Sehr große und schwere Münze - was ist das ?

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Marius
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Sehr große und schwere Münze - was ist das ?

Beitrag von Marius » Fr 26.10.07 23:09

Hallo,
habe hier eine schwere (44,9g) und große (56mm Durchmesser) Bronzemünze mit chinesisch aussehenden Schriftzeichen.
Ich würde mich freuen, wenn mir jemand Hinweise zur Bestimmung der Münze geben könnte.
Gruß
Marius

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chinamul
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Beitrag von chinamul » Sa 27.10.07 17:26

Hallo Marius!

Leider hatte ich gestern keine Zeit, aber hier ist heute Dein Stück:
Es ist ein Amulett. Ob es allerdings ein altes Original ist, läßt sich anhand eines Fotos nicht beurteilen. Auf jeden Fall ist es ein in der Literatur mehrfach beschriebenes Exemplar. Das entsprechende Stück aus meiner Sammlung ist wie höchstwahrscheinlich auch Deins vermutlich eine neuere Anfertigung.

Rundamulett (Ø 56 mm) mit quadratischem Mittelloch
Av.: Zwei Drachen hintereinander
Rv.: 金玉满堂 (in Siegelschrift) „jin yu man tang“ = „Eine Halle voll Gold und Jade“ (Laotse)
(vgl. YLL 438; vgl. CHX 1395; vgl. LZH p. 262)
Mit Gold und Jade ist natürlich zunächst Reichtum gemeint, aber Gold läßt sich auch als Reichtum an Söhnen und Jade an Töchtern auffassen.

Gruß

chinamul
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Marius
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Beitrag von Marius » Sa 27.10.07 18:58

Hallo chinamul,

erstmal herzlichen Dank für die Antwort.
Laut Münzlexikon von Tyll Kroha handelt es sich bei Amuletten, "um Münzen, die als Schutzmittel gegen Unfall, Krankheit..." getragen wurden "oder die bestimmte Fähigkeiten, Glück oder geistige und körperliche Verfassung stärken sollten".
Für mich ist das numismatisch ein ganz neues Thema. Waren diese "Münzen" also zumindest auch offizielle Zahlungsmittel?
Ich halte - ohne Experte für chinesische Numismatik zu sein - das Stück nicht für wirklich "alt". Gab es da "spätere" Nachprägungen oder kann man diese auch als Fälschung ansehen?

Viele Grüße
Marius

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chinamul
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Beitrag von chinamul » Sa 27.10.07 19:50

Das sind zum Teil recht schwierig zu beantwortende Fragen.

Die Stücke sind in aller Regel gegossen, auch die neueren Anfertigungen.

Es gibt noch eine feinere Unterscheidung für die Stücke, nämlich in Amulette und Talismane, wobei das Amulett ein Abwehrmittel gegen böse Einflüsse ist und der Talisman ein Glücksbringer. Beide Aspekte werden bei den chinesischen "Zaubermünzen" bedient. Ich selbst bekenne mich schuldig, diese Unterscheidung nicht vollzogen zu haben, so daß ich nur von Amuletten rede, obwohl unsere beiden Teile genaugenommen Talismane sind.
Weil die Chinesen ein traditionsbewußtes Volk und außerdem sehr geschäftstüchtig sind, haben sie immer wieder beliebte Amulette nachgegossen, neuerdings wohl auch, um ein zunehmendes Interesse des Auslandes an der alten chinesischen Kultur zu bedienen.

Hier ein Auszug aus einem Text, den ich vor einigen Jahren zu diesem Thema verfaßt habe und der Deine Fragen hoffentlich befriedigend beantwortet.

CHINESISCHE AMULETTE
Die Grenzen zwischen chinesischen Münzen und Amuletten sind fließend. Zwar gibt es leicht als solche erkennbare Amulette in sehr unterschiedlichen Formen, andere aber sehen für den unkundigen Betrachter wie echte münzliche Zahlungsmittel aus. Wie diese haben sie dann das für ältere chinesische Münzen charakteristische quadratische Mittelloch und die vier über Kreuz angeordneten Schriftzeichen. Hinzu kommt, daß viele Amulette als sogenannte Palastmünzen, die zu besonderen Anlässen vom kaiserlichen Hof an den Hofstaat verteilt wurden, sogar die Vorderseiten offizieller Geldstücke aufweisen. Schließlich zeigen immer wieder auch reguläre Umlaufmünzen durch jene Dunkelung und sanfte Glätte, die auch als Schweißpatina bezeichnet wird, und durch Abnutzungsspuren im Mittelloch, die das jahrzehntelange Tragen an einer Schnur bei ihnen hinterlassen haben, ganz deutlich, daß sie einen Chinesen ein Leben lang als Amulett begleitet haben müssen. Möglicherweise war er nur nicht in der Lage gewesen, ein wirkliches Amulett zu erwerben. Denkbar ist aber auch, daß er des Lesens und Schreibens unkundig war und deswegen eine ältere Münze für ein Amulett gehalten hat. Immerhin entspricht schon die bloße Form einer Münze mit ihrem quadratischen Mittelloch der traditionellen chinesischen Vorstellung vom Universum, derzufolge der Himmel rund ist und die Erde viereckig. Berichten von Sino-Numismatikern zufolge liefen überdies in China zusammen mit gültigen Münzen unbeachtet auch geldähnliche Amulette mit um, und unter hunderten von auf Schnüren aufgezogenen Münzen findet sich gelegentlich auch einmal ein echtes, wenn auch nicht auf den ersten Blick als solches erkennbares Amulett.
Angesichts all dieser Sachverhalte darf die Amulettkunde wohl mit einigem Recht als Nebengebiet der chinesischen Numismatik und damit als Teil derselben bezeichnet werden, erweist sich doch, wie schon gesagt, häufig erst bei sehr genauem Hinschauen und Entziffern der Zeichen, daß man ein Amulett und nicht etwa eine Münze vor sich hat. Bannsprüche gegen Dämonen, Wünsche für Frieden, Reichtum, ein langes Leben, geschäftlichen Erfolg, Glück in allen erdenklichen Lebenslagen, das Bestehen der für lukrative Beamtenkarrieren erforderlichen Staatsprüfungen und reichen Kindersegen, besonders an Knaben, sind nur einige Beispiele für die Variationsbreite der auf Amuletten anzutreffenden Inschriften. Dennoch ist bei aller Vielfalt eine gewisse Formelhaftigkeit der Legenden festzustellen. Damit hat auch der interessierte Nichtsinologe eine Chance, sich schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit einige typische, immer wieder anzutreffende Zeichenkombinationen und deren Bedeutung einzuprägen.

Gruß

chinamul
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Beitrag von Marius » So 28.10.07 11:06

Vielen Dank, chinamul!
Gruß
Marius

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