der Werkzeuge, die den neuen Münzern im Jahr 1632 übergeben wurden: Blasebälge, Eisen, Pressen, Öfen, Zangen, Hämmer, Waagen, Tische und Bänke.
Der Pachtvertrag von 1623 ist eine Quelle von Informationen ganz anderer Art. Der Münzer darf nur katholisches Personal beschäftigen. Der Münzer und seine Arbeiter haben das Recht, bei Tag und Nacht Waffen zu tragen, darunter auch verbotene Waffen. (Dies geht unter anderem auf alte Privilegien der Münzer des Heiligen Römischen Reiches zurück). Der Münzer muss auf alle Münzen den Namen und die Wappen des Grafen und der Gräfin einprägen, vollständig oder verkürzt, und dabei auf das schöne Aussehen jener Münzen achten. Die Schönheit der Münzen war also im Vertrag vereinbart: Aber waren diese Münzen wirklich schön? Die Fälschungen fremder Stücke sagen nicht viel über den Grafen und die Gräfin, lassen aber den Profit erahnen, der aus dieser undurchsichtigen Aktivität geschlagen wurde. Einige Porträts des Grafen sind jedoch schön gestaltet, besonders auf den Dukaten, wo auch das Wappen und die vollständigen Titel eingeprägt sind. Doch diese Münzen waren Schaustücke und dienten mehr dem Ansehen des Grafen als seinem Geldbeutel!
Es war nicht leicht, einen tüchtigen Münzer zu finden, und es ist nicht leicht, einen tüchtigen Forscher zu finden, der sich mit Münzprägestätten beschäftigt. Luca Gianazza hat mit seiner Hartnäckigkeit gezeigt, wie viel Geschichte und wie viele Geschichten, vom Lago Maggiore über Bologna nach Holland, sich hinter einer kleinen Münzprägestätte verbergen.

Lucia Travaini
Universität Mailand
[b]tournois[/b]
[img]http://www.my-smileys.de/smileys3/zensurmann.gif[/img]
"Wir leben in einem Zeitalter, in dem die überflüssigen Ideen überhand nehmen und die notwendigen Gedanken ausbleiben!"
Joseph Joubert 1754 - 1824

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste