Byzantinische Schüsselmünzen (2)

Münzen des alten Byzanz

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Byzantinische Schüsselmünzen (2)

Beitrag von Gast » Di 02.12.03 14:00

Liebe Byzanzfreunde,

nach Teil 1 dieses Aufsatzes, dem Diskurs über die Herkunft der Schüsselform und der Einführung in die Byzantinische Kleiderordnung - hier nun Teil 2 über die "rätselhaften" Schüsselmünzen.

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ALEXIUS I führte 1092 knapp 600 Jahre nach ANASTASIUS I die zweite bedeutende Münzreform in der Geschichte des Byzantinischen Reichs durch, wahrscheinlich, um nach Jahrzehnten der Inflation die kurz zuvor abgeschlossenen Freihandelsverträge mit Venedig durch eine neue stabile Währung zu stützen.

Die neue Währung basierte auf Gold, Elektron und Billon. Hinzu kamen kleine Kupfermünzen. Die Münzen aus Edelmetall waren

Gold Hyperperon zu 20 Karat,
Elektron (Gold/Silber-Legierung) Aspron Trachy = 1/3 Hyperperon,
Billon (Silber/Kupfer-Legierung) Aspron Trachy = 1/48 Hyperperon = 1/16 Elektron Trachy

Elektron Trachys erscheinen hellgelb bis gelbweiß - i.A. stark glänzend,
Billon Trachys glänzen meist seidenmatt in silbergrau bis graubraun und zeigen keine Flächenkorrosion.

Der Wert des kupfernen Tetarterons und seiner Teilstücke im Verhältnis zum Edelmetall ist bis heute nicht eindeutig geklärt.

Die Trachys wurden in der charakteristischen Schüsselform des Hyperperon geprägt, die seit Jahren für den Standard des alten Solidus bürgte. Am häufigsten kommt der durchschnittliche Sammler heute mit Billon-Schüsselchen, die später zu reinen Kupfermünzen mutierten in Berührung.

Gerade diese Münzen sind wegen der oft schlechten Ausprägung und den fehlenden Legenden meist nur aufgrund der bildlichen Darstellung zu identifizieren. Die Avers-Darstellung sowie Kleidung, Accessoires und Anzahl der auf dem Revers abgebildeten Personen erlauben für fast jede Münze aus der Zeit von 1092 bis 1204 eine genaue Katalogisierung.

Billon-Trachys wurden vor der Eroberung Constantinopels durch die Kreuzfahrer von den folgenden Herrschern begeben:

ALEXIUS I COMNENOS (1081-1118) (Zeitbezug: 1. Kreuzzug)
JOHANNES II COMNENOS (1118-1143)
MANUEL I COMNENOS (1143-1180) (Zeitbezug: 2. Kreuzzug)
ANDRONIKOS I COMNENOS (1183-1185)
ISAAK II ANGELOS (1185-1195) (Zeitbezug: 3. Kreuzzug)
ALEXIOS III ANGELOS (1195-1203) (Zeitbezug: 4. Kreuzzug)

Außerdem prägte ISAAK COMNENOS, der Großneffe des MANUEL I als Gegenkaiser auf Zypern von 1184-1192 Billon-Schüsselchen.

Zunächst einmal wollen wir uns mit den typischen Darstellungen der konvexen Münzvorderseiten beschäftigen. Zwischen 1092 und 1204 gibt es fünf grundlegende Motive, die allerdings in Details von den gezeigten abweichen können:

1) Stehender Christus, gekleidet in Pallium und Colobium
2) Thronender Christus, gekleidet in Pallium und Colobium
3) Christusbüste, gekleidet in Pallium und Colobium
4) Stehende Muttergottes, gekleidet in Pallium und Maphorium
5) Thronende Muttergottes, gekleidet in Pallium und Maphorium

Die Christusdarstellungen tragen die Legende IC – XC (griech. Abk. für Jesus Christus)
Die Mariendarstellungen die Legende MP - QV (griech. Abk. für Muttergottes)
Unter ALEXIUS I existiert darüber hinaus ein Billon-Trachy (Sear 1916) mit der gemeinsamen Darstellung von Christus und JOHANNES II (beide stehend) – scheinbar eine Art Gedenkmünze, für die es auch ein Äquivalent aus Elektron (Sear 1914) gibt. Beide Münzen sind selten.

Hier die vorkommenden Avers-Darstellungen im Überblick:

1) [ externes Bild ] stehender Christus
2) [ externes Bild ] thronender Christus
3) [ externes Bild ] Christusbüste (Emanuel-Typ)
4) [ externes Bild ] stehende Muttergottes
5) [ externes Bild ] thronende Muttergottes

Die o. Bilder stammen z.T. von Elektronmünzen, unterscheiden sich aber nicht wesentlich von den Billon-Aversen. Ich habe hier meine virtuelle Sammlung herangezogen, um möglichst detaillierte Ansichten zu liefern.
meist sind die Vorderseiten schlechter ausgeprägt als das Revers. Aus diesem Grund erfordern fast alle Billon-Münzen außer der o.g. Gedenkprägung des ALEXIUS I (keine Abbildung verfügbar) eine genauere Bestimmung durch die Interpretation der Rückseite.

Dazu jedoch mehr im nächsten Beitrag.

(Forts. folgt) - petzlaff
Zuletzt geändert von Gast am So 08.02.04 07:39, insgesamt 4-mal geändert.

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Beitrag von Gast » Di 02.12.03 18:59


heripo
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Beitrag von heripo » Do 04.12.03 12:16

...wieder toller Beitrag ! Seit Du über die Problematik der grundeten Stempel geschrieben hast, steigt meine Hochachtung vor den Künstlern der damaligen Zeit ... die Darstellungen sind einfach traumhaft schön -
richtig kleine Ikonen ! Gruß heripo

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