(von berenike)
Im Jahre 407/6 stand Athen kurz vor einer Niederlage im Peloponnesischen Krieg gegen Sparta. Seit die Blüte der athenischen Jugend auf Sizilien kläglich in den Steinbrüchen von Syrakus verhungert und verdurstet war, ging es mit dem Kriegsglück in Athen nur noch bergab. Im Jahre 411 hätte es nur noch einer kleinen Kraftanstrengung Spartas bedurft, um die gegnerische Stadt völlig in die Knie zu zwingen.
Zu diesem Zweck verbündete sich Sparta mit den Persern, die mit ihren "Bogenschützen" - den Dareiken und Sikloi, auf denen ein laufender Bogenschütze abgebildet war - den Sold der Soldaten und Ruderer des spartanischen Heeres finanzierten. Und das, obwohl Athen gehofft hatte, der persische König würde auf ihre Seite treten. Alkibiades, der nach der Anklage wegen des Hermenfrevels immer noch in der Verbannung lebte, hatte sich bemüht, eine Einigung zustande zu bringen. Voraussetzung dafür war allerdings, daß die Demokratie in Athen einer Herrschaft von wenigen, einer Oligarchie weichen müsse. Das schien gar kein so großes Hindernis. Die Athener hatten tatsächlich genug von der Herrschaft des Volkes - zumindest für den Augenblick. Die vollen politischen Rechte, die bis dahin alle erwachsenen männlichen Bürger besessen hatten, wurden im Mai 411 auf 5.000 Männer übertragen. Alle Diäten wurden abgeschafft, um der bedrängten Staatskasse eine Erleichterung zu schaffen. Doch selbst die neue Ordnung, von der man sich eine größere Kontinuität in der Kriegsführung erhofft hatte, zeigte keine Resultate. Die reiche Insel Thasos ging Athen verloren, ebenso das für die Ernährung der Stadt wichtige Euböa.
Die Lage schien verzweifelt. Da wählte die vor Samos liegende athenische Flotte den immer noch aus Athen verbannten Alkibiades zu ihrem neuen Strategen. Und seine Genialität, sein Ideenreichtum schienen tatsächlich das Blatt zu wenden: Hier ein kleiner Sieg bei Abydos, dort ein etwas größerer vor Kyzikos, es ging so weit, daß Sparta versuchte, einen Frieden mit Athen auszuhandeln, solange die Stadt ihre alte Stärke noch nicht wieder erreicht hatte. Der Peloponnesische Bund bot also Athen den Frieden an, wenn es sich bereit erklärte, darauf zu verzichten, die vom attischen Seebund abgefallenen Gemeinden zum Wiedereintritt zu zwingen.
Doch für dieses Friedensangebot war es schon zu spät: Athen hatte durch die beiden kleinen Siege des Alkibiades Oberwasser bekommen. Die Demokratie wurde mitsamt ihren Diäten wieder eingeführt. Ab Juli 410 tagte wieder der Rat der Fünfhundert und weigerte sich vehement, den Spartanern nachzugeben. Ein Leierfabrikant namens Kleophon führte jetzt das große Wort. Unter seiner Federführung wurde Alkibiades dazu eingeladen, zurück nach Athen zu kommen. Es schien ein großer Tag, als der einst Verbannte feierlich in seine Vaterstadt einzog. Vergessen war es, daß er auf Seiten der Spartaner gekämpft hatte, vergessen war "seine" Sizilische Expedition und der Hermenfrevel. Die Steine, auf denen man das Urteil über ihn verzeichnet hatte, wurden zerschlagen. Das Volk von Athen ernannte Alkibiades zum Oberbefehlshaber seiner Wasser- und Landstreitkräfte. Nun, so hoffte man, würde eine Rückeroberung der alten Stellung ein Kinderspiel sein.
Doch Alkibiades hatte auf spartanischer Seite einen Gegenspieler bekommen, der mindestes genauso genial war wie der athenische Feldherr. Die Rede ist von Lysander. Ihm gelang es, in Zusammenarbeit mit dem Jüngeren Kyros, dem zweiten Sohn des Großkönigs, die Athener an den Rand des Abgrundes zu bringen. Ihm Frühling des Jahres 407 erlitt Alkibiades eine vernichtende Niederlage mit seiner Flotte, was ihn sein Kommando kostete. Er zog sich zurück auf seine Besitzungen in Nordgriechenland und ließ die Athener allein mit ihrem Problem, wie man nach der völligen Vernichtung aller Schiffe eine neue Flotte bauen könnte.
Der Staatsschatz war nämlich mittlerweile geplündert, alles Silber, das noch Perikles als Hort angelegt hatte, um einen Krieg mit Sparta zu finanzieren, ausgegeben. Die Bürger Athens standen vor leeren Kassen. Ihnen blieb nichts anderes übrig als auf die Goldvorräte zurückzugreifen, die sie in früheren Jahren als Weihegeschenke im Tempel der Athena deponiert hatten.
Während wir es heute eher als merkwürdig empfinden würden, Stiftungen zu Ehren Gottes in Notzeiten für andere Zwecke zurückzufordern, war das für einen Griechen nicht unnormal. Die Tempel fungierten als eine Art Bank, wo man in guten Tagen etwas hinterlegte, das man in schlechten Zeiten wieder leihen konnte, um es dann nach einem Sieg wieder zurückzuerstatten. Im Winter des Jahres 407 besaß Athen an Goldvorräten sicher noch sieben Niken, von denen jede etwa 2 Talente Gold enthielt, und den berühmten Goldschild der Athena des Phidias, von dem Thukydides überliefert, er habe 40 Talente gewogen. Von diesem Gold nahmen die Athener, um Notmünzen zu prägen, mit denen der Flottenbau finanziert werden sollte. Der hier abgebildete Goldstater aus der kommenden Auktion der Leu Numismatik AG ist ein seltenes Zeugnis des letzten Verzweiflungskampfes von Athen.
Ungewohnte, goldene Statere und untergewichtige, teilweise gefütterte Tetradrachmen, glücklich werden die Athener nicht gewesen sein, wenn sie ihre neuen Münzen ausgezahlt bekamen. Aristophanes hat in seinen Fröschen, die 406/5 uraufgeführt wurden, Bezug genommen auf das Unbehagen der Athener beim Umgang mit ihrer neuen Währung:
- Oftmals hat es mir geschienen: unserem Staat ergeht es ganz
Ebenso mit seinen besten Bürgern, jedes Lobes wert,
Wie es mit der alten Münze und dem neuen Golde geht;
Denn auch jene, die doch wahrlich weder falsch ist noch zu leicht,
Ja, die unter allen Münzen, die ich weiß, die beste ist
Und allein ein gut Gepräge trägt und Klang und Geltung hat
Unter den Hellenen allen und im Ausland überall:
Jene braucht ihr nicht mehr, sondern dieses schlechte Kupfergeld,
Gestern oder ehegestern ausgeprägt von schlechtem Klang!
Hätten doch alle Athener so eine innere Stimme besessen. So hatte sich Athen selbst, nachdem es den Alkibiades in ein freiwilliges Exil getrieben hatte, seiner besten Strategen beraubt. Die Flotte der Stadt wurde nun ein leichtes Opfer für den spartanischen Strategen Lysander, der sie bei Aigospotamoi besiegte und völlig vernichtete. Das war der Anfang vom Endkampf. Lysander belagerte das einstmals so stolze Athen, das sich bald ergeben mußte. Im April 404 nahm Athen den Friedensvertrag an. Er schrieb vor, daß die langen Mauern und die Befestigungen des Piräus völlig zerstört und alle Schiffe mit Ausnahme von 12 Einheiten ausgeliefert werden mußten. Damit dankte Athen als Großmacht ab. Nicht einmal alles Gold der Akropolis konnte dies verhindern.
[ externes Bild ]
[ externes Bild ]
Athen. Goldstater, 407/6 v. Chr. Kopf der Athena im attischen Helm n. r. Rv. AQE Eule n. r. stehend, den Kopf dem Betrachter zugewandt, dahinter Ölreis mit Frucht und zwei Blättern. BMC Tf. I, 11.