Nemausus-Serie

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Alm-Öhi
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Nemausus-Serie

Beitrag von Alm-Öhi » So 24.07.16 21:45

Nemausus Avers.jpg
Nemausus Revers.jpg
Nominal: As
Prägestätte: Nemausus
Prägezeit: 28/20 - ca. 8 v.Chr.
Emission: Serie 1 (nach Kraft 1c)
Gewicht: 13,15 g
Münzmetall: Potin
Durchmesser: 25 mm
Münze: RIC 157 (R), AMC 413
Gegenstempel: Werz 84.7


Die Botschaft, welche die Rückseite mit dem Krokodil verkünden sollte, ist ja hinlänglich erläutert worden, siehe bspw. Bellen, Politik, Recht, Gesellschaft, S. 79.
Interessant ist jedoch, dass bei allen Münzbeschreibungen angegeben wird, das Reptil sei am Palmbaum angekettet. Hier stellt sich aber sofort die Frage, ob dem wirklich so ist. Denn das Ende der Kette verschwindet irgendwo zwischen der Spitze des Palmwedels und den wehenden Bändern.

Die drei Palmblätter, welche auf allen drei Serien der Nemausus-Münzen vertreten sind, könnten für den dreifachen Triumph stehen, den Augustus im Aug. 29 v.Chr. in Rom feierte (Dalmatien, Actium und Ägypten, wobei der große Palmwedel in der Mitte sehr wahrscheinlich für den letztgenannten Triumph stehen sollte).

Den terminus post quem der ersten Serie wird mit der Ansiedlung römischer Veteranen in der römischen Nemausus 28 v.Chr. angegeben. Rutten/Wieland geben 20 v.Chr. als Prägebeginn an.
Etwas konkreter lässt sich das Ende der ersten Serie fassen. Bei den Münzfunden im Militärlager Oberaden, welches 8/7 v.Chr. aufgelassen wurde, konten nur Exemplare der ersten, aber keines der zweiten Serie gefunden werden. Und weil allgemein angenommen wird, dass die zweite Serie erst dann einsetzte, nachdem die erste beendet worden war, dürfte die erste Serie um 8 v.Chr. ausgelaufen sein.

Gelegentlich werden die Nemausus-Stücke bis in die heutige Zeit als Dupondien angesprochen. Grund für diese falsche Annahme sind das anfänglich hohe Gewicht der ersten Serie, welches sich aber rasch verringerte. Dass nun das Münzgewicht nicht immer entscheidenden Einfluss auf die Nominalzuweisung hatte zeigen die Asse am Ende des 2. Jh. v.Chr., vgl. Wolters, Nummis Signati, S. 134f. Auch die Vorderseitendarstellung der zwei voneinander weggedrehten Köpfe überzeugt für das Argument "Dupondius" nicht. Eine ähnliche Darstellung weisen die republikanischen Asse mit dem zweigesichtigen Ianus auf. Der dritte Einwand bezüglich des Münzmaterials läuft ebenfalls ins Leere. Der gelbliche Metallglanz ist zwar für Asse ungewöhnlich, doch handelt es sich bei den Nemausus-Ausgaben eben nicht um stadtrömische As-Emissionen aus Kupfer mit der Kennzeichnung "SC". Die Analysen der Bronzen von Nemausus sind gut dokumentiert, bspw. Hammer, Feingehalt ..., Zeitschrift für Numismatik 26, 1908 oder Eisenblätter, Blick in das Innere ..., Arbeitstitel 5/1. Hier ergibt sich ein annähernd gleichbleibendes Bild: ca. 75% Kupfer, ca. 15% Zinn und ca. 10% Blei. Zwar erinnert das Münzmetall in seiner Farbe durchaus an Messing (Kupfer-Zink-Legierung). Aber die Nemausus-Legierung ist Potin, also eine Kupfer-Zinn-Legierung. Verständlich wird das Ganze durch das Ursprungsland, in dem die Krokodil-Stücke geprägt wurden. Spätestens ab dem 1. Jh. v.Chr. war zumindest die westliche Oppidarkultur dazu übergegangen, Bronzemünzen aus Potin zu gießen/prägen. Im keltischen Oppidum Lindenhof fanden sich darüber hinaus Potinklumpen, deren größter ein Gewicht von knapp 60 Kilogramm hatte. Diese bestehen aus einer großen Anzahl miteinander verschmolzener keltischer Münzen. Ob diese Klumpen nun für eine Weiterverarbeitung gedacht waren oder als kultische Opfergabe dienten ist noch ungeklärt. Denkbar wäre aber, dass die römischen Münzmeister von Nemausus wohl nicht nur auf die noch umlaufenden keltischen Potinmünzen für die Ausprägung ihrer Stücke zurückgriffen, sondern sich auch besagter Potinklumpen bedient haben könnten.

Nicht minder interessant ist die Deutung des "Kranzes" auf der Rückseite der ersten Serie. Der unterscheidet sich nämlich wesentlich von der der zweiten und dritten Serie (was übrigens auch mit der Veränderung der Vorderseite einher geht - Stichwort Kranz des Augustus). An der Spitze des Palmwedels treten häufig vier Bänder und ein "Kranz" auf, gelegentlich vier Bänder und zwei "Kränze". Nun sollte die Überlegung angebracht sein, ob es sich denn tatsächlich um einen Kranz handelt. Es gibt vergleichbare Darstellungen auf einem Relief vom Fidestempel vom Kapitols oder auf dem republikanischen Denar des Siscinius (Bild): hier handelt es sich eindeutig um eine Siegesbinde, die um die Blattspitze gebunden ist. Vielleicht sollte der "Kranz" der ersten Serie weniger als solcher angesprochen werden, sondern eher als Schlaufe einer angeknoteten Siegesbinde. Das würde die runde glatte Ringform der ersten Serie, die so wenig an einen Kranz erinnert, erklären:
Siegesbinde .jpg
Siegesbinde .jpg (30.71 KiB) 1102 mal betrachtet
Bestätigung könnte die "Schlaufen"-These durch die Vorderseite der folgenden Nemausus-Serie finden, wo die Kränze der Vorderseite gelegentlich auch jene kreisrunde Schleifen zeigen: zweite Serie , dritte Serie
Allerdings löst sich damit nicht das Problem des zweiten Bandpaares. Eventuell könnte der "Kranz" auch als torques angesprochen werden, also ein militärischer Ehrenreif, vgl. Reusser, Der Fidestempel.
Fragen über Fragen.

Der runde/ovale Gegenstempel mit "D-Palmzweig-D" im Perlkreis ist nach Werz zu knapp 75% auf Münzen der ersten Serie vorhanden. Auf Münzen der zweiten Serie oder der ersten Lugdunumer-Altarserie erscheint er selten. Werz führt am Beispiel von Oberaden und Rödgen an, dass Gegenstempel 84 wegen der Auflassung wohl erst nach 7 v.Chr. Anwendung fand. Für die Lesung werden zwei Varianten gehandelt: Dono Dedit und Decreto Decurionum. Werz favorisiert die erste Möglichkeit und schreibt das "Geschenk" dem Princeps zu, der Palmzweig zwischen DD soll auf Augustus verweisen.
DD für Decreto Decurionum findet sich nicht nur im Stempelbild römischer Provinzialmünzen, sondern auch als Schlagmarke auf glandes (Schleuderbleie) der belagerten Stadt Munda während des Bürgerkrieges gegen die Pompeianer.
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Re: Nemausus-Serie

Beitrag von Altamura2 » Mo 25.07.16 08:52

Das ist ja eine interessante Darstellung einzelner Aspekte dieses Münztyps :D .

Wenn man sich bei einer derartigen französischen "Nationalmünze" allerding nur auf deutsche Literatur beruft, zudem auf teilweise nicht mehr ganz taufrische, dann kann nur ein bruchstückhaftes Bild entstehen :? .

Zu Datierung und Metallurgie dieser Münzen gibt es beispielsweise einen Artikel von Paul-André Besombes, « Les dupondii de Nîmes : datation, diffusion et nature du métal utilisé », Revue numismatique, 6e série, t. 157,‎ 2001, p. 305-328 : http://www.persee.fr/doc/numi_0484-8942 ... 6_157_2331 ...
Alm-Öhi hat geschrieben:... Hier ergibt sich ein annähernd gleichbleibendes Bild: ca. 75% Kupfer, ca. 15% Zinn und ca. 10% Blei. ...
... der hier zu ganz anderen Ergebnissen kommt (siehe im Überblick Tabelle 4 ganz am Ende; ich hab' den Artikel jetzt aber nicht komplett gelesen :? ).

Wenn man da etwas googelt, dann wird man bestimmt noch eine ganze Reihe aktuellerer Veröffentlichungen unserer Nachbarn dazu finden :D .

Gruß

Altamura

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Re: Nemausus-Serie

Beitrag von Alm-Öhi » Mo 25.07.16 22:47

Herzlichen Dank für deinen verlinkten Artikel mit den aufschlussreichen Analysen!
Das entzieht meiner Materialangabe "Potin" zur Münze natürlich den Boden - es sollte somit "Bronze" sein.
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