Zur Geschichte der Skyphatenprägung

Münzen des alten Byzanz

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Zur Geschichte der Skyphatenprägung

Beitrag von Gast » So 10.12.06 10:22

Liebe Gemeinde,

erlaubt mir, als "Wort zum Sonntag" eine Leseprobe aus dem "Petzlaff" zu präsentieren. Es handelt sich dabei um den neu gefssten Teil eines einleitenden Aufsatzes, der bzgl. der bulgarischen Imitationen tagesaktuell auf mir zu Ohren gekommene neue Interpretationen Stellung bezieht (die endgültige "Duden"-Lektura fehlt noch - mit Wurzel: wer Schreibfehler findet, darf sie behalten):
3. Die Geschichte der Skyphatenprägung

Bis ins 10. Jahrhundert fußte die von CONSTANTIN I geschaffene Währung des oströmischen, später Byzantinischen Reichs auf dem goldenen Solidus, der mit 24 Karat (Siliquae) 4,5 g wog, und von dem 72 Stück aus dem römischen Pfund geprägt wurden.

NIKEPHOROS II (963-969) führte neben dieser Leitwährung eine zweite Goldmünze ein, die mit ihrem Gewicht von nur 4,1 g eins zu eins konvertibel zum fatimidischen Dinar war und den Handel mit den östlichen Nachbarn intensivieren und erleichtern sollte. Diese neue Münze wurde allgemein als Tetarteron bezeichnet.

Beide Münzen konnten zunächst optisch kaum voneinander unterschieden werden. BASILEOS II (976-1025) löste dieses Problem, indem er den herkömmlichen Solidus, bzw. Histamenon, wie er jetzt genannt wurde, auf flacheren und dafür breiteren Schrötlingen ausprägen ließ. In relativ kurzer Zeit stellte sich heraus, dass die dünnen Schrötlinge der mechanischen Beanspruchung bei der Herstellung und später auch im Umlauf nicht gewachsen waren. In der Zeit bis zur großen Münzreform des ALEXIOS I im Jahre 1092 nahm das dünne Histamenon nach und nach die wesentlich stabilere typische Schüsselform an, die zum Inbegriff der Byzantinischen Münzprägung der nächsten Jahrhunderte werden sollte: die Histamena wurden sogar im allgemeinen Sprachgebrauch außerhalb der Reichsgrenzen als Besanter, also Byzantiner bezeichnet. Da sie nach wie vor den inzwischen 700 Jahre alten Solidusstandard verkörperten, galt eine schüsselförmige Münze als „gutes Geld“. Die Mutation von der flachen zur gebogenen Form entsprang, wie neuere metallurgische Analysen beweisen, nicht dem Zufall . Vielmehr stellte die Ausformung des rohen Schrötlings zur Schüssel eine gezielte Maßnahme dar, die Stabilität der Münzen zu verbessern. Mit dem Begriff „Skyphat“ wurden diese Münzen übrigens erst im 19. Jahrhundert belegt. Das Wort Skyphat bezeichnet dabei lediglich die Form der Münze und keinesfalls ein Nominal.

Die Inflation des ausgehenden 1. Jahrtausends zwang ALEXIOS I zu besagter Münzreform, die das Histamenon als Leitwährung beibehielt, welches nun aus Elektron, einer Gold-Silber Legierung geprägt, den Namen Hyperperon annahm. Silbermünzen wurden durch Billon-Skyphaten, die Aspron Trachy genannt wurden ersetzt und das Tetarteron degenerierte zu kupfernem, weiterhin flach ausgeprägtem Kleingeld.

Auf ein Hyperperon gingen zunächst 48 Aspron Trachy aus Billon. Doch die Inflation machte nach der Münzreform des ALEXIOS nicht halt. Etwa um das Jahr 1160 wurde unter MANUEL I (1143-1180) das Aspron Trachy von 1/48 auf 1/120 des Hyperperon abgewertet, . Damit wurde das ehemalige Drittel-Hyperperon aus Elektron zur Hauptmünze, und stand damit als Leitwährung in etwa gleicher Relation zum Billonnominal wie seinerzeit das Hyperperon des ALEXIOS. Mit dieser Neufestsetzung des Wertes änderten die Billon-Skyphaten ihr Gesicht. Die bisher vorherrschend Avers-Darstellung einer Christusikone wurde durch das Bild der Muttergottes ersetzt. Unter ALEXIOS III (1195-1203) lag der Wert des Billon Aspron Trachy schließlich nur noch bei 1/184 Hyperperon.

Zur gleichen Zeit wurden nach und nach im Umlauf befindliche originale Billon Aspron Trachys amtlich beschnitten („clipped“). Nach wie vor waren die Trachys keine Scheidemünzen, sondern ihr Münzwert entsprach dem Metallwert. Billon-Trachys wurden, obwohl sie nur noch wie Kupfermünzen aussahen stets als Silbermünzen betrachtet. Durch Beschneiden wurde der Münzwert auf den amtlich nominalen Metallwert reduziert. Die häufig zitierte Vermutung, bei den beschnittenen Münzen handele es sich um ein Unternominal, hat sich als falsch herausgewiesen.

Bis in das Zeitalter der Paläologen stand die Schüsselform erstaunlicherweise immer noch als Synonym für eine vertrauenswürdige, stabile und daher allgemein akzeptierte Währung. Kaum anders lässt sich sonst die Tatsache erklären, dass die Kreuzritter als „lateinische Besatzer“ von Byzanz und die bulgarischen Zaren Byzantinische Schüsseln imitierten und als eigene Währung begaben.

Die Herstellung der Skyphaten erfolgte nachweislich in unterschiedlichen Werkstätten, die sich anhand von Zeichnungsdetails unterscheiden lassen. Die Offizinmerkmale offenbaren sich im Perlenbesatz des kaiserlichen Gewandes und der Ausführung des vom Kaiser gehaltenen Labarums oder Zepters .

Weiterhin charakteristisch, insbesondere für die späteren Ausgaben sind zahlreiche Doppel- oder seltener, sogar Mehrfachprägungen. Diese entstanden dadurch, dass zum einen aufgrund abgenutzter Prägestöcke der obere Stempel mehrfach gesetzt werden musste, um das volle Münzbild erkennbar werden zu lassen, ein zweiter Grund liegt in der Tatsache, dass die schüsselförmig vorgeformten Schrötlinge oft andere Krümmungsradien aufwiesen als die verwendeten Prägestempel. Um ein sauberes Münzbild zu erhalten waren Doppelschläge an der Tagesordnung. Dies erklärt die Skurrilitäten der Ausgaben mit zwei Personen im Avers, die teilweise in Winkeln bis zu 60 Grad gegeneinander verdreht daherkommen. Offenbar waren an der Prägung mancher Münzen sogar drei Münzmeister beteiligt, einer, der den Schrötling setzte und zwei, die die Münze schlugen. Ein Indiz für diese These ist das Vorkommen von Doppelprägungen mit eindeutig unterschiedlichen Avers-Stempeln .

Heute erfreuen sich gerade die Billon-Skyphaten bei vielen Sammlern stark wachsenden Interesses. Zum einen ist reichlich Material vorhanden, zum anderen bietet kaum ein weiterer Abschnitt der Byzantinischen Numismatik eine derartige Vielfalt mit ungeahnten Spezialisierungsmöglichkeiten. Darüber hinaus kann man wohl davon ausgehen, dass noch viele bisher unbekannte Varianten auf ihre Entdeckung warten.

Die Eroberung von Konstantinopel und Thessaloniki durch die Ritter des 4. Kreuzzuges und die darauf folgende Besatzung einiger Teile des Byzantinischen Reiches (1204 bis 1261) stellte nicht nur eine politische Zäsur in der Geschichte des "oströmischen" Erbes dar, sondern brachte fast den gesamten Balkan in den „Genuss“ einer Art gemeinsamer Währung.

Aber es waren nicht die Venezianer und ihre "verräterischen Lateinischen Vasallen", die das monetäre System der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts diktierten, sondern die Zaren des zweiten bulgarischen Reichs mit Hauptstadt Turnovo, die insbesondere in Thrakien nicht immer friedliche nachbarschaftliche Beziehungen zum Byzantinischen Reich pflegten.

Bereits im letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts prägten die Bulgaren Billon-Skyphaten in der Art und der Zeichnung der damals umlaufenden Byzantinischen Schüsselmünzen. Heute werden diese allgemein als "Imitationen" bezeichnet, was in meinen Augen völlig falsch ist.
Die Bulgaren imitierten nämlich nicht, sondern versahen ihre Prägungen im Namen der Byzantinischen Kaiser MANUEL I, ISAAK II und ALEXIOS III mit eindeutigen Merkmalen ("Codierung" der Perlen auf den kaiserlichen Gewändern), die niemals auf originalen Byzantinern zu finden sind. Am auffälligsten ist dieses Phänomen bei den Prägungen im Namen ALEXIOS III, auf denen die Gürtelschnalle des St. Constantin deutlich andere Formen als bei den Vorbildern aufweist. Ebenso sind von den Originalen abweichende Kombinationen des Perlenbesatzes in den Gewändern der dargestellten Personen vorhanden.

Möglicherweise wurden um 1200 auch durch die Byzantiner selbst in den nördlichen Provinzen, insbesondere im Thrakischen Grenzgebiet vereinfacht ausgeführte Billon-Skyphaten geprägt, die sich aber nicht eindeutig von den Bulgarischen Prägungen unterscheiden lassen.

Originale und Imitationen vermischten sich wie beispielsweise moderne EURO-Prägungen unterschiedlicher Länder und wurden zur einheitlichen Leitwährung auf dem Balkan.

Die venezianische Schutzmacht der "Lateinischen" Besatzer des Byzantinischen Reiches war gezwungen, sich dieser Währungsunion anzuschließen, um zunächst speziell in Nordgriechenland den Handel mit Bulgarien aufrecht zu erhalten. Die ersten Prägungen der "Lateiner" sind noch weniger als "Imitationen" zu bezeichnen, da die Zeichnungen der Vorbilder nicht nur in winzigen Details gezielt verändert wurden, sondern komplett neue Darstellungen aufweisen. So zeigt zum Beispiel Sear 2021 den MANUEL mit Akakia statt Kreuzglobus, Sear 2022 den Kaiser mit Schwert und Sear 2023 einen thronenden Kaiser - alles Darstellungen, die es im Original nicht gibt. Dass die Münzen der "Lateiner" im Namen der besiegten Kaiserfamilien geprägt wurden muss als Zugeständnis an die Bulgaren gewertet werden, die ja zuvor Byzantinische Münzen als „gutes Geld“ für sich adaptiert hatten .

Neuerdings scheint sich in Osteuropa eine Betrachtungsweise zu etablieren, die die bulgarischen Imitationen den „Lateinern“ zuschreibt. Dies ist insbesondere deswegen bemerkenswert, weil gerade die bulgarischen Autoren stets bemüht waren, strikt zwischen den beiden Imitativserien zu unterscheiden (wobei die lateinischen Prägungen niemals Imitationen darstellten, sondern eigene Münzbilder aufwiesen). Aufgrund der bekannten umfangreichen Funde in der Gegend von Turnovo und der beobachteten Häufigkeit in Relation zu außerbulgarischen Fundstätten ist diese These nicht zu halten. Weiterhin spricht auch dagegen, dass die Kreuzfahrer zeitgleich massenhaft eigene Münzen in Byzanz begaben, die spontan um 1204 die Prägungen mit byzantinischem Münzbild ersetzten.

Möglicherweise entspringt die genannte Interpretation einem neuen politischen Bewusstsein, welches posthum nicht akzeptiert, dass die Asenidischen Herrscher zu Turnovo neben ihren eigenen Prägungen imitative Adoptionen fremder Münzen begaben.

Auch die Exilkaiser in Nikäa prägten nach dem "Balkanstandard". Interessant, dass es zwei Verträge zwischen Venedig und Nikäa gab (1214? und 1219), die die Imitation von Münzen des einen durch den anderen Vertragspartner verbot.

In Folge dieser "Münzunion" überfluteten Millionen von Skyphaten nach Byzantinischem Vorbild den Balkan. Die Folge war eine gigantische Inflation, welche die Bulgaren veranlasste, alle in ihrem Hoheitsgebiet umlaufenden Münzen in Gewicht und Feingehalt (zuletzt bis auf unter 0,5% Silberanteil) zu reduzieren. Die Gewichtsreduzierung wurde durch Beschneiden vorgenommen. Neuausgaben wurden zudem zunehmend auf immer kleineren
Schrötlingen ausgeprägt. Offenbar nutzten auch Privatleute, wie z.B. Goldschmiede die Gelegenheit der Beschneidung, um kostengünstig an, wenn auch nur geringe Mengen, Edelmetall zu gelangen. Zu Münzen geprägte Edelmetalle fehlen in der ersten Hälfte des 13.Jahrhundert.

Die Folge ist erstaunlich: Die venezianische Finanzmacht reagierte darauf, indem sie ebenfalls ihre Prägungen durch Beschneiden oder verkleinerte Münzen reduzierte. Es existieren auch Übergangsprägungen auf mittelgroßen Schüsseln. Aus der Tatsache, dass sich zwischen den unterschiedlich groß ausgeprägten Münzen keine auf den ersten Blick erkennbaren Zeichnungsunterschiede feststellen lassen, muss man schließen, dass es sich bei den "small module" Skyphaten um den gleichen Nennwert wie bei den "large modules" handelt und nicht um Teilstücke des Aspron Trachy Nominal. Die venezianischen Kleinformate kommen mit eigenen verkleinerten Darstellungen daher, die sich stilistisch von den "großen Brüdern" stark unterscheiden.
Einen schönen 2. Advent wünscht Euch

petzi

(der morgen wieder zur Maloche muss)

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Beitrag von Wurzel » So 10.12.06 15:26

Hallo Stefan,
daß ließt sich sehr gut. Von der Neuzuordnung der Bulgarischen Lateiner habe ich bisher noch nichts gehört. Interessant wie sehr die aktuelle Geschichte Einfluss auf die Vergangenheit nimmt.......

Liebe Grüße Michael
http://www.wuppertaler-muenzfreunde.de/

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Beitrag von Gast » So 10.12.06 16:31

Bezüglich der Diskussion um die Herkunft der Bulgarischen Imitativprägungen handelt es sich um die mündliche Verbreitung von Kolportagen, in denen Gutachten von Experten in besagtem Sinn zitiert werden.

Ich habe derzeit z.B. ein großes Lot von Bulgaren (Typ A bis C) zur Begutachtung vorliegen, die der von mir mit Respekt verehrte Dotchev als Lateiner bestimmt hat.

Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Autor wie Dotchev, der sich in seinen Schriften als ein glühender Verfechter der bulgarischen Herkunft besagter Imitationen präsentiert, steckt mit Sicherheit ein Fünkchen Wahrheit hinter der von mir geäusserten Vermutung.

Ich habe mich entschlossen, in meinem Buch gemäß dem Motto "wehret den Anfängen" durch eine entsprechende Notiz entgegenzutreten.

Im Übrigen belegen Autoren wie Yordanov und Penchev in ihren Forschungsergebnissen eindeutig die Herkunft der imitativen Prägungen im gewohnten Sinn.

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