Sahne aus der Grabbelkiste

Münzen des alten Byzanz

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Sahne aus der Grabbelkiste

Beitrag von Gast » Di 13.07.04 16:48

Liebe Freunde unserer (manchmal doch recht rätselhaften) Rubrik

Da habe ich doch vor kurzer Zeit in einer Grabbelkiste auf einem Flohmarkt einen Byzantiner gefunden, der obwohl nicht im allerbesten Zustand (zumindest im Revers), leicht angeputzt (auch im Revers) trotzdem mein Herz ganz spontan höher schlagen ließ. Nach genauer Inspektion und Katalogisierung nach dem Ausschlußprinzip präsentierte sich das Stück, das ich euch hier vorstelle als ein höchst begehrenswertes Aschenputtelchen.

Zum Anfüttern, und den Blick für das Besondere zu schärfen könnt ihr ja auch einmal versuchen, diese Münze von 20mm Durchmesser und 3,7 Gramm (Kupfer) zu bestimmen.

Da das nicht ganz einfach ist, sei ein kleiner Hinweis erlaubt: Die Person auf dem Avers ist die Muttergottes - sie hält einen kleinen Jesus mit Heiligenschein vor der Brust. Der Kaiser auf dem Revers ist mit seinem typischen Gesichtscharakteristikum wegen der Abnutzung schlecht zu erkennen. Wie gesagt: hier hilft nur der Ausschluß von Unmöglichkeiten und es offenbart sich als Lösung eine kleine Seltenheit in gar nicht soooo schlechter Erhaltung.

...... die üblichen Fragen (wer, wann, WO :) :D

Euer Petzi
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Anastasius
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Beitrag von Anastasius » So 18.07.04 08:00

na, nichts ?

der gute Mann war bei Regierungsantritt schon in den 60ern,
hat nur ca 2 Jahre regiert und ein recht unangenehmes Ende gefunden.
Die Münze wurde in der Stadt geprägt, die die Normannen einen Monat
vor seinem Tod eingenommen hatten.

jetz´aber !

Anastasius

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Wurzel
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Beitrag von Wurzel » So 18.07.04 14:05

Ich versuch mich mal, auch wenn ich keine Byzantiner sammle.
Aufgrund der historischen infos durch Anastasius Tippe ich mal auf Kaiser Isaak II Angelos. Der mit " Hilfe " der Kreuzfahrer des 4 Kreuzuges, unter dem Venetianer Dandalo, für kürze Zeit eine zweite Amtszeit hatte. Nach seiner ermordung wurde kurze Zeit später Byzanz von den Kreuzfahrern erobert und unter lateinische Herrschaft gestellt.

EIn versuch ist es mir wert

Gruss Wurzel
http://www.wuppertaler-muenzfreunde.de/

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Beitrag von Gast » So 18.07.04 15:01

Nicht schlecht

Ziemlich nah dran, aber etwas früher.

ISAAK regierte immerhin 10 Jahre lang (1185-95) und späteer auch noch einmal ganz kurz.

Für's erste - alle Achtung - aber leider knapp daneben

petzi

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Beitrag von secundus » Mi 11.08.04 16:05

Wie wäre es mit einem Tetarteron ( Schon wieder ein neues Nominal! Können die Byzantiner nicht einfach das "r" vor dem "a" belassen, dann hieß es Tetra...usw und macht keine Probleme. Giebt es hierfür eine deutsche Übersetzung ?!) geprägt in Thessaloniki von Andronicus I (Sept. 1183 - 12 Sept. 1185) ?
Jedenfalls passt die Regierungzeit und seine Münzen sind mit der Abgebildeten zum Verwechseln ähnlich.

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Beitrag von Task_Force » Mi 11.08.04 16:39

Erstmal ein Hallo an die Byzantiner-Gemeinde,
da ich hier neu bin - und gleichzeitig ein großes Lob für die interessanten Beiträge.
Secundus scheint mit Andronicus I, sb 1987, nahe dran zu sein - wenn es nicht
Manuel I, sb 1970, ist? Die beiden sind sich ziemlich ähnlich.
Aber was meint der Quizmaster mit "typischem Gesichtscharakteristikum", das schlecht zu erkennen sei?
Den Gabelbart von Andronicus ?!? Dann hat secundus den Treffer gelandet.
Gruß
Task_Force

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Beitrag von Gast » Mi 11.08.04 19:30

Hallo Task_Force,

herzlich willkommen - wir freuen uns hier über jedes neue "Gesicht".

Nicht schlecht kombiniert.

Es ist auf alle Fälle ein Tetarteron. Die von MANUEL zeigen allerdings nicht die Muttergottes, sondern die St.Georgs-Büste oder das bekannte Kreuz auf 3 Stufen. Ausserdem sind sie etwas schwerer (im Schnitt über 4 Gramm). Ich hatte wegen des schlechten Scans, andere sagen wegen der mässigen Erhaltung :D , extra im Text auf Maria hingewiesen.

Secundus hatte recht:

Tetarteron des ANDRONICUS I COMNENUS (1183-1185), Sear 1987, DOC, Band 4, Pl. XVIII 6.1

Geprägt wurde das Stück nicht in Constantinopel, sondern in Thessaloniki :!:

Es gibt noch ein ähnliches Stück (15 mm Durchmesser), welches aber nicht in Thessaloniki, sondern in einer bis heute unbekannten griechischen Münze geprägt wurde - vermutlich ein Halbes Tetarteron (Sear 1989).

Bis ganz bald wieder in dieser Rubrik

petzi

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Beitrag von Task_Force » Do 12.08.04 08:24

Hallo,
ich tendiere auch mehr zu Andronicus, aber das hier scheint doch ein Manuel mit einer Muttergottes zu sein, oder?
Sear 1970
http://www.wildwinds.com/coins/sb/sb1970.html
Gruß
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Beitrag von Gast » Do 12.08.04 09:19

@Task_Force

ich sehe schon, du befasst dich richtig intensiv mit dieser schwierigen Materie - Prima !!

Vergleich doch mal die Hände der Maria auf den MANUEL- und den ANDRONICUS-Prägungen.

Bei allen mir bekannten Tetartera des MANUEL aus Constantinopel (S. 1970) berühren die Daumen den Heiligenschein oberhalb der Schulter (s. z.B. Abbildung im Sear oder bei Wildwinds), während die Prägungen aus Thessaloniki die Daumen auf Schulterhöhe ohne Nimbusberührung zeigen.

Ausserdem trägt der Kaiser die Sagion und nicht wie MANUEL die CHLAMYS als "Oberbekleidung" - für mich ein eindeutiges Indiz in Richtung ANDRONICUS.

Aber ... wer weiss das schon mit 100%er Sicherheit

@Anastasius: Hilfe !!!!! Du hast das Stück doch auch dem ANDRONICUS zugesprochen. Vergleich doch du bitte noch einmal mit den beiden Stücken in deiner bescheidenen Sammlung :D

lieben Gruß
petzi

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Beitrag von Anastasius » Do 12.08.04 11:46

Ein ganz entscheidender Unterschied zwischen Manuel, Sear 1970 und Andronicus, Sear 1987
ist neben den von petzlaff schon genannten,
dass bei Andronicus die Mutter Gottes den nimbierten Kopf des Christuskinds vor der Brust trägt.
Daher ist m. E. das Stück bei Wildwinds falsch bestimmt und ebenfalls ein Andronicus, Sear 1987

Liebe Grüsse
Anastasius

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Beitrag von secundus » Do 12.08.04 18:12

Damit die Diskussion auch für diejenigen unter uns (mich) die (noch) keinen Sear besitzen nachvollziehbar bleibt, ist es nützlich noch die entpr. Abb. nachzutragen:

Manuel I (Sept. 1143 - 24 Sept 1180) Sear 1970

[ externes Bild ]
Quelle: http://www.dirtyoldcoins.com

Andronicus I (Sept 1183 - 12 Sept 1185) Sear Sear 1987

[ externes Bild ]
Ein weiterer: http://www.ancientcoins.ca/16241.jpg
Quelle: http://www.ancientcoins.ca/

Hiernach kann man sich Anastasius´ Feststellung, dass das Stück bei wildwinds falsch bestimmt ist, nur anschließen.

Zwischen den Regierungzeiten der beiden Kaiser klafft eine Lücke von 3 Jahren! Gab es zwischenzeilich eine Republik oder gab es einen Lückenbüßer, der mir nur entgangen ist ?

Gast
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Beitrag von Gast » Do 12.08.04 18:25

Lieber Secundus - Danke für die schönen jpg's - ich sag ja immer: Byzanz ist affengei.... !!!

Aber jetzt wird es ganz spannend: ich behaupte einfach mal, daß die "Dirty old Coin" nicht die Sear 1970 ist. Und wenn es nur darum geht, die Diskussion um Task_Force's Rätsel anzukurbeln.

Viel Spaß noch

petzi

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Beitrag von Anastasius » Do 12.08.04 19:49

wo er Recht hat ....
der Herr auf dem Bildchen von secundus ist natürlich Isaac II ( Sear 2005 )
Verlasst Euch nicht auf die Händlerangaben, da ist fast so gut wie jeder Tetarteron und
jede AE Schüsselmünze erst einmal ein Manuel ... :wink: :wink:


Anastasius

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Beitrag von secundus » Do 12.08.04 21:25

Verlass ist wohl nur auf die Unzuverlässigkeit !
Vielleicht ist einer von Euch so nett und stellt einen Scan des echten Sear 1970 aus dem Buch hier im Forum ein -nach den zwei falschen wäre es an der Zeit.

Um meine Frage nochnmals aufzugreifen, was hat es denn nun mit dem Interregnum von 3 jahren zwischen Manuel und Andronicus auf sich :?:

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Beitrag von Task_Force » Do 12.08.04 21:56

Das war die Zeit von Alexius II Comnenus, dem 12jährigen Sohn von Manuel, den man mit der 8jährigen Tochter von Ludwig VII von Frankreich verheiratete. Der Thron war 3 Jahre von 2 Kindern besetzt; die Regierungsgeschäfte übernahm seine Mutter, Maria von Antiochia, die wegen ihrer lateinischen Abstammung verhaßt war - man fürchtete nicht ohne Grund eine Ausdehnung der Handelsrechte für westliche Kaufleute.
Somit Komplotte und Intrigen, die schließlich den 64jährigen Andronicus, einen Neffen Manuels, an die Macht brachten - im August 1182 zog er gegen die Hauptstadt. Die Bevölkerung lief über, die lateinischstämmige Bevölkerung wurde fast gänzlich eliminiert, nach mehrmonatiger Internierung wurde Maria vergiftet und Alexius fand durch einen Pfeil den Tod.
Um die Sache abzurunden, heiratete Andronicus dann noch die junge Witwe seines Vorgängers - Anna (vormals Agnes von Frankreich).
Wenn das mal nicht echt byzantinisch war! :wink:
Münzen von Alexius II wurden nicht geprägt.

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