Selbstzerstörung eines Denares

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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drakenumi1
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Selbstzerstörung eines Denares

Beitrag von drakenumi1 » So 03.12.06 17:32

Hallo, wohlgeneigte Sammlerschaft,
diesen Denar "Hosidius C.f. Geta" wollte ich Euch interessehalber nicht vorenthalten. Ich erwarb ihn vor einigen Jahren bei einer Auktion in der schönen Kurpfalz, in einem Sammellos, quasi als Beigabe, denn so besonders überzeugend schön war er und ist er auch heute nicht. -
Richtig! Zwischen damals und heute gibt es einen Unterschied, denn das gute Stück ist innerlich in Bewegung geraten. Und das sieht man daran, daß die Risse, welche ihn kreuz und quer durchziehen, und die damals schon vorhanden waren, mehr und breiter geworden sind. Mittlerweile mußte ich sogar schon Sekundenkleber einsetzen, um ihn einigermaßen in Form zu halten. Der ernste Hintergrund der Sache: Es gibt tatsächlich Materialwanderungen in Silbermünzen, Entmischungen von Legierungen, die nur über Jahrhunderte hin ihre langsame Arbeit verrichten und dann eines Tages, wenn die inneren Spannungen groß genug geworden sind, sich in Rissen offenbaren. Oder irre ich mich hier? Ich bin vor Zeiten schon einmal stutzig geworden, als ich einen stark abgenagten und beriebenen Gordian-Antoninian erhielt, aus dem das Kupfer hervorsah. Das konnte ich nicht begreifen, denn nach Fütterung sah er wiederum nicht aus, in seinem ganzen abgegriffenen Elend. Wieso dann 2 Materialschichten an der Oberfläche? Möglicherweise auch hier eine Separierung der Elemente in Nähe der Oberfläche?
Das sind hier 2 verschiedene Erscheinungen, die man möglicherweise unter einem gemeinsamen Thema "Material- und Gefügeveränderungen" abhandeln kann.
Wäre interessant, wenn Ihr eigene Erfahrungen habt und davon berichten könnt.
Gruß von drakenumi1
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beachcomber
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Beitrag von beachcomber » So 03.12.06 18:47

hallo drakenumi,
sowas wie bei deinem republikdenar habe ich noch nicht beobachten können.
allerdings weiss ich aus eigener,leidvoller erfahrung, dass manche antike denare in ihrer innneren struktur schon so 'kristallisiert' sind, dass eine kleine unachtsamkeit genügt, und sie zerbrechen in mehrere teile.
wenn man diese zweifelhafte vergnügen hatte, kann man an den bruchstellen sehr grobe silberstrukturen erkennen, die wie gelblich-weissliche kristalle aussehen.
was nun die roten flecken an der oberfläche späterer denare und antoninane angeht, so kommt das ziemlich häufig vor, und liegt wohl wirklich an der entmischung dieser legierungen, die schon einen hohen kupferanteil hatten. man kann sogar mechanisch das kupfer entfernen, und darunter erscheint dann wieder silber.
warum das allerdings passiert kann ich dir auch nicht erklären, da müsste schon ein chemiker ran!
grüsse
frank

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Beitrag von spätrömer » So 03.12.06 18:55

Hallo drakenumi1,

eine Lösung Deines Problems kann ich nicht anbieten, aber als Chemiker kann ich wenigstens versuchen, ein paar Ideen dazu vorzutragen. Alles unter der Voraussetzung, daß die Risse in der Münze mehr als nur oberflächlich sind. Ich bitte um Nachsicht, wenn es sich nur um Überlegungen handelt, die auch unzutreffend sein können.

1) Silber kristallisiert im Laufe der Jahrhunderte. Aus dem amorphen, recht homogenen Material entstehen Mikrokristalle mit den entsprechenden Phasengrenzen, sozusagen von Kristall zu Kristall. An diesen Phasengrenzen ist das Material mechanisch geschwächt, es versprödet und die Münze kann dort leichter brechen. Dieser bekannte Vorgang sollt mit deinem Problem eher weniger zu tun haben, obwohl beim Vorliegen von Schwachstellen wie bei Deiner Münze die Bruchgefahr noch weiter steigt.

2) Wenn die Münze gefüttert ist, korrodiert der Kupferkern oberflächlich wegen des Eindringens der Luft durch die Risse unter Bildung von verschiedenen Kupferverbindungen (Cu-I-Oxid, Cu-II-Oxid, Kupfercarbonat, Kupferhydroxid, Kupfersulfid usw.). Dadurch dehnt sch der Kern etwas aus, da diese Verbindungen "mehr Platz brauchen" als die metallische Oberfläche. Auch ist die Haftung einer Silberschicht auf diesen Verbindungen beeinträchtigt. Eigentlich sieht Deine Münze aber nicht aus, als hätte sie einen Kupferkern.

3) Wenn durch die Risse Luftbestandteile in die rauhen Strukturen eindringen, könnte es sein, daß die im Inneren gebildeten oxidischen und sulfidischen Beläge zur Ausdehnung und damit zum weiteren Aufgehen der Risse führen. Verblüffend wäre dann aber, daß die sonstige Oberfläche unverändert bleibt. Allerdings: Auf rauhen, gebrochenen Flächen wie bei den Rissen findet die chemische Reaktion mit Luftbestandteilen leichter statt.

4) Eine Separierung der Elemente im Laufe der Jahrhunderte ist eher unwahrscheinlich. Wenn, dann fände solch eine Separierung in heißen, nahezu geschmolzenen Metallen statt - darüber weiß ich zu wenig. Der "Silbersud" auf Antoninianen wurde aber meines Wissens chemisch mit gelösten Silberverbindungen erzeugt, wobei die Rezepturen wohl umstritten sind. Das paßt durchaus zu Deinen Beobachtungen an der Gordian-Münze.

Vielleicht gibt es jemanden mit fundierterem Römer-, Münz- und Münzmetall-Wissen, der diese Vermutungen besser mit Deinen Beobachtungen verbinden kann. Ich bin gespannt!

Viele Grüße von spätrömer
Dum vitant stulti vitia, in contraria currunt (Fehler vermeidet der Tor und rennt in entgegengesetzte; Sallust)

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drakenumi1
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Selbstzerstörung eines Denares

Beitrag von drakenumi1 » So 03.12.06 22:28

Hallo, beachcomber, spätrömer,
ich will mal Eure beiden ausführlichen Antworten schrittweise in mein Verständnis übertragen:
Also die Risse gehen bis in die Tiefe, wenn nicht sogar duch die Münze hindurch. Sehr instruktiv ist für mich die Auffassung mit der langfristigen Kristallbildung. Wie das passiert, soll mich nicht interessieren. Aber was im Inneren der Münze passiert, das passiert wohl auch in der äußeren Hülle. Daß an den Kristallgrenzen der Eintritt fremder Verbindungen ermöglicht oder erleichtert wird, scheint auch verständlich. Also ist der Weg für die Rissbildung geebnet. Die zunehmende Vergröberung der Kristalle (denn diese wachsen ja auch im Laufe der Zeit) tut sein Übriges. Daß die ins Innere vordringenden Verbindungen neue Verbindungen mit den Münzmetallen eingehen, die wiederum ein größeres Volumen einnehmen, wird wohl die instruktivste Erklärung dafür sein, daß in diesem Denar noch immer Bewegung herrscht.
Das gelblich-weißliche Aussehen der Bruchfläche kann ich bestätigen, jedenfalls sieht es nicht nach reinen Metallkristallen aus. Wer weiß, ob nicht vor geraumer Zeit sogar in Beize gebadet wurde!
Wenn Ihr mir bestätigt, bis hierher richtig Eure Auffassung wiedergegeben zu haben, ist dieser Punkt abgehakt. Nicht ohne großen Dank für Eure Mühe!

Was den Gordian betrifft: Ich meine nicht diese brockenhaften dicken kleinen matt-kupferfarbenen Kleckse, die sehr häufig angetroffen werden, auch auf Denaren guter Silberqualität, diese lassen sich mit einem stumpfen Messer sehr gut entfernen, indem man die Schneide mittig auf so einem Klecks aufsetzt und ordentlich zudrückt. Mit einem kleinen "Klick" zerspringen sie in Stücke und haben sich fast rückstandslos vom Münzmetall gelöst. Das sind m.M. nach Zerfallsprodukte von Kupfermünzen, die im Hort in Nachbarschaft zu Silbermünzen lagen und bei der Generalreinigung nach dem Fund nicht entfernt werden konnten (besonders in den Tiefen der Schriftzüge, Haare, Gewandfalten....).
Nein, ich meine Antoniniane aus "gutem Silber", wie sie unter Gordian bis geringfügig noch unter Gallienus noch geprägt wurden, durch und durch aus Silberlegierung. Nicht die Ant'ne mit mikrometerstarker Silbersudschicht der anschließenden Zeit. Sollte es bei solchen Münzen (Gordian u. weitere) wirklich Materialwanderungen geben, die einer Separierung gleichkommen, so daß plötzlich metallisches Kupfer an der Oberfläche liegt, was noch dazu mechanisch leicht entfernbar ist, worauf dann wieder der Silberkern an der Oberfläche liegt? Separierung nur an der Oberfläche? Hier bin ich spätestens verwirrt und weitere Hilfe tut Not.
Aber trotz des interessanten Sachverhaltes ist das ja alles nicht so wichtig, weil es (und das ist wohl auch eine Erkenntnis) nicht von uns beeinflussbar ist.
Jedenfalls bis hierher erstmal Euch beiden großen Dank!!!
Beste Grüße von
drakenumi1

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