Kroisbacher

Keltische Münzen

Moderator: Numis-Student

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Tejas552
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Kroisbacher

Beitrag von Tejas552 » Mi 28.10.15 20:36

Ich habe eine Frage zu den ostkeltischen Münzen vom Typ Kroisbacher. Ich habe kürzlich zwei dieser Münzen erworben ohne eigentlich etwas davon zu verstehen. Mein Hauptsammelgebiet sind die Münzen der Völkerwanderungszeit. Allerdings waren die Kroisbacher so schön und ausdrucksstark, dass ich nicht widerstehen konnte:

http://www.sixbid.com/browse.html?aucti ... ot=1880175
http://www.sixbid.com/browse.html?aucti ... ot=1890856

Ich kann mich nicht erinnern, diese Münzen in Auktionen vor, sagen wir 10 oder 15 Jahren gesehen zu haben. Sind dies Neufunde, die durch die erst mit dem Fall des eisernen Vorhangs zu uns kommen?

Lassen sich diese Münzen einem keltischen Stamm zu ordnen? Der Name Kroisbacher ist irgendwie unbefriedigend.

Vielen Dank
Dirk

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mogusch
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Re: Kroisbacher

Beitrag von mogusch » Mi 28.10.15 21:36

Alles was ich dazu sagen kann ist, daß Kroisbach das heutige Fertőrákos (Neusiedler See) in Ungarn ist. Auch hier waren die Kelten beheimatet.

Wikipedia mein dazu:
In den letzten vorchristlichen Jahrhunderten war das Gebiet der Siedlungsraum der Illyrer, die von den Römern Pannonier genannt wurden und namensgebend für die Provinz wurden. Die Illyrer standen zeitgenössischen Schriften zufolge in keinem großen Ansehen bei den Römern, sie wurden als Räuber und Diebe beschrieben. Um die Zeitenwende besiedelten die Illyrer fast ausnahmslos und homogen den Süden Pannoniens. Lediglich der Stamm der Azali war offensichtlich nach Norden ausgewandert und hatte das Gebiet zwischen der Raab (Arrabo) und den westlichen Ausläufern des Pilisgebirges südlich des Donauufers übernommen. Ansonsten waren im Nordteil der Provinz um diese Zeit fast ausnahmslos keltische Völker beheimatet. Als deren größte Volksgruppe standen im Nordwesten des Landes die Boier rund um den Neusiedler See, südlich folgten die Wohnsitze der Arabiates[/b],[1] denen wiederum südlicher die Taurisci folgten, deren Südgrenze an das Territorium der Serretes und damit an das der illyrischen Stämme anschloss. ....
mfg
mogusch

docisam
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Re: Kroisbacher

Beitrag von docisam » Do 29.10.15 00:53

Guten Abend,

im Buch: Bernward Ziegaus, Kelten-Geld. Münzen der Kelten und angrenzender nichtgriechischer Völkerschaften. Sammlung Flesche (München 2010) S. 198-202, Nr. 524-534 ordnet der Autor die diversen 'Kroisbacher Münzen' keinem bestimmten Stamm zu.

Viele Grüße,
Docisam

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Re: Kroisbacher

Beitrag von Tejas552 » Do 29.10.15 08:33

Hallo Mogusch und Docisam,

vielen Dank für die Informationen. Ich habe mir zugegebener Massen noch nicht die entsprechende Literatur besorgt.
Ist etwas über den Zweck dieser Münzprägung bekannt? Falls Silber in dem Gebiet um den Neusiedler See nicht in grossen Mengen vorkommt, sollten diese Münzen, mit ihrem hohen Gewicht und guten Silbergehalt, einen hohen Tauschwert besessen haben. Sie hätten sich für den Fernhandel in Luxusgüter oder für die Bezahlung von fremden Söldnern geeignet. Die hohe künstlerische Qualität deutet auf einen zentralen Ausmünzungsort hin. So weit ich weiss, war aber das Umlaufgebiet ehr klein. Dies spricht für eine andere Variante: Möglicherweise wurden die Münzen von einem (oder mehreren) Fürsten in Auftrag gegeben, der sie wiederum als "Geschenke" an seine Gefolgschaft verteilte. Dies war vielfach die Motivation für "barbarische" Münzprägungen in der Völkerwanderungszeit. Dagegen spricht wiederum dass es offenbar Teilstücke zu den Tetradrachmen gibt, die sich für den Kleinhandel eigneten.
In jedem Fall eine sehr interessante Münzserie. Die Preise scheinen in den letzten Jahren stark gefallen zu sein. Es sieht so aus, als ob immer noch Funde dieser Münzen in den Westen gelangen.

Gruss
Dirk

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Re: Kroisbacher

Beitrag von harald » Do 29.10.15 09:26

Hallo Dirk!

Gratulation zu den beiden Top- Stücken.
Beide hast du wirklich günstig erworben.

Der Typ Kroisbacher- Lockenkopf war bis etwa 2005 unbekannt und wird mit einem Schatzfund im burgenländisch- ungarischem Grenzgebiet in Verbindung gebracht.
Nach meiner Information wurden in der ersten Hälfte der Zweitausender Jahre sogar mehrere Schatzfunde geborgen, eine Erklärung für das gehäufte Auftreten vieler unterschiedlicher Kroisbachervarianten im Handel.
Es wurde auch erstmals Kleinsilber dieses Typs in unterschiedlichen Varianten geborgen.

Nochmals zum so genannten Kroisbacher Lockenkopf:
Dieser Typ wurde noch nie als Einzelfund geborgen.
Der Zweck seiner Ausprägung und darauf folgenden Verbergung ist nicht bekannt.

Ein guter Bekannter von mir erstellte vor Kurzem eine Diplomarbeit über dieses Thema.
http://othes.univie.ac.at/34262/1/2014- ... 704278.pdf

Grüße
Harald

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Re: Kroisbacher

Beitrag von mogusch » Do 29.10.15 10:36

Silberbergwerke oder ähnliches sind mir für diese Gegend nicht bekannt. Befasse mich auch nicht mit dieser Materie. Aber es gibt dort bei Kroisbach eine Grotte in der der Mithras-Kult ausgeübt wurde. Kann mir gut vorstellen das dort vorher keltische Kulte ausgeübt wurden & es vielleicht dadurch auch zum vergraben/opfern dieser Münzanhäufungen/Schätze kam.
mfg
mogusch

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Re: Kroisbacher

Beitrag von Tejas552 » Do 29.10.15 10:59

Hallo Harald und Mogusch,

vielen Dank für die detaillierten Informationen und den Link zur Diplomarbeit. Ich habe auf Academia.edu nach Studien zum Kroisbacher gesucht, bin aber nicht fündig geworden. Wie gesagt beschäftige ich mich schon seit vielen Jahren mit den Münzen der Völkerwanderung. Dabei handelt es sich meistens um "barbarisierte" Nachprägungen römischer Münzen. Die Münzen der Ostkelten sind ebenfalls imitativ, aber sie sind künstlerisch so anspruchsvoll und in der Ausführung zu qualitätsvoll, dass ich es kaum fassen kann, dass diese Menschen rund 700 Jahre vor den Franken, Goten und Wandalen so hervorragende Münzen produzieren konnten.

Der Typ Lockenkopf scheint mir eine kurze (und vermutlich nicht sehr grosse) Emission zu sein, die mit nur wenigen (oder einem paar) Stempeln geprägt wurde. Ich denke es muss einen konkreten Anlass für die Emission gegeben haben - möglicherweise ein Krieg der die Bezahlung von Söldnern und/oder die Belohnung von Gefolgsleuten erforderlich machte. Die Verbergung der Münzen könnte ebenfalls mit Kriegshandlungen zu tun haben oder - wie Mogusch schreibt - es könnte ein Zusammenhang mit religiösen Kulten bestehen. In dem Fall könnte es sich um Opferhorde handeln.

Die Münzen zeigen meist wenig Abnutzungsspuren. Sie haben offenbar nicht sehr oft den Besitzer gewechselt. Vielleicht wurden sie sogar nur für Opferhandlungen geprägt. Dies ist natürlich reine Spekulation. Bei den Münzen der Völkerwandrungszeit gibt es Münzen die nur für Begrägnisse hergestellt wurden.

Nochmals vielen Dank Harald und Mogusch
Gruss
Dirk


PS Ich habe die beiden Münzen auch hier bei der Arbeit auf dem Schreibtisch liegen um sie jederzeit bewundern zu können. Zwar können die Designs auf griechische Münzen zurück geführt werden. Der Stil ist aber so kraftvoll und eigenständig, dass man kaum von imitativen Münzen sprechen kann.

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Re: Kroisbacher

Beitrag von harald » Do 29.10.15 11:02

Die meisten Mithreen in Österreich und Ungarn stammen aus der mittleren römischen Kaiserzeit.
Mir ist jedochkeines bekannt, dass schon Jahrhunderte davor von den Kelten benützt worden wäre.

Die erwähnten Schatzfunde wurden angeblich auch weit davon entfernt geborgen.

Grüße
Harald

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Re: Kroisbacher

Beitrag von mogusch » Do 29.10.15 11:20

@harald, meine Theorie geht in soweit, daß die Kelten die Grotte nicht als Mithrakultort benutzt haben, sondern für ihre eigenen Götterverehrung.
Und da das Christentum ziemlich oft seine Kultstätten (Kapellen, Kirchen, etc, ...) auf ehemaligem "heidnischen" Grund errichtet hat, wäre es für mich denkbar das es die alten Römer auch schon so gemacht haben.
mfg
mogusch

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Re: Kroisbacher

Beitrag von harald » Do 29.10.15 11:24

Hallo Dirk!

Bisher ist man in der keltischen Numismatik davon ausgegangen, dass Münzen, welche zur Bezahlung von Söldnern dienten in einem relativ kurzem Zeitraum benötigt wurden.
Ein Beispiel sind die Norischen tetradrachmen des COPO- Typs, welche sich nicht unbedingt durch einen herausragenden Stempelschnitt auszeichnen und auch auf schlampig gegossenen Schrötlingen, oftmals mit Gußblasen, ausgebracht wurden.

Bei den Kroisbachern ist genau das Gegenteil der Fall.
Nur ganz wenige sehr frühe ostkeltische, tauriskische und norische Prägungen sind in puncto Qualität des Stempelschnitts und der Prägung gleichwertig.
Bei den Norikern ist das der Kugelreiter, dem Taurisker der Warasdin und FES- Typ.
Deine Bewunderung für diese Kunstwerke kann ich deshalb sehr gut nachvollziehen.

Zur Preisentwicklung:
Der Kroisbacher mit Reiterstumpf war in den letzten Jahrzehnten des 20. Jh. gelegentlich im Handel (ca 10-20 Ex.) und kostete je nach Erhaltung umgerechnet 500- 800 Euro.
Nach den Schatzfunden gelangte eine dreistellige Anzahl in den Handel und die Preise sind nicht erwartungsgemäß gefallen, sondern wohl auf Grund der großen Nachfrage zum Teil sogar drastisch gestigen.

Grüße
Harald

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Re: Kroisbacher

Beitrag von harald » Do 29.10.15 11:31

mogusch hat geschrieben:@harald, meine Theorie geht in soweit, daß die Kelten die Grotte nicht als Mithrakultort benutzt haben, sondern für ihre eigenen Götterverehrung.
Und da das Christentum ziemlich oft seine Kultstätten (Kapellen, Kirchen, etc, ...) auf ehemaligem "heidnischen" Grund errichtet hat, wäre es für mich denkbar das es die alten Römer auch schon so gemacht haben.
Das habe ich schon richtig verstanden, ist aber meiner Meinung nach völlig auszuschließen, da es bei uns keinen archäologischen Nachweis für keltische Kultplätze in Höhlen oder Grotten gibt.
Wie schon erwähnt, ist mir jedoch aus Österreich und Ungarn keineinziges Beispiel einer Weiterverwendung in der römischen Kaiserzeit bekannt.

Grüße
Harald

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Re: Kroisbacher

Beitrag von Tejas552 » Do 29.10.15 12:04

Die Diplomarbeit ist wirklich sehr gut. Nochmals vielen Dank dafür Harald!

Gruss
Dirk

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Re: Kroisbacher

Beitrag von harald » Do 29.10.15 13:02

Das Lob werde ich gerne an den Verfasser weiter geben.

Grüße
Harald

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