geldgeschichtlich interessant: ANTIK gelötete Tetradrachme

Griechische Münzen des Altertums

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Chandragupta
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geldgeschichtlich interessant: ANTIK gelötete Tetradrachme

Beitrag von Chandragupta » Mo 16.02.09 13:16

Liebe Griechenfreunde,

hier möchte ich Euch ein aus meiner Sicht als insbesondere geld- und währungsgeschichtlich interessierter Freund der antiken Numismatik hochinteressantes Objekt vorstellen, das einem Freund eines Freundes (FeF) von mir neulich auf der WMF Berlin zugeflogen ist und der mir die Ablichtungserlaubnis dafür erteilte, sowie auch, das Stück hier im Forum zu publizieren.

(Der Eigentümer selbst möchte wegen der Aktivitäten des Herrn L. aus dem Hessischen nicht genannt werden, da für die Münze möglicherweise keine explizite Ausfuhrgenehmigung der Republik Griechenland existiert und somit in der BRD das "pedigree" dafür fehlt, man als BRD-Bürger also gar kein Eigentum an dieser sog. "Hehlerware" erwerben kann, weshalb das Exemplar sich auch mittlerweile in einem der noch verbliebenen Rechtsstaaten außerhalb der BRD befindet, was im übrigen die Verzögerung der vorliegenden Publikation erklärt, die aufgrund der aktuellen Situation ja erst möglich wurde, nachdem die Münze final dem HERRschaftsbereich beschlagnahmewütiger BRD-Büttel entzogen worden war.)

Das Stück befand sich in einem Lot zumeist schlecht erhaltener und total verkrusteter Athener Tetradrachmen. Das einzige, was von vorn herein deutlich zu erkennen war, war, daß es einen Prüfhieb auf dem Revers hatte - quer über die Eule hinweg.

Erst während der Reinigung (Entfernung der massiven Hornsilber-Verkrustungen) zeigte sich dann Interessantes: Die Münze hatte nicht nur einfach den "üblichen" Prüfhieb, sondern war aus zwei Teilen wieder zusammengesetzt worden - und zwar schon in der Antike!

Dann fiel auch auf, daß die Korrosion in dem Riß dunkelbraun war, während das (jetzt zumeist entfernte) Hornsilber wie üblich eine tiefschwarze Farbe hatte.

Zunächst wurde die Vermutung geäußert, daß einfach beim Anbringen des Prüfhiebes ein Unfall passiert und dabei die Münze zersprungen und deshalb die beiden Teile gleich wieder zusammengelötet worden waren.

Erst bei nochmaligem Hinsehen stellte sich noch Bemerkenswerteres heraus:

Der Hintergrund für die Reparaturmaßnahme war offenbar nicht etwa, daß beim Anbringen des Prüfhiebs was schief gegangen war - nein: Es sieht eindeutig so aus, als ob die Münze möglichst präzise halbiert werden sollte und dabei dann ein Malheur passiert ist.

Für die Halbierung hat der antike Handwerker zunächst über den Kopf der Athena hinweg eine schnurgerade Linie vorgezeichnet - auf dem Foto des Avers geht sie - deutlich sichtbar - genau von 7:30 Uhr bis 1:30 Uhr auf dem 12-Stunden-Zifferblatt (also exakt im Winkel von 45° von links unten nach rechts oben). Sie folgt dabei weitgehend dem Haaransatz der Athena und entspricht, wenn man das Stück in Händen hält, eindeutig abschätzbar dem Schwergewichts-Schnitt; d.h. würde man die Münze genau so teilen, kämen zwei wirklich fast exakt gleich schwere Hälften dabei heraus. 8)

Auch der "Prüfhieb" auf dem Revers liegt genau in derselben Grundachse - nur eben auf der anderen Seite der Münze. Auch hier erkennt man (allerdings wirklich nur ganz eindeutig, wenn man die Münze im Original in der Hand hält!), daß dafür eine explizite Vorzeichnungslinie existierte - etwa von 8:30 Uhr bis 2:30 Uhr auf dem Zifferblatt (entlang des heutigen oberen Randes des "Prüfhiebes" auf dem Flügel der Eule, weiter quer durch das "A"), wobei man bei genauem Hinsehen sogar erkennt, daß die Vorzeichnungslinie auch über den Rand des Schrötlings hinweg fortgesetzt worden war (dort wurde aber bewußt die vorhandene Korrosion noch nicht entfernt). Die Vorzeichnungslinie umlief also die ganze Münze...

Der Handwerker hat die Münze dann offenbar mit dem Avers nach unten auf eine scharfe Kante gelegt und dann mit einem Meißel zu zerteilen versucht.

Dabei ist der Bruch aber nicht entlang der Vorzeichnungslinie erfolgt, sondern "abgerutscht" - auf dem Avers deutlichst zu sehen: statt Richtung ca. 1:30 Uhr leicht gekrümmt in Richtung ca. 0:30 Uhr auf dem Zifferblatt; auf dem Revers (hier auf dem Scan leider nicht ganz so schön zu sehen): genau über dem "O" (Theta).

Jedenfalls war das, was dann herauskam, nicht die beabsichtigte möglichst genaue Halbierung der Münze, sondern etwa 40:60 Masseanteil. Das nützte nichts, und ergo hat der gute Mann die Münze sofort wieder zusammen gelötet (möglicherweise mit Bleilot). So ist sie dann als Tetradrachme erneut in den Umlauf gelangt und als solche bis auf den heutigen Tag auf uns gekommen. :)

(Auch heute noch werden ja gerissene Geldscheine gern mal von Privatleuten mit Tesafilm "repariert" und wieder in den Umlauf gegeben, um so den aufwendigen Umtausch bei der Bank zu vermeiden.)

Technische Daten: Größter Durchmesser: 23,5 mm; Gewicht 16,31 g (es ist also bei der Reparatur wohl schon etwas Material verloren gegangen)

Es ist ja die communis opinio, daß die Kaufkraft gerade des Silbers in der Antike unvergleichlich viel höher war als heute, und eine Tetradrachme in Klassischer Zeit mindestens(!) einem 200-€-Schein entsprach (eher mehr).

Für (Athener) Dekadrachmen ist es auch bekannt, daß diese oft und gern geteilt wurden, da deren Gegenwert für Alltagsgeschäfte einfach viel zu hoch war. (Mehr als vergleichbar 500,- € Kaufkraft hatte eine Dekadrachme auf jeden Fall!)

Soweit ich weiß (ich bin aber kein Experte für Griechen - deshalb stelle ich das ja auch hier im Forum zur Diskussion!), sind aber geteilte Athener Tetradrachmen nicht (oder zumindest wenig) bekannt. Was ich nur weiß: Es wurde zwar bis hinab zu ganz kleinen Nominalien ausgeprägt (Obolen-Teilstücke); alle anderen Nominale als Tetradrachmen sind aber heute relativ selten anzutreffen und dürften deshalb auch damals keine solche Massenware gewesen sein wie die Tetradrachmen.

Und wenn es gehäuft als Didrachmen-Ersatz geteilte Tetradrachmen gegeben hat, dann dürften die meisten davon schon in der Antike im "Hacksilber" gelandet und wieder eingeschmolzen worden sein.

Nur im Zusammenhang mit solchen "Basteleien" findet der geldgeschichtlich Interessierte demnach heute noch Belege für diese Vorgehensweise zur Erzeugung von "Klein- und Wechselgeld".

Wegen der o.g. rechtlichen Problematik liegt von dem Stück leider nur ein Scan vor und kein "ordentliches" Foto. Allerdings habe ich es selbst in den Händen gehalten und kann folgendes dazu sagen: Gerade das Fehlen der 3. Dimension auf dem Scan läßt den Bruch und die Vorzeichnungslinie letztlich BESSER zur Geltung kommen als es auf einem Foto möglich wäre. Letzteres würde nur zeigen, daß das Stück "in der Hand" längst nicht so eine "wüste Kraterlandschaft" ist wie es auf diesen Bildern hier leider den Anschein hat (speziell beim Revers), sondern es erhaltungsmäßig durchaus noch recht sammelwürdig ist.
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Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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Beitrag von quinctilius » Di 17.02.09 19:00

....also ich bezweifle, dass dies Stück jemals in Griechenland war. Solche Tetradrachmen wurden in der Antike massenhaft imitiert, insbesondere im vorderen Orient. Dort kommen auch die meisten Hortfunde und Hackstücke zu Tage. Handelt es sich möglicherweise um ein subaerates Stück ? Evtl. wurde der Betrug bei der Teilung entdeckt und durch das Löten wurde versucht, ihn wieder zu verdecken ?

Vgl. unten aus Lanz Auktion 135 eine frühe attische Tetradrachme um 500 v. Chr. Diese stammt eindeutig aus Athen. Aus der Katalogbeschreibung:

"Das Stück wurde in zwei ungleiche Teile zerhackt, ohne daß ein Bezug zu einem anderen Nominal, gleich welchen Münzfußes, erkennbar wäre. Derartiges "Hacksilber" (vgl. das halbe Oktodrachmon von Abdera o. Nr. 98.) ist vorwiegend in Hortfunden aus Ägypten und der Levante belegt, vgl. die jüngste Übersicht bei H. Gitler, A Hacksilber and Cut Athenian Tetradrachm Hoard from the Environs of Samaria, INR 1, 2006, 5-14"

Gruß
Quinctilius
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Chandragupta
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Beitrag von Chandragupta » Mi 18.02.09 10:03

quinctilius hat geschrieben:....also ich bezweifle, dass dies Stück jemals in Griechenland war. Solche Tetradrachmen wurden in der Antike massenhaft imitiert, insbesondere im vorderen Orient. Dort kommen auch die meisten Hortfunde und Hackstücke zu Tage. Handelt es sich möglicherweise um ein subaerates Stück ? Evtl. wurde der Betrug bei der Teilung entdeckt und durch das Löten wurde versucht, ihn wieder zu verdecken ?
Zu Deiner letzten Frage zuerst: Definitiv nein! Steht doch auch oben: Gewicht 16,31 g.

Der besagte FeF hat im übrigen eine zeitgenössische, wirklich stadt-athenische(!) subaerate Tetradrachme, die damit natürlich ganz genau datierbar ist auf 405/404 v.u.Z. Die wiegt ganze 8,x g - also auf jeden Fall unter 9 g.

Rein vom Stil her könntest Du bei dem von mir vorgestellten Stück recht haben: das KANN durchaus ein achämenidischer "Nachbau" sein. Ich habe bei Griechen nicht so das absolute Stilgefühl wie ich's bei antiken Indern etc. habe, und außerdem sind manche der zeitgenössischen Beischläge zu den Athener Eulen stilistisch wirklich sehr, sehr gut!

Denkbar wäre z.B., daß die Münze in 2 Schekel zerteilt werden sollte; z.B. in Judäa, um die Tempelsteuer zu zahlen - zugleich wurde damit das gläubigen Juden ja suspekte "heidnische Bildwerk" zerstört: zwei Fliegen mit einer Klappe... :)

Rein metrologisch käme das m.W. im 4. Jh. v.u.Z. durchaus hin: 1 Mine = 100 Drachmen = 60 Schekel. So 'ne halbierte Tetradrachme ist damit schon recht genau 1 Schekel Silber.
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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