Arbeitssituation in der Schweiz

Alles was nichts mit Münzen zu tun hat

Moderator: Locnar

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Karsten
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Arbeitssituation in der Schweiz

Beitrag von Karsten » Mo 16.10.06 19:33

Hallo,

ich bin gerade dabei mich beruflich etwas zu verändern, und hatte dann die Idee auch direkt den Wohnort (Land) zu wechseln.

Wo ich heute lebe, da lebe ich nur weil ich dort Arbeit habe und da die Firma plant einen großen Teil der Belegschaft durch noch mehr Chinesen zu ersetzen hält mich hier nicht mehr viel. Selbst wenn ich innerhalb meiner jetzigen Firma noch einen neuen Arbeitsplatz finden würde - die Möglichkeit besteht - , bin ich mir derzeit nicht sicher ob ich wirklich bei dieser Firma bleiben möchte. Von Seiten der Firmenleitung gab es Zugeständnisse daß alles gut gehen würde wenn wir mehr Stunden in der Woche arbeiten (aktueller Schnitt: 42 h/Woche pro Person, wobei meine Wochenarbeitszeit eher 48 Stunden und mehr beträgt), nur leider fährt mein derzeitiger Arbeitgeber auf der gleichen Schiene wie z.B. Siemens.

Warum die Schweiz ? Meine Freundin und ich fahren schon seit einiger Zeit regelmäßig in die Schweiz zwecks Urlaub. Die alte Heimat ist uns bereits fremd geworden und dort wo wir derzeit leben, da leben wir nur der Arbeit wegen. Irgendwie fühlen wir uns in der Schweiz wohler als sonstwo.

Bevor wir aber einen derartigen Schritt wagen, würde mich noch interessieren ob der Arbeitsmarkt in der Schweiz mehr zum amerikanischen 'way of live', dem sogenannten 'hire and fire' tendiert oder doch eher dem familienfreundlichen skandinavischen folgt. Gerade das mit der Familie erfordert nun mal eine gewisse Sicherheit, und ich möchte hier meine Freundin nicht noch länger vertrösten - wir werden auch nicht jünger.
Gruß,
Karsten

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jeggy
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Beitrag von jeggy » Mo 16.10.06 19:58

Ich wohne und arbeite seit 5 Jahren in der Schweiz.

Ja, in der Schweiz gilt "hire and fire" nach amerikanischem Vorbild.
Allerdings ist das Sozialsystem besser als in den USA.
Vier Wochen Kündigungsfrist sind hier nicht unüblich. Der Arbeitsmarkt ist
bekanntermassen allgemein betrachtet in besserem Zustand als in
Deutschland.

Die Arbeitsmoral ist meiner Erfahrung nach höher als in Deutschland,
das spiegelt sich auch in im Schnitt längeren Arbeitszeiten wider.
Den Luxus, unter 40 Stunden pro Woche zu arbeiten, leistet man sich
in der Schweiz eigentlich kaum.

Gruss,
jeggy
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Karsten
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Beitrag von Karsten » Mo 16.10.06 20:26

jeggy hat geschrieben:Die Arbeitsmoral ist meiner Erfahrung nach höher als in Deutschland,
das spiegelt sich auch in im Schnitt längeren Arbeitszeiten wider.
Den Luxus, unter 40 Stunden pro Woche zu arbeiten, leistet man sich
in der Schweiz eigentlich kaum.

Gruss,
jeggy
Einen derartigen Luxus habe ich mir schon seit längerer Zeit nicht mehr gegönnt, mein Durchschnitt dürfte bei ca. 45 Stunden/Woche liegen; je nach Arbeitssituation ob Anfang/Ende oder mittem im Projekt.
Gruß,
Karsten

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jeggy
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Beitrag von jeggy » Mo 16.10.06 20:39

In welcher Branche arbeitest du denn, wenn ich fragen darf?
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Beitrag von chaoschemiker » Mi 18.10.06 15:38

Ich arbeite auch als Deutscher in der Schweiz und kann jeggy nur beipflichten. Es hängt natürlich auch viel von der Firma ab. Auch in der Schweiz gibt es solche und solche.
Meine Firma ist überaus grösszügig. Folgendes ist nicht ironisch gemeint, sondern nur so zur Info. Wir haben
- 40h/Woche
- 23 Tage Urlaub
- kein Urlaubsgeld

Was Du in der Schweiz auch beachten solltest:
1. Kein EU-land, d.h. Du brauchst eine Arbeits- und ggf. Aufenthaltsbewilligung
2. Man verdient sehr gut, allerdings sind die Lebenshaltungskosten auch sehr hoch. Also blos nicht von einem hohen Lohnangebot blenden lassen. Vor allem Landwirtschaftliche Produkte (= Lebensmittel) sind für deutsche Verhältnisse sehr teuer. Das kommt daher, das die schweizer Landwirte (noch) nicht dem EU-Dumpingpreiswahn unterliegen müssen, sondern marktgerecht entlöhnt werden.
3. Als Alternative bietet sich "Grenzgänger" an. Du wohnst in Deutschland (und versteuerst auch dort überwiegend die Kohle) und arbeitest in der Schweiz. Ist übrigens bei Grenzkantonen gar nicht so unüblich. In dem Kanton wo jeggy und ich arbeiten schätzte ich den Grenzgängeranteil an der arbeitenden Bevölkerung auf locker 10%.
Meine Seite über Britische Münzen soll bis 2027 fertig sein. (Nützliche ?) Informationen enthält sie jedoch schon heute.

Karsten
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Beitrag von Karsten » Mi 18.10.06 17:01

chaoschemiker hat geschrieben: - 40h/Woche
Waehre weniger, derzeit bekomme ich 37,5 Stunden bezahlt und den Rest (ca. 4,5 Stunden bis "ende offen") unbezahlt zum Wohle der Firma. Das "Flex-Konto" wird dann jeweils zum Ende des Monats auf einen festen Wert gekuerzt, wobei die Firma davon ausgeht dass es auch bei jedem etwas zum Monatsende zu kuerzen gibt.
chaoschemiker hat geschrieben: - 23 Tage Urlaub
Damit kann ich gut leben.
chaoschemiker hat geschrieben: - kein Urlaubsgeld
Habe ich noch nie bekommen. Wir haben lediglich ein Jahresgehalt welches durch 13 geteilt wird. Im November gibt es dann ein doppeltes Gehalt, was so mancher auch schon mal Weihnachtsgeld nennt aber ein solches nicht ist.
chaoschemiker hat geschrieben: 3. Als Alternative bietet sich "Grenzgänger" an. Du wohnst in Deutschland (und versteuerst auch dort überwiegend die Kohle) und arbeitest in der Schweiz. Ist übrigens bei Grenzkantonen gar nicht so unüblich. In dem Kanton wo jeggy und ich arbeiten schätzte ich den Grenzgängeranteil an der arbeitenden Bevölkerung auf locker 10%.
Das waehre natuerlich auch eine Alternative, nur ist der Weg des Umzuges generell schon aufwendiger wie ich mir anfangs vorgestellt hatte.

-> Man gehe mal davon aus ich habe eine neue Anstellung gefunden. Meine Lebensgefaehrtin (Freundin) wird mir dann folgen und Ihre aktuelle Arbeit kuendigen um sich neue Arbeit in der neuen Umgebung zu suchen (ich bin nun mal der Hauptverdiener).

Wenn ich jetzt richtig informiert bin, dann besteht aufgrund der Kuendigung (von Seite des Arbeitnehmers) eine 3 Monatige Sperrfrist bei der Sie kein Anrecht auf Arbeitlosengeld hat. D.h., zumindest in diesen 3 Monaten (ich gehe mal davon aus dass Sie nicht direkt am ersten Tag nach dem Umzug eine Anstellung findet) muessen die Versicherungsbeitraege von uns uebernommen werden. Korrigiert mich bitte wenn ich hier falsch liege. Heiraten wuerde hier auch keine Abhilfe schaffen weil ich privat versichert bin.

Gibt es noch mehr Stolpersteine auf die man achten muss ?
Gruß,
Karsten

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El Buitre
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Beitrag von El Buitre » Mi 18.10.06 18:41

Hi Karsten,

du schriebst:

"Wenn ich jetzt richtig informiert bin, dann besteht aufgrund der Kuendigung (von Seite des Arbeitnehmers) eine 3 Monatige Sperrfrist bei der Sie kein Anrecht auf Arbeitlosengeld hat. D.h., zumindest in diesen 3 Monaten (ich gehe mal davon aus dass Sie nicht direkt am ersten Tag nach dem Umzug eine Anstellung findet"

Hier würde ich mich erst einmal beim Arbeitsamt erkundigen, dies muß nicht unbedingt sein. Anderfalls: kündigen lassen (macht sich dann allerdings im Lebenslauf nicht so gut).

Gruß
El Buitre
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A.Einstein

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Beitrag von jeggy » Mi 18.10.06 19:48

Es gibt da ja auch noch die Möglichkeit des Aufhebens des Arbeitsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen. Wie das mit Arbeitslosengeld in D ist, weiss ich nicht, ich war noch nie arbeitslos...
Wer hat's erfunden?

Karsten
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Beitrag von Karsten » Mi 18.10.06 21:20

El Buitre hat geschrieben:Hier würde ich mich erst einmal beim Arbeitsamt erkundigen, dies muß nicht unbedingt sein. Anderfalls: kündigen lassen (macht sich dann allerdings im Lebenslauf nicht so gut).
Ich denke das es bezüglich meiner Freundin sicherlich einen Versuch wert waehre.
jeggy hat geschrieben:Es gibt da ja auch noch die Möglichkeit des Aufhebens des Arbeitsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen. Wie das mit Arbeitslosengeld in D ist, weiss ich nicht, ich war noch nie arbeitslos...
Das währe eine Option die für mich in Frage kommt und natürlich auch mit eine Abfindung zusammenhängt. Bei einer Aufhebung habe ich natürlich auch eine Sperre (beim Arbeitslosengeld) von 12 Wochen; wobei ich nicht wirklich solange warten möchte bis ich Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, sondern schon vorher einen neuen Arbeitsplatz finden möchte.
Hier ging es mir auch eher darum im Vorfeld zu wissen worauf wir zu achten haben (während der Übergangszeit) um nicht später ohne Versicherungsschutz oder dergleichen uns das Leben schwer machen.
Gruß,
Karsten

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chaoschemiker
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Beitrag von chaoschemiker » Do 19.10.06 20:18

Bei dem Wort Versicherungsschutz fällt mir noch was bzgl. der Schweiz ein:

Das Schweizer "Nettogehalt" entspricht nicht dem "deutschen Netto". Da geht noch einiges ab:

1.) Krankenversicherung. Jeder muss extra versichert werden. Vergleichbar mit einer deutschen Privaten KV. Die von Deutschland gewohnte gesetzliche KV , die gleich vom Lohn abgezogen wird gibt es dort nicht, aber es besteht Versicherungspflicht. Es gibt auch keine automatische Mitversicherung von Nichtverdienern. Das heisst nichtarbeitende Ehegatten und auch Kinder müssen versichert werden. Einen Arbeitgeberanteil gibt es nicht. Man muss 100% selber bezahlen.

2.) Steuern. Der Schweizer Staat hat Vertrauen in sein Volk und zieht deshalb die Steuern nicht gleich vom Lohn ab. Die müssen erst bezahlt werden, wenn man die Steuerklärung gemacht hat. Dann kommt aber die Zahlungsaufforderung für ein ganzes Jahr und das sind gewaltige Beträge. Für Deutsche ist das vollkommen ungewohnt und erfordert zeimlich Disziplin das Geld zu sparen und nicht auszugeben.

3.) Rente. Die Schweizer haben drei Renten. Ich verwende mal die deutschen Begriffe (Schweizer verzeiht mir):
a) Gesetzliche Rente (AHV): Wird vom Lohn abgezogen.
b) Betriebsrente (PK): Wird vom Lohn abgezogen.
c) Riester (3. Säule): Dafür ist jeder selber verantwortlich wie er es macht.
Vor allem a) unterscheidet sich gewaltig von Deutschland. Ist in D nur vom Lohn und der Beitragszeit abhängig. In der CH gibt es eine Obergrenze (ich glaube ca. 1500 EUR "Existenzminimum"). Auch der Vorstand der grössten Schweizer Bank bekommt nicht mehr. Die Beiträge sind jedoch Einkommensabhängig (5,05% vom Brutto). Es gibt auch keine Versicherungsplichtgrenze. Jeder bezahlt diese 5,05%. Die Rente die man später bekommt setzt sich aus a,b und c zusammen, wobei a) wie schon geschrieben nach oben limitiert ist.

Falls Du Grenzgänger machen willst, ist das nur ein innerdeutscher Umzug (Keine Zollformalitäten, Füherschein umschreiben, Fahrzeug auf die Schweiz ummelden (= öfters eine Katastrophe), .....). Man zieht Dir dann 4,5% Steuer vom Lohn ab. Der Rest wird in Deutschland abgezockt. Dabei erfolgt die Behandlung wie bei einem Selbstständigen = 1/4-jährliche Steuervorauszahlung. Krankenversicherungsmässig kann man es dann wie bei der geutschen gesetzlichen KV regeln (Frau + Kinder incl.).
Es gibt noch die Alternative "http://www.buesingen.de". Das ist eine deutsche Ortschaft in der Schweiz. Zollrechtlich gehört sie zur Schweiz, Verwaltungsmässig zu Deutschland (Landkreis Konstanz). Es gibt für die dort wohnenen spezielle Steuertarife. Es gibt ein deutsches Kennzeichen (BÜS), d.h. der ganze technische Firlefanz wegen Kfz-Import und Füherschein umschreiben entfällt.
Meine Seite über Britische Münzen soll bis 2027 fertig sein. (Nützliche ?) Informationen enthält sie jedoch schon heute.

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