Eine bislang unerwähnte Reinigungshilfe...

Reinigungstips, Aufbewahrung, Handschuhe, Pinzetten, Olivenöl, Literatur, Software usw.
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v. Melléthe
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Eine bislang unerwähnte Reinigungshilfe...

Beitrag von v. Melléthe » Fr 31.10.03 11:41

... ist der gute alte Borstenpinsel, den wir alle aus unserer Schulzeit kennen.

Er wird gerne im Bereich der Gemäldereinigung und -restaurierung angewendet, um hartnäckige Flecken von der Malschicht möglichst schonend herunter zu bekommen. Im konkreten Fall ist die sehr sensible Ölfarbe durchaus mit der Empfindlichkeit einer Patina vergleichbar: beide sollten nach Möglichkeit nicht beschädigt werden. Um diese Gefahr zu mindern, wird in der Gemäldereinigung der unerwünschte Fleck - beispielsweise Fliegendreck oder alte Firnistropfen - aufgeweicht (weil aber diese Weichmacher für die Münzreinigung nicht zu empfehlen sind, sage ich auch nichts weiter darüber, sonst kommen am Ende noch Beschwerden, falls es jemand doch versuchen sollte...).

Also, wenn wir den Borstenpinsel beim Händler unseres Vertrauens gekauft haben, ist er meist auch schon einsatzbereit. ABER: wir sollten den kleinsten Pinsel kaufen, den wir finden können, damit wir möglichst punktgenau arbeiten können. Ist der Pinsel noch zu breit, hilft uns eine Nagelschere, mit der wir den Pinsel einfach schmaler schneiden können.

Die zu entfernenden Beläge können meist in Seifenlauge, Olivenöl oder Ballistol ein wenig aufgeweicht werden. Ist dies geschehen, bürsten wir möglichst sanft und punktgenau über die zu reinigende Stelle - zumindest theoretisch, die Praxis schaut etwas aufwendiger aus.

Ihr werdet nämlich manchmal merken, daß kaum was weitergeht. Keine Sorge, das ist völlig normal, da in den meisten Fällen die Borsten eines fabriksneuen Borstenpinsels für unsere Zwecke zu lang, und dadruch zu biegsam, also zu weich sind (aber auch zu unkontrollierbar!). Wir schneiden deshalb mit besagter Nagelschere den obersten Millimeter der Borsten ab.

Nun testen wir das Resultat zuerst an unserer Handoberfläche: greifen die Borsten schon, oder sind sie noch zu weich. Mit der Zeit bekommt man auch hier das richtige Feeling für die nötige Steifheit der Borsten.

Im Normalfall beschädigen die Borsten die Patina nicht, wenn sie sich schon richtig ausgebildet hat. Trotzdem müssen wir mit äußerster Vorsicht an die Münze herangehen. Härtere Bosten bedeuten automatisch, daß wir weniger Druck mit dem Borstenpinsel ausüben müssen - und das sollte auch so bleiben!!!

Ein weiterer Vorteil des Borstenpinsels ist, daß wir die Spitzen der Borsten ganz nach den jeweiligen Bedürfnissen zuschneiden können. Entweder gerade oder gewölbt oder spitz.

Hier ein ganz konkretes Beispiel:
Die Münze wird von einer sehr festen, lehmigen und tonigen Schmutzschicht umgeben. Und wir wissen (noch) nicht, wie fest die eigentliche Patina der Münze ist.

A.
Wir trocknen die Münze, falls sie feucht sein sollte (z.B. frischer Fund oder nach dem ersten Seifenlaugenbad). Nun versuchen wir, ob die Borsten in trockenem Zustand etwas von der Schmutzschicht abkratzen können. Falls nein, besteht erhöhte Alarmbereitschaft, da die Dreckschicht möglicherweise härter als die Patina sein könnte! Das wissen wir nun und sind seeeeehr vorsichtig.

B.
Wir weichen die Münze anschließend so lange ein, bis wir mit dem Borstenpinsel Erfolg haben und die oberste Schmutzschicht entfernen können. Jetzt Stopp! Wir kratzen nicht weiter sondern weichen wieder ein, unter Umständen mehrere Tage falls nötig.

C.
Je dünner die Schmutzschicht wird, oder anders ausgedrückt: je näher die Patina heranrückt, umso weichere Borsten setzen wir ein, bis die Münze fast gereinigt ist.

D.
Jetzt legen wir den Borstenpinsel beiseite und machen mit dem Zahnstocher weiter. Ist die Münze nun sauber, nehmen wir

E.
einen sehr weichen Borstenpinsel zur Hand und kreisen mit ihm ganz sanft über die Oberfläche. Dadurch verschwinden mit der Zeit die Strichlein, die durch den Einsatz des Zahnstochers möglicherweise entstanden sein könnten.

In vielen Fällen, leider nicht in allen, bringt der Borstenpinsel Erfolg und wir müssen nicht monatelang mit gebanntem Blick auf das Olivenölbad starren.


Bitte zuerst an wertlosen Stücken üben, Erfahrungen sammeln und viel Erfolg!

Herzliche Grüße,
Melléthe

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Beitrag von KarlAntonMartini » Mo 03.11.03 18:49

Klingt überzeugend, danke für den Tip! Ist aber sicher sehr zeitaufwendig, ich werde in meinem Ruhestand darauf zurückkommen :-))

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Morgoroth
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Beitrag von Morgoroth » Mo 03.11.03 19:15

Nun würde mich eins interessieren, meinen Sie die Plastikpinsel, oder welche, mit echten Borsten :?:
oida ou eidos

v. Melléthe
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Beitrag von v. Melléthe » Fr 07.11.03 08:03

Hallo!

Falls mit echten Borsten diejenigen aus Tierhaar gemeint sind, dann spielt es im Grunde keine Rolle. Es geht allein um die schonende Kratzwirkung. Daher gilt: Hauptsache billig.

Ich verwende am liebsten die Pinsel mit sehr hellen oder sogar weißen Borsten, weil ich hier am ehesten an der Verschmutzung des Pinsels erkenne, wie viel Dreck heruntergekommen ist. Wenn die Münze frisch aus dem Oliven- oder Ballistolöl genommen wird, wird sie anschließend gründlich abgetupft, dann kommt der Pinsel. Und siehe da, der Pinsel wird dunkelbraun bis schwarz. (Den Pinsel am Ende oder zwischendurch bitte mit Wasser und Seife auswaschen.) Die Münze kann dann gleich wieder ins Öl gelegt werden.

Wenn die Münze nur vom Wasser feucht ist, funktioniert's auch recht gut. Aber sie muß natürlich völlig trocken sein, wenn sie ins Öl kommt.

Ist die Münze hingegen knochentrocken, ist der Effekt weniger gut, weil die Schmutzschicht zu hart ist, und das bedeutet u.U. eine Beschädigungsgefahr für die Patina.

Natürlich ist es zeitaufwendig, gar keine Frage. Aber so ein Mal die Woche finde ich schon die Zeit dafür.

Liebe Grüße,
Melléthe

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