Leo I., barbarische Nachahmung?

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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Leo I., barbarische Nachahmung?

Beitrag von Peter43 » Di 22.02.05 20:58

Hallo!

Hier möchte ich eine Münze vorstellen, die mir seit langem Probleme macht. Ich habe sie erworben als eine 'unattributed barbaric' (Burgunders?). Sie imitiert RIC X, Constantinopolis 605, vgl. MEC 335/345. Diese Quelle steht mir allerdings nicht zur Verfügung. Die Buchstaben sehen wirklich so aus, als sei der Celator Analphabet. Das E von Leo habe ich in dieser Form noch nirgendwo gesehen. Es ist ein Epsilon, während sonst das E immer eckig ist.

Was mich etwas stört, ist, daß die Rückseite nicht dem etwas verworrenen Stil der Vorderseite entspricht, sondern das schöne Bild eines erfahrenen Celators zeigt.

Deshalb wende ich mich jetzt an euch und hoffe um weitere, erhellende Informationen. Diese Münze ist im Prinzip nicht selten und auch relativ billig, zumindestens für einen Solidus. Sollte es jedoch eine 'barbarische Imitation' sein, dann wäre sie einmalig und erheblich mehr wert!

Mit freundlichen Grüßen
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leoI_605(2).jpg
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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Di 22.02.05 21:03

Zum Vergleich hier eine offizielle Münze RIC X, 605. Sie ist schlechter erhalten und zeigt deutliche Abnutzungserscheinungen, aber das typisch eckige E von LEO ist gut zu erkennen.

Mit freundlichem Gruß
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leoI_605(1).jpg
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B.A.
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Beitrag von B.A. » Mi 23.02.05 20:26

Moin Moin,

ein wirklich schönes Stück, auf Anhieb würde ich auf jeden Fall sagen, dass die beiden Stempel von 2 verschiedenen Personen "geschnitzt" wurden.
Da sich die Stempel unterschiedlich schnell abnutzten, vermute ich für meinen Teil, die Vorderseite hat ein "Lehrling" gemacht und die Rückseite der "Meister" :wink:
Ist für mich eine logische Erklärung. Bin gespannt auf andere Meinungen.

Mfg
SCheibe
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Gast
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Beitrag von Gast » Mo 28.02.05 16:08

Hallo peter43 -

Deine Münze zeigt den gutane alten LEO I nicht in der "üblichen" 3/4-Ansicht, sondern in dem wohl für die Offizin Epsilon typischen "fast frontal"-Portrait mit dem ebenso charakteristischen "mürrische" Gesichtsausdruck.

In der Dumbarton Oaks Sammlung gibt es ein entsprechendes Exemplar, welches dem Avers wie ein Ei dem anderen gleicht (u.a. auch in der Form und der Stellung der Buchstaben) - Allerdings aus Epsilon und nicht, wie bei Deinem Stück aus Offizin Delta :!: (DOC of Late Roman Coins, no. 524).

Das Revers entspricht sehr genau der ebenso dort dargestellten Delta-Prägung No. 522 :!: (typisch, das etwas schrägstehende Offizinkennzeichen).

Wenn das Teil echt ist, dann hast Du da ein ganz interessantes und seltenes Münzlein. Ich gleube nicht, daß es sich um einen Barbaren handelt.

petzlaff
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leoav.jpg

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Beitrag von Peter43 » Mo 28.02.05 19:38

@Bastard-Ratte:

Vielen Dank für Deine Meinung, mit der Du nicht allein stehst, wie ich gleich zeigen werde!

@petzlaff:

Und Dir vielen Dank für die profunde Information, die ich nicht kannte, und die mir viel hilft.

Ich hatte ein Bild dieser Münze vor einem Jahr zu Prof.Hahn vom Numismatischen Institut der Universität Wien geschickt. Wien gilt mit seiner riesigen Sammlung von Belegexemplaren als unübertroffen. Dies war die Antwort:

Im Auftrag von Prof.Hahn darf ich Ihnen mitteilen, daß wir diese Münze...nicht für eine offizielle Prägung halten. Der Ursprung dürfte wohl im 'burgundisch-germanischen' Raum zu sehen sein. Mit freundlichen Grüßen Dr.Michael Metlich

Nach eigenen Recherchen wurde ich allerdings unsicher und wandte mich
zusätzlich an Glenn W. Woods, der auch ein Spezialist für spätrömische und byzantinische Prägungen ist. Er antwortete:

I understand your concerns with the normal attribution of Constantinople
for this coin, as I have seen similar pieces myself. However, the piece is
definitely not Burgundian and also not imitative. The only thing other
than a Constantinople product is an Ostrogothic piece struck in
Rome. Lacam does classify some similar pieces to the Ostrogoths, but
nothing without a true difference from the imperial product.
The differences that I see:
Obverse facial profile is childish
Letter formation on the obverse is crude, especially the P's and R's
On the reverse, the feathers of the Angel are most fine and horizontal
Given these differences, I would suggest that the coin is an Imperial mint
product, struck in Constantinople, but the obverse is produced by a very
inexperienced die cutter. I have several similar pieces in my collection
that I have attributed similarily.
Best Regards,
Glenn W Woods, Numismatist


Diese Antwort fand ich begründet und überzeugend. Sie entspricht übrigens genau dem, was Bastard-Ratte gesagt hatte!
Diese Antwort schickte ich nach Wien, aber die Wiener schienen etwas böse darüber zu sein. Anstatt wie ich es erwartet hatte, ebenfalls ihre Meinung zu begründen, wiederholten Sie nur ihre bereits bekannte Meinung:

Im Auftrag von Prof. Hahn darf ich Ihnen mitteilen, daß wir diese Münze...nicht für eine offizielle Prägung halten. Der Ursprung dürfte wohl im "germanisch-burgundischen" Raum zu sehen sein. Glenn Woods, ich kenne ihn, teilt in diesem Fall leider nicht unsere Meinung.
Mit freundlichen Grüßen,
Michael Metlich


So, das war jetzt eine Schilderung der Vorgänge in Zusammenhang mit dieser Leo I. Münze. Vielleicht haben auch andere noch ein Interesse daran; deshalb war ich etwás ausführlicher.
Natürlich komme ich jetzt immer mehr zu der Überzeugung, daß es sich doch um eine offizielle Prägung handelt.

Mit freundlichen Grüßen
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Beitrag von B.A. » Di 01.03.05 15:12

Hier auch noch ein Beispiel dazu, meine neuste Errungenschaft :D

[ externes Bild ]

Seitdem Peter43 dieses Thema eröffnet hat, bekomme ich es nicht mehr aus dem Kopf und habe angefangen AV und RV meiner "Schätzte" zu vergleichen, vom Stil her scheint es doch nicht so viele STücke zu geben, deren Stempel von ein und dem selben "Schnitzer" hergestellt wurden. Dies ist aber nur meine erste Meinung. Ich werde mich wohl dank Peter43 noch länger damit beschäftigen :wink:

Mfg
SCheibe
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