Latein oder Griechisch

Münzen des alten Byzanz

Moderator: Wurzel

Anastasius
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Latein oder Griechisch

Beitrag von Anastasius » Mo 22.12.03 14:05

oder:
war Byzanz ein römisches oder griechisches Reich ?

um es vorweg zu nehmen, es gibt wohl keine endgültige oder einzige Antwort
auf diese Fragen.
Der Begriff Byzanz entstand erst in der Neuzeit, die Byzantiner selbst sahen sich als " ROMAEON "
benutzten also das Griechische Wort für Römer.
Dennoch war ethnografisch gesehen, Byzanz ein Griechisches Reich,
Anna Komnena spricht noch im 11. Jahrhundert ganz in Griechischer Tradition
von den Kelten, wenn sie über die Kreuzfahrer, Franken und den Westen spricht ...

Dieser Zwiespalt spiegelt sich auch immer wieder in den Legenden der Münzen wieder.
In unserem Rätselthread entstand dank der aufmerksamen Beobachtung von D.F.
eine kleine Diskussion über lateinische oder griechische Legenden Byzantinischer Münzen.
Ich möchte, auch um den Rätselthread etwas zu entlasten, diese Diskussion gerne hier
weiter führen,
daher nun hier erst einmal das Foto des Halbfollis des Justinianus, Sear 224A
Der Avers-Stempel war für einen ganzen Follis hergestellt, daher sind leider nur Teile
der Legende lesbar, diese zeigen aber deutlich dass die Legende nur aus dem Namen
des Herrschers besteht, ohne das im 6. Jhdt. übliche DN am Anfang und PPAVG am Ende.
Ausserdem ist die Schreibweise nicht Latein sondern Griechisch ( IOYSTINI ) ANOYS
womit wir wieder bei unserem Thema gelandet wären ...

[ externes Bild ]

Gruss
Anastasius

D.F.
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Beitrag von D.F. » Mo 22.12.03 19:47

Lieber Anastasius,

zunächst einmal herzlichen Dank für die Abbildung des hochseltsamen Stückes!

Aber zum Griechischen erlaube ich mir doch die Gegenposition abzustecken: Anna Komnena nennt die Leute im Westen mitnichten „ganz in griechischer Tradition“ Kelten, sondern sie nennt sie deswegen Kelten, weil sie selbst die „Römerin“ ist und damit der geographisch naheliegende Begriff "Römer" für die Barbaren im Westen schon besetzt ist.
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an einen Bericht, den ich vor zwei, drei Jahren im Fernsehen gesehen habe. Er handelte von der „Rücksiedlung“ griechisch-sprechender Bevölkerungsgruppen aus den Staaten an der Ostküste des Schwarzen Meeres nach Griechenland (= der heutige Staat). Dabei fragte der Reporter eine alte Frau aus der Gruppe dieser „Rücksiedler“, ob sie sich als Griechin fühle. Sie wies das mit sichtlichem Unverständnis und ebenso sichtlicher Entrüstung zurück und betonte, „Rhomaia“ zu sein!

Vom Ethnischen zu reden, ist natürlich etwas schwierig, weil im griechischen Osten des Imperium Romanum so viele nicht-griechische Stämme absorbiert und akkulturiert worden sind (so wie nicht-römische im Westen), daß vom „reinblütigen“ Griechischen in den meisten Gegenden nicht viel übriggeblieben sein kann.

Vom Sprachlichen her war das Griechische sicher dominierend und drang immer weiter ins Offizielle vor, wo es zum Teil schon in der "klassischen" Kaiserzeit nicht so ungewöhnlich war. Aber zur Zeit Justinians ist auch da das Lateinische noch deutlich überwiegend (vgl. z.B. das Corpus Iuris).

Und vom Selbstverständnis her war das von Konstantinopel aus regierte Reich immer DAS Römische Reich!

Freundliche Grüße
D.F.

Anastasius
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Beitrag von Anastasius » Di 23.12.03 21:14

... ich, Anna, die Tochter der Basileis Alexios und Eirine, geboren und
aufgezogen in der Porphyra, die ich nicht nur nicht ungebildet bin,
sondern vielmehr umfassende Kenntnisse im richtigen Gebrauch des
Griechischen verfüge und auch Rhetorik-Studien betrieben, die
Traktate des Aristoteles und die Dialoge Platons sorgfältig gelesen
und meinen Verstand ....
so stellt sich Anna in der Vorrede zu ihrer "Alexias" selbst vor,
und so geht es im gesamten Buch weiter, Anna zieht auch zu jedem
Alltagsthema einen Bogen zum klassischen Hellenismus.
( Anna Komnene, Alexias, de Gruyter Texte, 2001 )
Im gesamten Buch habe ich allerdings kein Wort von oder über
Cicero, Tacitus oder überhaupt irgendeinen Römer gefunden.

Anna Komnenus war Griechin durch und durch, in ihrer
stark archaisierenden Sprache ist die Rede nicht nur von Kelten,
sondern auch von Skythen ( für die Petschenegen, sic ! )
Persern und weiteren Völkern, die im 11. Jahrhundert längst
von der Weltbühne verschwunden waren.

Die Tatsache, dass sich die Byzantiner Romäon oder Rhomaion nannten
bedeutet lediglich, dass sich sich als Rechtsnachfolger des ehemaligen
Römischen Imperiums sahen, sicher nicht, dass sie sich als Römer im Sinne
eines westlichen oder gar italischen Reiches mit dessen Kultur verstanden.
Wie auch, Rom selbst war ja schon seit langer Zeit in Bedeutungslosigkeit
versunken.

Sicher aber müssten wir unsere Diskussion nach Zeit und Thema differenzieren,
es ist keine Frage, dass Byzanz im 6. Jahrhundert näher an Rom war
als beispielsweise im 11. Jahrhundert, was sich ja schon sehr deutlich
in den Münzen zeigt.

Gruss und Frohe Weihnachten
ANASTASIOYS

D.F.
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Beitrag von D.F. » Di 23.12.03 22:38

Lieber Anastasius,

in einem kann ich Dir nur völlig rechtgeben: kulturell und bildungsmäßig fühlt sich Anna Komnena als Griechin. (Ob ein Grieche der von ihr geschätzten Zeiten das auch so gesehen hätte, müssen wir zwangsläufig dahingestellt sein lassen!), aber:
Im gesamten Buch habe ich allerdings kein Wort von oder über
Cicero, Tacitus oder überhaupt irgendeinen Römer gefunden.
Da ließe sich jetzt ein Weihnachtsrätsel höhergradiger Gemeinheit anschließen:
Welcher griechische Schriftsteller aus den Zeiten des unbestritten RÖMISCHEN Reiches (1./2. Jh.n.Chr.) läßt sich denn überhaupt herbei, sich mit Cicero, Tacitus usw. auseinanderzusetzen, es sei denn, er wäre durch seine Nähe zur Geschichtsschreibung (z.B. im Falle Plutarchs) unweigerlich dazu gezwungen gewesen, die Existenz der Römer zur Kenntnis zu nehmen.
Wenn wir danach gehen möchten, müßten wir doch fast daran zweifeln, ob der hellenisierte Osten je Teil des Imperiums war.
Die Tatsache, dass sich die Byzantiner Romäon oder Rhomaion nannten
bedeutet lediglich, dass sich sich als Rechtsnachfolger des ehemaligen
Römischen Imperiums sahen,
Was mich daran stört (und wie ich glaube, etwa auch Justinian heftig gestört hätte), ist der Begriff der "Rechtsnachfolge", denn er setzt zumindest im konventionellen Verständnis ein Hinscheiden des Rechtsvorgängers voraus, d.h. hier: einen Untergang des Imperiums. Das aber haben die "Byzantiner" wohl nicht so gesehen...

Aber wenn wir das Imperium als Rechtsform sehen, die weder an der Stadt Rom noch am latinischen Stamme hängt, ist auch kein Problem dabei: Das von Konstantinopel aus regierte Reich ist einfach das Römische, das sich ebenso weiterentwickelt wie in den Jahrhunderten davor.

Mit freundlichen Grüßen und allen guten Weihnachtswünschen
D.F.

Anastasius
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Beitrag von Anastasius » Do 25.12.03 14:56

Welcher griechische Schriftsteller aus den Zeiten des unbestritten
RÖMISCHEN Reiches (1./2. Jh.n.Chr.) läßt sich denn überhaupt herbei,
... die Existenz der Römer zur Kenntnis zu nehmen.
Wenn wir danach gehen möchten, müßten wir doch fast daran zweifeln,
ob der hellenisierte Osten je Teil des Imperiums war.
Du sagst es, vielleicht haben sich die Griechen ja wirklich nur als
vorübergehend besetzt betrachtet.
Mit ist durchaus bewusst, dass es " Die Griechen " im Sinne einer Nation nicht gab,
andererseits konnte auch die Römische Militärmaschinerie nicht die
tragenden Elemente Griechischer Kultur beseitigen.
denn er setzt zumindest im konventionellen Verständnis ein Hinscheiden
des Rechtsvorgängers voraus, d.h. hier: einen Untergang des Imperiums
Der westliche, ital. Teil des Römischen Reiches ist, wie wir alle wissen,
im 5. Jahrhundert untergegangen !
Was blieb, war der östliche, überwiegend griechische Teil.
Meine Argumentation mag polemisch erscheinen, ich bin dennoch der
Meinung, dass man ein Reich, das sprachlich und kulturell vom Griechischen
beherrscht ist, auch dann nicht unbedingt ein "Römisches" Reich nennen kann,
wenn sich die Bewohner "Rhomaion" nennen.
Oder betrachtest Du das "Heilige Römische Reich Deutscher Nationen"
auch noch als Imperium Romanum ?

Gruss ANASTASIOYS

D.F.
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Beitrag von D.F. » Fr 26.12.03 10:12

Lieber ANASTASIOYS!

Zuerst zum Letzten:
Das Heilige Römische Reich kann natürlich nicht als „römisch“ im engeren Sinne gelten: nur weil jemand, der dazu nicht legitimiert ist (der Papst), jemandem, der darauf keinen Anspruch hat (dem Frankenkönig), etwas auf den Kopf drückt, wird noch lange kein „Römisches Reich“ daraus. Hätte freilich Dein Namensgeber den Chlodwig nicht nur zum Patricius und Consul, sondern auch zum Augustus gemacht, könnte die Sache anders aussehen.
Du sagst es, vielleicht haben sich die Griechen ja wirklich nur als
vorübergehend besetzt betrachtet.
Natürlich sage ich das nicht, ganz im Gegenteil: Sie haben sich so wenig wie jemand im Westen etwas anderes als das Imperium vorstellen können; keiner – außer denen, die gleich ans christliche Jenseits gedacht haben – hat in der Kaiserzeit, eigentlich schon nach Mithridates VI., noch einen Gedanken darauf verschwendet, wie eine griechische Welt ohne Römer hätte aussehen können. (Nicht einmal einen mickrigen Aufstand haben sie gemacht...)

Daß das Westreich untergegangen ist, spielt für die Frage, ob das Ostreich ein „römisches“ war, kaum eine Rolle, zumindest nicht unter dem Aspekt der Rechtsnachfolge, denn das Ostreich ist eben nicht untergegangen und führt damit die Staatstradition ungebrochen fort, zumindest bis 1204, vielleicht bis 1453.

Erlaube mir nun eine Frage: Wenn Du den Byzantinern nicht glauben willst, was sie selbst von sich sagen, nämlich daß sie die Römer seien, wann wurde denn dann ihr Reich ein „griechisches“?
Und zwar "Reich", nicht Sprach-, Kultur- oder sonstwas -raum!

Auf eine Antwort gespannt, mit freundlichen Grüßen
D.F.

Anastasius
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Beitrag von Anastasius » Fr 26.12.03 14:21

Lieber D.F.

Das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen haken wir ab,
hier sind wir uns uneingeschränkt einig.
Erlaube mir nun eine Frage: Wenn Du den Byzantinern nicht glauben willst, was sie selbst von sich sagen, nämlich daß sie die Römer seien, wann wurde denn dann ihr Reich ein „griechisches“?
Und zwar "Reich", nicht Sprach-, Kultur- oder sonstwas -raum!
Nun, zum Einen bin ich gespannt wie Du mir beispielsweise das British Empire ohne Englische Sprache,
Kultur und Tradition "oder sonstwas" aber als "das Reich" erklärst ?
Was ist denn ein Reich ohne Sprache, Kultur und Tradition ?
Zum anderen haben die Byzantiner sich nicht als Römer ( ROMOII ) sondern als Romäer bezeichnet.
Ich würde Dir dennoch zugestehen, dass in der Übergangszeit ( 6. Jhdt ) ein Justinianus,
obwohl Makedonier, sich in römischer Tradition gesehen hat, in der Zeit ab Heraclius
stimmt das so schon nicht mehr, aber hier drehen wir uns im Kreise.
( am Rande: trotz Justinians lateinischer Ausbildung werden Gesetze
bereits ab 535 nur noch für die westlichen Provinzen in Latein abgefasst )

ich zitiere mich nun aber abschliessend selbst in der Einleitung zu diesem thread:
war Byzanz ein römisches oder griechisches Reich ?
um es vorweg zu nehmen, es gibt wohl keine endgültige oder einzige Antwort
auf diese Fragen.
Ich schlage als Kompromiss folgende Formel vor, die ich bei
Alain Ducellier: BYZANZ, das Reich und die Stadt
fand:
Das Byzantinische Reich war römisch in seinen Institutionen, griechisch in seiner Bevölkerung, seiner Sprache, seiner Kultur. Und es gehört zu seinen Besonderheiten, dass es bei schrumpfender politischer Macht kulturell an Einfluss gelang.
Gruss ANASTASIOYS

D.F.
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Beitrag von D.F. » Fr 26.12.03 18:37

Lieber Anastasios,

hättest Du eingangs gefragt, wie es mit Sprache und Kultur des „Byzantinischen“ Reiches bestellt gewesen sei, so hätten wir uns relativ schnell auf den hohen Anteil des Griechischen einigen können.
Die Frage war nur aber:
War Byzanz ein römisches oder griechisches Reich ?
Und da bin ich der Meinung, daß die Sache doch etwas anders aussieht, und die Beimengung von Sprache, Kultur usw. den Kern der Sache verdunkelt.
Was ist denn ein Reich ohne Sprache, Kultur und Tradition ?
Na was denn? Ein Reich!
(Wenn Du willst: Das Reich an sich!)
Zum anderen haben die Byzantiner sich nicht als Römer (ROMOII ) sondern als Romäer bezeichnet.
Das verstehe ich nun nicht ganz: Die Byzantiner bezeichnen sich als RHOMAIOI (ROMOII??), was immer der griechische Ausdruck für „Römer“ war; daß sie in den Übersetzungen nicht „Römer“ sondern „Rhomäer“ heißen, liegt wohl am Bedürfnis, sie von den klassischen Römern zu unterscheiden.

Deinem Zitat von DUCELLIER kann ich weitgehend zustimmen, allerdings würde ich ihm ganz gerne eines entgegensetzen, und zwar von G. OSTROGORSKY, Geschichte des byzantinischen Staates (1963 ND 1980) 1f.:
Römisches Staatswesen, griechische Kultur und christlicher Glaube sind die Hauptquellen der byzantinischen Entwicklung. Nimmt man eines dieser drei Elemente weg, so ist byzantinisches Wesen nicht denkbar.
...
Die byzantinische Geschichte ist zunächst nur ein neues Zeitalter der römischen Geschichte, und der byzantinische Staat nur eine Fortbildung des alten Imperium Romanum. Die Bezeichnung „byzantinisch“ ist ein Ausdruck der späteren Zeit, den die sogenannten Byzantiner nicht kannten. Sie nannten sich stets Römer, ihre Kaiser betrachteten sich als römische Herrscher...
Das ethnisch heterogene Kaiserreich wurde durch den römischen Staatsgedanken zusammengehalten, und durch die römische Universalitätsidee wurde seine Stellung der Umwelt gegenüber bestimmt.
Warum mir Ostrogorsky besser gefällt?
1. Weil er das Christentum in seine Definition aufnimmt, das m.E. mehr zu den Veränderungen im byzantinischen Staat beigetragen hat als der Rückgriff auf griechische Kultur.
2. Weil er mit dem Hinweis auf die ethnische Heterogenität des Reiches etwas betont, was in unserer Diskussion ganz unbeachtet geblieben ist: die Tatsache, daß der „griechische“ Osten so rein griechisch ja nie war.

Freundliche Grüße
D.F.

PS: Ich weiß nicht, ob diese Diskussion weitergehen wird, zu einer Einigung wird sie wohl nie führen. Eines aber möchte ich betonen: Es freut mich sehr, einmal über mehr geredet zu haben als über die ewigen und faden drei Standardfragen:
Was ist das?
Ist es echt?
Was ist es wert?

Gast
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Beitrag von Gast » Fr 26.12.03 19:12

@D.F. & Anastasius -


Ihr werdet doch Euren herzerfrischenden Disput jetzt nicht einstellen :?:

Lasst mich einfach mal P.D.Whitting zitieren:

"Nicht jedermann weiß, was genau unter den Begriffen "byzantinisch" oder "Byzantinisches Reich" zu verstehen ist. Das ist umso verständlicher, als sich auch die Hstoriker seit langem darüber streiten, wie man dieses Reich bezeichnen sollte und welche Zeitspanne es umfaßt. Soll man es "Spätrömisches Reich, "Oströmisches Reich" oder -so die Franzosen - "Bas-Empire" ("Nieder-Reich" mit dem Beigeschmack eines auf das Römerreich folgenden, weniger glanzvollen Herrschaftsgebildes) oder schließlich "Byzantinisches Reich" nennen, soll man es 330, 395, 476, 527, 610 n.Chr. oder noch später beginnen lassen? Freilich gehen diese probleme in erster Linie die auf Präzision bedachten Gelehrten an, weniger den Laien, der sich mit byzantinischen Münzen befaßt und sie sammelt. Immerhin machen sie dem Sammler deutlich, daß historisches Wissen auch für ihn angebracht ist und ihm hilft, sein Samelgebiet abzugrenzen."


:!: bitte weitermachen mit der Abgrenzung (vom Balanglosen) :!:

:D - petzi

D.F.
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Beitrag von D.F. » Fr 26.12.03 20:04

Na dann, lieber Petzlaff, noch zwei Zitate!

Das erste zur Präzisierung des Standpunktes aus P. Schreiner, Die byzantinischen Kleinchroniken, Corpus Fontium Historiae Byzantinae XII/1 (1975) 63 (Übersetzung - etwas ergänzt - ebd. XII/3 22):
παρελαβον δε ταυτην οι Ρωμαιοι απο των Λατινων κατα το ‚ςψξθ’ ετος, ιουλιου κε’
Es übernahmen diese Stadt (d.h. Konstantinopel) wiederum die Römer von den Lateinern im Jahr 6769 (= 1261 n.Chr.), am 25. Juli.
Und das zweite zur völligen Begriffsverwirrung: J. NIEHOFF, in: Der Neue Pauly 2 (1997) 871:
Nach Corippus findet sich keine lat. Lit. mehr im Osten... Signifikant ist daher die Bedeutungsverschiebung des Wortes ρομαιος (rhomaios): Schon in den apokryphen Acta Pilati (B, prooem. p. 287) ist mit ρομαικη διαλεκτος (rhomaike dialektos) eindeutig das Griech. gemeint... Dagegen wurde ελλην (hellen) zu Heide abgewertet, ein Sprachgebrauch, der sich ebenfalls bis vor kurzem hielt.
Freundlichst
D.F.

PS: Ich bin ja sehr neugierig, ob da oben jetzt auch griech. Schriftzeichen (wenngleich ohne Akzente u.dgl.) erscheinen. Sonst Fluch über MS, B.G. etc.!!

Anastasius
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Beitrag von Anastasius » Fr 26.12.03 21:36

Zitat:
Was ist denn ein Reich ohne Sprache, Kultur und Tradition ?

Na was denn? Ein Reich!
(Wenn Du willst: Das Reich an sich!)
Lieber D.F.
Tut mit leid, aber ein Reich ohne Menschen ( die Griechen und anderen Nichtrömer im Osten ),
ohne Sprache, ohne Kultur und ohne Tradition ist ein blutleeres Nichts,
das einer Namensgebung gar nicht wert wäre.
Wenn dein Imperium Romanum nur aus einem solchen Gebilde besteht,
so sei es Römisch.
Der Inhalt und die Seele des Reiches jedenfalls sind Griechisch.

Ich denke wir beschäftigen uns in Zukunft aber besser wieder mit
Lateinischen oder Griechischen Legenden der Münzen.

Gruss ANASTASIOYS

D.F.
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Beitrag von D.F. » Sa 27.12.03 11:37

Lieber Anastasius,

wenn ich Dir schon auf die Nerven gehen sollte, so tut mir das leid, aber ich muß doch noch einmal replizieren, weil ich Dir das Griechische so einfach nicht durchgehen lassen kann!
Denn was bitte ist denn so wirklich „griechisch“ an Byzanz?
Tut mit leid, aber ein Reich ohne Menschen ( die Griechen und anderen Nichtrömer im Osten ),
ohne Sprache, ohne Kultur und ohne Tradition ist ein blutleeres Nichts,
das einer Namensgebung gar nicht wert wäre.
Die Sprache: Wahrscheinlich hätte sie jeder Grieche klassischer Zeit für barbarisches Gestammel gehalten, aber sei's drum. Hier besteht die Tradition eindeutig, obwohl auch da zu bemerken bleibt, daß ein erklecklicher Teil der Leute gar nicht griechisch redet.

Die Kultur und die Tradition sind die zumindest seit vier, fünf Jahrhunderten enger griechisch-römischer Synthese umgeformten Weiterentwicklungen des älteren Griechischen, von dem in sehr vieler Hinsicht weniger übrig ist, als man denkt, und vor allem zunehmend vermengt mit dem, was auch nicht griechisch ist, nämlich dem Christentum.

Und erst recht die Menschen: Wenn Du schon mir nicht glauben willst, dann glaub' doch ihnen – sie versichern Dir an tausenden Stellen, Römer zu sein.

Darum beharre ich: Byzanz ist der – selbstverständlich sich weiter entwickelnde – Teil des christlich gewordenen Imperium Romanum, in dem zufällig mehr Griechisch als Latein gesprochen wurde.

Freundlichst
D.F.

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Beitrag von Anastasius » Sa 27.12.03 13:46

Lieber D.F.

nein, Du gehst mir nicht auf die Nerven !
Mein letzter Beitrag war etwas in Hektik geschrieben, tut mir leid.

Nun, ich behaupte selbstverständlich nicht, dass Byzanz ein Antikes
Griechisches Reich ist, natürlich hat sich die Sprache weiter entwickelt,
natürlich hat sich auch die Kultur verändert.
Du wirst aber auch bei den Römern im späten 5. Jahrhundert grössere
Veränderungen zu sagen wir dem 1.-2. Jahrhundert zugestehen,
obwohl diese Zeitspanne erheblich kleiner ist.

Das Christentum ist selbstverständlich so wenig klassisch Griechisch wie es
Römisch ist, aber wir sind uns einig, dass wir Veränderungen akzeptieren.

Nicht akzeptieren kann ich dagegen Deine Aussage:
Byzanz ist der – selbstverständlich sich weiter entwickelnde –
Teil des christlich gewordenen Imperium Romanum, in dem zufällig
mehr Griechisch als Latein gesprochen wurde.
Selbstverständlich wird in Byzanz nicht "zufällig" Griechisch gesprochen,
sondern ganz einfach deshalb, weil der Latein sprechende Westen längst von
diversen "Barbaren" kassiert war und als "Reich" schlicht und ergreifend nicht mehr existierte.
Was noch existierte, war das östliche, Syrisch-Griechische Byzantinische Reich -
Byzanz ist somit kein Teil von einem untergegangenen Imperium Romanum,
sondern das Ganze, das Byzantinische Reich.
Selbstverständlich assimilierte auch Byzanz andere Völker, sodass das Reich von der Bevölkerungszusammensetzung nicht 100% griechisch war,
"Römer" gab es allerdings keine mehr zu assimilieren, da sie ganz einfach nicht mehr existierten.

Da ich annehme, dass Du mir dennoch nicht ganz zustimmen wirst,
lass uns doch speziellere Themen diskutieren, es gibt ja durchaus
auch im späten Byzanz immer auch noch einzelne Römisch-Lateinische Aspekte.

Gruss ANASTASIOYS

D.F.
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Beitrag von D.F. » Sa 27.12.03 20:20

Lieber Anastasius,

nur den Ausdruck "zufällig" möchte ich noch erklären: ich habe ihn verwendet, um zu sagen, daß es für den Fortbestand des Imperiums völlig nebensächlich ist, welche Sprache die Menschen dort redeten.
Hätte das Reich in Aremorica fortbestanden und hätten die Menschen irgendwann nur noch keltisch geredet, hätte es in Ägypten fortbestanden und hätten die Menschen koptisch geredet, es wäre für das Imperium dasselbe gewesen! Es hätte dort eben fortbestanden!
Weil Du aber das Gewicht vom relativ präzisen rechtlichen Bereich in einen relativ diffusen kulturell-sprachlichen verlegst, sind Auffassungen wie ""Römer" gab es allerdings keine mehr zu assimilieren, da sie ganz einfach nicht mehr existierten. " unvermeidlich.
Nur erinnere ich daran, daß seit der Constitutio Antoniniana die Reichsbevölkerung aus römischen Bürgern besteht und Du Dich mithin in puncto "Nichtexistenz" in einem Rechtsirrtum befindest.
Recht hast Du dagegen mit der Feststellung, daß niemand assimiliert werden mußte: das waren sie längst schon, allerdings nicht zu Hellenen, sondern alle zu Bürgern des Imperium Romanum.

Im Übrigen stimme ich Dir zu, daß wir besser daran tun werden, bei Gelegenheit zu konkreteren Problemen zurückzukehren - es sei denn, jemand anderer hätte noch was zu sagen...

Bis auf weiteres freundliche Grüße
D.F.

Anastasius
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Beitrag von Anastasius » Sa 27.12.03 20:42

Lieber D.F.

wenn Du "das Reich" als eine reine juristische "Sache " siehst, habe ich Dir
gar nicht so sehr widersprochen, siehe mein Ducellier-Zitat,
nach dem die Institutionen für lange Zeit römisch geprägt waren.
Nur ist mir das zu abstrakt, daher mein Schwerpunkt bei den "diffusen" Themen.

Bis bald bei einem konkreten Thema

Anastasius

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