Zwei weitere chinesische Amuletten (?)

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caspar1980
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Zwei weitere chinesische Amuletten (?)

Beitrag von caspar1980 » Mi 01.09.10 16:17

Hallo zusammen (speziell auch chinamul),
vielen Dank für die Anregungen zu dem chinesischen Amulett, dass ich kürzlich eingestellt habe. Entschuldigt die späte Reaktion. Der Zufall wollte es, dass ich bald darauf von demselben Verkäufer ein weiteres Amulett für etwa 4 Euro erwerben konnte. Als ich wegen der Bezahlung mit ihm Kontakt aufnahm, meinte er nebenbei, dass er auch noch ein drittes besässe, dass er mir für den gleichen Preis verkaufen könnte, wenn ich das wollte. Er persönlich könne jedenfalls nichts damit anfangen und wisse auch nicht genau, um was es sich dabei handeln würde. Wie auch immer, ich möchte nun die Gelegenheit nutzen um euch zu fragen, was ich da genau gekauft habe. Kann jemand etwas zu den Schriftzeichen sagen, bzw. hat jemand eine Ahnung wie alt die beiden Amulette (?) in etwa sein könnten?

Bild 1 und 2: Durchmesser: 60 mm / Gewicht: 112 g / Material: Messing (?), teiweise etwas abgenutzt
Bild 3 und 4: Durchmesser: 59 mm / Gewicht 104 g / Material: Messing (?), ebd.

Vielen Dank schon mal im Voraus für allfällige Anregungen.
Dateianhänge
CHina 21.JPG
China 1.JPG
China 4.JPG
China 3.JPG

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chinamul
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Re: Zwei weitere chinesische Amuletten (?)

Beitrag von chinamul » Mi 01.09.10 23:49

Amulett 1:
Av.: 宣统通宝 „xuan tong tong bao“ = „Gültige Währung der Regierungsperiode Xuan-tong“; unter dem Titel „Xuan-tong“ regierte der letzte Kaiser Xuan Tong (persönlicher Name: Pu Yi) 1908 – 1911. Abb. der Vorderseite wieder auf dem Kopf stehend!
Rv.: 天下太平 „tian xia tai ping“ = „Ein Reich im Frieden“

Amulett 2:
Av.: 康熙通宝 „kang xi tong bao“ = „Gültiges Geld der Regierungsperiode Kang-xi“; „Kang-xi“ war der Regierungstitel des Qing-Kaisers Sheng Zu (1662 – 1722). Auf dem Rand Glückssymbole
Rv.: Neben dem Mittelloch in mandschurischen Schriftzeichen rechts die Münzstätte und links der Gültigkeitsvermerk; auf dem Rand, beginnend bei 11.30 Uhr, 荣华富贵 „rong hua fu gui“ = „Wohlergehen, Reichtum und Ansehen“
Beide Abbildungen auf dem Kopf stehend!

Gruß

chinamul
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Re: Zwei weitere chinesische Amuletten (?)

Beitrag von caspar1980 » Do 02.09.10 06:29

Vielen Dank auch dieses mal für die schnelle und äusserst genaue Hilfe.

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Re: Zwei weitere chinesische Amuletten (?)

Beitrag von caspar1980 » Do 02.09.10 11:05

Besteht die Möglichkeit, dass diese drei Amulette tatsächlich original, sprich aus der jeweiligen Zeitepoche sind? Und vielleicht noch eine weitere Frage, die mich in diesem Zusammenhang interessieren würde. Wenn auf dem AV steht "gültiges Geld...", entsprachen diese Amulette tatsächlich einem Münzwert? Ich habe immer gedacht, dass Medaillen, Amulette, etc. numismatisch gesehen keine Münzen darstellen.
Vielen Dank schon mal für eine mögliche Antwort.

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Re: Zwei weitere chinesische Amuletten (?)

Beitrag von chinamul » Do 02.09.10 19:07

Hallo caspar1980!
Vielleicht beantwortet der folgende Auszug aus dem Vorwort zu meinem Katalog Amulette Chinas und seiner Nachbarländer Deine dringendsten Fragen:

CHINESISCHE AMULETTE
Die Grenzen zwischen chinesischen Münzen und Amuletten sind fließend. Zwar gibt es leicht als solche erkennbare Amulette in sehr unterschiedlichen Formen, andere aber sehen für den unkundigen Betrachter wie echte münzliche Zahlungsmittel aus. Wie diese haben sie dann das für ältere chinesische Münzen charakteristische quadratische Mittelloch und die vier über Kreuz angeordneten Schriftzeichen. Hinzu kommt, daß viele Amulette als sogenannte Palastmünzen, die zu besonderen Anlässen vom kaiserlichen Hof an den Hofstaat verteilt wurden, sogar die Vorderseiten offizieller Geldstücke aufweisen. Schließlich zeigen immer wieder auch reguläre Umlaufmünzen durch jene Dunkelung und sanfte Glätte, die auch als Schweißpatina bezeichnet wird, und durch Abnutzungsspuren im Mittelloch, die das jahrzehntelange Tragen an einer Schnur bei ihnen hinterlassen haben, ganz deutlich, daß sie einen Chinesen ein Leben lang als Amulett begleitet haben müssen. Möglicherweise war er nur nicht in der Lage gewesen, ein wirkliches Amulett zu erwerben. Denkbar ist aber auch, daß er des Lesens und Schreibens unkundig war und des-wegen eine ältere Münze für ein Amulett gehalten hat. Immerhin entspricht schon die bloße Form einer Münze mit ihrem quadratischen Mittelloch der traditionellen chinesischen Vorstellung vom Universum, derzufolge der Himmel rund ist und die Erde viereckig. Berichten von Sino-Numismatikern zufolge liefen überdies in China zusammen mit gültigen Münzen unbeachtet auch geldähnliche Amulette mit um, und unter hunderten von auf Schnüren aufgezogenen Münzen findet sich gelegentlich auch einmal ein echtes, wenn auch nicht auf den ersten Blick als solches erkennbares Amulett.
Angesichts all dieser Sachverhalte darf die Amulettkunde wohl mit einigem Recht als Nebengebiet der chinesischen Numismatik und damit als Teil derselben bezeichnet werden, erweist sich doch, wie schon gesagt, häufig erst bei sehr genauem Hinschauen und Entziffern der Zeichen, daß man ein Amulett und nicht etwa eine Münze vor sich hat. Bannsprüche gegen Dämonen, Wünsche für Frieden, Reichtum, ein langes Leben, geschäftlichen Erfolg, Glück in allen erdenklichen Lebenslagen, das Bestehen der für lukra-tive Beamtenkarrieren erforderlichen Staatsprüfungen und reichen Kindersegen, besonders an Knaben, sind nur einige Beispiele für die Variationsbreite der auf Amuletten anzutreffenden Inschriften. Dennoch ist bei aller Vielfalt eine gewisse Formelhaftigkeit der Legenden festzustellen. Damit hat auch der inter-essierte Nichtsinologe eine Chance, sich schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit einige typische, immer wieder anzutreffende Zeichenkombinationen und deren Bedeutung einzuprägen. Wirklich schwierig wird es jedoch, wenn die Inschriften in epigrammatischer Kürze Bezug nehmen auf spezielle Sachverhalte aus der alten chinesischen Geschichte, der Religion, der Literatur oder der Mythologie. Dann bleiben auch demjenigen, der sich ernsthaft mit der Materie beschäftigt, häufig die wahren Inhalte der Aussagen ver-schlossen, selbst wenn es ihm mit Hilfe von Wörterbüchern gelingen sollte, die einzelnen Schriftzeichen zu lesen und sogar zu einer ihm sinnvoll erscheinenden Übersetzung zu gelangen.
Ähnlich verhält es sich mit den Bildern auf den Amuletten. Da für den Chinesen praktisch alle Tiere und Pflanzen, aber auch viele Gegenstände eine über ihre rein physische Erscheinungsform hinausgehende Bedeutung haben, sind die abgebildeten Dinge praktisch niemals nur das, was sie für uns Europäer auf den ersten Blick zu sein scheinen. So gibt es eine Unzahl von verborgenen Hinweisen, die es dem Chine-sen ersparen, die Dinge direkt beim Namen zu nennen. Er drückt das, was er zu sagen hat, eben gern „durch die Blume“ aus, also gewissermaßen eher rebus als verbis, besonders auch bei Geschenken wie etwa Amuletten. Dadurch nämlich wird deren Empfänger genötigt, sich eingehender mit der Gabe zu befassen, wenn er eine auf diese Weise chiffrierte Botschaft entschlüsseln möchte. Andererseits schmeichelt man so dem Beschenkten, daß man ihn für belesen genug hält, die Bildaussage auch zu deuten.
Sehr häufig wird auch Gebrauch gemacht von Homonymen, also gleichlautenden Bezeichnungen, um einen Sachverhalt oder Wunsch auszudrücken. Dem kommt eine Eigenart des Chinesischen sehr entge-gen: Im Vergleich zu der großen Zahl der Schriftzeichen und Wörter ist der Silbenvorrat im Chinesischen eher begrenzt, so daß eine gesprochene Silbe mitunter eine ganze Reihe von Bedeutungen haben kann, die auch mit unterschiedlichen Schriftzeichen wiedergegeben werden. Das Wort für Geldeinkünfte beispielsweise lautet, ebenso wie das für den Hirsch, „lu“. Wird nun auf einem Amulett ein Hirsch abgebildet, so ist in aller Regel auch der Wunsch für ein gutes Einkommen damit gemeint. Durch ein entsprechendes, oft kunstvolles Arrangement von Dingen, Pflanzen oder Tieren lassen sich sogar recht komplexe Aus-sagen machen.
Bemerkenswert ist auch der Glaube der Chinesen an die Wirkkraft von Geschriebenem, besonders dann, wenn es in den „magischen“ Schriftzeichen niedergelegt wurde. Der häufig anzutreffende „Donnerbefehl“ (s. Tafel 67ff.) gegen Dämonen im Namen von Tai Shang Lao Jun (Laotse) etwa ist ein typisches Beispiel für dieses Vertrauen, ebenso wie die zum Teil mehrdutzendfachen Wiederholungen der Schriftzeichen 福 „fu“ = „Glück“ und 寿 „shou“ = „Langlebigkeit“ (s. Tafel 137ff.) in den unterschiedlichsten Siegelschriftvarianten auf ein und demselben Amulett. Bilder sind für den Chinesen eben nicht einfach nur Bilder, und Geschriebenes ist nicht nur Geschriebenes, sondern mit beiden läßt sich auf den Lauf der Dinge Einfluß nehmen.
Entgegen der vielgeäußerten Ansicht, wie sie in der generalisierenden Bezeichnung „Tempelmünzen“ für die Amulette zum Ausdruck kommt, daß sie sämtlich in den Klöstern von Mönchen selbst gegossen und an Pilger verkauft wurden, wird man zumindest die nichtreligiösen Stücke vielfach auch in kleineren lokalen Gießereien neben allerlei Gerätschaften des täglichen Gebrauchs hergestellt haben. Das würde übrigens auch die höchst unterschiedliche Guß- und Metallqualität sonst gleichartiger Exemplare erklären. In Ermangelung der originalen Patrize scheint man oftmals von einem mehr oder weniger abgenutzten Stück einen Abdruck genommen zu haben, der nötigenfalls noch in einzelnen Partien nachgeschärft und dann zur Herstellung einer neuen Patrize verwendet wurde. Dieses Nacharbeiten sowie das Schrumpfen des erkaltenden Metalls in der neuen Gußform führte dabei vermutlich zu der zu beobachtenden Vielzahl an unterschiedlichen Größen und Varianten ein und desselben ursprünglichen Entwurfes. Verschieden breite Ränder und zusätzliche Randlinien bei im übrigen identischen Stücken stellten weiter keine größeren Anforderungen an die Kunstfertigkeit der Gußformenhersteller und kommen demzufolge ebenfalls recht häufig vor.
Gegen das Ende der Qing-Dynastie im 18. und 19. Jahrhundert scheint eine Fertigung von Amuletten in guter Qualität auch an den zahlreichen offiziellen Münzstätten des Reiches stattgefunden zu haben.


Gruß

chinamul
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Re: Zwei weitere chinesische Amuletten (?)

Beitrag von caspar1980 » Sa 04.09.10 11:29

Doch, tönt sehr spannend.Vielen Dank.

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