der Eine oder Andere hat sich sicherlich gewundert, daß ich so eine Lanze für die Aufnahme mittelalterlicher Bulgaren in unser Byzanzforum breche.
Zur Erklärung erlaubt mir bitte einen kleinen Ausflug in die numismatische Geschichte.
Die Eroberung von Konstantinopel und Thessaloniki durch die Ritter des 4. Kreuzzuges und die darauf folgende Besatzung einiger Teile des Byzantinischen Reiches (1204 bis 1261) stellte nicht nur eine politische Zäsur in der Geschichte des "oströmischen" Erbes dar, sondern brachte fast den gesamten Balkan in den Genuß einer Art Münzunion.
Aber es waren nicht die Venezianer und ihre "verräterischen Lateinischen Vasallen", die das monetäre System der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts diktierten, sondern die Zaren des zweiten bulgarischen Reichs mit Hauptstadt Turnovo.
Bereits im letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts prägten die Bulgaren Billon-Skyphaten in der Art und der Zeichnung der damals umlaufenden Byzantinischen Schüsselmünzen. Heute werden diese allgemein als "Imitationen" bezeichnet, was in meinen Augen völlig falsch ist. Die Bulgaren imitierten nämlich nicht, sondern versahen ihre Prägungen im Namen der Byz. Kaiser MANUEL I, ISAAK II und ALEXIOS III mit eindeutigen Merkmalen ("Codierung" der Perlen auf den kaiserlichen Gewändern), die niemals auf originalen Byzantinern zu finden sind. Am auffälligsten ist dieses Phänomen bei den Prägungen im Namen ALEXIOS, wo die Gürtelschnalle des St. Constantin deutlich andere Formen als bei den Vorbildern aufweist.
Originale und Imitationen vermischten sich wie moderne EURO-Prägungen unterschiedlicher Länder und wurden zur einheitlichen Leitwährung auf dem Balkan.
Die venezanische Schutzmacht der "Lateinischen" Besatzer des Byzantinischen Reiches war gezwungen, sich dieser Währungsunion anzuschließen, um zunächst speziell in Nordgriechenland den Handel mit Bulgarien aufrecht zu erhalten. Die ersten Prägungen der "Lateiner" sind NOCH weniger als "Imitationen" zu bezeichnen, da die Zeichnungen der Vorbilder nicht nur in winzigen Details gezielt verändert wurden. So zeigt zum Beispiel Sear 2021 den MANUEL mit Akakia statt Kreuzglobus, Sear 2022 den Kaiser mit Schwert und Sear 2023 einen thronenden Kaiser - alles Darstellungen, die es im Original nicht gibt. Daß die Münzen der "Lateiner" im Namen der besiegten Byzantinischen Kaiserfamilien geprägt wurden muß als Zugeständnis an die Bulgaren gewertet werden. Schließlich waren die Zaren mit den Byzantinischen Kaiser-Dynastien vewandt und verschwägert.
Auch die Exilkaiser in Nikäa prägten nach dem "Balkanstandard". Interessant, daß es zwei Verträge zwischen Venedig und Nikäa gab (1214 und 1219), die die Imitation von Münzen des einen durch den anderen Vertragspartner verbot. Wer sich übrigens nicht daran hielt waren die Venezianer (Sear 2050).
In Folge dieser "Münzunion" überfluteten Millionen von Skyphaten nach Byzantinischem Vorbild den Balkan. Die Folge war eine gigantische Inflation, die die Bulgaren veranlasste, alle in ihrem Hoheitsgebiet umlaufenden Münzen in Gewicht und Feingehalt (zuletzt bis auf unter 1% Silberanteil) zu reduzieren. Die Gewichtsreduzierung wurde durch Beschneiden vorgenommen. Neuausgaben wurden auf immer kleineren Schrötlingen ausgeprägt. Offenbar nutzten auch Privatleute, wie z.B. Goldschmiede die Gelegenheit der Beschneidung, um kostengünstig an, wenn auch nur geringe Mengen, Edelmetall zu gelangen.
Und nun kommt das Erstaunliche: Die venezianische Finanzmacht reagierte darauf, indem sie ebenfalls ihre Prägungen reduzierte. Bei den "Lateinischen" Emissionen wurde allerdings weniger beschnitten, vielmehr wurde gleich auf kleineren Schrötlingen geprägt. Es existieren auch mittelgroße Schüsseln - daraus kann man schließen, daß es sich bei den "small module" Skyphaten um den gleichen Nennwert wie bei den "large modules" handelt. Die venezianischen Kleinformate kommen mit eigenen verkleinerten Darstellungen daher, die sich stilistisch von den "großen Brüdern" stark unterscheiden (z.B. Sear 2021 vs. Sear 2044).
Viele Historiker, insbesondere aus Südosteuropa (Yordanov, Penchev) wagen (recht überzeugend) die These, daß ein großer Teil der "small module"-Typen nicht in Konstantinopel, sondern in Ragusa, dem heutigen Dubrovnik geprägt wurden, als Thessaloniki durch die Nikäer 1237 zurückerobert wurde und der Niedergang der "Lateiner" zu Byzanz sich immer stärker abzeichnete. Schließlich bildete Ragusa den wichtigsten handelspolitischen Brückenkopf für Venedig auf dem Balkan und für die Venzianer verlor das immer stärker kränkelnde Protektorat "Byzanz" zunehmend an politischem Interesse.
Die kleinformatigen "Lateinischen" Thessaloniki-Typen (Sear 2047-2049) wurden nach Ansicht von Penchev nach 1237 in Konstantinopel weitergeprägt, um die Kreuzritter-Vasallen in ihrer letzten Zeit noch ein wenig am Handel mit Bulgarien teilhaben zu lassen.
1261 übernahmen dann Gott sei Dank die Paläologen die Macht in Byzanz, um das Reich wieder in Byzantinische Bahnen zu lenken. Monetär hatten sie, nach einer ordentlichen Anfangsphase nach altem Standard, langfristig allerdings nicht viel zu bieten, ausser einer Unzahl von kaum identifizierbaren zerbrochenen Schüsseln und der späteren Adaption mitteleuropäischer Silbergroschen

So - genug geschrieben. Die Eingeweihten wissen, wo die Quintessenz dieses Beitrags demnächst verbleiben wird (hoffentlich für eine noch grössere Schar Gleichgesinnter)

Vor Ostern stelle ich Euch noch ein paar Beispielabbildungen ein - heute Abend habe ich keine Lust mehr dazu.
Lieben Gruß - petzlaff