Kleinsilber zum Kroisbacher Lockenkopf

Keltische Münzen

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harald
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Kleinsilber zum Kroisbacher Lockenkopf

Beitrag von harald » So 21.12.08 09:52

An diesem Beispiel ist gut erkennbar, wie wenig wir noch über die keltischen Prägungen und deren Zuordnung wissen.

In meiner Publikation über das Roseldorfer Kleinsilber hielt ich diese äußerst seltene Münze noch für eine Variante des Typs Apollokopf-Leierblume.
Die Aversdarstellung hielt ich für einen barbarisierten Athenakopf mit Helm, wie er von den boischen Goldmünzen bekannt ist.

Der Schatzfund einer unbestimmten Anzahl von Tetradrachmen einer neuen Variante des Kroisbacher Typs, von mir Typus Lockenkopf genannt, brachte mich auf die Idee, mich mit dieser Kleinsilbermünze nochmal auseinanderzusetzen.

Der Vergleich der Averse des Großsilbers und dieser Münze bestätigte meine Vermutung, dass es sich dabei nicht um einen Athenakopf handelt, sondern um eine vereinfachte Darstellung des Typs Lockenkopf.
Eine weitere Variante des Kleinsilbers vom Typ Lockenkopf mit dem von anderen Kroisbacher Obolen bekanntem Pegasusrevers wurde bereits hier vorgestellt.
http://www.numismatikforum.de/ftopic26978.html

Das besondere an meiner Münze ist die Verwendung eines Reversstempels aus der Umgebung von Bratislava, einem Gebiet im Grenzbereich zwischen Ostkelten und Boiern.
Das Zentrum der Kroisbacher wird dagegen in der Nähe von Sopron vermutet, worauf auch die 3Schatzfunde hinweisen.

Der Revers stammt vom Typ Apollokopf- Leierblume.
Schon Göbl erkannte die Zusammenhänge zwischen diesem Typ und dem Kroisbacher und bezog sich dabei auf die Aversdarstellungen.
Im OTA findet man unter der Nr 464 eine Variante des Kroisbacher Großsilbers, welche als Beizeichen auf dem Revers hinter dem Reiter ein leierförmiges Symbol zeigt, wie es auch beim Typ Leier- Stern zu finden ist.

Kleinsilber
Hybridprägung Kroisbacher Lockenkopf- Apollokopf/Leierblume

Av: Kopf links mit einer Art"Schirmkappe". Die Haare sind durch s-förmige Locken dargestellt

Rv: Trabendes Pferd links, darüber Triskeles, darunter Leierblume.

Gew: 0,99g
D:11mm
Typ 3b (RÖ 28, 2005)

Gruß
Harald
Zuletzt geändert von harald am Fr 24.04.09 14:44, insgesamt 1-mal geändert.

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biatec
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Beitrag von biatec » So 21.12.08 10:32

Guter Ansatz,

wenn Du Dir die beiden Tetradrachmen Rs ansiehst, bemerkt man die Ähnlichkeit der Bildinhalte

Beide Münzen zeigen die "Fussfessel" und statt des Reiters beim Kroisbacher könnte die Leierblume geschnitten worden sein.

Auch der Kopf könnte ein fortgeschrittener Umschnitt sein.

Der Kopf des Kleinslbers ist für mich dennoch ein wenig typologisch vermischt.

Der Schirm ist ein gutes Indiz, das Hinterhaupt scheint mir aber von den Goldprägungen beinflusst zu sein.

Beim Betrachten der Münzen liegt tatsächlich der Verdacht nahe, dass sich der Apollo-Leier Typ aus dem Kroisbacher entwickelt haben könnte

Man sieht, wir sind gerade bei den keltischen Münzen erst am Anfang des Wissens

LG

biatec

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harald
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Beitrag von harald » So 21.12.08 11:33

Servus Keltenfürst!

Deine Überlegungen, der Typ Apollokopf/Leierblume könte aus der Kroisbachervariante entstanden sein, hat einiges für sich.
Dagegen spricht jedoch, dass ich in meiner noch im Entstehen begriffenen Arbeit über die Kroisbacher den Nachweis erbringen kann woher dieser Avers stammt.
Ich glaube ich habe Dir bereits meine Notizen dazu gezeigt und möchte einer bevorstehenden Publikation nicht vorgreifen.

Die Parallelen der Aversdarstellungen, vor allem hinsichtlich der wellenförmigen Haare betrachte ich eher für eine Modeerscheinung.
Weitere Beispiele von unbärtigen Köpfen mit ähnlicher Frisur findest Du im OTA unter den Nrn. 388/2 und 393.

Ein zusätzliches Problem besteht bei der Datierung.
Der Typ Apollokopf Leierblume wird nach einem Grabfund von Paralikovo in die Mittel- Latenezeit, dem Ende des 3.Jh.v.Chr. datiert (Polenz 1982)
Der Kroisbacher wird in der neuesten Literatur jedoch in das 2.Jh.v.Chr. datiert (Ziegaus NZ 116/117, 12. 2008, S 58-59).

Übrigens vermutet Ziegaus beim Avers mit der "Boxernase"ein Portrait eines Fürsten und bei dem Gegenstand unter dem Pferd eine Schwertkette zu erkennen, wie sie aus Kriegergräbern bekannt ist.
Also ein Rangabzeichen, welches zum Ausdruck bringen soll, dass es sich um einen Angehörigen der kämpfenden Oberschicht handeln könnte.

Eine Möglichkeit wäre, dass der neue Kroisbacher vor den anderen Varianten ausgeprägt wurde.
Jedoch können zwischen der Ausprägung des neuen Typs und den anderen Varianten kaum Jahrzehnte liegen, in denen derselbe Reversstempel verwendet wurde.

Wie gesagt sehr viele noch offene Fragen.

Viele Grüße

Harald
Zuletzt geändert von harald am Fr 26.12.08 18:08, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von pingo » Mi 24.12.08 22:41

Hallo Harald,

bin schon ganz neugierig auf deine Arbeit. Wann und wo wird sie erscheinen? Wird wahrscheinlich Pflichtlektüre werden.

Kannst Du bitte ganz kurz erläutern, welche Fakten Ziegaus für eine Datierung des Kroisbacher in das 2.Jh.v.Chr. anführt?
Wie weit in das 3.Jh. kann man ihn datieren, ohne gesicherten Fakten zu widersprechen?

LG Pingo

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harald
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Beitrag von harald » Fr 26.12.08 18:30

Hallo pingo!

Mein Aufsatz über die Kroisbacher ist noch am entstehen und wird voraussichtlich erst Ende 2009 über die österreichische numismatische Gesellschaft publiziert.

Im Moment versuche ich noch meine Arbeit über das Kleinsilber des Typs RoseldorfIII endlich fertig zu bekommen.

Zur Datierung des Kroisbachers durch Ziegaus in der numismatischen Zeitschrift vom 12. 2008:

"Die Datierung des Typs ist noch weitgehend unklar, aufgrund der Bildähnlichkeiten mit dem Typ Apollokopf/Leierblume, den man als Beigabe in einem in die Mittellatenezeit datierten Grab von Palarikovo fand, ist eine Zuordnung in das 2.Jh.v.Chr. durchaus denkbar.
Über die Prägeherren (Boier, Taurisker?) und die Prägestätte (Sopron- Varhegy- Burgstall gibt es bis heute keine gesicherten Anhaltspunkte."

In meinem in den MÖNG 48 publiziertem Aufsatz lege ich für die Datierung eine Zeitspanne von 220- 170 v.Chr für eine Variante des Kroisbacher Kleinsilbers fest, da das Aversvorbild von einer römisch- kampanischen Didrachme beeinflußt ist, welche zwischen 265 und 242v.Chr. geprägt wurde.
http://www.numismatikforum.de/ftopic26455.html#206258

Ich gehe davon aus, dass die Ausprägung der frühen Kroisbacher auf Grund von Stempelverbindungen beim Groß- und Kleinsilber schon um 200v.Chr. oder sogar noch früher begonnen wurde.
Auf Details möchte ich jedoch erst in meiner Publikation genauer eingehen.

Viele Grüße
Harald

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